Orchester Mark Evans – Wie die Alten singen (1969)

FrontCover1Und diese Präsentation kann sich eigentlich nur an die „reifere Jugend“ in diesem blog wenden, denn um den hier knackigen musikalischen Humor zu verstehen, bedarf es schon vertiefter, also eigentlich auch persönlicher Kenntnisse und Erinnerungen an die Jahre 1968/1969, bei denen ja nicht nur die 68er ihr Unwesen trieben, sondern Willy Brandt sich anschickte, die bisherige Regierungsparteien CDU/CSU in die Opposition zu schicken.

Und genau jener Geist dieser anstehenden Veränderungen prägt diese LP. Es musiziert zwar das Orchester Mark Evans, aber der eigentliche mastermind dieser Aufnahmen heißt Volker Reinhard Kühn

Volker Reinhard Kühn (* 4. November 1933 in Osnabrück; † 20. September 2015 in Berlin) war ein deutscher Autor, Fernseh- und Theaterregisseur sowie Filmproduzent mit dem Schwerpunkt Satire und Kabarett. Darüber hinaus war er auch literarischer Nachlassverwalter für das Werk von Wolfgang Neuss und Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland. Er galt in Deutschland zudem „als der große Kenner und Chronist der Kabarettgeschichte“.

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Nach einem vierjährigen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten begann Volker Kühn als Redakteur beim Hessischen Rundfunk, für den er ab 1963 über zehn Jahre lang die satirische Monatsbilanz Bis zur letzten Frequenz schrieb und produzierte sowie ab 1967 auch als Hörspielregisseur arbeitete, u. a. für die Krimiserie nach historischen Vorbildern Fälle ohne Akten. Ab 1970 veröffentlichte er als freier Autor und Regisseur zahlreiche Hörspiele und Features auch für diverse andere Rundfunksender. Neben seinen Arbeiten für den Rundfunk war er zudem Mitautor und Regisseur von Programmen des von Volker Ludwig begründeten Berliner Reichskabaretts und schrieb bald auch Kabarett-Texte für Lore Lorentz, Wolfgang Neuss, Hanns Dieter Hüsch und Jürgen von Manger.

1973 hob er zusammen mit Dieter Hildebrandt für das ZDF die Notizen aus der Provinz aus der Taufe. Es folgten zahlreiche Fernsehsendungen, darunter Fernsehdokumentationen über 100 Jahre deutsches Kabarett, die Unterhaltung im Dritten Reich und das Kabarett im KZ sowie Film-Satiren und das Neuss-Porträt Ich lache Tränen, heule Heiterkeit.

Volker Kühn03Kühn schrieb und inszenierte Theater-Revuen und war Songtexter für Musicals und Spielfilme. Unter anderem seine Bühnenfassung von Marlene, die er für das Berliner Renaissance-Theater entwickelte, wurde zu Gastspielen in die Schweiz, nach Österreich und Japan eingeladen und brachte es vom 28. Juni 1998 bis zum Januar 2006 auf 533 Aufführungen.

Er produzierte Polit-Satire auf Schallplatten bzw. CDs und veröffentlichte als Autor wie als Herausgeber zahlreiche Bücher zum Thema Kabarett und Satire im 20. Jahrhundert.

Er trat mehrfach als Interviewpartner und Zeitzeuge in Fernseh- und Leinwand-Dokumentationen auf, darunter in mehreren Kinofilmen wie z. B. War’n Sie schon mal in mich verliebt?. Von 2008 bis 2011 war er zudem in vier Produktionen der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ sowie zuvor (siehe Internet Movie Database) zwischen 1995 und 1997 in fünf weiteren Produktionen anderer Produzenten auch als Schauspieler zu erleben, u. a. in einer Nebenrolle als Drogenfahnder Stein in der Münchner Tatort-Folge „Der Teufel“ von 1997.

Im Jahr 2008 machte die historisch versierte „graue Eminenz des Kabaretts“ Schlagzeilen, als Johannes Heesters einen Prozess gegen ihn verlor und Kühn weiterhin behaupten durfte, Heesters sei 1941 in einem KZ aufgetreten.

Mehrfach mit hohen Preisen ausgezeichnet, wurde ihm 2013, kurz vor seinem 80. Geburtstag, ein Stern der Satire auf dem „Walk of Fame des Kabaretts“ in Mainz verliehen und er Ende Oktober 2014 zum Ehrenmitglied der Kurt Tucholsky-Gesellschaft erhoben.

Volker Kühn lebte ab den späten 1960er Jahren bis zu seinem Tod vornehmlich in Berlin,[10] während der 1980er Jahre hatte er seinen Wohnsitz einige Jahre in Schmitten/Taunus. Kühn war mehrmals verheiratet, zuletzt mit der Schauspielerin Katherina Lange, und Vater von vier Kindern. Er starb nach langer Krankheit im Alter von 81 Jahren. Seine letzte Ruhestätte fand Kühn auf dem Berliner Waldfriedhof Zehlendorf (Grablage 060-266).

Der Nachlass von Volker Kühn befindet sich im Deutschen Kabarettarchiv in Mainz, zudem gibt es eine umfangreiche Materialsammlung „Volker Kühn“ im Archiv der Akademie der Künste in Berlin. (wikipedia)

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Für die Musik war Roland Schneider verantwortlich:

Roland Schneider (* 3. Juni 1937 in Frankfurt am Main; † 25. Dezember 2015 in Friedberg (Hessen)[1][2]) war ein deutscher Jazzpianist, der auch als Arrangeur und als Musikproduzent tätig war.

Schneider, der zunächst in Limburg aufwuchs, lernte mit acht Jahren Violine, wechselte später zur Bratsche und spielte im Schulorchester. Als er wieder nach Frankfurt zog, wechselte er über Gitarre und Kontrabass zum Klavier. Mit achtzehn Jahren gründete er während seiner Lehre in der chemischen Industrie die Burgundy Street Paraders, mit denen er Dixieland spielte.[3] Er wechselte dann zum Mainstream Jazz und wurde mit den Swing Cats 1961 auf dem Deutschen Amateur-Jazz-Festival in Düsseldorf ausgezeichnet. Mit dieser Combo war er auf Tournee in Deutschland und in Österreich. Mit Albert Nicholas und der Dutch Swing College Band ging er ebenfalls auf Tour. Von 1963 an bis 1965 begleitete er das Golden Gate Quartett auf Gastspielen in Europa, Nordafrika, dem Nahen Osten und Ostasien. Dann war er mit Eartha Kitt und mit den Mills Brothers unterwegs.

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Außerdem arbeitete er als Schallplattenproduzent und gründete 1969 eine eigene Produktionsgesellschaft. In den 1970er und den frühen 1980er Jahren leitete er die Hot Swingers, zu denen Gustl Mayer, Klaus Lohfink, Herbie Hess und Ata Berk gehörten. Daneben schrieb und arrangierte er Musik, unter anderem für kabarettistische Produktionen von Volker Kühn (Pol(h)itparade). Er trat auch mit Peter Petrel, Conny Jackel, Charly Antolini, Günter Lenz und der Karl Katz Band auf. Dann gehörte er zu den Hanauer Sugarfoot Stompers, mit denen er 2006 eine CD einspielte. Daneben arbeitete er als Studiomusiker mit Costa Cordalis oder Peter Orloff. (wikipedia)

Über den musikalischen Leiter der Aufnahmen, dem Pianisten Mark Evans konnte ich nicht viel in Erfahrung bringen, Mark Evansaußer, dass er für Bellaphon in den 60er Jahren ein paar Singles und eine LP aufgenommen hat.

Und hier werden auf dieser raren „Twen“ Schallplatte (im Vertrieb von Bellaphon Records) all´ die damals ganz großen Namen von CDU/CSU durch den Kakao gezogen, als da wären:

Franz Josef Strauß – Kai-Uwe von Hassel – Ludwig Erhard – Heinrich Lübke – Rainer Barzel (u.a.)

Da kommt bei mir heute noch Freude auf; einzig allein bei den tolpatschigen und unbeholfenen Reisebericht (Kanada) von Heinrich Lübke mag ich nicht mehr so schmunzeln oder gar grinsen, weiß man doch inzwischen, dass seine sprachlichen Aussetzer jener Jahre vermutlich mit einer beginnenden Demenz zusammenhingen.

