Hans Egon Holthusen – Jenseits von Sieg und Niederlage (Rede auf Gottfried Benn) (1985)

TitelSo richtig warm geworden bin ich mit Gottfried Benn nie und seine Biographie … hm … zwiespältig ist sie allemal.

GOTTFRIED BENN galt in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts als avantgardistischer Lyriker. Nach einer kurzen Annäherungsphase an den Nationalsozialismus distanzierte er sich von diesem.

So umstritten BENN Zeit seines Lebens war, heute bewundert man ihn wegen seines umfangreichen Werkes, das eine große sprachschöpferische und stilistische Leistung darstellt und sowohl die Irrtümer als auch den Glanz und die Verfehlungen des vergangenen Jahrhunderts in einer Art und Weise widerspiegelt, dass BENN noch nach seinem Tod für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde.

BENN gilt als einer der bedeutendsten deutschen Dichter des 20. Jahrhunderts. Er schrieb v. a. Gedichte, Dramen, Erzählungen und Essays. Sein Frühwerk stand ganz im Zeichen des Expressionismus.

GOTTFRIED BENN wurde am 2. Mai 1886 als Sohn des protestantischen Pfarrers GUSTAV BENN und seiner Frau CAROLINE, geb. JEQUIER, in Mansfeld geboren. Er wuchs mit seinen sechs Geschwistern in eher dörflichen Verhältnissen auf.

Nach dem Abschluss des Gymnasiums begann BENN im Jahre 1903, wie vom Elternhaus erwartet, sein Theologie- und Philosophiestudium in Marburg bzw. Berlin. Aber bereits 1905 brach er dieses Studium ab, um sich ganz dem Medizinstudium zu widmen. 1910 wurde er mit dem Königlichen Preis der medizinischen Fakultät der Universität Berlin ausgezeichnet. 1911, nach Abschluss seines Studiums wurde er Unterarzt in der Berliner Charité. Nach seiner Promotion 1912 war er zunächst aktiver Militärarzt, aber schon 1912 nahm er Abschied von der Militärlaufbahn, hauptsächlich aus gesundheitlichen Gründen und arbeitete dann als Pathologe und Serologe an verschiedenen Berliner Krankenhäusern, so u. a. als Assistenzarzt am Krankenhaus Charlottenburg-Westend.

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Neben seiner eigentlichen Arbeit als Arzt versuchte BENN sich wiederholt auf schriftstellerischem Gebiet. Sein Frühwerk ist dem Expressionismus zuzuordnen. 1912 erregte er in avantgardistischen Kreisen mit seinem Gedichtband „Morgue“ Aufsehen. Grund dafür war sein Infragestellen der bis dahin üblichen Vorstellung von Lyrik. Seine Lyrik provozierte, indem er die menschliche Existenz als Banalität und ihren körperlichen Verfall darstellte. BENN schilderte in den Gedichten das Leben in all seiner Negativität und verarbeitete dabei seine Erfahrungen als Pathologe und Arzt, aus denen heraus er einen starken Zynismus entwickelte. BENNs Umgang mit der Sprache beeinflusste die expressionistische Lyrik.
1913 erschien, auch im Zusammenhang mit seiner Liebesbeziehung zu ELSE LASKER-SCHÜLER, die Gedichtsammlung „Söhne“. In diesem Band nahm BENN ein expressionistisches Generalthema auf: den Vater-Sohn-Konflikt.

Während des Ersten Weltkrieges in den Jahren 1914 bis 1917 war BENN Oberarzt in Brüssel. In dieser Zeit entstanden auch die sogenannten Rönne-Novellen, der Novellenband „Gehirne“. Hier nutzte BENN das Mittel des inneren Monologs (des jungen Arztes Rönne), um die Realität als nicht mehr beschreibbar darzustellen. Mit dem Krieg rechnete er ab, indem er 1917 die Gedichtsammlung „Fleisch“ mit ihrer Menschenverachtung und der Darstellung der grausamsten Seiten des Krieges veröffentlichte.

1917 ließ sich BENN wieder in Berlin als Venerologe und Dermatologe nieder. Seine expressionistische Phase endete mit der Publikation von „Die gesammelten Schriften“ im Jahre 1922. Von nun an wandte er sich eher der Essayistik zu, wobei er sich hauptsächlich auf den Nihilismus und auf geschichtsphilosophische Zeitkritik konzentrierte. 1931 gelangte das von PAUL HINDEMITH vertonte Oratorium „Das Unaufhörliche“ zur Uraufführung, welches allerdings von der Kritik als zu nihilistisch verrissen wurde.

