Bettina Wegner – Die Abschiedstournee (2007)

FrontCover1Ich empfinde ganz großen Respekt, ganz große Achtung, wenn ich an Bettina Wegner denke.

Bettina Wegner (* 4. November 1947 in Berlin-Lichterfelde) ist eine deutsche Liedermacherin und Lyrikerin. Ihr bekanntestes Lied ist Kinder (Sind so kleine Hände …) aus dem Jahre 1976, das – gesungen von Joan Baez – auch internationale Verbreitung fand.

Bettina Wegner wurde in West-Berlin geboren. Nach der Gründung der DDR übersiedelten ihre Eltern – überzeugte Kommunisten – mit ihr nach Ost-Berlin. Sie erlernte den Beruf einer Bibliotheksfacharbeiterin und begann 1966 ein Studium an der Schauspielschule Berlin. 1966 war sie Mitbegründerin des Hootenanny-Klubs. Da das ursprüngliche Prinzip, jeder könne unzensiert auf der Bühne seine Texte und Lieder bringen, bereits im ersten Jahr aufgegeben wurde, verließ sie die Gruppe jedoch bald wieder. Kurz darauf wurde der Hootenanny-Klub in Oktoberklub umbenannt und der FDJ unterstellt.

Nachdem sie 1968 Flugblätter gegen die Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten in der Tschechoslowakei (Prager Frühling) geschrieben und verteilt hatte („Es lebe das rote Prag!“, „Hoch Dubcek!“), wurde sie exmatrikuliert, verhaftet und wegen „staatsfeindlicher Hetze“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Erfahrungen mit der Zensur und in der Untersuchungshaft (ihr erstes Kind – mit Thomas Brasch – war gerade geboren worden), sollten fortan ihre Haltung und vor allem ihre Lieder prägen. Nach Bewährung in der Produktion besuchte sie die Abendschule, holte ihr Abitur nach und absolvierte 1971/72 eine Ausbildung als Sängerin am Zentralen Studio für Unterhaltungskunst. Seitdem lebt sie freischaffend.

1969 im Ost-Berliner Lyrik-Club Pankow: In einer Privatwohnung trafen sich dort von 1965 bis 1995 literarisch und politisch engagierte Leute. Rechts Bettina Wegner 1969 im Gespräch mit dem Lyriker Peter Will, der an diesem Abend eigene Gedichte vorgetragen hatte. Will wurde ein Jahr später wegen „staatsfeindlicher Hetze“ zu drei Jahren Haft verurteilt.

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Eigene Veranstaltungsreihen (Eintopp, Kramladen) gemeinsam mit Klaus Schlesinger, mit dem Bettina Wegner von 1970 bis 1982 verheiratet war, wurden von staatlichen Stellen verboten. Nach öffentlichem Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 wurden ihre Auftrittsmöglichkeiten immer weiter beschnitten; sie wurde bespitzelt und unter Druck gesetzt. Ihre damalige Managerin Katharina Harich, die gleichzeitig Managerin der humoristischen Songgruppe MTS war, ermöglichte ihr in dieser Zeit noch Auftritte als Geheimtipp, denn auf den Plakaten stand nun: „MTS und Sängerin“. Ebenso half Werner Sellhorn, mit dem sie ein „unverfänglich“ klingendes Programm hatte: „Kurt Tucholsky und Songs von heute“. Die Konzerte waren trotzdem überfüllt, denn Mundpropaganda war in der DDR sehr wirkungsvoll, wenn es um verbotene Literatur oder Musik ging. Auch in einigen Kirchen konnte sie noch Konzerte geben, zum Beispiel in der für oppositionelle Veranstaltungen bekannten Samariterkirche in Ost-Berlin.