Und wie aufgeheizt die Stimmung damals war, kann man insbesondere den Redebeiträgen in der „Berliner Jam Session“ entnehmen.

Volker Kühne und Roland Schneider setzten dann später dieses amüsante Projekt fort und sie veröffentlichten dann unter dem Namen „Polhitparade – Musik aus Studio Bonn“ zwei weitere Alben, die mit den gleichen Stilmitteln arbeiteten.

Von daher: ein Album für die „reifere Jugend“ … aber die wird ihre Freude daran haben.

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Besetzung:
Mark Evans (piano)
Peter Grzeschik (guitar)
Conny Jackl (trumpet)
Günter Lenz (bass)
Gustl Mayer (saxophone)
Günter Steinke (drums)
Chuck Wilson (trombone)

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Titel:
01. Franz Josef Strauß: Der Geist weht… 2.26
02. Kai-Uwe von Hassel: Ich glaube nicht 3.07
03. Ludwig Erhard: Wir nehmen nicht Abschied 2.33
04. Rainer Barzel: Wir wünschen Frieden 3.11
05. Heinrich Lübke: Die Reise 6.56
06. Kurt Georg Kiesinger: Das Lied von der unzufriedenen Gruppe 9.38
07. Ernst Lemmer, Eugen Gerstenmaier, Franz Amrehn, Heinrich Lübke, Klaus Schütz, Kurt Mattick, Ludwig Erhard, Rainer Barzel, Willy Brandt: Berliner Jam Session 11.27

Musik: Roland Schneider

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Hüllentext

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Mehr von Volker Kühn & Roland Schneider:
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Gerhard Zwerenz: Nicht alles gefallen lassen … (1962)

Zwerenz04Neulich habe ich die „autobiographische Deutschlandsaga“ mit dem wunderbaren Titel „Vergiß die Träume Deiner Jugend nicht“ von Gerhard Zwerenz gelesen:

Gerhard Zwerenz (* 3. Juni 1925 in Gablenz, Sachsen; † 13. Juli 2015 in Oberreifenberg) war ein deutscher Schriftsteller und Bundestagsabgeordneter für die PDS.

Gerhard Zwerenz wurde in Gablenz/Sachsen als Sohn eines Ziegeleiarbeiters und einer Textilarbeiterin geboren. Er begann nach der Schulzeit eine Kupferschmiedlehre, meldete sich 1942 freiwillig zur Wehrmacht, nahm zwei Jahre lang am Zweiten Weltkrieg teil und geriet 1944 nach seiner Desertion zur Roten Armee bei Warschau in sowjetische Kriegsgefangenschaft.

1948 kehrte er aus der Kriegsgefangenschaft zurück und wurde zur Volkspolizei verpflichtet, der er bis 1951 angehörte. Von 1949 bis 1957 war Zwerenz Mitglied der SED. Den Einsatz als Dozent an der Ingenieurschule Zwickau beendete eine Tbc-Erkrankung und ein längerer Aufenthalt in einem Sanatorium. Erst danach konnte er von 1953 bis 1956 Philosophie bei Ernst Bloch in Leipzig studieren. Ab 1956 arbeitete Gerhard Zwerenz als freiberuflicher Schriftsteller. 1957 wurde er aus der SED ausgeschlossen und floh nach Verhören in einem Gefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit in Leipzig ein halbes Jahr später nach West-Berlin. Gerhard Zwerenz lebte gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Autorin Ingrid Zwerenz, in München, Köln, Offenbach am Main und in Oberreifenberg/Taunus. Die gemeinsame Tochter Catharina Zwerenz ist Drehbuchautorin und Regisseurin.

Zwerenz war Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.

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1959 verfasste Gerhard Zwerenz Die Liebe der toten Männer, eine romanhafte Gestaltung des Aufstandes vom 17. Juni 1953. 1961 schrieb Zwerenz die Essaysammlung Ärgernisse – Von der Maas bis an die Memel. Den Essayband Wider die deutschen Tabus brachte er 1962 heraus, genauso wie Gesänge auf dem Markt und Heldengedenktage. Ein Jahr später verfasste er Dreizehn Versuche, eine ehrerbietige Haltung anzunehmen und eine biografische Skizze über Walter Ulbricht.

1969 verfasste er das Vorwort für das beim Heinrich Heine Verlag publizierte Buch Otto Strassers (Reihe: Streit-Zeit-Bücher) mit dem Titel Mein Kampf. Es enthielt aber keine Hitler-Biografie, sondern eine vom Verlag überarbeitete Fassung des 1958 im Selbstverlag erschienenen Strasser-Buches Exil.

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Mit Casanova oder Der Kleine Herr in Krieg und Frieden verfasste Zwerenz einen Bestseller. In der Gestalt des Helden Michel Casanova wird der Typ des unangepassten Menschen in verschiedenen gesellschaftlichen Systemen geschildert. Die Folgejahre thematisierte er die Sexualität mit Büchern wie Erbarmen mit den Männern. Ein Roman vom Aschermittwochsfest und den sieben Sinnlichkeiten. 1971 schrieb er den Roman Kopf und Bauch und den Essayband Der plebejische Intellektuelle (Fischer 1972). 1973 erschien Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond, eine Kritik der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik. Die darin prominent agierende Figur eines jüdischen Grundstücksspekulanten – eine kaum verhüllte Karikatur Ignatz Bubis’ – löste bei Erscheinen des Werks einen Skandal aus und brachte dem Autor den Vorwurf antisemitischer Schriftstellerei ein. Zwerenz’ Freund Rainer Werner Fassbinder verarbeitete den Roman einige Jahre später zu seinem ebenso – wenn nicht noch stärker – umstrittenen Theaterstück Der Müll, die Stadt und der Tod. Zwerenz reagierte auf diese Angriffe im April 1976 in der Zeit mit dem Artikel Linker Antisemitismus ist unmöglich und schreibt dort: „Wenn von zehn wichtigen Maklern in Frankfurt acht jüdischer Herkunft sind, kann ich nicht nur über einen Perser schreiben, den es auch gibt.“ 1980 spielte Zwerenz in dem Rainer-Werner-Fassbinder-Epos Berlin Alexanderplatz mit. 1986 nahm er mit dem Buch Die Rückkehr des toten Juden nach Deutschland zu den Antisemitismusvorwürfen gegen ihn und Fassbinder Stellung.

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Weiterhin publizierte er Der Widerspruch. Autobiographischer Bericht (1974) und Die Quadriga des Mischa Wolf (1975), worin die Agentenaffäre Guillaume verarbeitet wird. Danach beschloss Zwerenz, seine Werke nur noch als Taschenbücher zu veröffentlichen. 1982 verfasste er Antwort an einen Friedensfreund oder längere Epistel für Stephan Hermlin und meinen Hund.

Das 1988 erschienene Buch Soldaten sind Mörder – Die Deutschen und der Krieg gab Anlass zu 25 juristischen Auseinandersetzungen, von Strafanzeigen bis zu Gerichtsprozessen und Einstweiligen Verfügungen, wurde aber nicht verboten.

1989 erschien der Roman Vergiß die Träume Deiner Jugend nicht. Zu seinem 65. Geburtstag im Jahr 1990 kündigte Gerhard Zwerenz an, nicht mehr schreiben, sondern „in Rente gehen“ zu wollen.

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Während seiner schriftstellerischen Tätigkeit schrieb Zwerenz unter dem Pseudonym Gert Amsterdam auch erotische bis pornografische Literatur. Eines dieser Bücher, Das Kleingeld der Hetären, wurde von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien 1987 als jugendgefährdend indiziert.

1991 erhielt er den Alternativen Georg-Büchner-Preis. Die politischen Schriften Rechts und dumm und Links und lahm schrieb er 1993 und 1994. 2004 schrieb er ein Vorwort für das Buch des einstigen Rechtsextremisten Torsten Lemmer, Rechts raus. Außerdem erschien sein gemeinsam mit Ingrid Zwerenz geschriebenes Buch Sklavensprache und Revolte.

