Kurt Halbritter – Die freiheitliche rechtliche Grundordnung (1988)

TitelUnd jetzt ist es mir wieder mal eine ganz besondere Freude, diesen großartigen Kurt Halbritter vorstellen zu dürfen:

Kurt Halbritter (* 22. September 1924 in Frankfurt am Main; † 21. Mai 1978) war ein deutscher satirischer Zeichner und Karikaturist.

Der Barfüßer, nach einer Zeichnung von Halbritter gefertigte Skulptur in Frankfurt am Main
Grab von Kurt und Elise Halbritter auf dem Frankfurter Hauptfriedhof

Nachdem Halbritter eine Ausbildung als Chemigraf abgeschlossen hatte, besuchte er von 1948 bis 1952 die Werkkunstschule in Offenbach am Main, heute Hochschule für Gestaltung. Seit 1954 arbeitete er als Illustrator und Autor.

Bekanntheit erlangte er durch Karikaturen im Satiremagazin pardon (Halbritters Halbwelt) und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Halbritter erfand die Frankfurter Dialekt sprechenden („babbelnden“) Werbefiguren Schorsch und Schaa (hochdeutsch Georg und Jean) für die Binding-Brauerei.

Halbritter starb auf einer Schiffsreise nach Irland an einem Herzinfarkt.

Auszeichnungen, Ehrungen:
1968 bekam Halbritter für drei Pardon-Beiträge einen Preis der Zille-Stiftung.

1970 wurde ihm der Joseph-E.-Drexel-Preis zugesprochen.

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2014: Umfangreiche Ausstellung im Caricatura Museum für Komische Kunst in Frankfurt am Main, Haus der Neuen Frankfurter Schule, die Halbritter mitprägte.

2016: Im Frankfurter Stadtteil Rödelheim, wo Halbritter lange Zeit lebte, wurde eine Grünanlage nach ihm benannt, die Kurt-Halbritter-Anlage. Dort steht seitdem die Bronzeskulptur Der Barfüßer, angefertigt vom Bildhauer Siegfried Böttcher nach einer Zeichnung Halbritters aus dem Jahr 1975. Die Skulptur ist Teil der Reihe Komische Kunst im Frankfurter Grüngürtel. (Quelle: wikipedia)

Und nun Kurt Halbritter über sich selbst:

Ich wuchs in einer Zeit auf, von der man behauptet (damals wenigstens), sie sei eine „große“. Mein Beruf war eigentlich das erste, was ich frei wählen durfte, und ich wählte prompt falsch.
Karikaturist wurde ich erst viel später. Es war sozusagen der Anfang meines zweiten Lebens. Krieg, Kriegsgefangenschaft, dann die Heimkehr und die Frage: Was nun? Wieder zurück in den alten Beruf, oder endlich tun, wonach mein Herz verlangte – zeichnen, malen, illustrieren?

Das mit der Malerei war eine Seifenblase. Sie zerplatzte ganz still und lautlos. Dagegen öffnete sich mir ein Gebiet, das an keiner Akademie oder Werkkunstschule gelehrt wird. Das Stiefkind der großen Kunst, die Karikatur, hatte ihr Opfer – mich.

Es kam nicht einmal überraschend. Soweit ich mich zurückerinnern kann, hatte ich zu Bleistift und Papier ein inniges Verhältnis. Das erste meines Lebens überhaupt. Wenn meine „Erstlingswerke“, die Bildnisse von damals, alle einen Hauch des Lächerlichen aufwiesen, so war es nie Absicht. Die „Zeichenstunde“ war das Schönste an der Schule und versöhnte mit mancher Stunde, die mit „nützlicheren“ Fächern belegt war. Ich begreife heute noch nicht jene Menschen, die in ihrer Schulzeit die schönste und sorgenloseste Zeit ihres Lebens erblicken. Meine Sorgen jedenfalls waren im Verhältnis zu heute kaum geringer.