Als sie durch eine „Kennzeichen D“-Sendung von Dirk Sager 1978 auch im Westen schlagartig bekannt wurde, ergab sich für sie die Möglichkeit, ihre erste Langspielplatte (im Westen bei CBS) zu veröffentlichen, den Mitschnitt eines Konzertes im Künstlerhaus Bethanien. Auf ihrer ersten Studio-LP bei CBS wurde sie von Musikern der Rockband BettinaWegner03Nervous Germans begleitet; so ergaben sich Möglichkeiten, an die in der DDR nicht zu denken waren. Sie konnte ihr Berufsverbot in der DDR nun mit Auftritten in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien und der Schweiz kompensieren, da sie als „Devisenbringerin“ in den Westen reisen durfte. Das war jedoch eine übliche Methode der DDR-Regierung, bekannte, aber unliebsame Künstler loszuwerden: nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens „wegen Verdachts auf Zoll- und Devisenvergehen“ sah sich Bettina Wegner 1983 als DDR-Bürgerin vor die Wahl gestellt, ins Gefängnis zu gehen oder ausgebürgert zu werden. Daraufhin verließ sie die DDR in Richtung West-Berlin. Dieser Verlust der Heimat und der kommunistischen Ideale wurden zu den wichtigsten Themen ihrer Lieder in den 1980er Jahren.

Ab 1974 bis zu ihrer Ausbürgerung wurde sie vom Ministerium für Staatssicherheit als „feindlich-negative“ Person im operativen Vorgang „Schreiberling“ wegen staatsfeindlicher Hetze nach § 106 des Strafgesetzbuchs der DDR beobachtet.

1988 hatte Bettina Wegner eine Affäre mit Oskar Lafontaine. Als Liedermacherin trat sie unter anderem gemeinsam mit Joan Baez, Konstantin Wecker und Angelo Branduardi auf. Neue musikalische Impulse durch Wecker entwickelte der Münchner Konzertgitarrist Peter Meier von 1985 bis 1992 mit Bettina Wegner als solistischer Begleiter und Arrangeur weiter. Auch komponierte er die Musik zu einigen ihrer Texte wie Das Lied vom Messer,

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Waffenlos, Der Prinz ist gegangen und Sie hat’s gewußt. Ab 1992 gab sie weiter regelmäßig erfolgreiche Konzerte mit ihrem neuen Begleit-Trio von L’art de passage und vor allem zusammen mit Karsten Troyke.

1996 bekam Bettina Wegner in Meiningen für ihr Programm „Sie hat’s gewusst“ als erste Preisträgerin den Thüringer Kleinkunstpreis verliehen. Sie veröffentlichte mehrere CDs, verschwand aber langsam aus den Medien wie Fernsehen und Hörfunk.

Nach über 30 Jahren Tourneen und Plattenveröffentlichungen verabschiedete sich Bettina Wegner 2007 mit einer Abschiedstournee vorläufig von ihrem Publikum.

Anlass dafür waren gesundheitliche Gründe, aber nicht nur diese: „Es wird gefeilscht wie um eine alternde Hure. Natürlich habe ich meinen Preis (…) Es muss ein Ende haben, Sängerin ist dann nicht mehr mein Beruf, auch wenn ich weiter singe – Benefiz oder besondere Anlässe zum Beispiel (…)“ (aus der Berliner Zeitung vom 27. Januar 2007).

Bettina Wegner hat drei Kinder. (Quelle: wikipedia)

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Nach über 35 Jahren Tourneegeschäft und Plattenveröffentlichungen hat sich Bettina Wegner 2007 mit einer letzten Tour vom Künstlerberuf verabschiedet.
Anlass dafür sind nicht nur gesundheitliche Gründe. „Singen, sagt sie wird sie immer, aber nicht mehr touren. Das war nie ein Abschied auf Raten, es ist die eine, erste und letzte Abschiedstournee.