Die linke Berliner Tageszeitung junge Welt veröffentlichte im Zusammenhang mit Gerhard Zwerenz’ 80. Geburtstag (2005) im Feuilleton (jW 7. Mai 2005, p. 12) Zwerenz’ zuerst im Jahr 1948 publizierte Anti-Kriegs-Ballade vom Holzhaufen bei Minsk.

Gerhard Zwerenz lebte zuletzt in Oberreifenberg im Taunus.

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Von 1994 bis 1998 war Zwerenz über die offene Liste der PDS Mitglied des deutschen Bundestags. Er erwarb sich einen Ruf als der „unbeugsame Deserteur“. Im Januar 1997 gehörte Zwerenz zu den Mitunterzeichnern der „Erfurter Erklärung“. Um die Bundesregierung 1998 abzulösen, schlugen die Unterstützer vor, eine Koalition der linken Parteien zu bilden. Diese sollte aus der SPD, dem Bündnis 90/Die Grünen und der PDS bestehen. Eine Zusammenarbeit mit der PDS wurde von den Grünen abgelehnt (wikipedia)

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Das o.g. Buch (nein, das Buch scanne ich nicht ein, es hat 368 Seiten !) war kaum zu ertragen, denn 2/3 davon berichtete mit einer Ausführlichkeit seine Erfahrungen im II. Weltkrieg, einschließlich eines Mordes, den er an einem Kameraden begangen hat. Es ging ums Überleben. Es war eine unerträgliche Lektüre von einem, da zumindest ganz offen über das Grauen des Krieges schreiben konnte.

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In diesem Zusammenhang ist mir eine seiner satirischen Kurzgeschichten wieder eingefallen, die für mich früher und heute sehr beeindruckend ist… eine Parabel mit dem Titel „Nicht alles gefallen lassen …“. Erschienen ist sie 1962 in der Zeitschrift „pardon“:

Wir wohnten im dritten Stock mitten in der Stadt und haben uns nie etwas zuschulden kommen lassen, auch mit Dörfelts von gegenüber verband uns eine jahrelange Freundschaft, bis die Frau sich kurz vor dem Fest unsre Bratpfanne auslieh und nicht zurückbrachte. Als meine Mutter dreimal vergeblich gemahnt hatte, riß ihr eines Tages die Geduld und sie sagte auf der Treppe zu Frau Muschg, die im vierten Stock wohnt, Frau Dörfelt sei eine Schlampe. Irgendwer muß das den Dörfelts hinterbracht haben, denn am nächsten Tag überfielen Klaus und Achim unsern Jüngsten, den Hans, und prügelten ihn windelweich. Ich stand grad im Hausflur, als Hans ankam und heulte. In diesem Moment trat Frau Dörfelt drüben aus der Haustür, ich lief über die Straße, packte ihre Einkaufstasche und stülpte sie ihr über den Kopf. Sie schrie aufgeregt um Hilfe, als sei sonst was los, dabei drückten sie nur die Glasscherbenetwas auf den Kopf, weil sie ein paar Milchflaschen in der Tasche gehabt hatte. Vielleicht wäre die Sache noch gut ausgegangen, aber es war just um die Mittagszeit, und da kam Herr Dörfelt mit dem Wagen angefahren. Ich zog mich sofort zurück, doch Elli, meine Schwester, die mittags zum Essen heimkommt, fiel Herrn Dörfelt in die Hände. Er schlug ihr ins Gesicht und zerriß dabei ihren Rock. Das Geschrei lockte unsere Mutter ans Fenster, und als sie sah, wie Herr Dörfelt mit Elli umging, warf unsre Mutter mit Blumentöpfen nach ihm. Von Stund an herrschte erbitterte Feindschaft zwischen den Familien. Weil wir nun den Dörfelts nicht über den Weg trauten, installierte Herbert, mein ältester Bruder, der bei einem Optiker in die Lehre geht, ein Scherenfernrohr am Küchenfenster. Da konnte unsre Mutter, waren wir andern alle unterwegs, die Dörfelts beobachten. Augenscheinlich verfügten diese über ein ähnliches Instrument, denn eines Tages schossen sie von drüben mit einem Luftgewehr herüber. Ich erledigte das feindliche Fernrohr dafür mit einer Kleinkaliberbüchse, an diesem Abend ging unser Volkswagen unten im Hof in die Luft. Unser Vater, der als Oberkellner im hochrenommierten Café Imperial arbeitete, nicht schlecht verdiente und immer für den Ausgleicheintrat, meinte, wir sollten uns jetzt an die Polizei wenden. Aber unserer Mutter paßte das nicht, denn Frau Dörfelt verbreitete in der ganzen Straße, wir, das heißt unsre gesamte Familie, seien derart schmutzig, daß wir mindestens zweimal jede Woche badeten und für das hohe Wassergeld, das die Mieter zu gleichen Teilen zahlen müssen, verantwortlich wären. Wir beschlossen also, den Kampf aus eigener Kraft in aller Härteaufzunehmen, auch konnten wir nicht mehr zurück, verfolgte doch dieganze Nachbarschaft gebannt den Fortgang des Streites. Am nächsten Morgen schon wurde die Straße durch ein mörderischesGeschrei geweckt.Wir lachten uns halbtot, Herr Dörfelt, der früh als erster das Haus
verließ, war in eine tiefe Grube gefallen, die sich vor der Haustüreerstreckte. Er zappelte ganz schön in dem Stacheldraht, den wir gezogen hatten,nur mit dem linken Bein zappelte er nicht, das hielt er fein still, das hatte er sich gebrochen. Bei alledem konnte der Mann noch von Glück sagen -denn für den Fall-daß er die Grube bemerkt und umgangen hätte, war der Zünder einer Plastikbombe mit dem Anlasser seines Wagens verbunden. Damit ging kurze Zeit später Klunker-Paul, ein Untermieter von Dörfelts hoch, der den Arzt holen wollte. Es ist bekannt, daß die Dörfelts leicht übelnehmen. So gegen zehn Uhrbegannen sie unsre Hausfront mit einem Flakgeschütz zu bestreichen. Sie mußten sich erst einschießen, und die Einschläge befanden sich nicht alle in der Nähe unserer Fenster. Das konnte uns nur recht sein, denn jetzt fühlten sich auch die anderen Hausbewohner geärgert, und Herr Lehmann, der Hausbesitzer ,begann um den Putz zu fürchten. Eine Weile sah er die Sache noch an, als aber zwei Granaten in seiner guten Stube krepierten, wurde er nervös und übergab uns den Schlüssel zum Boden. Wir robbten sofort hinauf und rissen die Tarnung von der Atomkanone. Es lief alles wie am Schnürchen, wir hatten den Einsatz oft genug geübt, die werden sich jetzt ganz schön wundern, triumphierte unsre Mutter und kniff als Richtkanonier das rechte Auge fachmännisch zusammen. Als wir das Rohr genau auf Dörfelts Küche eingestellt hatten, sah ich drüben gegenüber im Bodenfenster ein gleiches Rohr blinzeln, das hatte freilich keine Chance mehr, Elli, unsre Schwester, die den Verlust ihres Rockes nicht verschmerzen konnte, hatte zornroten Gesichts das Kommando „Feuer!“ erteilt. Mit einem unvergeßlichen Fauchen verließ die Atomgranate das Rohr, zugleich fauchte es auch auf der Gegenseite. Die beiden Geschosse trafen sich genau in der Straßenmitte. Natürlich sind wir nun alle tot, die Straße ist hin und wo unsre Stadt früher stand, breitet sich jetzt ein graubrauner Fleckaus. Aber eins muß man sagen, wir haben das Unsre getan, schließlich kann man sich nicht alles gefallen lassen. Die Nachbarn tanzen einem sonst auf der Nase herum.

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Das letzte Mal sah ich Gerhard Zwerenz (& sein Frau Ingrid) vor ein paar Jahren am Ausgang des Schwimmbads von Königstein i. T. Königstein liegt am Hang unterhalb des Großen Feldbergs, der höchsten Erhebung des Taunus. Hinter dem Feldberg in Oberreifenberg, auf ca. 800 Metern Höhe & im Winter häufig im Schnee, wohnen die beiden seit Jahrzehnten in ihrem eigenen Haus, das sich der Autor mit seinen Büchern redlich verdient hat.

