Verschiedene Interpreten – … In The Mood (1997)

FrontCover1.jpgFür mich eines der bemerkenswertesten Geschichten der deutschen Label-Historie: Mood Records:

Mood Records ist ein deutsches Independent Label überwiegend des Jazz, das aus dem Umfeld des United Jazz and Rock Ensemble (UJRE) 1977 entstand und seinen Sitz in Heidelberg hat.

Die erste Veröffentlichung war 1977 die UJRE-Platte „Live aus dem Schützenhaus“. Gründer sind der Regisseur Werner Schretzmeier, in dessen Fernsehprojekten das UJRE wurzelte, und Wolfgang Dauner. Von Anfang an verfolgten die Macher des Labels das Ziel, die Produktion so schlank wie möglich zu halten, um den überwiegenden Teil der Einnahmen den Künstlern zufließen zu lassen. Die Aufmachung der CDs und Platten wurde in schlichtem Schwarz/Weiß gehalten und der Vertrieb eng an Zweitausendeins gekoppelt.

Neben den URJE-Musikern wie Albert Mangelsdorff, Barbara Thompson, Jon Hiseman, Charlie Mariano, Volker Kriegel und Ack van Rooyen veröffentlichten sie auch zum Beispiel das Gitarrenduo Martin Kolbe-Ralf Illenberger, das Pepl-Pirchner-JazzZwio, Dieter Ilg, Wolfgang Haffner, Biermösl Blosn, Kabarettist Gerhard Polt, Anne Haigis, das teilweise klassisch orientierte „Modern String Quartet“, das Michael Sagmeister-Trio, die Wellküren, die türkische Sängerin Özay und den Jazzgeiger Zbigniew Seifert. (Quelle: wikipedia.

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Und hier etwas ausführlicher … der Text aus dem Begleitheft zu diesem Album, das anlässlich des 20jährign Bestehens dieses ganz und gar ausgewöhnlichen Labels veröffentlicht wurde:

Stuttgart, vierter Januar 1997. Werner Schretzmeiers Büro im Wangener Theaterhaus. Draußen herrscht eisige Kälte, mottengroße Schneeflocken kleben am Fenster. Irgendwo übt eine einsame Violine für den Auftritt am Abend. Ich spreche mit einem, der viel zu erzählen hat.

Genaugenommen beginnt alles beim Fernsehen. Regisseur Werner Schretzmeier plant 1975, die ARD-Jugendsendung „Elfeinhalb“ musikalisch abzurunden. Er gewinnt seinen Freund Wolfgang Dauner, dessen Avantgarde-Gruppe ,,et cetera“ er bis 1972 gemanagt hat, für diese Idee. Gemeinsam erarbeiten die beiden ein Konzept und begeben sich auf die Suche nach geeigneten Musikern. Die Stammbesetzung der ständig wechselnden TV-Band umfaßt bald Namen wie Albert Mangelsdorff, Barbara Thompson und der Ex-Collosseum Drummer Jon Hiseman, als „Aushilfskräfte“ werden zeitweise Howard Johnson, Klaus Doldinger oder gar der junge Gary Moore beschäftigt.

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Das erste Album des „Mood“ Labels

Das beliebte „Elfeinhalb-Ensemble“ kann sich später in Schretzmeiers Nachfolgeprojekt, die Familiensene „Goldener Sonntag“, hinüberretten. Dadurch gelangt die progressive Mixtur aus Jazz und Rock immer mehr ins Bewußtsein der Zuschauer.

Nachdem die letzte Folge abgedreht ist, soll ein Abschiedskonzert der mittlerweile populären Femsehband den krönenden Abschluß bilden. In der Sängerhalle in Untertürkheim stapeln sich förmlich begeisterte Fans, der Auftritt wird zur Offenbarung. Der Entschluß zum Weitermachen bedarf nun lediglich einer passenden Formulierung. Man tauft die Band nach einigem Hin und Her schließlich „United Jazz & Rock Ensemble“, kurz „United“.

AnneHaigis

Anne Haigis

Werner Schretzmeier wird als „Papa der Band“ beauftragt, „etwas zu unternehmen“. Beim Abhören von Aufnahmen des legendären Konzerts im alten Stuttgarter Schützenhaus beschließen Schretzmeier und Dauner, eine LP zu produzieren – auf eigene Faust. Die negativen Erfahrungen mit den Großen der Musikindustrie sind dabei ungewollte Geburtshelfer. So entsteht zunächst „ROOTS Records“, welches kurz darauf – nach dem Veto des österreichischen Namensvetters Root – in „MOOD“ umbenannt wird.

