Ludwig Manfred Lommel – Das Neueste aus Runxendorf (1969)

frontcover1Er galt und gilt vielleicht auch noch als er größte schlesische Humorist im letzten Jahrhundert:

Dem Ludwig Manfred Lommel (* 10. Januar 1891 in Jauer/Niederschlesien; † 19. September 1962 in Bad Nauheim) ) war die Komik keineswegs in die Wiege gelegt:

Geboren am 10. Januar 1891 im schlesischen Jauer, wuchs er in Neukirch an der Katzbach (heute Nowy Kosciol) auf, wo sein Vater eine Tuchfabrik betrieb. Für künstlerische Ambitionen war in dieser Welt kaum Raum, doch während seiner kaufmännischen Ausbildung in Bremen nahm Lommel heimlich Schauspielunterricht. Sehr zum Missfallen des Vaters, der ihn prompt nach Manchester verbannte, wo er in der gestrengen Obhut von väterlichen Geschäftsfreunden weiter lernen und arbeiten sollte. Aber auch hier ließ er sich nicht davon abhalten, nebenher Theater zu spielen, was zum völligen Zerwürfnis mit seinen Eltern führte.

Mittellos reiste er in seine Heimat zurück, wo er sich unter sehr bescheidenen Umständen mit ersten solistischen Auftritten verdingte, wie er später selbst schilderte: „Ganz einfach, ich nahm ein Fahrrad und fuhr damit von Dorf zu Dorf. Ich war mein eigener Plakatankleber, mein eigener Billettverkäufer und Kontrolleur, mein eigener Vorhangzieher und natürlich auch mein eigener Vortragskünstler mit eigenem Repertoire. Zwei Stunden lang musste ich allein das Programm in dem jeweiligen Dorfgasthaus oder Gerichtskretscham bestreiten, bis meine lieben Bauern eingeschlafen waren, sofern das nicht schon beim Hochziehen des Vorhangs der Fall war.“
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Siegfried Klupsch (links) und Ludwig Manfred Lommel in dem Sketch „Pauline im Wohlfahrtsamt“ in der Berliner Scala 1937.

Nach dem ersten Weltkrieg, den Lommel als Offizier der Reserve überstand, versuchte er noch einmal, einem Beruf fernab des Künstlertums nachzugehen und als Weinhändler Fuß zu fassen. Er blieb wohl der bessere Humorist, begann von Neuem zu tingeln und wurde für die Schlesische Funkstunde verpflichtet. Für dieses Engagement erfand er „Runxendorf auf Welle 0,5“, betrieben vom Ehepaar Pauline und Paul Neugebauer und vom Kutscher „Herrmoann“, der auch – wenn nötig – am Klavier begleitete: „Wenn Rom auch nicht an einem Tag erbaut worden ist, so ist Runxendorf doch in einer Nacht entstanden. […] Es ging mir damals nicht gerade gut, als der Breslauer Sender mir eines Abends auftrug, eine ganz neue Sache zu bringen. Das war eine große Chance. Also setzt ich mich noch in derselben Nacht hin, und da fiel mir das alles ein, was Sie als 50. Stiftungsfest der Freiwilligen Feuerwehr zu Runxendorf kennen. Die Funkleute wollten zuerst gar nicht an das Zeug heran. Aber dann konnte ich auf einmal nicht genug Neuigkeiten aus Runxendorf fabrizieren.“

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Dieser Fantasieort Runxendorf mit seinen teils autobiographisch beeinflussten Geschichten und Gesichtern – wie dem Kantor Stockschnupfen oder dem Baron Rülps von Kullrich – wurde zu Lommels Dauerbrenner. In den Hörspielen, die als Mehrpersonensketche angelegt waren, lieh Lommel bis zu zwölf verschiedenen Figuren seine wandlungsfähige Stimme. Seine Fähigkeiten ließen ihn nach dem Funkdebüt 1924 zu einem der beliebtesten Humoristen des Radios aufsteigen.

1927 folgten die ersten von zahlreichen Schallplattenaufnahmen, hier wie auf Live-Tourneen gab bis zu seinem frühen Tod Siegfried Klupsch den Klavierbegleiter und Herrmoann.

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Filmbildkarten aus den 30er Jahren

Lommels Karriere führte ihn auf Gastspielreisen durch zahlreiche Städte Deutschlands bis nach Berlin, wo er an verschiedenen Theatern tätig war. Auch die Filmbranche wurde vorstellig und engagierte ihn allein bis zum Kriegsende für zwölf Streifen, darunter vier Spielfilme. Er betätigte sich als Autor, ab September 1938 auch als Theaterleiter am Großen Lustspielhaus in der Friedrichstraße.