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Bettina Wegner über ihren Entschluss: „Ich habe den Beruf fast 40 Jahre ausgeübt. Das geht ganz schön in die Knochen. Und es wird in diesem Beruf härter, und nicht nur in meinem; es betrifft Jour-nalisten, es betrifft Fotografen, es betrifft alle künstlerischen oder selbstständigen Bereiche. Du wirst runtergehandelt wie die schäbigste Nutte. Und da habe ich mir gedacht: Ich werde 60, möchte ich das meinem Rücken und meiner Seele zumuten, wie eine Hure behandelt zu werden?“

Von Januar bis Dezember 2007 hat sich Bettina Wegner mit weit über 60 Konzerten in ganz Deutschland, Österreich und Belgien von Ihrem Publikum verabschiedet.

Karsten Troyke

Mit den kongenialen Freunden und Musikern, Karsten Troyke, der sich mit hervorragenden jiddischen Liedinterpretationen einen Namen gemacht hat und Jens-Peter Kruse einem brillanten Gitarristen, wurden eindruckvolle Auftritte zwischen Eupen und Anklam, zwischen München und Hamburg gegeben. Aus den vielen Konzerten wurden die musikalisch-literarischen Höhepunkte zu dieser „Abschieds-Doppel-CD“ zusammengefügt.
Und Sie hören eine Bettina Wegner die auch mit 60 Jahren voller Leidenschaft, Frische und Elan ist. Deren Stimme ungebrochen, deren Wut, Wildheit -aber auch Sanftmut- echt ist.

J. P. Kruse

Die Stimme der Sängerin klingt heute reif und warm, schöner noch als früher, als sie mit „Sind so kleine Hände“ berühmt wurde.
Man spürt die Dualität von Melancholie und Kraft Ihrer Lieder die sich in ihr auch auf der Bühne verkörpert.
Sollten Sie ein Konzert der Abschiedstournee besucht haben, werden Sie über das Wiederhören begeistert sein.
Und wenn Sie die Tournee verpasst haben, bekommen sie einen sehr intensiven Einblick in das Schaffen der Ausnahmekünstlerin Bettina Wegner. (Pressetext)

Einen esseren Abschied von ihrem Tourneeleben kann man sich nicht vorstellen … aber: noc viel besser: Sie konnte es natürlich nicht lassen und so tritt sie immer wieder al – meist im kleinen Rahmen auf … Auf dass es noch lange so bleibe !

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Besetzung:
J. P. Kruse (guitar)
Bettina Wegner (vocals, guitar)
+
Karsten Troyke (vocals, guitar bei 01., 08. – 11., 19., 25., 26., 29. +   )

Alternatives Frontcover:
Alternatives FrontCover

Titel:
01. Stille ist’s (Wegner) 2.37
02. Ich trink‘ auf euch (Gedicht)  (Wegner) 0.36
03. So alt bin ich geworden (Wegner) 2.52
04. Soldaten (Sainte-Marie/Wegner) 2.50
05. Die Kinder des Fleischers (Wegner) 3.28
06. Rosen auf den Weg gestreut (Eisler/Tucholsky) 2.17
07. Was ich zu sagen hatte (Wegner) 2.47
08. Free Mumia (Wünsche) (Wegner/Troyke) 4.44
09. Propheten (Troyke/Kruse) 3:51
10.  Schedejmati (Mein Feld) (Traditional) 3.53
11. Grastoro (Pferdchen) (Traditional) 3.15
12. No Woman No Cry (Marley/Wegner) 4:42
13. Ikarus (Wegner) 4.09
14. Schlaflied für Jakob (Wegner) 1.48
15. Vincent (Wegner) 3.23
16. Kinder (Sind so kleine Hände) (Wegner) 2.09
17. Wenn alle Menschen (Wegner) 2.16
18. In einem kühlen Grunde (Eichendorff/Wegner) 3.53
19. Shir Ha Noded (Traditional/Troke) 4:16
20. Gebote (Wegner) 2.45
21. Wie wird das sein (Wegner) 2.38
22. Die Traurigkeiten (Wegner) 1.52
23. Im Niemandshaus (Wegner) 1.59
24. Andalusische Impressionen (Kruse) 4.04
25. Sieh die Leute (Adeyrsh Kan Fi Nas) (Rahbany/Troyke) 4.02
26. Demontage (Kreisler) 2.37
27. Alles was ich wünsche (Wegner/McKennit) 3.00
28. Zwei Gedichte (Wegner) 1.06
29. Man sagt (The Rose) (McBroom/Wegner/Troyke) 4.01
30. Die Margeriten (Wegner) 2.25
31. Abendlied (Troyke/Richter/Borchert) 2.24
32. Dzelem Dzelem (Der Weg) (Traditional/Wegner) 5.01

