Sahara – Sunrise (1974)

FrontCover1.JPGUnd hier präsentiere ich mal wieder so eine Kultband aus München … und noch heute sind ihre seltenen Reunin Konzerte restlos ausverkauft.

Und so stellen sie sich selber vor:

Sie wohnten im Stadtteil München-Laim, gingen auf die dieselbe Schule und hatten das gleiche Interesse: Beatmusik. Für Ihren ersten Liveauftritt in einem Münchner Lokal nannte sich die junge Band 1966 The Subjects. Als kurz darauf zu Harry Rosenkind (Schlagzeug), Michael Hofmann (Gitarre, Gesang) und Stephan Wissnet (Bass, Gesang) der Gitarrist Gerd Stöhr stieß, war die klassische Beatbesetzung komplett.Eine etablierte Musikszene existierte Mitte der 60er-Jahre noch nicht. Im Bayerischen Rundfunk dudelten die alten Schlager, Beatsongs mußte man nachts von Radio Luxemburg auf Tonband aufnehmen, die neuesten Beatles- und Rolling Stones-Schallplatten wurden beim Elektrohändler bestellt und Auftrittsmöglichkeiten waren extrem rar. Also funktionierten The Subjects die damals üblichen Beatparties in den Freizeitheimen und Pfarrsälen zu Rockkonzerten um. Die Fans zogen – einer Karawane gleich – von einem Gig zum anderen und es entstand eine Art Fanfamilie; für Band und Publikum eine völlig neue und spannende Entwicklung.

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The Subjects, 1966

Im September 1968 gewannen Subject Esq., wie sie sich jetzt nannten, einen Beatwettbewerb im Löwenbräukeller und wurden in den nächsten Jahren zu einer festen Größe in der Münchner Progressive-Rock-Szene. Mit viel Ausdauer, Fleiß und Idealismus komponierten die Musiker ihre eigenen Stücke. Selbst die Kollegen von anderen deutschen Bands erkannten neidlos an, daß Subject Esq. schon damals, weit entfernt vom üblichen Krautrock, einen eigenen Stil entwickelt hatten.1969 verließ Gerd Sahara01Stöhr die Band, dafür stiegen Bluesgitarrist Peter Markl, Peter Stadler an der Hammondorgel und Alex Pittwohn als Rhythmusgitarrist, Mundharmonikaspieler und Sänger ein. Ein absolutes Highlight war der Auftritt von Subject Esq. als Vorprogramm für die britische Blueslegende John Mayall im Juni 1969 im Münchener Blow Up. Es folgten drei Jahre Konzerte in ganz Deutschland, bis die Band 1972 ihren ersten Plattenvertrag mit CBS abschloss. Da war Peter Markl nicht mehr dabei.Das Debütalbum „Subject Esq.“ wurde im Frühjahr 1972 im Münchner Union-Studio von Mack aufgenommen (er arbeitete später mit Queen, ELO, Elton John u.a.). Die Gitarrenparts spielte der Studiomusiker Paul Vincent ein. Subject Esq. gelang ein großartiges Album mit komplexen Arrangements, kontrastreichen Instrumental- strukturen und mehrstimmigen Gesängen, eine Fusion der Extraklasse aus Jazz, Rock, Klassik und Blues. Nach zahlreichen Konzerten und Fernsehsendungen kam es im Herbst 1972 zu weiteren Umbesetzungen in der Band: Hennes Hering (früher bei Out Of Focus) saß jetzt an der Hammondorgel und mit Nick Woodland (früher bei Gift) hatte die Band wieder einen Leadgitarristen. Gleichzeitig unterschrieb man einen neuen Plattenvertrag mit Ariola und änderte abermals den Namen: Subject Esq. hießen jetzt endgültig Sahara.