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Die anderen wurden Dr. med., Bankbeamter, Verkäufer, Regierungsrat, Autohändler, ich wurde Karikaturist: ein Mensch, der Männchen malt, – ulkige, versteht sich. Sie haben ihre Kollegen und ich die meinen, und jeder übertreibt auf seine Weise, wobei noch dahingestellt bleibt, wer die Übertreibung besser beherrscht. Das Übertreiben ist ganz anderen Leuten vorbehalten als ausgerechnet einem Karikaturisten, der nur zeichnet, was er sieht, hört, erlebt und denkt. Die Welt ist voller Übertreibungen, die kein Zeichner, und sei er noch so sehr Karikaturist, erreichen könnte. Die gute Karikatur kommt mit der Hälfte der Übertreibungen aus, deren sich ein schlechter Politiker bedient.

Karikatur ist Ausdruck eines „humoristischen“ Verhaltens für die, die nicht mehr darin sehen oder hineinlegen wollen. Sie ist Kritik, Kommentar und Angriff für jene, die in der Karikatur mehr sehen als Unterhaltung und Auflockerung einer Zeitungsseite. Die Karikatur beginnt, wo das Wort seinen Wert verliert, und endet, wo sie durch das Wort ersetzt werden kann. Einen Kompromiß gibt es allenfalls, wo sich Wort und Zeichnung die Waage halten.

Eine Karikatur ist noch lange nicht schlecht, weil man nicht über sie lachen kann, aber sie ist auch nicht deshalb gut, weil man über sie lacht.

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Eine Karikatur zu verstehen, ist nicht immer leicht. Einen Karikaturisten zu verstehen, fast unmöglich. Nun sollte ein Karikaturist zwar seine Arbeit ernst nehmen, nicht aber sich. Das erspart ihm manchen Ärger und verhilft ihm zu einer besseren Einstellung gegenüber seiner Umwelt, die ihm letzten Endes zu seinem Beruf verholfen hat. Er wird außerdem mehr Verständnis für seine Mitmenschen aufbringen müssen, als diese für ihn.

Und das Caricatura Museum, Frankfurt würdigt ihn natürlich auch:

Er gilt als Vorbild der Zeichner der Neuen Frankfurter Schule. Zu Lebzeiten war er weithin bekannt als Karikaturist und Werbegrafiker. Doch nach seinem frühen Tod ist Kurt Halbritter in Vergessenheit geraten.

Das Zeugnis der Werkkunstschule Offenbach (der heutigen Hochschule für Gestaltung) lobte im Juli 1952 einen disziplinierten und fleißigen Studenten, gewährte ihm in seinem Studienfach Grafik allerdings nur ein „Befriedigend“. Das mag möglicherweise mit der etwas lax aufgefassten Anwesenheitspflicht zu tun gehabt haben. Kurt Halbritter hat die Werkkunstschule ohne Abschluss verlassen, aber trotzdem seinen Weg gemacht. Als Illustrator und Karikaturist gehörte er bald zu den bekanntesten Zeichnern in Deutschland.

Die einen kannten ihn als Verfasser der „Schmunzelbücher“, andere als Karikaturisten der einst immens erfolgreichen Satirezeitschrift „Pardon“, zu deren Gründungsredaktion er gehörte. Und selbst wer zu keiner dieser Publikationen griff, dürfte in den 1960er Jahren Halbritters Strich gekannt haben – zumindest im Rhein-Main-Gebiet. Der 1924 im Frankfurter Stadtteil Rödelheim geborene Zeichner illustrierte nämlich die Werbekampagne „Dir und mir – Binding-Bier“, in der unter anderem die „Frankfodderisch“ parlierenden Figuren „Schorsch und Schaa“ auf Bierdeckeln und Postkarten ihren Schabernack trieben.