Der in Sachsen geborene Autor ist zwar nie in die „Bundesliga“ der deutschsprachigen Literatur aufgestiegen, hielt sich aber längere Zeit auf einem respektablen Platz in der 2.Liga, mit gelegentlichen vorübergehenden Abstiegen in die 3. Liga – als er, so ehrlich & unumwunden wie von keinem zweiten einbekannte, dass er Bücher schreibe wie ein Handwerker seiner Arbeit nachgehe, um sich seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen. Nicht mit gedrechseltem „Kunsthandwerk“; eher wenn nötig & lukrativ (auch) unter Pseudonym mit leicht konsumierbaren Pornos.

Zwar hatte er mit dem erotischen Roman „Casanova – oder der kleine Herr in Krieg und Frieden“ (1966) einen frühen „Bestseller“ geschrieben – was ihm später aber nicht mehr gelang, so sehr er sich auch darum bemühte & wie sehr er es sich auch wünschte. Die Zahl seiner in immer wechselnden Verlagen erschienen Bücher ist kaum überschaubar & fast alle sind vergriffen – seit er mit 65 Jahren (1990) in literarischen Ruhestand gegangen ist. Danach hat der ehemalige Kupferschmied, Deserteur, russische Kriegsgefangene & Volkspolizist, der bei Ernst Bloch in Leipzig studiert hatte & 1957 mit seiner Frau in die BRD geflohen war, noch von 1994 eine Legislaturperiode für die PDS (!) im Bundestag gesessen – bevor er 1998 sich ganz aus der sogenannten „Öffentlichkeit“ zurückzog.

Der heute, am 3. Juni, neunzigjährige Gerhard Zwerenz war immer stolz besonders auf zwei biographische Fakten: sein proletarisches Herkommen & seine Desertion aus der nazistischen deutschen Armee 1944, das ihm jedoch vier Jahre Arbeitslager in der SU eingetragen hat. Gerhard Zwerenz, so meinungsfreudig & sozialismusfreundlich er trotz seiner biographischen Erfahrungen mit dem „Realen Sozialismus“ geblieben ist, war jedoch auch immer ein großherziger, verständnisvoller, menschenfreundlicher „Copain“ – um das derzeit vielfach ambivalente korrumpierte Wort „Genosse“ zu vermeiden.

Mir liegt daran, diese schätzenswerte Seite seines aufrechten, kämpferischen Charakters heute zu betonen. Als FR-Redakteur habe ich mehr- & vielfach Zwerenz kennen & schätzen gelernt. Weil der als Herausgeber & Chefredakteur unumschränkt autoritäre Herrscher der FR, Karl Gerold, in dem sächsischen „Proleten“, der „unter die (westdeutschen) Intellektuellen gefallen war“ (G.Z. ad se ipsum), sich selbst gespiegelt sah, wurde uns Redakteuren von Gerold – je nach seinen Launen – Zwerenz einmal „verordnet“ & ein andermal verboten. Zwerenz lebte in jenen Jahren bei Frankfurt, dem er seinen umfänglichen Gegenwartsroman „Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond“ widmete, aus dem Fassbinder sein skandalisiertes Theaterstück „Die Stadt, der Müll & der Tod“ destilliert hat. Zwerenz aber, der die Machtgefüge in der (bürgerlichen) Gesellschaft kannte (& missbilligte), wusste mit den Gunst- & Missgunstbeweisen seines Verleger-Verehrers & unseren Verlegenheiten souverän- freundlich umzugehen, so dass wir einen für uns beiderseits akzeptablen modus vivendi fanden & praktizierten.

Umso mehr, als wir ja sowohl seine Autobiografica („Kopf und Bauch“, „Der Widerspruch“) & seine kritische Wahrnehmung & Aufmerksamkeit der westdeutschen Gesellschaft (z. B. „Bericht aus dem Landesinnern“) durchaus schätzten.

In seiner „großen Zeit“ – den Sechziger & Siebziger Jahren – war der rebellische G.Z. ein guter, politisch verlässlicher bundesdeutscher Zeitgenosse, der sich mit Verve in Ernst Blochs aufrechtem Gang fortbewegte. Als Bundestagsabgeordneter hat er wie kein anderer die Ehre der deutschen Deserteure in einem Parlament verteidigt, in dem böswillig-unbelehrbare Nationalisten wie der furchtbare Alfred Dregger von der hessischen CDU sich auf ihre „soldatischen Tugenden“ an der Ostfront frech & schamlos auf die Schulter klopften.

„Alles hat seine Zeit“, heißt es lebensphilosophisch im Alten Testament. Gerhard Zwerenz hatte sie. Das weiß er, ohne Bitterkeit – weil mit berechtigtem Stolz. Denn als wir ihn brauchten, war er da & zur Stelle. Mehr zu wissen, bedarf´s nicht (& selbst wenn man nur noch der Einzige wäre, der´s noch wüsste). (Wolfram Schütte)

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Lady Lily – Patrick Pacard + Alice in Wonderland (1984)

FrontCover1Also … da heißt eine Erika Goetz, nennt sich für diese Single (und auch für ein paar weitere Aufnahmen „Lady Lily“ hieß aber damals in Wirklichkeit Erika Bruhn … aber der Reihe nach:

Die beiden Schwestern Gitti (bürgerlicher Name: Brigitte Goetz, * 17. Januar 1958 in Obernburg am Main) und Erika (bürgerlicher Name: Erika Bruhn geb. Goetz, * 17. Juli 1956 in Obernburg am Main) bekamen schon früh zusammen mit ihrer Schwester Karoline Unterricht in Gitarre und Akkordeon. Die drei Schwestern haben zwei Brüder. Gitti, Erika und Karoline traten zeitweise unter dem Gruppennamen „Flirt“ auf.

Im Mai 1972 wurden die beiden bei dem Rundfunkwettbewerb Wettstreit nach Noten von Dieter Thomas Heck entdeckt und fortan von Christian Bruhn betreut. Sie bekamen einen Plattenvertrag bei Polydor 1973. Ihre ersten Singles waren Deinetwegen – meinetwegen, Glück und Glas, Penny Jodelboy und Morgenstern und Abendglocken. Auf den Plattencovern wurde der Name Erica mit c geschrieben. 1976 heiratete Erika Goetz Christian Bruhn.

Erika + Gitti

Erika Bruhn war aber auch solistisch tätig. Sie trat zwischen 1985 und 1987 unter dem Künstlernamen Lady Lily auf. Allerdings variierte die Schreibweise, was Irritationen auslöste. Die Tonträger (7″-Vinyl-Singles, 12″-Maxi-Singles, LPs, Maxi-CDs und CDs) wurden unter der Schreibweise „Lady Lily“ veröffentlicht; im Nachspann der Serie Alice im Wunderland hieß sie „Lady Lilli“, und in Presse-Berichten zu der Zeit wurde sie „Lady Lilly“ geschrieben. 1987 veröffentlichte sie unter dem abgewandelten Künstlernamen Lady L. Brown die Maxi-Single Boogie Woogie Baby. Die größte Popularität erreichte sie mit den Titeln Patrik Pacard (Titellied der gleichnamigen ZDF-Weihnachtsserie) und Non è vero (Soundtrack zur Weihnachtsserie Oliver Maass). Auch ist sie die Stimme bei dem von Christian Bruhn komponierten Titellied der japanischen Zeichentrickserie Captain Future, die im ZDF ausgestrahlt wurde und diversen Werbemelodien (z. B. „Milka, die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt“). (wikipedia)

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Nun gut … ich habe – damals in den 80er Jahren – weder diese Single noch die TV-Serien „Patrik Pacard“ oder „Alice in Wonderland“ mitbekommen.

Ein bleibender Schaden ist mir dadurch nicht geblieben, hoffe bzw. vermute ich mal.

Hier also die Titelsongs der jeweiligen ZDF Serien.

Und die Musik steht exemplarisch für jene – aus meiner Sicht – seelenlosen Discomusik der 80er Jahre. Perfekt in Szene gesetzt und sowas von aalglatt. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.

Ich will aber nicht verschweigen, dass ich im Internet auf „Lady Lily“ Fanseiten begeisterte Kommentare zu dieser Single gefunden habe.