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Die erste Veröffentlichung „Live im Schützenhaus“ wird zur besten deutschen Jazz-LP des Jahres gekürt. Das hilft, die eingegangenen Verbindlichkeiten zu begleichen und gleichzeitig Raum für neue Projekte zu schaffen. Als Exclusivvertrieb kann 2001 gewonnen werden. Diese vertreiben die MOOD-LPs bundesweit zwar in nur zwölf Laden, verfügen aber über ein weit vernetztes Versandsystem und – vor allem – einen Kundenstamm. Zudem wird lange Zeit jede MOOD-Veröffentlichung in den 2001-Katalogen präsentiert, sodaß bis zu 1,2 Millionen Haushalte erreicht werden. „Es gibt inzwischen eine richtige MOODKundschaft, das sind gar nicht mal so wenige. Die sind sehr stabil“. So können auch „schwierige“ Produkte verkauft werden – bis auf wenige Ausnahmen sind alle MOOD-Produktionen heute noch erhältlich.

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Natürlich braucht MOOD auch den in harter Münze meßbaren Erfolg. Die Zugpferde des unkonventionellen Labels heißen neben dem United Jazz & Rock Ensemble unter anderen: Wolfgang Dauner, Kolbe & Illenberger, Gerhard Polt, Biermösl Blosn und Die Kleine Tierschau. Der Brückenschlag zwischen den beiden Polen Jazz und Rock wird akzeptiert. MOOD kann heute stolz auf weit über eine Million verkaufter Tonträger zurückblicken: „ganz ordentliche Zahlen“.

Der Musiker verdient am eigenen Produkt normalerweise am wenigsten. Aus dieser Erkenntnis heraus wird MOOD als eine Art Selbsthilfe-Label für United gegründet. Das Ziel ist klar abgesteckt: Die administrative Arbeit auf ein Minimum reduzieren um den Ertrag für den Künstler zu maximieren.

KolbeIllenberger

Martin Kolbe + Ralf Illenberger

Mit großem Einfallsreichtum und Kreativität geht man an die Umsetzung dieses Grundsatzes. Als Kontrast zur Flower-Power-Buntheit wird das komplette Design konsequent in schwarz-weiß gehalten, was eine enorme Kosteneinsparung bei den Druckerzeugnissen zur Folge hat. Plakate und Handouts sind zum Teil handschriftlich verfaßt und einfach photokopiert („ziemlich handmade“). Durch die Zusammenarbeit mit 2001, „der politisch linken Seite des Kapitalismus“, kann auf die Hilfe großer Organisationen verzichtet werden. Schretzmeier und Dauner arbeiten die ersten zehn Jahre als ehrenamtliche Geschäftsführer. „Wenn der Wasserkopf maximal zwei bis drei Leute umfasst und man von der Plattenpresse ‚raus direkt verkauft, hat man ein gutes Produkt, bei dem alle verdienen. Das meiste Geld bleibt beim Künstler, ungefähr 25 bis 30 Prozent“. Dabei setzt die „Lean Production“ von MOOD höchste Maßstäbe an, der Käufer soll Qualität zu einem günstigen Preis erwerben können.

Eine starke Imageprägung erfährt das junge Label auch durch politische Bekenntnisse, z.B. in Handzetteln gegen die Pershing-Stationierung. Die MOOD-Künstler haben sich nie nur als Musiker, sondern auch als Teil der Gesellschaft verstanden, die eine Meinung haben und diese auf der Bühne vertreten. MOOD veröffentlicht „Lieder für Instandbesetzer“ und die erste Platte der damals noch knallhart politischen „Ersten Allgemeinen Verunsicherung“. „Die Veröffentlichungen sind klare Hinweise darauf, wo MOOD steht. MOOD ist auch ein oppositionelles Label“.

MichaelSagmeister

Michael Sagmeister

MOOD Records erscheint bei näherem Betrachten mehr als eine große Familie denn wie ein kommerziell durchgestrafftes Unternehmen. Familiär ist auch das Verhältnis der Musiker untereinander. Konkurrenzdenken kommt gar nicht erst auf, sind doch mehr oder weniger alles gute Bekannte und Freunde. „Bei Mood gibt es eine Ansammlung von Menschen, die sich immer wieder gegenseitig motivieren können“.