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Von prägendem Einfluss war Halbritter aber weniger auf Bierfreunde als vielmehr auf eine junge Gilde angehender Satiriker und Karikaturisten, mit denen er in der „Pardon“-Redaktion zusammenarbeitete. Der einst für „Pardon“ und später für den „Stern“ tätige Reporter Gerhard Kromschröder erinnerte sich gestern in Frankfurt an seinen Kollegen: „Kurt Halbritter war für uns Junge der arrivierte Buchautor, der sich aber eine Haltung bewahrt hatte. Er war ja noch im Krieg als Marinesoldat und dann in Gefangenschaft. Er ist als Pazifist zurückgekehrt und hat sich fortan stets für eine entmilitarisierte Gesellschaft eingesetzt.“ Diese Haltung und ein teils skurriler Humor imponierten auch Zeichnern wie F.W. Bernstein, Chlodwig Poth, F.K. Waechter, Robert Gernhardt und Hans Traxler, mit denen er bei „Pardon“ wirkte und die später als „Neue Frankfurter Schule“ berühmt werden sollten. Hans Traxler bezeichnet ihn als Vorbild jener Schar, die das Satiremagazin „Titanic“ gründen sollte. Halbritter war dabei nicht an Bord. Er war überraschend am 21. Mai 1978 während einer Irlandreise gestorben. Er wurde 54 Jahre alt.

Mit der Zeit geriet der Zeichner in Vergessenheit, allerdings nicht ganz. Halbritters Nachlass ging an das Frankfurter Institut für Stadtgeschichte, das in den vergangenen Jahren Arbeiten zukaufte und nun über rund 5000 Exponate verfügt. Eine Auswahl davon war bereits 1999 in der noch von Robert Gernhardt kuratierten Schau „Mann unter Strom“ im Karmeliterkloster zu sehen.

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Selbstportrait, 1977

Sie führt Halbritters Vielseitigkeit mit solch unterschiedlichen Figuren wie dem gutmütigen Häftling Johannes, der frechen „Minderjährigen“ oder auch den Zwergen aus „Heimat deine Zwerge“ vor. Als wichtigstes Vermächtnis ist aber sein 1968 erschienenes Buch „Adolf Hitlers Mein Kampf“ zu werten, das auf frappierende Weise die Mitläufer des Nazi-Regimes karikiert. Es zeigt die kleinbürgerliche Idylle, die Halbritter in seiner Jugend erlebte und in der doch der spätere Wahnsinn der NS-Zeit eine wichtige Quelle hatte. Gerhard Kromschröder nennt das lange vergriffene Buch ein „Epochenwerk“, das nun rechtzeitig zur Ausstellung neu aufgelegt worden ist, ebenso übrigens wie „Halbritters Tier- und Pflanzenwelt“, das den Künstler abseits seines politischen Wirkens zeigt. Auch diese grotesk-humorige Seite Kurt Halbritters lohnt das Wiederentdecken. (Christian Riethmüller)

Und um genau dieses Wiederentdeckens geht es mir in diesem Beitrag. Es war ja schon erstaunlich, dass der Goldmann Verlag dieses Buch (ca. 110 nicht numerierte Seiten), das ursprünglich 1985 im Carl Hanser Verlag, München/Wien erschien, nochmals auf den Martk brachte und das 10 Jahre nach seinem Tod.

Und so etliche dieser Karikaturen aus den 70er Jahren sind – erschreckend genug – auch heute noch aktuell … das macht mich wieder mal sehr nachdenklich … gesellschaftliche Veränderungen dauern halt ihre Zeit, verdammt nochmal !

Und mehr als einmal bleibt einem wiedermal das Lachen im Hals stecken, so treffend und so pointiert trifft er den Nagel auf den Kopf.

Und auch sein Pinselstrich ist – aus meiner Sicht – von besonderer Güte.

Dieser Beitrag zu erstellen war schon ein wenig aufwendig … aber das war mir der Kurt Halbritter allemal wert… denn er spricht mir so aus dem Herzen und er sollte nun wahrlich nicht vergessen werden.

Und hier nun eine kleine Auswahl aus dem Buch:

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Aus dem Vorwort von Klaus Staeck

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Hier stehen ja Sachen drin, wo wir vom Verfassungsschutz nicht mal eine Ahnung haben

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Ich habe nichts gegen Ausländer, nur ih mag sie nicht

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Himmel, Arsch und Zwirn, diese Atheisten ! Wenn sie es schaffen, daß in den Schulen nicht mehr gebetet wird, müssen wir es womöglich wieder zu Hause tun.