Ach ja … es gibt auch positives zu berichten: Die Labelgestaltung verdient das Prädikat: hübsch.

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Besetzung:
Lady LIlly (vocals)
+
eine kleine Schar unbekannter Studiomusiker

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Titel:
01.  Patrick Pacard (Bruhn/Votion/Pfaue) 2.47
02. Alice in Wonderland (Bruhn/Votion/Wagner) 2.54

LabelB1

*
**

Im Jahre 1976 ging Bruhn mit Erika Goetz seine vierte Ehe ein, die 2001 – kurz nach der silbernen Hochzeit – mit 11 Millionen DM Abfindung geschieden wurde. (Bei DM 11  Millionen Abfindungen würde ich auch relativ entspannt in die Kamera lächeln). Hier das frisch geschiedene Paar vor dem Amtsgericht München:
Erika + Christian Bruhn

Dieter Hildebrandt + Renate Küster – Vater unser gleich nach der Werbung (2009)

FrontCover1Der Dieter Hildebrandt hat natürlich weiterhin bei mir einen ganz festen Platz im Herz und im Hirn. Und deshalb ein weiteres Beispiel seiner genialen Art, die Dinge der Welt zu kommentieren – Hier eine bitterböse Abrechnung mit dem deutschen Fernsehalltag!

Was ist Reality und was Reality-TV? Diese brennende Frage stellt sich Dieter Hildebrandt, als er sich zusammen mit seiner Frau Renate in einen Senioren-Container begibt, wo sie vor den Kameras einer ihnen unbekannten Produktionsfirma ein fernsehseriengemäßes Leben streng nach Drehbuch führen sollen. Insgeheim jedoch trotzt der eingesperrte Kabarettist den allgegenwärtigen Beobachtern mit satirischen Betrachtungen über den deutschen Fernsehwahnsinn.

Ein altes Ehepaar lebt in der Küche seines Hauses. Die anderen Zimmer haben die beiden an eine Fernsehgesellschaft vermietet, die die Küche als Senioren-Container zeigt. Dann wann stößt TV-Redakteurin Carmen Pietsch zu ihnen und bespricht, was ihr Leben und damit die Sendung ein wenig bunter machen könnte. In den anderen Momenten versuchen sich die beiden Container-Insassen an Exposées für Fernsehserien und entwerfen außergewöhnliche Charaktere und wilde Plots.
Nicht nur, wenn fremde Kamerateams aufgrund besonderer Ereignisse – beispielsweise ein Zimmerbrand im Schlafzimmer – den Garten zerstören, wird prüfend der Vertrag mit der Produktionsfirma herangezogen: Wie viel des Intimlebens hat man wirklich verkauft? Zwar bleibt die Nasszelle ausgespart, doch reicht der Vertrag tatsächlich bis zum letzten Atemzug, denn der gemeine Fernsehzuschauer hegt ein besonderes Interesse für letzte Worte – auch die, von Containerbewohnern.

Buchvorlage

Die Buchausgabe

Nebenbei geht es um das, was ansonsten die deutsche Fernsehlandschaft bestimmt: Sportberichte, Günther Jauch, Stars und Schönheitsoperationen. Da werden die Fernsehtoten eines Tages besprochen aber man spekuliert auch über die Zukunft der Ostermesse von Papst Benedikt, die wohlmöglich demnächst selbst durch Werbeunterbrechungen finanziert wird, so dass es dann heißt: Vater unser – gleich nach der Werbung.

In 50 Jahren wird mehr als ein Drittel aller Deutschen über 60 Jahre alt sein, eine Senioren-Armada, die immer gesünder herumhoppelt, schwarz arbeitet, keine Steuern zahlt und Geld haufenweise hortet. Für Dieter Hildebrandt liegt daher die Quotenmacht der Alten klar auf der Hand. Sein Entschluss steht fest: Sich selbst kasteiend, steigt unser kabarettistisches Urgestein hinab in die tiefsten Canyons des TV-Flachsinns. Zusammen mit seiner Frau Renate beschließt Hildebrandt, seinen Erfahrungsschatz um eine der furchtbarsten Varianten zu erweitern — den Einzug in einen Senioren-Container.

Lebenslänglich vertragsmäßig gebunden, findet das Leben der Eheleute H. von nun an nur noch in ihrer Küche statt, kameraüberwacht, versteht sich. Alle restlichen Zimmer des Hauses wurden von ORA-TV in Beschlag genommen, einer von finsteren Medienmonstern beherrschten Sendeanstalt. Wie ein großer Bruder steuert eine ganze Hierarchie von Weisungsbefugten den Alltag der Hildebrandts per Regieanweisung fern. Ganz oben entscheidet eine letzte, rätselhafte Instanz, schelmisch HÖWEI (Höhere Weisung) getauft. Bald wendet sich der Spaß zum Irrsinn. Einer medialen Gehirnwäsche gleich, gerät unser Seniorenpaar in einen Albtraum aus Reality und Reality-TV — um sich am Ende dramaturgisch perfekt durchgestaltet wiederzufinden.

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Ein Thema, bei dem der 74-jährige Dieter Hildebrandt seinem Affen Zucker geben kann. Seine Visionen künftiger Medien- und Money-Allmacht schlagen Purzelbäume: Peter Stein toppt seinen Expo-Faust demnächst mit der Ilias, alles wesentlich größer und üppiger natürlich. 36 Stunden, finanziert von kunstsinnigen Sponsoren, unterbrochen lediglich durch 72 Werbeblöcke. Ob Hildebrandt Bandenwerbung in Kathedralen wittert, Kochs Schwarzgeldkonten plündert, die Love Parade oder Jauch beseufzt, es ist eine Ehre, vom Altmeister abgewatscht zu werden.

Zeitgeist-Kids und Stefan-Raab-Surfer im Ozean der riesigen Spaßgesellschaft, benötigen schon etwas feinere Sensoren, Hildebrandts giftigen, tröpfchenweise verabreichten Humor im Kampf gegen die Verblödung heraus zu destillieren. Trotz des zuweilen etwas antiquiert mahnenden Zeigefingers hält sich der alte „Lach- und Schieß“-Kämpe noch immer recht gut. (Ravi Unge)

Oder: viel geistreicher geht es nicht mehr …

Text1

Besetzung:
Dieter Hildebrandt
Renate Küster

Tray1

Titel:

CD 1:
01. Kapitel 01 / 6.46
02. Kapitel 02 / 13.24
03. Kapitel 03 / 12.16
04. Kapitel 04 / 4.27
05. Kapitel 05 / 4.21
06. Kapitel 06 / 1.26
07. Kapitel 07 / 4.16
08. Kapitel 08 / 2.33
09. Kapitel 09 / 0.57
10. Kapitel 10 / 10.52
11. Kapitel 11 / 1.43
12. Kapitel 12 / 5.50
13. Kapitel 13 / 7.13
14. Kapitel 14 / 3.56

CD 2:
01. Kapitel 15 / 3.17
02. Kapitel 16 / 3.29
03. Kapitel 17 / 2.17
04. Kapitel 18 / 3.20
05. Kapitel 19 / 2.55
06. Kapitel 20 / 2.25
07. Kapitel 21 / 4.24
08. Kapitel 22 / 8.48
09. Kapitel 23 / 6.50
10. Kapitel 24 / 9.43
11. Kapitel 25 / 4.02
12. Kapitel 26 / 3.21
13. Kapitel 27 / 2.07
14. Kapitel 28 / 4.14
15. Kapitel 29 / 2.41
16. Kapitel 30 / 4.10
17. Kapitel 31 / 6.13
18. Kapitel 32 / 4.35
19. Kapitel 33 / 1.41
20. Kapitel 34 / 2.23
21. Kapitel 35 / 0.42

Text: Dieter Hildebrandt

CD2A

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KüsterHildebrandt01

Mehr von Dieter Hildebrandt:
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Alte Krimis (2): Hans-Peter Boer

Ich muss und will meine Sammlung antiquarischer Bücher, hier Krimis reduzieren. Dazu gehört auch diseer Band, die Nummer 1 einer Serie um dem Kommissar Klaus Kattenstroht (nun gut, ganz so alt ist diese Krimi nicht):

