Ich empfinde ganz großen Respekt, ganz große Achtung, wenn ich an Bettina Wegner denke.
Bettina Wegner (* 4. November 1947 in Berlin-Lichterfelde) ist eine deutsche Liedermacherin und Lyrikerin. Ihr bekanntestes Lied ist Kinder (Sind so kleine Hände …) aus dem Jahre 1976, das – gesungen von Joan Baez – auch internationale Verbreitung fand.
Bettina Wegner wurde in West-Berlin geboren. Nach der Gründung der DDR übersiedelten ihre Eltern – überzeugte Kommunisten – mit ihr nach Ost-Berlin. Sie erlernte den Beruf einer Bibliotheksfacharbeiterin und begann 1966 ein Studium an der Schauspielschule Berlin. 1966 war sie Mitbegründerin des Hootenanny-Klubs. Da das ursprüngliche Prinzip, jeder könne unzensiert auf der Bühne seine Texte und Lieder bringen, bereits im ersten Jahr aufgegeben wurde, verließ sie die Gruppe jedoch bald wieder. Kurz darauf wurde der Hootenanny-Klub in Oktoberklub umbenannt und der FDJ unterstellt.
Nachdem sie 1968 Flugblätter gegen die Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten in der Tschechoslowakei (Prager Frühling) geschrieben und verteilt hatte („Es lebe das rote Prag!“, „Hoch Dubcek!“), wurde sie exmatrikuliert, verhaftet und wegen „staatsfeindlicher Hetze“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Erfahrungen mit der Zensur und in der Untersuchungshaft (ihr erstes Kind – mit Thomas Brasch – war gerade geboren worden), sollten fortan ihre Haltung und vor allem ihre Lieder prägen. Nach Bewährung in der Produktion besuchte sie die Abendschule, holte ihr Abitur nach und absolvierte 1971/72 eine Ausbildung als Sängerin am Zentralen Studio für Unterhaltungskunst. Seitdem lebt sie freischaffend.
1969 im Ost-Berliner Lyrik-Club Pankow: In einer Privatwohnung trafen sich dort von 1965 bis 1995 literarisch und politisch engagierte Leute. Rechts Bettina Wegner 1969 im Gespräch mit dem Lyriker Peter Will, der an diesem Abend eigene Gedichte vorgetragen hatte. Will wurde ein Jahr später wegen „staatsfeindlicher Hetze“ zu drei Jahren Haft verurteilt.
Als sie durch eine „Kennzeichen D“-Sendung von Dirk Sager 1978 auch im Westen schlagartig bekannt wurde, ergab sich für sie die Möglichkeit, ihre erste Langspielplatte (im Westen bei CBS) zu veröffentlichen, den Mitschnitt eines Konzertes im Künstlerhaus Bethanien. Auf ihrer ersten Studio-LP bei CBS wurde sie von Musikern der Rockband Nervous Germans begleitet; so ergaben sich Möglichkeiten, an die in der DDR nicht zu denken waren. Sie konnte ihr Berufsverbot in der DDR nun mit Auftritten in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien und der Schweiz kompensieren, da sie als „Devisenbringerin“ in den Westen reisen durfte. Das war jedoch eine übliche Methode der DDR-Regierung, bekannte, aber unliebsame Künstler loszuwerden: nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens „wegen Verdachts auf Zoll- und Devisenvergehen“ sah sich Bettina Wegner 1983 als DDR-Bürgerin vor die Wahl gestellt, ins Gefängnis zu gehen oder ausgebürgert zu werden. Daraufhin verließ sie die DDR in Richtung West-Berlin. Dieser Verlust der Heimat und der kommunistischen Ideale wurden zu den wichtigsten Themen ihrer Lieder in den 1980er Jahren.
Ab 1974 bis zu ihrer Ausbürgerung wurde sie vom Ministerium für Staatssicherheit als „feindlich-negative“ Person im operativen Vorgang „Schreiberling“ wegen staatsfeindlicher Hetze nach § 106 des Strafgesetzbuchs der DDR beobachtet.
1988 hatte Bettina Wegner eine Affäre mit Oskar Lafontaine. Als Liedermacherin trat sie unter anderem gemeinsam mit Joan Baez, Konstantin Wecker und Angelo Branduardi auf. Neue musikalische Impulse durch Wecker entwickelte der Münchner Konzertgitarrist Peter Meier von 1985 bis 1992 mit Bettina Wegner als solistischer Begleiter und Arrangeur weiter. Auch komponierte er die Musik zu einigen ihrer Texte wie Das Lied vom Messer,
Waffenlos, Der Prinz ist gegangen und Sie hat’s gewußt. Ab 1992 gab sie weiter regelmäßig erfolgreiche Konzerte mit ihrem neuen Begleit-Trio von L’art de passage und vor allem zusammen mit Karsten Troyke.
1996 bekam Bettina Wegner in Meiningen für ihr Programm „Sie hat’s gewusst“ als erste Preisträgerin den Thüringer Kleinkunstpreis verliehen. Sie veröffentlichte mehrere CDs, verschwand aber langsam aus den Medien wie Fernsehen und Hörfunk.
Nach über 30 Jahren Tourneen und Plattenveröffentlichungen verabschiedete sich Bettina Wegner 2007 mit einer Abschiedstournee vorläufig von ihrem Publikum.
Anlass dafür waren gesundheitliche Gründe, aber nicht nur diese: „Es wird gefeilscht wie um eine alternde Hure. Natürlich habe ich meinen Preis (…) Es muss ein Ende haben, Sängerin ist dann nicht mehr mein Beruf, auch wenn ich weiter singe – Benefiz oder besondere Anlässe zum Beispiel (…)“ (aus der Berliner Zeitung vom 27. Januar 2007).