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Den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit müssen wir zurückweisen, schließlich haben wir die Stelle des dritten Beirats mit einer Frau besetzt.

 

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Pscht – mach die Tür zu, wir wollen über Umweltschutz reden

Beispiel10

Bei allem Verständnis für moderne Lernmethoden halte ich ein gewisses Maß an Strenge und Autorität für erforderlich. Bei allem Verständnis für …

Beispiel11

Eine moderne Frau in einer modernen Küche an einem supermoderen Herd, was willst du noch mehr

Beispiel12

Ich verbiet dir, das Wort „Sexualaufklärung“ im Munde zu führen ! Merke: Dein Vater hat dich nicht aus Lust gezeugt

Beispiel13

Sie werfen mir Frauenfeindlichkeit vor – Glauben sie, ich hätte geheiratet, wenn das so wäre ?

Beispiel14

Mit dem Antrag  sind Sie bei mir völlig falsch, da müssen Sie in die Hauptstelle Rosenplatz, die sagen Ihnen dann, wohin Sie sich wenden können.

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… und hilf auch dem Atheistenbengel zum rechten Glauben, Amen!

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Jeder Scheiß wird heutzutage gedruckt, nur meine rnicht

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Na Alterchen, dich brauchen sie wohl nicht mehr

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Von denen wollen bestimmt einige in den öffentlichen Dienst, die werden sich wundern

Beispiel19

Erst wirb man und verkauft uns den ganz Scheiß, jetzt sollen wir Energie sparen

Beispiel20

Ohrfeige wegen eines freundlichen Klaps auf den Po – wo leben wir denn !

Beispiel21

Wäre das ein Hund, könnten wir den Tierschutz anrufen, doch hier sagt man: Kümmern Sie sich um Ihre Angelegenheiten.

Beispiel22

Ein schreckliches Kind ! Jedesmal wenn du ihn fragst, was er sich wünscht, sag er : „Weiß ich nicht !“

Beispiel23

Jeden Morgen tut er so, als ginge er zur Arbeit, dabei ist er seit sehs Monaten schon seine Stelle los.

Beispiel24

Wenn da Kommunisten unterschrieben haben, unterschreibe ich nicht.

Beispiel25

Wenn es unseren Politikern gelingt, die Krisenherde dort zu halten, wo sie sind, geht es uns gar nicht so schlecht.

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Unsere Entwicklungshilfe nehmen sie, aber der Service hier ist zum Kotzen.

Beispiel27

Natürlich muß diese Gesellschaft verändert werden, aber nicht jetzt und auf unsere Kosten.

Beispiel28

Muß ich ihm die Hand geben ?

Beispiel29

Wenn ich was zu sagen hätte, gäbe es keine dreckigen Gammler mehr, keine schmutzigen Italiener und keine stinkenden Türken. Dann wär´ aich die Luft wieder sauber.

Beispiel30

Bis vor kurzem glaubte ich noch, unsere Jugend sei restlos verdorben.

Beispiel31

Als Vertreter dieser Partei wehre ich mich gegen den Begriff Sozial-Liberal. Wir sind liberal.

Beispiel33

Es weht ein neuer Geist des Machbaren über die Ruinen begonnener Atomkraftwerke.

Beispiel34

Wenigstens über die Feiertage könnten sie ja das Schießen einstellen.

Beispiel35

Hätte man denen als Kind öfter mal den Arsch versohlt, gäb´s heute keine Terroristen.

Beispiel36

Die Gründung dieser Bürgerinitiative richtet sich in keiner Weise gegen die Behinderten-Anstalt, sondern den Ort hier, den wir für völlig ungeeignet halten.

Beispiel37

Diese Antikernkraftmolukken sollte an vergasen, die gefährden nur unsere Arbeitsplätze.

Beispiel38

Die größte Angst, habe ich vor der Angst.

Beispiel39

Habe ich euch zu viel versprochen ? Dort ist Sonne.

Beispiel40

 

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Beispiel41

Beispiel43

Das Grab von Kurt und Elise Halbritter auf dem Frankfurter Hauptfriedhof