Das Zentrum bilden natürlich die Musiker des international besetzten United Jazz & Rock Ensemble, mit ihnen hat schließlich alles angefangen. Neben den bereits erwähnten gehören dazu insbesondere Ack van Rooyen, Charlie Mariano und Volker Kriegel. Letzterer – nebenbei auch Autor und excellenter Cartoonist – gilt als der klassische Intellektuelle im Rückgrat der MOOD-Familie. „Volker hat uns immer sehr geholfen, wenn Wolfgang und ich uns nicht einigen konnten“. Bei MOOD steht der Künstler ganz im Mittelpunkt und im Gegensatz zu so manchem „Major Label“ trifft er allein die Entscheidungen im Studio. Das Motto „Produktion der Musiker“ wird hier sehr erst genommen. „Es gibt bei uns keinen Johnny Controletti, der die Musik solange verbiegt, bis sie in den Markt paßt. Die Entscheidung fällt vorher“.

Dauner

Dauner, Mariano, Saluzzi

Reine Studioprojekte bilden die Ausnahme. Der MOOD-Künstler muß live erlebbar sein, greifbar für sein Publikum. Handwerkliches Können gilt hierbei als unerläßliche Voraussetzung, die ein Musiker mitbringen muß, will er auf Dauer am Markt bestehen. Bestes Beispiel ist der Posaunist Albert Mangelsdorff, der nun seit fast fünf Jahrzehnten im Geschäft ist. „Albert übt heute noch seine zwei Stunden – jeden Tag“.

Es läßt sich nicht leugnen – der Jazz bildet ganz klar die musikalische Basis im Programm, allein schon durch die zahlreichen Solo-Veröffentlichungen der UnitedMusiker. Daneben gibt es freilich kleinere Ausflüge in die Rocklandschaft, wie z.B. „Head, Heart & Hands“ und Jürgen Karg.

Verglichen mit manch größerem Bruder hat MOOD jedoch immer auch den Mut zum Experiment bewiesen. Mit dem lnstrumental-Gitarrenduo Kolbe / Illenberger oder der türkischen Sängerin Özay wandelt das Label erfolgreich auf Abwegen. Die Musik des Ströer-Duos weist erste Spuren des heutigen Techno auf, das Modern String Quartet spannt die wichtige Brücke zur zeitgenössischen Klassik, Künstler wie Anne Haigis und H. C. Müller (der Regisseur des Filmes „Kehraus“) füllen die Liedermacher-Lücke. „Unsere Republik“, eine Produktion für das Schauspielhaus Bochum, war dann doch etwas zu kritisch und mußte nach 3000 verkauften Dreier-Alben kompromißhalber eingestellt werden: „Das ging im kleinen Grenzverkehr ab“.

Erfolgreichste Vertreter des Kabarett-Rocks sind zweifelsohne die Bajuvaren „Biermösl Blosn“. Die Verkaufszahlen des MOOD-Kassenschlagers überschreiten längst die Viertelmillionengrenze. MOOD bietet Nischen für Individualisten, für Leute, die etwas zu sagen haben – ohne den kommerziellen Gedanken in den Vordergrund zu stellen. Hauptkriterium ist dabei eigenständige Qualität in Struktur und Darbietung. „Herbergsvater“ Schretzmeier bringt es auf den Punkt: „Alle Bereiche, die etwas über den Tellerrand hinausgehen, sollten bei MOOD Platz haben“.

ModernStringQuartet

„Ich sehe die Zukunft von MOOD in seinem absolut Unmodernen, in seiner Beharrlichkeit zu sagen: wir bleiben dem Grundsatz vermittelbarer Qualität (soll heißen: Hinz und Kunz können sich dafür interessieren) verpflichtet. Ich wünsche mir, daß das Fischen in allen musikalischen Teichen nicht die Zukunft ist, denn ich glaube, daß die Menschen langsam das Kotzen davon kriegen, alles mit nur einem Katalog kaufen zu können. Ich glaube, daß die Entwicklung hin zu überschaubaren Formen geht. MOOD ist eine überschaubare Einheit, hat ein Gesicht und einen Charakter. Man kann sich für diesen Charakter entscheiden oder nicht, aber man hat ein Kriterium. MOOD muß immer noch eine Entdeckung bleiben“. (Henning Dedekind, Lilt Stuttgart)

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Werner Schretzmeier /links, mit (rechts) wem auch immer … sory

So stellte sich die Situation im Jahe 1997 dar … und Mood Records huelten sich noch erstaunlich lange auf den Beinen, dann aber, genauer gesagt am 9. Mai 2016 wurden sie endgültig aus dem Handelsregister gelöscht …

Und wir hören hier Jazz vom Feinsten … Jazz deluxe sozusagen und dann aber auch noch „boarische Satire“ ala Polt und die verschiedenen Well-Formationen ..