CD2A

*
**

Ost-Berlin, 23. August 1968. „Mein Grunderlebnis war, mit 20 Jahren ins Gefängnis zu kommen und ein fünf Monate altes Kind zu haben, das ich noch gestillt habe und dann nicht mehr stillen konnte.“ So erinnert sich Bettina Wegner an den Tag ihrer Verhaftung – zwei Tage nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei (CSSR).

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Die offizielle Website:
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Bettina Wegner – Sind so kleine Hände (1979)

FrontCover1.jpgEs gibt so Künstler, in diesem Fall Künstlerinnen, die haben sich nicht nur bei mir ganz tief in die Seele gesungen …

Bettina Helene Wegner (* 4. November 1947 in Berlin) ist eine deutsche Liedermacherin und Lyrikerin. Ihr bekanntestes Lied ist Kinder (Sind so kleine Hände) aus dem Jahre 1976, das – gesungen von Joan Baez – auch internationale Verbreitung fand.

Nach der Gründung der DDR übersiedelten ihre Eltern – überzeugte Kommunisten – mit ihr vom West-Berliner Ortsteil Lichterfelde nach Ost-Berlin. Sie erlernte den Beruf einer Bibliotheksfacharbeiterin und begann 1966 ein Studium an der Schauspielschule Berlin. 1966 war sie Mitbegründerin des Hootenanny-Klubs. Da das ursprüngliche Prinzip, jeder könne unzensiert auf der Bühne seine Texte und Lieder bringen, bereits im ersten Jahr aufgegeben wurde, verließ sie die Gruppe jedoch bald wieder. Kurz darauf wurde der Hootenanny-Klub in Oktoberklub umbenannt und der FDJ unterstellt.

Nachdem sie 1968 in Zusammenhang mit dem Prager Frühling Flugblätter gegen die Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten in der Tschechoslowakei mit Schlagworten wie „Es lebe das rote Prag!“ oder „Hoch Dubcek!“ geschrieben und verteilt hatte, wurde sie exmatrikuliert, verhaftet und wegen „staatsfeindlicher Hetze“ zu einer Freiheitsstrafe

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Bettina Wegner, 1974

von einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Erfahrungen mit der Zensur und in der Untersuchungshaft, die sie antreten musste, als ihr erstes Kind Benjamin[3], das sie gemeinsam mit Thomas Brasch hatte, gerade geboren worden war, sollten fortan ihre Haltung und vor allem ihre Lieder prägen. Nach Bewährung in der Produktion besuchte sie die Abendschule, holte ihr Abitur nach und absolvierte 1971/72 eine Ausbildung als Sängerin am Zentralen Studio für Unterhaltungskunst. Seitdem lebt sie freischaffend.

Eigene Veranstaltungsreihen (Eintopp, Kramladen) gemeinsam mit Klaus Schlesinger, mit dem Bettina Wegner von 1970 bis 1982 verheiratet war, wurden von staatlichen Stellen verboten. Nach öffentlichem Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 wurden ihre Auftrittsmöglichkeiten immer weiter beschnitten; sie wurde bespitzelt und unter Druck gesetzt. Ihre damalige Managerin Katharina Harich, die gleichzeitig Managerin der humoristischen Songgruppe MTS war, ermöglichte ihr in dieser Zeit noch Auftritte als Geheimtipp, denn auf den Plakaten stand nun: „MTS und Sängerin“. Ebenso half Werner Sellhorn, mit dem sie ein „unverfänglich“ klingendes Programm hatte: „Kurt Tucholsky und Songs von heute“. Die Konzerte waren trotzdem überfüllt, denn Mundpropaganda war in der DDR sehr wirkungsvoll, wenn es um verbotene Literatur oder Musik ging. Auch in einigen Kirchen konnte sie noch Konzerte geben, zum Beispiel in der für oppositionelle Veranstaltungen bekannten Samariterkirche in Ost-Berlin.