Hans-Peter Boer Stoppelland01

Und darum geht´s:

In der ländlichen Idylle des Münsterlandes, an der Reckhölter Aa, ist eine junge Prostituierte einem schrecklichen Verbrechen zum Opfer gefallen. Mit einem Jagdgewehr wurde sie aus nächster Nähe regelrecht hingerichtet. Ein Fall für Hauptkommissar Klaus Kattenstroht, der „aufs Land“ fährt und sich, unterstützt von seiner jungen Assistentin Kathrin Eilers, auf die Spur des Täters setzt. Doch die Ermittlungen direkt vor Ort erweisen sich für das Duo aus Münster als äußerst schwierig. Schon bald müssen sie feststellen, dass man „auf dem Lande“ zusammenhält – besonders in gewissen Kreisen. Doch trotz einer Mauer des Schweigens lässt Kattenstroht nicht locker. Kantig, bärbeißig und gewitzt kommt er am Ende dem Täter auf die Schliche.(Pressetext)

Und natürlich will ich auch die Gelegenheit nutzen, um den jeweiligen Autor ein wenig vorzustellen:

Hans-Peter Boer (* 22. Januar 1949 in Nottuln) ist ein deutscher Krimi-Autor und Heimatkundler.

Boer wurde 1949 in Nottuln als Sohn eines Bäckers geboren. Nach dem Abitur 1969 am Paulinum in Münster folgte bis 1972 ein Studium an der Pädagogischen Hochschule Münster und 1976–1979 ein Aufbaustudium in den Fächern Deutsch und Geschichte für das Lehramt der Sekundarstufe I an der Wilhelms-Universität. In den darauf folgenden Jahren war er als Lehrer an der Hauptschule in Gescher, an der Schule für Lernbehinderte in Coesfeld, an der Anna-Katharina-Emmerick-Hauptschule in Coesfeld, am Ratsgymnasium Münster und letztendlich am Joseph-Haydn-Gymnasium in Senden tätig.

Hans-Peter Boer Stoppelland03

Von 1982 bis 1985 übernahm Boer die Leitung des Mühlenhof-Freilichtmuseums Münster. Von 2005 bis 2014 war er Kulturdezernent in der Bezirksregierung Münster. Er ist auch Vorsitzender des Kreisheimatvereins Coesfeld.

Zu seinem Hobby zählt Boer die Erforschung der Kultur, Geschichte und Volkskunde des Münsterlandes und seinem Heimatdorf Nottuln. Zahlreiche Fachartikel und eigenständige Werke hat Boer zu diesem Themenkomplex verfasst. Seit 2006 ist er Autor einer Krimiserie mit Kommissar Klaus Kattenstroht. (wikipedia)

Der Krimi gehört für mich in die Kategorie „leichter Sommer-Krimi“. Erschienen ist er im Landwirtschaftsverlag, Münster:

Der Landwirtschaftsverlag Münster ist ein Fachverlag für landwirtschaftsbezogene Medien mit Sitz in Münster-Hiltrup. Er wurde 1946 gegründet. Der Verlag erzielt einen Umsatz von 115 Millionen Euro (Stand: 2018)[1] und beschäftigt ca. 800 Mitarbeiter an 11 Standorten im In- und Ausland. Das bekannteste, erfolgreichste, auflagenstärkste Magazin des Verlages ist Landlust.

Die Gesellschafter des Landwirtschaftsverlags Münster sind die Stiftung Westfälische Landschaft, der Raiffeisenverband Westfalen-Lippe und der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband. (wikipedia)

Interessant fand ich in diesem Zusammenhang, dass in diesem Krimi durchaus kritische Seitenhiebe auf traditionelle und teilweise überkommende Strukturen in landwirtschaftlichen Betreiben zu lesen sind.

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Der Spiegel – Nr. 33 (9. August 1971)

TitelEs muss sich ja nun wirklich nicht jeder für Zeitgheschichte interessieren, aber wer das – wie ich z.B. – tut, der findet in alten „Spiegel“ Ausgaben natürlich wertvolles Material zum jeweiligen Zeitgeschehen:

Nein, den Spiegel brauche ich hier eigentlich nicht via Wikipedia Informationen vorstellen ….

Der Spiegel ist schlicht und ergreifend eine Institution und seine Geschichte wurde schon oft erzählt.

Und ja … ich weiß natürlich, dass der Spiegel-Verlag alle Ausgaben seit …. kostenlos im PDF-Format zur Verfügung stellt.

Und nur zu gerne nutze ich diese Quelle für meine diversen Recherchen und freue mich dann über dieses Angebot.

Und dann ärgere ich mich jedesmal, denn die Qualität der PDF-Dateien ist doch sehr bescheiden (und auch nur in schwarz-weiß) … und das ist dann gerade bei Fotos einfach ärgerlich, zumindest für so einen visuellen Typen wie ich es wohl bin ….

Und nachdem mein Keller wieder mal ausgemistet werden soll … habe ich einfach mal in den Haufen alter Spiegel-Titel gegriffen und schwupp-di-wupp … diese Ausgabe in den Händen gehalten.

Hier mal in Heft aus dem Jahr 1971 … die Nr. 33 vom 9. August 1971.

Und dieses Heft interesierte mich dann ganz besonders beim Durchblättern, erschien es doch in einer Zeit, als mein Interesse für politische Zusammenhänge und Informationen enorm zunahm und ich begierig alles aufgriff, was damit zusammen hing.

Zudem behandelte die Titelstory das Thema „Deutsche Jugendbewegung 71“ und dann noch der lange Artikel über all die Veränderungen in Chile, die von Salvadore Allende angestoßen wurden.

Und natürlich fällt auch auf, dass damals diese 68er Bewegung mit all seinen Schattierungen das politische, aber auch kulturelle Geschehen zwar nicht bestimmte, aber dennoch mitprägte.

Ach ja …. und der Franz Josef Strauß wollte wohl schon damals Kanzler werden … 

Und ich wünsche wieder mal eine vergnügte, aber auch nachdenkliche Zeitreise.

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Ja da schau her:
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Franz Josef Strauß mit ZDF Sport Moderator Werner Schneider und „Wienerwald“ Chef Friedrich Jahn:
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War natürlich schon damals ein Thema, hat bloß keinen wirklich interessiert:
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Rot als Signalfarbe:
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Die Titelstory über die „apolitische Jugendewegung“, die es auf das Land zog (Going to the country):
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Ein arg geschmackloser Werbe-Slogan:
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Von dem durch Wahlen legitimierten Ansatz eines demokratischen Sozialismus durch Salvadore Allende war ich damals unendlich fasziniert:
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Welches System sich letztlich durchgesetzt hat: ich weiß es einfach nicht:
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Man gönnt sich ja sonst nichts:
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Ja, ja … 10% Zinsen auf den Bahamas:
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Die erste Generation von Video-Recordern hat sich wohl nicht durchgesetzt:
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Der Jörg Schröder . ein Hasardeur der linken Szene:
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Beispiel49

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Und natürlich beobachtete „Der Spiegel“ damals auch den Zeitschriftenmarkt ganz genau:
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Aus der Rubrik „Personalien“:
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Damals wie heute beliebt … die Rubrik „Hohlspiegel“:
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Gab´s damals noch: Fernseh-Tipps vom Spiegel:
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Die Rückseite des Heftes:
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Mehr von der Zeitschrift „Der Spiegel“:
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Recht herzlich – Hab Mut zu deinen Lüsten (1982)

FrontCover1Ja was haben wir denn da ?

Glaubt man den Informationen, die da im Internet gefunden haben, handelt es sich hier um eine „“ aus der Gattung „Neue Deutsche Welle“.

Einen weiteren Farbtupfer der umfangreichen NDW gab es von der Band Recht Herzlichaus München. Diese hatten mit „Walpurgisnacht“ einen kleinen Hit, der sich bis heute hartnäckig in der Minimal-Wave-Discotheken-Szene hält. Auch die zweite Single-Auskopplung „Der kleine Elefant“ ist auf einigen NDW-Samplern zu finden. Der ganz große Durchbruch gelang trotz circa 50.000 verkauften Einheiten allerdings nicht, was verwundert.