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Gottfried Benn als Arzt

1932 wurde BENN in die Preußische Akademie der Künste gewählt. Auch 1933, als nach Machtantritt ADOLF HITLERs eine Vielzahl von Künstlern die Akademie verließen, blieb er Mitglied. In einigen Rundfunkvorträgen („Der neue Staat und die Intellektuellen“, „Antwort an die literarischen Emigranten“, 1933) und in dem „Offenen Brief“ in der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 25. Mai 1933 verteidigte er den Nationalsozialismus, wohl auch, weil er sich von ihm eine Verbesserung der Situation in Deutschland, die Überwindung von Stagnation und Nihilismus erhoffte. Dies zeigt sich ganz deutlich in seinen in jener Zeit entstandenen Werken, in denen er zu männlich-heroischer Größe aufforderte. In seiner Lyrik werden Einflüsse von FRIEDRICH NIETZSCHE deutlich, außerdem wandte er sich wieder dem Expressionismus zu. 1935 wurde BENN Sanitätsoffizier.

BENNs Hoffnungen auf die neue Regierung und den Nationalsozialismus verlor sich schon bald und so ging er ab 1934 in die „innere Emigration“ – er blieb also in Deutschland, distanzierte sich jedoch zunehmend vom Nationalsozialismus, ohne dabei zum offenen Widerstand überzugehen. Die Nationalsozialisten kritisierten seine Werke und verhängten schließlich 1938 gegen ihn ein Schreibverbot. Auch wurde er aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen. Ebenfalls 1938 heiratete er HERTA VON WEDEMEYER.
In den Jahren 1943 bis 1945 wurde sein Widerstand gegen den Nationalsozialismus immer größer. So ließ er „Zweiundzwanzig Gedichte 1936–1943“ illegal drucken und arbeitete am „Roman des Phänotyp“ und dem Band „Statische Gedichte“, in denen er das Verhältnis von Kunst und Wirklichkeit zu seinem eigenen Leben reflektierte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte er nach Berlin zurück, um wieder als Hautarzt zu praktizieren. 1945 bis 1948 stand er unter Publikationsverbot, sodass er viele Jahre nichts veröffentlichte. 1948 erschien seine Lyriksammlung „Statische Gedichte“ in der Schweiz. Diese Gedichte begründeten seinen späteren Weltruhm.

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Der ganz junge Gottfried Benn

Mehrere neue Publikationen im Jahre 1949 waren der Grund dafür, dass BENN wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit geriet. Mit seinem Spätwerk beeinflusste er die Nachkriegslyrik stark. Von zurückkehrenden Exilschriftstellern wurde BENN wegen seiner Haltung während der Zeit des Nationalsozialismus kritisiert, von der jungen Schriftstellergeneration wurde er dagegen wegen seines modernen Stils verehrt. In seiner Autobiografie „Doppelleben“, die 1950 erschien, versuchte er, sein Verhalten im Nationalsozialismus zu rechtfertigen.
1951 erhielt er den Georg-Büchner-Preis, 1956 den Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen, der ihm nur noch posthum zuerkannt werden konnte. Noch zu seinem 70. Geburtstag, im Jahre 1956, wurden ihm zahlreiche Ehren erwiesen. Im selben Jahr, am 7. Juli 1956, starb BENN in Berlin an einem Krebsleiden. Zu diesem Zeitpunkt war seine Anerkennung so groß, dass er für den Nobelpreis nominiert wurde.

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Könnt´ ja fast mein Arbeitszimmer sein … 

BENN war einer der bedeutendsten Autoren des 20. Jahrhunderts, und einer, bei dem Werk und Leben oftmals nicht zusammen zu passen scheinen. So macht sein Lebenslauf ihn zu einem Repräsentanten der deutschen Konservativen. Sein Werk dagegen gehört durch seine Sprachkraft eher der literarischen Avantgarde an. (Quelle: lernhelfer.de)

Und hier ein kleines Büchlein, das in einer kleinen Auflage erschien:

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Es enthält die Rede von Hans Egon Holthusen (* 15. April 1913 in Rendsburg; † 21. Januar 1997 in München – er war ein deutscher Lyriker, Literaturwissenschaftler, Essayist und Kritiker) anläßlich der Gedenkfeier zum 100. Geburtstag Gottfried Benns am 13. April 1986 im Kleinen Schauspielhaus Stuttgart.

Sehr philosophisch, sehr geistreich setzt sich Holthusen mit dem Werk von Benn auseinander …

Das Büchlein (64 Seiten) war gehörte ursprünglich zum Bestand des Münchner Literaturhaus, dass nun -neulich erst – ausgesondert wurde – und es so in meinen Besitz kam.
Anlass genug für mich, mit diesem Gottfried Benn ein wenig näher zu beschäftigen.

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Hans Egon Holthusen