Fehlen tut mir freilich ein Aufnahme des Electric Blues Duos (Colin Hodgkinson und Frank Diez) aus dem Kaffee Giesing/München, damals in den 80er Jahren .. aber wie ich gehört habe, soll auch diese Mood LP demnächst in einem anderen blog präsentiert werden …

Ich werde das Label im Auge behalten …

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Gerhard Polt + Die Biermösl Blosn

Titel:
01. The United Jazz + Rock Ensemble: Double Bind (Kriegel) 6.38
02. Ack Van Rooyen + Joerg Reiter: Together (Reiter) 4.04
03. Kolbe + Illenberger: Happy Hour (Kolbe/Illenberger) 3.40
04. Wolfgang Dauner: Wendekreis des Steinbocks (Dauner) 5.01
05. Modern String Quartet: Take The A-Train (Strayhorn) 5.09
06. Michael Sagmeister: Sugar (Sagmeister) 5.29
07. Anne Haigis: Get Closer (Kolbe/Illenberger) 5.37
08. Dauner, Mariano, Saluzzi: Plum Island (Mariano) 6.04
09. Volker Kriegel: Postcard To F.W. Amber (Kriegel) 4.11
10. Albert Mangelsdorff: Aus dem Hut (Mangelsdorff) 1.51
11. Gerhard Polt und Biermösl Blosn: Generalprobe (Polt/C.Well) 5.10
12. Gerhard Polt und Biermösl Blosn: Blaublutjodler (Polt/C.Well) 2.25
13. Die Wellküren: Mutter-Kind-Gruppe (Villa/B.Well/Well-Hösl) 3.38

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Michael Sagmeister – Sagmeister Trio (1978)

FrontCover1Jetzt mal wieder etwas ganz exquisites aus deutschen Landen:

Michael Werner Sagmeister (* 27. Juli 1959 in Frankfurt am Main) ist ein Jazz- und Fusion-Gitarrist. Er gilt als einer der führenden zeitgenössischen Musiker seines Faches in Europa. In den Jahren 1993 bis 1997 war er Dozent am Berklee College of Music in Boston. Im Jahr 1999 wurde er zum ordentlichen Professor an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main ernannt.

Sagmeister gründete seine erste Gruppe 1975 und hatte mit ihr einen Achtungserfolg als Newcomer beim Frankfurter Jazzfestival. Obgleich er zunächst Rockjazz spielte, liegen seine stilistischen Wurzeln im Hard Bop; seine frühen Vorbilder waren Pat Martino und Wes Montgomery. Eine Tournee mit dem United Jazz and Rock Ensemble Anfang der 1980er Jahre als Vorgruppe machte Sagmeister einem breiteren Publikum bekannt. Es folgen Tourneen durch Südostasien und Nordafrika, zuletzt durch Westafrika.

Zu seinem Trio gehört über lange Jahre der Schlagzeuger Michael Küttner; an Stelle seines langjährigen Bassgitarristen Udo Kistner spielt aktuell Martin Gjakonovski Bass. Auch tritt er im Quintett mit Klaus Göbel, Götz Ommert und Antonella D’Orio auf. Sagmeister arbeitete auch mit Pat Martino, Larry Coryell, Billy Cobham, Jack DeJohnette, Dave Samuels, Randy Brecker, Miroslav Vitouš, Albert Mangelsdorff, Wolfgang Dauner, Volker Kriegel, Christoph Spendel, Christof Lauer, Attila Zoller, Emil Mangelsdorff, der hr-Bigband, William Kennedy, Gerry Brown und anderen zusammen. Er ist auch in Solokonzerten und im Duo mit der Sängerin Britta Medeiros zu hören. Seine Spielweise orientiert sich heute an Neobop und Fusion, aber auch am Blues.

Michael Sagmeister hat bisher knapp 20 Schallplatten/CDs und drei Lehrbücher veröffentlicht. (Quelle: wikipedia)

Michael Sagmeister

Und hier sein Erstlingswerk, veröffentlicht auf dem famosen Mood Label (später ma mehr darüber). Das war Jazz-Rock vom feinsten, freilich ein wenig selbstverliebt, aber wundert einen das ? Da schwebt einer auf dem siebten Himmel und Sagmeister gab dabei dem Bassisten Udo Kistner auch viel Raum für seine solistischen Ausflüge. Das nenn ich Genuß pur !

Am Mischpult saß übrigens kein geringerer als Volker Kriegel !

SagmeisterTrio01

Besetzung:
Udo Kistner (bass)
Hermann Kock (drums)
Michael Sagmeister (guitar)

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Titel:
01. Februar 6:14
02. Difference 3:39
03. Guitar Solo No 1 2:54
04. Hallschlag 6:03
05. Little Thirds 5:27
06. Natural Valley 4:52
07. Fields And Borders 4:25
08. Guitar Solo No 2 4:11

Alle Kompositionen: Michael Sagmeister

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