Produziert wurde Recht Herzlich von Peter Gorski, der mit seiner Band auch zwei Singles und ein Album zur NDW-Zeit veröffentlichte. Aufgenommen hat die Band im Studio vom Synthesizer-Experten Kristian Schultze. Er war Keyboarder und Organist in Klaus Doldingers Band „Passport“ und wurde berühmt durch das Musikprojekt „Cusco“. Nach Recht Herzlich war Vichr als Produzent und Komponist tätig. Selbst spielte er unter anderen beim Trio „Novo“ und trat mit dem Titel „Extremix“ im Musikladen auf, direkt nach Franky Goes to Hollywood. 1981 hatte er eine kleine Rolle im deutschen Musik-Film „Pommi Stern“, in dem auch Steve Strange mitwirkte.

Susi Herrmann ist noch heute als Musikerin und Sängerin aktiv. 2016 veröffentlicht sie als Susanna Herrmann Band ihre neue CD „Federn“ (Besprechung und Vorstellung folgt). Einen neuen Remix von „Gut bewegen“ gibt es hier: https://soundcloud.com/avichr/gut-bewegen-2005-v1

Die LP „Hab Mut zu deinen Lüsten“ gehört zu den gesuchtesten Alben der NDW und erzielt immer wieder auf den Gebraucht-Börsen Höchstpreise. Wie man hört, ist Recht Herzlich nicht unaktiv und wird 2016 vielleicht die Fans mit einer Neuigkeit überraschen.

Single1

Nun ja, meine Begeisterun hält sich da in Grenzen bzw. geht gleich gegen Null … das sind da die Momente, wo man realisiert, nun wirklich einer ganz, ganz anderen Generation anzugehören.

Sei´s drum … Wenn sich hier James Lasdt tummelt, dann sollen die biede das genauso tun.

Andreas

Andreas „Sergio De Lacasio“ Vichr (ca. 2015)

Besetzung:
Susi „Vera Vanessa De La Palma“ Hermann
Andreas „Sergio De Lacasio“ Vichr

SingleFront+BackCover

Titel:
01. 1000…Lüste (Palma/Lacasio) 3.34
02. Der kleine Elefant (Palma/Lacasio) 3.24
03. Tanz mit Sergio (Palma/Lacasio) 5.13
04. Republik (Palma/Lacasio) 2.43
05. Walpurgisnacht (Palma/Lacasio) 3.33
06. Tanz mit Vera (Palma/Lacasio) 3.44
07. Gut bewegen (Palma/Lacasio) 4.43
08. 10 Go (Palma/Lacasio) 3.10
09. Mach mich heiser (Palma/Lacasio) 3.44
10. Macchinismo E Nostalgia (Palma/Lacasio) 3.32

Endpreis

Selbst diese Single brachte 45 € ein ….

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Barbara Dennerlein – Straight Ahead! (1989)

FrontCover1Natürlich hätte die Barbara Dennerlein hier längst entsprechend gewürdigt werden müssen:

Barbara Dennerlein (* 25. September 1964 in München) ist eine deutsche Jazzmusikerin.

Mit 11 Jahren erhielt Dennerlein als Weihnachtsgeschenk eine einmanualige elektronische Orgel und begann unmittelbar mit Orgelunterricht. Dort konfrontiert mit einer Hammond-Orgel B3, einem Instrument mit zwei Manualen und Pedal, bat sie ihre Eltern kurz nach Weihnachten, eine größere Orgel zu kaufen, um das Orgelspielen richtig lernen zu können.

Nach etwa eineinhalb Jahren bildete sich Dennerlein autodidaktisch weiter. Bald folgten erste Auftritte bei unterschiedlichen Veranstaltungen sowie mit 15 Jahren das erste professionelle Engagement in einem Jazzclub in den Schulferien. Früh übernahm sie die Funktion der Bandleaderin in einem Umfeld meist männlicher und deutlich älterer Musikerkollegen mit langjähriger Berufserfahrung.

Ihr früher Ruf als Orgeltornado aus München führte 1982 zu ersten Fernsehauftritten, etwa in Michael Schanzes Sendung Hätten Sie heut’ Zeit für uns? zur Förderung junger Musiktalente (1984). 1983 wurde die erste Schallplatte als Konzertmitschnitt aufgenommen, ein Jahr später das erste Studioalbum. Das dritte Album Bebab erschien 1985 auf dem gleichnamigen Eigenlabel der Musikerin und wurde mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet, was sie einem breiteren Publikum bekannt machte.

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Europaweite Konzerttourneen folgten, 1988 gab sie in Ost-Berlin ein vom Fernsehen der DDR ausgestrahltes Konzert, das später unrechtmäßig auf CD erschien. 1989 wurde ihre Hammond-B3 mit MIDI-Technik ergänzt, so dass über Pedal und Manuale nun auch zusätzlich fremde Tonerzeuger (Synthesizer, Sampler) angesteuert werden konnten. Der ein- oder beidfüßig auf dem Pedal gespielte Bass erhielt dadurch mehr Biss und gehört seitdem mit zum Dennerlein-Sound. Diese Spieltechnik unterscheidet Dennerlein von früheren Jazz-Organisten wie Jimmy Smith, die mit der linken Hand die kontinuierliche Bassbegleitung spielen. Den gewonnenen Freiraum nutzt Dennerlein für häufigere Änderungen der Klangeinstellungen während der Darbietung, die ebenfalls für ihr Spiel charakteristisch sind.

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Ende der 1980er Jahre entstanden verschiedene Band-Projekte und Kooperationen, u. a. mit Jürgen Seefelder, Andreas Witte, Peter Herbolzheimer und mit Friedrich Gulda, Enfant terrible der Klassik-Szene und Grenzgänger zum Jazz. 1989 erschien die CD „Live On Tour“ mit dem Trompeter Oscar Klein und dem Drummer Charly Antolini (CD Bebab 250965, aufgenommen im Jazzland in Wien). 1994 setzte sie sich erstmals bei den Bach-Tagen in Würzburg mit der Kirchenorgel auseinander. In den Folgejahren entstand eine Konzertreihe mit Jazz auf der Kirchenorgel, die 2002 in der Produktion eines Albums mündete, dem weitere 2008 und 2012 folgten („Spiritual Movement“ – Reihe). Seit 2003 entwickeln Barbara Dennerlein und ihr Arrangeur und Saxofonist Peter Lehel mit Hammond meets Orchestra ein weiteres Jazz-Format in Kooperation mit Symphonieorchestern. 2016 veröffentlichte sie mit „My Moments“ ein Album auf CD und DVD, bei dem sie solistisch sowohl an der Hammondorgel als auch an der Pfeifenorgel spielt.

Hauptsächlich spielt Dennerlein Jazz auf der Hammond-Orgel, sowohl solo als auch im Duo mit Schlagzeugbegleitung sowie mit ihrer Formation Bebab in Trio- bis Quintett-Besetzung. Ihre inzwischen internationale Präsenz festigte sie in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre mit drei bei dem internationalen Jazz-Label Verve erschienenen Alben. Für diese Aufnahmen gewann sie so renommierte Jazzmusiker wie Ray Anderson, Randy Brecker, Dennis Chambers, Roy Hargrove, Mitch Watkins oder Jeff Tain Watts.