In der Nachkriegszeit engagierte sich Lommel in besonderer Weise für seine heimatvertriebenen schlesischen Landsleute. Er war stolz, als ihm Bundespräsident Theoder Heuss Mitte 1956 für seine „Lommel-Hilfe“ das Bundesverdienstkreuz erster Klasse verlieh. Sein Name zog nachwievor, seine Auftritte waren bestens besucht: Er gastierte als „Hauptmann von Köpenick“ an mehreren deutschen Bühnen, trat im Zirkus auf, kam mit der „Christel von der Post“ (1956) noch einmal auf die Leinwand und arbeitete für viele deutsche Rundfunksender

Während einer seiner Gastspielreisen starb Ludwig Manfred Lommel am 19. September 1962 in Bad Nauheim. Lommel war zweimal verheiratet und hatte fünf Kinder, die teils in künstlerischen Berufen die Familientradition eines großen Humoristen fortführten … .(Josef Westner)

Und das waren dann:
Hans (1916–2000)
Ruth Lommel (1918–2012) war Schauspielerin
Werner (1922–1944), im Zweiten Weltkrieg hingerichtet
Ulli Lommel (* 1944) ist Schauspieler und Regisseur
Manuel Lommel (* 1949) ist Kameramann

Und hier hören wir zum einen das keifende Ehepaar Paul und Pauline Neugebauer, aber wir hören auch den die Obrigkeiten und auch das Militär verulkenden Lommel  … von daher ist er einer jener „anarchistischen“ Unterhaltungskünstler der 30er Jahren … der wohl als Mitläufer den Nationalsozialismus überlebt hat ….

Und wir hören diesen gewaltigen Stimmakrobaten Lommel … teilweise unglaublich (z.B bei „Meinen sie nicht, daß das stört“ dem definitiven Höhepunktes dieser Doppel-LP)

Und auch wenn er nicht ganz an dem Karl Valentin herankommt … der Humor des Ludwig Manfred Lommel – auch wenn man ihn erstmal als „antiquiert“ abtun könnte – hat was zeitloses.

Die Aufnahmen entstanden zwischen 1928 und der Mitte dreißiger Jahre … und das feine Album stammt aus der Schallplattensammlung meines Vaters.

Und daher, eignet sich dieses Doppelalbum ganz gut … die Faschings und Karnevalszeit ausklingen zu lassen …

Und morgen beginnt dann die Fastenzeit, die wir hier in Bayern gerne mit Starkbier zelebrieren.

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Schellack-Aufnahmen aus den 30er Jahren

 Besetzung:
Ludwig Manfred Lommel (Sprecher bei allen Rollen)
+
Siegfried Klupsch (piano)
Werner König (piano)
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Titel:
01. Lachen in Runxendorf  6.09
02. Ärger mit dem Finanzamt 5.39
03. Pauline als Sekretärin 6.14
04. Pauline und der Kirschkuchen 3.00
05. Pauline geht schlafen 2.45
06. Neugebauer am Fahrkartenschalter 4.49
07. Neuestes aus Runxendorf  5.51
08. Dr. Paul Neugebauer hat Sprechstunde  5.31
09. Garnison Runxendorf 5.23
10. Pauline und die Gallenverkalkung 5.35
11. Lommels neueste Erfindung und sein Brief an Lehrer Stockschnupfen 5.16
12. Mein früherer Beruf 3.48
13. Pauline lernt schwimmen 6.08
14. Probesingen in Runxendorf 7.18
15. Pauline läßt sich scheiden 6.47
16. Meinen sie nicht, daß das stört 6.17
17. Bahnhof Runxendorf  5.31
18. Treibjagd in Runxendorf  5.59
19. Neugebauers hören Radio 5.24
20. Auf einer Bank 2.40
21. Und das war Pauline 3.10
22. Mir ist schon alles ganz egal 3.35
Texte: Ludwig Manfred Lommel
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Otto Reutter verfasste folgende Zeilen über Ludwig Manfred Lommel:

„Ihr saht den Lommel oft am Mikrophone stehen.
Der Hörer hört ihn, ohne ihn zu sehen.
Doch seine Neider verfolgen ihn mit Flüchen,
sie könn’n ihn – weder seh’n noch hör’n, sie könn’n ihn nicht ‘mal riechen.
Eins möcht‘ gern Prosa, das andre schätzt ein Liedchen.
Es ist unmöglich, alle zu befried’gen,
drum freut er sich, wenn jetzt Applaus ausbricht, –
bei uns am Rundfunk hört man’s leider nicht.“