Eberhard Schoener – Events (1980)

Was haben Horst Tappert und Eberhard Schoener gemeinsam? Nun, beide kennt das breite Publikum mehr oder weniger ausschließlich durch den Fernsehkrimi Derrick. Schoeners berühmtes Thema hat sich eingebrannt in das kollektive Gedächtnis der Republik. Den Stuttgarter dermaßen zu reduzieren kommt dennoch einer Todsünde gleich. Denn sowohl in der elektronischen Avantgarde als auch in der Verschmelzung von Klassik mit Populärmusik ist der vielseitige Komponist ein weltweit anerkannter Pionier.

Geboren 1938 studiert er von 1954 bis 1959 Violine und Chorleitung an der Nordwestdeutschen Musikakademie Detmold. Seit den 60er Jahren wirkt er als klassischer Violinist und Operndirigent. 1965 gründete er die Münchener Kammeroper. Ausgehend von der Klassik experimentiert er seitdem mit verschiedensten Musikrichtungen. Es reicht ihm nicht, nur eines Musikherrn Diener zu sein. Die Vision, gänzlich neue Klänge zu erschaffen, tritt immer dominanter in den Vordergrund.

Vor allem die bis dato kaum genutzte Elektronik hat es ihm angetan. Entsprechend richtet er 1968 in den Bavaria Studios ein eigens gegründetes Experimentallabor für rein elektronische Musik ein. Ab diesem Zeitpunkt ist Schoener der erste Deutsche, welcher bereits einen Moog Synthesizer besitzt und nutzt. Mit diesem Moog spielen später auch Popol Vuh und bis heute Klaus Schulze.

Ebenso ist er der erste Künstler weltweit, der ein Meditationsalbum herausbringt, welches auf rein elektronischer Instrumentierung basiert (Meditation 1973). Die hier errungenen Erkenntnisse des schwäbischen Schöngeistes münden in den 70ern in Fusionen orchestraler Klänge mit Synthies und unbearbeiteten Naturaufnahmen. Das hieraus entstehende Album Bali-Agúng 1975 darf man heute getrost als Geburtsstunde der Weltmusik begreifen.

Doch auch das bisher erreichte lässt den ruhelosen Entdecker musikalischer Landschaften nicht inne halten. Mit angesagten Hardrockbands der damigen Zeit, wie z.B. Deep Purple oder Procul Harum ebnet er der Synthese aus Klassik und Rock den Weg in die Ohren der Hörer. Auf „Flashback“ arbeiten auch Pop-Ästheten wie Sting oder Andy Summers lang vor ihrem internationalen Durchbruch mit Police mit dem Deutschen an einer Variante zwischen Eingängigkeit und Avantgarde.

Der Ausflug in scheinbar rein kommerzielle Gefilde ist für den Süddeutschen dabei kein Widerspruch. Neben Derrick oder Siska komponiert er beispielsweise auch den Soundtrack für die 80er Jahre Seifenoper „Das Erbe Der Guldenburgs“. Bis in die Gegenwart unternimmt er stets aufs Neue den Versuch, Experimentalklänge und Pop miteinander zu versöhnen. „Meine Botschaft ist die Musik. In meinem Leben versuche ich, eine genuine Form zeitgenössischer Musik zu schaffen, in der sich Oper, Jazz, ethnische und elektronische Musik miteinander verbinden. Emotionalität ist mein Credo.“ (laut.de)

Auf der Suche nach den wahren Gefühlen!
Dieses leider bisher noch nicht auf CD erschienene Ambient- Album des Klangsuchenden Eberhard Schoener begibt sich frei nach Proust’s „A la Recherche du Temps Perdu“ auf die Suche nach den „wahren“ Gefühlen. Es entstehen sehr intime, persönliche Stimmungsbilder, die – bis auf Gam-Bang“ – wie in Zeitlupe als akustische vokale (Seite A) und instrumentale (Seite B) Kurzfilme in unterschiedlichen Klangfarben vor dem Zuhörer ablaufen. Diese intensive musikalische Spurensuche durch tiefe Gefühlswelten wird hauptsächlich von Synthy-Klängen, teilweise mit Orchester-,Trompeten- oder Gitarren-Tupfern unterlegt, geprägt.

Das außergewöhnlich Gammelanstück „Gam-Bang“ ab Ende der Seite A sticht aus der nachdenklich stimmenden Gesamtatmosphäre mit seinem fast tanzbaren percussiven Drive heraus. Für mich der Höhepunkt des Gesamtwerks von Eberhard Schoener.

Alternatives Front+Back Cover:

Erwähnenswert ist, daß „When Colours Die“ – gesungen von der „Dark Side Of The Moon“- Sängerin Clare Torry – in der Derrick- Folge „Gregs Trompete“ das kurze Licht der großen TV- Öffentlichkeit erblickte .

Hier noch ein vielaussagendes Zitat von Schoener zu seiner sehr spezielle Art von Musik: „My message is the music. The goal of my life is to create an original form of contemporary music in which the opera, jazz, ethnical and electronic music melt together. I believe in emotionality.“

Diese Mischung von Elektronik, Klassik, Ethno und Pop ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber für mich war die Entdeckung dieser Platte „damals“ eine Offenbarung – und es ist mit Sicherheit keine verlorene Zeit, sich in dieser sonderbaren, vergessenen Welt zu verlieren. Ein „Ereignis“?!?! (Mr. Upduff)

Und besonders gefreut hat mich dann noch, dass es auf dieser LP zu einer weiteren Begegnung zwischen Eberhard Schoener und dem Drummer Pete York kam. Und York hatte gleich noch Musiker von seiner damaligen Formation „Pete York´s New York“ mit im Gepäck, als da wären Steve Richards und Roger Munns. Und auf „Events – A La Recherche Du Temps Perdu“ kann man sie dann gemeinsam mit dem unverwüstlichen Olaf Kübler zaubern hören.

Besetzung:
I Gistu Putu Alit (ching, percussion)
Ian Bairnson (guitar)
Evert Fraterman
Olaf Kübler (saxophone)
Roger Munnis (piano)
Morris Pert (synthesizer, percussion)
Furst Agong Raka (gong, percussion)
Rai Raka (gong, percussion)
Steve Richardson (bass)
I Nyoman Sadra (suling)
Eberhard Schoener (synthesizer, mellotron, piano, violin)
I Ketut Tama (gong, percussion)
Clare Torry (vocals)
Pete York (drums)

Titel:
01. Fairlight 80 4:20
02. Margret – A L’Ombre De Jeunes Filles En Fleurs 7:10
03. When Colours Die 4:00
04. Gam-Bang 7:07
05. Events – A La Recherche Du Temps Perdu 11:06
06. Inversion 5:12
07. Magical Echoes – Le Temps Retrouvé 5:46

Kompositionen: Eberhard Schoener (mit Morris Pert bei 01.)

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