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Sahara im Übungsraum der St. Bonifaz Kirche, München (1973)

Sahara nahmen im Herbst 1973 ihre zweite LP „Sahara Sunrise“ im Musicland-Studio auf, die abermals Mack produzierte. Sahara tourten zwei Jahre durch ganz Deutschland. Sie präsentierten dabei neue Songs, in der Hamburger Fabrik ebenso wie auf dem Rockfestival in Lindau am Bodensee mit den Scorpions (8/1973). 1975 verließen schließlich Bandmitgründer, Schlagzeuger und Manager Harry Rosenkind und Leadgitarrist Nick Woodland die Band. Mit Holger Brandt (früher bei Missing Link) am Schlagzeug und Günter Moll an der Gitarre wurde kurz darauf die dritte LP „For All The Clowns“ im Münchner Union Studio eingespielt. Zeke Lund war am Mischpult, abgemischt wurde mit Robin Black in London.Dabei entstand eine aufregende Mischung aus anspruchsvollem Progrock, fantasievollen Melodiebögen und experimentellen Klanggeweben, geprägt durch die Großen jener Zeit (Yes, King Crimson, Jethro Tull und Pink Floyd). Auf einer anschließenden Konzerttournee durch Holland spielte Werner Schmitt Schlagzeug, Holger Brandt und Günter Moll waren bereits nicht mehr dabei.Zum 10-jährigen Bandgeburtstag gab es im Theater der Jugend München (heute Schauburg) am 24.Juni 1977 ein letztes, großes Sahara-Konzert mit allen bis dahin mitwirkenden Musikern. Eine aufwändige, eindrucksvolle und unvergessliche Zeitreise durch die Entwicklungsphasen der Rockgruppe in den 60er und 70er Jahren. Wenige Monate später löste sich Sahara auf. (Selbstdarstellung)

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Mack (der Produzent dieser LP, Alex Pittwohn und Nick Woodland

Vier Stücke sind auf diesem Album enthalten und die erste Nostalgie kommt durch, wenn ich mir die Cover-Rückseite der CD genauer betrachte. Da ist die Tracklist noch in Seite eins und zwei aufgegliedert. Wobei Seite zwei das Mammut-Stück „Sunrise“ ist, welches die Band noch heute, zumeist als Opener, bei Livekonzerten spielt. Aber der Reihe nach:
Eröffnet wird die Scheibe von „Marie Celeste“, welches recht klassisch beginnt. Das scheinen Einspielungen zu sein, bevor die gesamte Band sofort richtig zur Sache geht. Treibende Basslinien, giftige Gitarren, groovige Drums und dezent eingesetzte Blasinstrumente. Und dann startet der Moog durch, bevor die Orgel das Zepter übernimmt. Ein wahrer Gang durch die damalige Zeit! Man merkt sehr schnell, dass die Band im Vergleich zum Vorgängeralbum unter altem Bandnamen, einen Hang zum symphonischen Rock bekommen hatte.

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Hennes Hering

Besonders auffällig sind die vielen Stimmungswechsel. Da ist es zunächst ruhig und atmosphärisch und dann verdichten sich die Sounds schlagartig. Sahara waren schon damals Könner auf ihren Instrumenten. Bekannt für unzählige Improvisationen war es immer der Wille der Band, dass sich der Hörer orientieren kann und man sich musikalisch nicht verliert. Und deswegen kommt man zu dem Schluss, dass „Marie Celeste“ bis auf die letzte Note einstudiert ist. Dass diese Art von Rockmusik schon damals absolut progressiv war, ist klar. Sehr interessant sind auch kleine jazzige Einlagen, die sich durch eine besondere Leichtigkeit auszeichnen. Dennoch steht die Rockmusik im Mittelpunkt. Dabei wummert der Bass von Stephan Wissnet und ergänzt sich mit dem Schlagzeugspiel von Harry Rosenkind glänzend.
Country pur und „Circles“ beginnt. Slide-Gitarren und mehrstimmige Gesangseinlagen veredeln diesen Song. Der Stil klingt ungewohnt und erscheint auf den ersten Blick nicht gerade Sahara-typisch. Auf der anderen Seite wird bewiesen, dass man voller Ideen stand und diese auf gekonnte Art und Weise umsetzte. Erstaunlich, wie eine deutsche Band so klingen kann, als wenn sie ihren Ursprung an der amerikanischen Westküste hätte.

