Amon Düll II – Phallus Dei (1969)

FrontCover1Das Erstlingswerk von Amon Düll II wird bis heute z.T. euphorisch gefeiert:

Rhythmuswechsel, Rückkopplungen, afrikanische Bongos, bayerisches Gejodel. Amon Düül 2 experimentieren Ende der 60er in München nicht nur mit Drogen, sondern auch mit Sounds. Und krempeln damit die komplette Musikgeschichte um.

Ein muffiger Second-Hand-Laden in London. Aus irgendeiner Wühlkiste ziehe ich die abgewetzte Hülle von „Phallus Dei“ – ein Album, von dem mir immer wieder erzählt wurde, wie wahnsinnig wichtig es doch ist. Das abgenudelte Vinyl in meinen Händen soll nur zwei Pfund kosten – kann man ja mal mitnehmen. Zuhause lege ich das Debütalbum von Amon Düül 2 dann auf den Plattenteller, setze die Nadel auf und höre erstmal nur düsteres Geschepper.
Erster Reflex: In den Müll mit dem Teil

Als dann diese leicht indisch angehauchte Hippie-Gitarre in das Intro weht, haben mich Amon Düül 2 erstmal verloren. Das ist so derartig klischeehafte 60er-Psychedelik, dass ich die Platte am liebsten sofort aus dem Fenster schmeißen will. Aus irgendeinem Grund tu ich es aber nicht. Und nach knapp einer Minute nimmt das Stück mit dem großen Namen „Kanaan“ richtig Fahrt auf.

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Die Stimme setzt ein, und ich verstehe kein Wort. Ist das Englisch? Ist das Bairisch? Ist das überhaupt irgendeine Sprache? Amon Düül 2 werfen erstmal Fragen auf. Und damit sind wir mittendrin in dem Kosmos – dem Paralleluniversum – das sich die Band von der Münchner Leopoldstraße geschaffen hat. Auf „Phallus Dei“ geht es um alles – nur nicht um Musik, die man nebenbei hören kann. Amon Düül 2 machen vor allem eines: verstören.

Aber der Wahnsinn hat Methode. Als in den 60ern auf der Straße die Studentenproteste toben, gründet sich in einer Schwabinger Hippie-Kommune Amon Düül. Allerdings ist sich das Kollektiv nicht einig. Die einen glauben, dass jeder Musik machen kann und lassen alle in der Band mitspielen. Die anderen finden, dass Kunst immer noch von Können kommt. Und nennen sich fortan Amon Düül 2. Gleich mit ihrem ersten Album „Phallus Dei“ krempeln sie 1969 die Musikgeschichte um. Statt einfach dilettantisch drauf los zu machen, experimentiert die Band auf dem Album. Und plötzlich reden alle von der neuen Musik aus Germany: Krautrock.

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Krautrock – wie in einem Labor hantieren Amon Düül 2 mit Rückkopplungen, experimentieren mit Rhythmuswechseln, werkeln mit verschiedensten Einflüssen: Afrikanische Bongos treffen plötzlich auf bayerisches Gejodel. Amon Düül 2 schmeißen das Regelwerk des Rock über Bord, stellen alles in Frage und prägen damit bis heute Bands wie die Battles, Animal Collective aber auch Munk oder Chk Chk Chk. „Phallus Dei“ endet mit dem 20-minütigen Titelstück, die Platte läuft aus und es bleibt nur noch ein Knistern … (Philipp Laier)

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Und ausnahmsweise noch eine Besprechung aus dem fernen USA, die sich auch überschlägt (4,5 von 5 möglichen Punkten!)

„Kanaan“ starts the album wonderfully, a melange of rumbling rock power, strings and sitars, Christian „Shrat“ Thiele’s almost Bowie-ish vocals with Renate Knaup’s wordless chanting in the background, that’s just as intoxicating many years after its first appearance as it was upon release. The slightly jazzy concluding minute avoids sounding forced, blending in beautifully with the song’s general flow. „Dem Guten, Schoenen, Wahren“ takes a truly wacked-out turn, with Meid’s bizarre falsetto coming to the fore, swooping around the main melodies without regard for them in yelps and chants, while the music chugs along in what almost sounds like a beer-hall singalong at points, taking a more haunting, beautiful turn at others (the heavily produced violins are an especially spooky touch). „Luzifers Ghilom“ brings out the psych-folk origins of the band a bit more with Shrat’s bongos, while the rest of the band pulls off a nicely heroic rock piece that never sounds too inflated or stupid, with appropriately nutty vocal breaks and interjections along the way — the sublime and the ridiculous never sounded so good together.

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„Henriette Krotenschwanz“ ends the first side with a brief choral military march (if you will). The title track takes up the remainder of the album, a complex piece which never loses a sense of fun while always staying musically compelling. After a quiet start, the opening minutes consist of a variety of drones and noises constantly brought up and down in the mix, leading to a full band performance that builds and skips along with restrained fuzz power.

Hüllentext

Hüllentext … so ist das also … 

Everything builds to a sudden climax halfway through, where all the members play a series of melodies in unison, while drums pound in the background. After a quick violin solo, everything settles into a fine percussion jam, with the full band kicking in shortly thereafter. With Karrer’s crazed vocals showing where Mark E. Smith got some good ideas from, Phallus gets the Düül II career off to a flying start. (by Ned Raggett, allmusic.com)

Also, hereinspaziert in diese ganz eigene kosmische Welt jener durchgeknallten Truppe, die Ende 60er Jahre sich anschickten, Musikgeschichte zu schreiben.

Ach ja: produziert wurde dieses Meilenstein-Album von Olaf Kübler !

BackCover

Besetzung:
Dave Anderson (bass)
Christian Borchard (vibraphone)
Chris Karrer (violin, guitar, saxophone, vocals)
Renate Knaup (vocals, percussion)
Peter Leopold (drums)
Falk Rogner (organ)
Dieter Serfas (drums)
Shrat (percussion, vocals, violin)
Holger Trülzsch (drums)
John Weinzierl (guitar, bass)

Booklet

Titel:
01. Kanaan 4.02
02. Dem guten, schönen, wahren 6.12
03. Luzifers Ghilom 8.34
04. Henriette Krötenschwanz 2.04
05. Phallus Dei 20.51
+
06. TouchMaPhal 10.18
07. I Want The Sun To Shine 10.30

Musik und Texte:
Dave Anderson – Christian Borchard – Chris Karrer – Renate Knaup – Peter Leopold – Falk Rogner – Dieter Serfas – Shrat – Holger Trülzsch – John Weinzierl

LabelB1

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KaupKarrer2015

Renate Kaup & Chris Karrer, 2015

 

2 Gedanken zu “Amon Düll II – Phallus Dei (1969)

  1. Nach „Psychedelic Underground“ von Amon Düül – mit der Uschi Obermeier an den Maracas – war der Name für weitere musikalische Werke verbrannt. Dann erschien Phallus Dei. Warum heisst die band jetzt plötzlich Amon Düül II?
    Phallus Dei war zwar besser hörbar, aber so richtig gut gewirkt hat erst „Tanz der Lemminge“.
    Mein Lieblingsalbum bis heute ist jedoch „Made in Germany“ von 1975 geblieben.

  2. Exakt so eine Pressung habe ich auch – und ebenfalls aus der Grabbelkiste entnommen (1 Euro). Grund: Beschädigtes Cover und permanentes lautes Knistern. Macht aber nix, das Album ist großartig und billiger kommt man an ein Düül-Album wohl kaum ran. Aufgrund der ansonsten hohen Preise auch bis heute mein einziges Album. Aber zugegeben: Wahrlich Geschmackssache….

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