Bettina Wegner hat drei Kinder. (Quelle: wikipedia)
Nach über 35 Jahren Tourneegeschäft und Plattenveröffentlichungen hat sich Bettina Wegner 2007 mit einer letzten Tour vom Künstlerberuf verabschiedet.
Anlass dafür sind nicht nur gesundheitliche Gründe. „Singen, sagt sie wird sie immer, aber nicht mehr touren. Das war nie ein Abschied auf Raten, es ist die eine, erste und letzte Abschiedstournee.
Bettina Wegner über ihren Entschluss: „Ich habe den Beruf fast 40 Jahre ausgeübt. Das geht ganz schön in die Knochen. Und es wird in diesem Beruf härter, und nicht nur in meinem; es betrifft Jour-nalisten, es betrifft Fotografen, es betrifft alle künstlerischen oder selbstständigen Bereiche. Du wirst runtergehandelt wie die schäbigste Nutte. Und da habe ich mir gedacht: Ich werde 60, möchte ich das meinem Rücken und meiner Seele zumuten, wie eine Hure behandelt zu werden?“
Von Januar bis Dezember 2007 hat sich Bettina Wegner mit weit über 60 Konzerten in ganz Deutschland, Österreich und Belgien von Ihrem Publikum verabschiedet.
Mit den kongenialen Freunden und Musikern, Karsten Troyke, der sich mit hervorragenden jiddischen Liedinterpretationen einen Namen gemacht hat und Jens-Peter Kruse einem brillanten Gitarristen, wurden eindruckvolle Auftritte zwischen Eupen und Anklam, zwischen München und Hamburg gegeben. Aus den vielen Konzerten wurden die musikalisch-literarischen Höhepunkte zu dieser „Abschieds-Doppel-CD“ zusammengefügt.
Und Sie hören eine Bettina Wegner die auch mit 60 Jahren voller Leidenschaft, Frische und Elan ist. Deren Stimme ungebrochen, deren Wut, Wildheit -aber auch Sanftmut- echt ist.
Die Stimme der Sängerin klingt heute reif und warm, schöner noch als früher, als sie mit „Sind so kleine Hände“ berühmt wurde.
Man spürt die Dualität von Melancholie und Kraft Ihrer Lieder die sich in ihr auch auf der Bühne verkörpert.
Sollten Sie ein Konzert der Abschiedstournee besucht haben, werden Sie über das Wiederhören begeistert sein.
Und wenn Sie die Tournee verpasst haben, bekommen sie einen sehr intensiven Einblick in das Schaffen der Ausnahmekünstlerin Bettina Wegner. (Pressetext)
Einen esseren Abschied von ihrem Tourneeleben kann man sich nicht vorstellen … aber: noc viel besser: Sie konnte es natürlich nicht lassen und so tritt sie immer wieder al – meist im kleinen Rahmen auf … Auf dass es noch lange so bleibe !
Besetzung:
J. P. Kruse (guitar)
Bettina Wegner (vocals, guitar)
+
Karsten Troyke (vocals, guitar bei 01., 08. – 11., 19., 25., 26., 29. + )
Alternatives Frontcover:
Titel:
01. Stille ist’s (Wegner) 2.37
02. Ich trink‘ auf euch (Gedicht) (Wegner) 0.36
03. So alt bin ich geworden (Wegner) 2.52
04. Soldaten (Sainte-Marie/Wegner) 2.50
05. Die Kinder des Fleischers (Wegner) 3.28
06. Rosen auf den Weg gestreut (Eisler/Tucholsky) 2.17
07. Was ich zu sagen hatte (Wegner) 2.47
08. Free Mumia (Wünsche) (Wegner/Troyke) 4.44
09. Propheten (Troyke/Kruse) 3:51
10. Schedejmati (Mein Feld) (Traditional) 3.53
11. Grastoro (Pferdchen) (Traditional) 3.15
12. No Woman No Cry (Marley/Wegner) 4:42
13. Ikarus (Wegner) 4.09
14. Schlaflied für Jakob (Wegner) 1.48
15. Vincent (Wegner) 3.23
16. Kinder (Sind so kleine Hände) (Wegner) 2.09
17. Wenn alle Menschen (Wegner) 2.16
18. In einem kühlen Grunde (Eichendorff/Wegner) 3.53
19. Shir Ha Noded (Traditional/Troke) 4:16
20. Gebote (Wegner) 2.45
21. Wie wird das sein (Wegner) 2.38
22. Die Traurigkeiten (Wegner) 1.52
23. Im Niemandshaus (Wegner) 1.59
24. Andalusische Impressionen (Kruse) 4.04
25. Sieh die Leute (Adeyrsh Kan Fi Nas) (Rahbany/Troyke) 4.02
26. Demontage (Kreisler) 2.37
27. Alles was ich wünsche (Wegner/McKennit) 3.00
28. Zwei Gedichte (Wegner) 1.06
29. Man sagt (The Rose) (McBroom/Wegner/Troyke) 4.01
30. Die Margeriten (Wegner) 2.25
31. Abendlied (Troyke/Richter/Borchert) 2.24
32. Dzelem Dzelem (Der Weg) (Traditional/Wegner) 5.01
Ost-Berlin, 23. August 1968. „Mein Grunderlebnis war, mit 20 Jahren ins Gefängnis zu kommen und ein fünf Monate altes Kind zu haben, das ich noch gestillt habe und dann nicht mehr stillen konnte.“ So erinnert sich Bettina Wegner an den Tag ihrer Verhaftung – zwei Tage nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei (CSSR).
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