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Nick Woodland

„Rainbow Rider“ wartet mit immerhin über acht Minuten Spiellänge auf und klingt recht mainstreamig in meinen Ohren. Auffällig ist das Bedienen der Hi-Hat durch Harry Rosenkind, der die gesamte Band im weiteren Verlauf recht zügig nach vorne treibt. Dann wird es urplötzlich ruhig, das Piano erklingt sanft und vorbei ist es mit der durchdringenden Power. Die Stimmung wird nachdenklich und das Tempo eher schleppend. Nick Woodland spielt sein Solo und bietet damit eine kleine Offenbarung für Soundfetischisten. Mit leichtem Crunch gelangt er immer wieder sehr eingängig ins Ohr. Und auch hier entdecke ich im weiteren Verlauf wieder sanfte Jazz-Anleihen, die fast überwiegend von den Tasten in Szene gesetzt werden.
Und dann gibt es das 27-minütige Epos „Sunrise“. Es ist das Titelstück und man ist gespannt, ob es sich in Langatmigkeit verliert oder aber den Hörer in seinen Bann ziehen kann. Nach einem kurzen Intro vom Band, steigt die effektgeladene Gitarre überwiegend mit Wah Wah ein. Leichtgängiger Jazzrock führt zu einem Punkt, ab welchem der Synthesizer recht geheimnisumwittert die Soundorgie eröffnet. Da klingt es tatsächlich ein bisschen nach Camel und ein wenig Pink Floyd. Der Moog bestimmt die Szenerie und nimmt den Hörer auf eine kleine Reise in den Kosmos mit. Ein Abdriften ins Elektronische wird dabei vermieden. „Sunrise“ ist eine Zusammensetzung aus verschiedenen Parts. Es ist eine instrumentale Berg- und Talfahrt, auf der es jede Menge verschiedener Sounds zu entdecken gibt. Ruhige Orgeltöne wechseln sich mit einfühlsamen Leadgitarren ab, bevor Geschwindigkeit und Druck wieder erhöht werden. An machen Stellen wird, zur Überraschung, echter Boogie gespielt. Und da bin ich wieder beim Thema Improvisation. Hier habe ich nämlich wirklich den Eindruck, als wenn Sahara bei dieser Aufnahme die Chance genutzt haben und ihrer besonderen Spontaneität Tribut zollen wollten.

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Sahara, 2013

Dieses Album ist sicherlich keine leichte Kost, aber für Freunde besonders ausgeklügelter Musik, die sich davon überzeugen wollen, dass diese Band schon damals besonders innovativ war, ist sie ein besonderes Schmankerl. Ich bin sehr froh, über dieses Werk noch einmal richtig gestolpert zu sein. Es macht an vielen Stellen mächtig Spaß!

Und man genieße die vielen Facetten dieser Band: Neben dem epochalen „Sunrise“ dann dieses wunderbare Westcoast Feeling bei „Circles“ … geradeso als hätte man in der Nähe von Frisco seine Zelte aufgeschlagen.

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Die Single zur LP

Besetzung:
Hennes Hering (keyboards)
Michael Hofmann (flutes, synthesizer, melotron, vocals)
Alex Pittwohn (harmonica, saxophone, vocals)
Harry Rosenkind (drums, percussion)
Stephan Wissnet (bass, vocals)
Nick Woodland (guitar)

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Titel:
01. Marie Celeste (Hering/Woodland) 7.33
02. Circles (Pittwohn) 4.38
03. Rainbow Rider (Hofmann/Woodland) 8.36
04. Sunrise 27.12.
04.1. Sunrise (Hofmann)
04.2. The Divinity Of Being (Hofmann)
04.3. Perception (Wisnet)
04.4. Paramount Confluence (Hofmann)
04.5. Aspiration (Hofmann)
04.6. Creativity (Hofmann)
04.7. Realisation (Hofmann)

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Ein Reunion Konzert aus dem Jahr 2015