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Dennerlein komponiert seit Beginn ihrer Karriere. Bereits ihr mit 18 Jahren eingespieltes erstes Album enthielt vier Eigenkompositionen. Stilistisch beschreitet sie mehrere Wege vom klassischen Blues-Schema über romantisch-melancholische Balladen bis hin zu Tempo-getriebenen Kompositionen, die Elemente des Swing, des Bebop und lateinamerikanischer Rhythmen aufgreifen. Dennerleins Spiel orientiert sich, anders als das vieler ihrer Kollegen, nicht an Jimmy Smith. Das schnelle Tempo, häufiges Kennzeichen ihrer Interpretationen bekannter Standards zu Beginn ihrer Karriere, fordert in zahlreichen eigenen Stücken zum anspruchsvollen Basspedalspiel heraus. Mitunter mit Tempo gepaart, aber auch in langsameren Stücken, setzt Barbara Dennerlein gerne gezielt ungerade Taktarten und Taktwechsel ein. In den Balladen entfalten unkonventionelle Harmoniewechsel eine erzählende, bildhafte Wirkung. (wikipedia)

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Hier eines ihrer frühen Album das sich nicht nur gewaschen hat, sondern auch zu ihrem internationalem Durchbruch geführt hat.:

Darf das wahr sein? Eine junge Münchnerin, knapp über 20, setzt sich auf den Stuhl des legendären Jimmy Smith und hebt die Jazzwelt aus den Angeln? Es darf: Das Comeback der jahrelang mißachteten Hammond-Orgel wird zum Triumph für Barbara Dennerlein; auch in Gegenwart von Ray Anderson, Ronnie Burrage & Co. bleibt sie unüberhörbar Chef im Ring, watet knietief in Bebop und Blues, und die selten so sauber aufgenommene Orgel jauchzt schier vor Ver- gnügen. Drei Extras auf CD. (Stereoplay)

Die Labels der Vinyl Ausgabe:
Labels

Dem Einfluß von Jimmy Smith, dem swingenden Übervater aller Jazz-Organisten, unterliegt auch die 24jährige Münchner Organistin Barbara Dennerlein. Ihre Band, der unter anderem der glucksende, dennoch melodische Posaunist Ray Anderson angehört, packt Blues, Bebop und Moderne spannend zusammen. (Audio)

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Prädikat: atemberaubend !

Und deshalb wird hier jetzt dann  – im Jahr 2021 ganz sicher noch öfters die Rede sein.

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Besetzung:
Ray Anderson (trombone)
Ronnie Burrage (drums)
Barbara Dennerlein (organ)
Mitch Watkins (guitar)

Booklet1

Titel:
01. Bad And Blue (Dennerlein) 5.51
02. It Just So Happens (Anderson) 11.57
03. What´s Up (Dennerlein) 5.59
04. All That Blues (Dennerlein) 8.32
05. Open And Free (Burrage) 4.58
06. Stormy Weather Blues (Dennerlein) 11.30
07. Straight Ahead (Dennerlein)
08. Rumpelstilzchens Bossa (Dennerlein) 5.38
09. Opus De Funk (Silver) 4.14
10. A Night In Tunesia (Gillespie/Paparelli) 6.15

CD1

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Wieder lieferbar: Thomas Mann

Wie gewünscht (man klicke auf das Cover):

Thomas Mann – Spricht über die Entstehung der Buddenbrooks u.a. (1975):
FrontCover1

Wer sich über einen Beitrag, der nicht mehr lieferbar ist, dennoch gerne nochmals informieren möchte, schreibe bitte an:

post-fuer-sammelsurium@gmx.net

Ich werde dann natürlich versuchen, solche Wünsche zeitnah zu erledigen, okay ? Auch weitere (Musik) Wünsche kann man mir gerne mitteilen; ich schau dann, was sich machen lässt.

Und dann noch folgende Information:

In manch früheren Beiträgen habe ich – aus gegebenem Anlass – ein Passwort verlangt; dies ist gegenwärtig nicht mehr notwendig.

Amnesty International – 60 Jahre (2021)

LogoEine beeindruckende Organisation:

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International feiert 60-jähriges Bestehen. Heutzutage arbeiten rund 2000 Mitarbeiter für die NGO, Millionen Menschen unterstützen sie. Dabei hat alles mal ganz klein angefangen.

Amnesty International setzt sich für Menschen ein, die unrechtmäßig weggeschlossen werden. So hat die Arbeit der Organisation zumindest ihren Anfang genommen. Es begann mit einem Artikel, den der britische Rechtsanwalt Peter Benenson offenbar 1960 gelesen hat, zu einem Zeitpunkt, als Portugal noch eine Diktatur war.

„Eines Tages hat er etwas über portugiesische Studenten gelesen, die dafür inhaftiert worden waren, dass sie auf die Freiheit angestoßen hatten“, sagt Emily Nevins, die Kampagnen-Verantwortliche bei Amnesty International. „Dieses Unrecht hat Benenson tief getroffen, zumal klar war, dass das nicht nur in einem Land passierte, sondern an vielen Orten der Welt. Und dann hat er die Leute dazu aufgerufen, Briefe zu schreiben und die Regierungen unter Druck zu setzen, diese Gefangenen wieder freizulassen. Und aus dieser einfachen Idee ist Amnesty entstanden und immer weiter gewachsen.“

Mit diesem Artikel im Observer ging es 1961 los:
Observer1

Emily Nevins ist eine von rund 2000 Mitarbeitern, die die Organisation beschäftigt. Eigenen Angaben zufolge hat Amnesty heute etwa zehn Millionen Unterstützer weltweit und Vertretungen in rund 70 Ländern. Im Laufe der Zeit habe sich Amnesty mit zehntausenden Menschenrechtsverletzungen befasst, sagt Nevins.

„Unsere Rechercheure haben viele Kontakte in den Ländern“, so Nevins. „Sie arbeiten zum Teil mit Menschenrechtsaktivisten vor Ort zusammen, mit Zivilorganisationen. Sie sind Ansprechpartner für Rechtsanwälte, die entsprechende Fälle vertreten, oder für Familienangehörige – und dadurch ergibt sich ein Bild für die Amnesty-Mitarbeiter, wie die Lage im Land ist und wie es um bestimmte Fälle steht. Und von da aus können sie ihre Nachforschungen dann weiter treiben.“

Peter Benenson

Besonders Frauen leiden laut dem Jahresbericht von Amnesty International unter den Folgen der Pandemie.

Gefragt nach einem Fall, der sie besonders bewegt hat, nennt Nevins den von Albert Woodfox, einem Afroamerikaner, der fast 43 Jahre zu Unrecht in den USA in Einzelhaft gesessen hat. Woodfox erzählt, wie er immer wieder schweißgebadet aufgewacht ist, mit dem Gefühl, erdrückt zu werden. Amnesty International hat sich für seine Entlassung stark gemacht. 650.000 Menschen weltweit unterstützten die Kampagne und im Februar 2016 kam Woodfox dann frei. Nevins hat ihn danach getroffen und ist immer noch beeindruckt, dass er 43 Jahre in Isolation überlebt hat.

Amnestys Aufgabenbereich ist über die Jahrzehnte gewachsen. Die Organisation kämpft nicht nur gegen Willkür, Vertreibung, Folter und Todesstrafe, sondern setzt sich auch konkret für die Rechte von Frauen und von Flüchtlingen ein.

Folter

Amnesty kämpft ebenfalls für das Recht auf Nahrung, Wasser, eine sanitäre Grundversorgung und Bildung – sowie für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. 1977 wurde die Organisation mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Zu den größten Erfolgen, zu denen Amnesty nach eigenem Verständnis maßgeblich beigetragen hat, zählen das absolute Folterverbot, die Einrichtung eines Hochkommissariats für Menschenrechte bei den Vereinten Nationen, die Schaffung eines Internationalen Strafgerichtshofs und das Verbot von Rüstungsexporten, die zu Menschenrechtsverletzungen beitragen können.

Nevins nennt keine Zahlen, wie häufig es Drohungen und Übergriffe auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt. Aber dass der Einsatz für Menschenrechte einen Preis haben kann, hat der Fall der beiden Amnesty-Vertreter Taner Kilic und Idil Eser gezeigt: Beide wurden vergangenes Jahr in der Türkei zu Haftstrafen verurteilt.

In Indien hat die Regierung die Amnesty-Sektion vor Kurzem gezwungen, ihre Menschenrechtsarbeit einzustellen. Die Organisation zieht daraus den Schluss, dass die Menschenrechte noch energischer verteidigt werden müssen. (Imke Köhler, ARD-Studio London)

Titelbild

Als Info-Material habe ich den Amnesty International Report 2020/21 „Zur weltweiten Lage der Menschenrechte“ (1976 Seiten) und Pressinformation von Amnesty zum 60jährigen Bestehen (15 Seiten) zusammengestellt:

Amnesty Materialien

Und normalerweise müssten zumindest die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten anlässlich dieses Jubiläums eine ganz große Gala-Veranstaltung durchführen … vermutlich kann ich darauf noch lange warten … denn die im Dunklen sieht man nicht.

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