Ab 1974 bis zu ihrer Ausbürgerung wurde sie vom Ministerium für Staatssicherheit als „feindlich-negative Person“ im operativen Vorgang „Schreiberling“ wegen staatsfeindlicher Hetze nach § 106 des Strafgesetzbuchs der DDR beobachtet.

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1988 hatte Bettina Wegner eine Affäre mit Oskar Lafontaine. Als Liedermacherin trat sie unter anderem gemeinsam mit Joan Baez, Konstantin Wecker und Angelo Branduardi auf. Neue musikalische Impulse durch Wecker entwickelte der Münchner Konzertgitarrist Peter Meier von 1985 bis 1992 mit Bettina Wegner als solistischer Begleiter und Arrangeur weiter. Auch komponierte er die Musik zu einigen ihrer Texte wie Das Lied vom Messer, Waffenlos, Der Prinz ist gegangen und Sie hat’s gewußt. Ab 1992 gab sie weiter regelmäßig erfolgreiche Konzerte mit ihrem neuen Begleit-Trio von L’art de passage und vor allem zusammen mit Karsten Troyke. 1996 bekam Bettina Wegner in Meiningen für ihr Programm „Sie hat’s gewusst“ als erste Preisträgerin den Thüringer Kleinkunstpreis verliehen. Sie veröffentlichte mehrere CDs, verschwand aber langsam aus den Medien wie Fernsehen und Hörfunk.

Bettina Wegner

Bettina Wegner mit Joan Baez (Waldbühne Berlin, 1983)

Nach über 30 Jahren Tourneen und Plattenveröffentlichungen verabschiedete sich Bettina Wegner 2007 mit einer Abschiedstournee vorläufig von ihrem Publikum. Anlass dafür waren gesundheitliche Gründe, aber nicht nur diese: „Es wird gefeilscht wie um eine alternde Hure. Natürlich habe ich meinen Preis (…) Es muss ein Ende haben, Sängerin ist dann nicht mehr mein Beruf, auch wenn ich weiter singe – Benefiz oder besondere Anlässe zum Beispiel (…)“ (aus der Berliner Zeitung vom 27. Januar 2007).

Bettina Wegner hat drei Kinder. (Quelle: wikipedia)

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Hier nun ihr Debütalbum … das genau jenen Ton traf, den die damalige junge und sicherlich auch eher linke Generation – ob der Klarheit der Worte – nur  so einsaugte.

Das Album enthielt weitaus mehr hörenswertes als nur den Titelsong. Da war eine Frau am Werke, die durch und durch authentisch ihre Überzeugungen vortrug … dass das Album musikalisch, wie bei so manchen Liedermachern eher schlicht war, spielte da nun wirklich keine Rolle.

Und hier ein paar Zeilen von einem, der sie damals live erleben konnte:

1979 erlebte ich ein Bettina-Wegner-Konzert in der Ost-Berliner Samariter-Kirche. Fast 1000 meist junge Leute füllten Bänke, Balkon und Seitenschiffe. Eine unglaublich subversive Atmosphäre lag im Raum. Das Gefühl, in der Kritik an den DDR-Verhältnissen zusammenzugehören. Die schlaksige Sängerin mit der eindringlichen Stimme bekam viel Beifall für ihre Lieder. Sie strömten Kraft aus und sprachen den Zuhörern aus dem Herzen. Die Texte waren wie Gedichte, die vom sehr genauen Blick auf das Leben in der DDR handelten. Wegner sprach darin Probleme an, die dem DDR-Optimismus zuwiderliefen: Geschichten vom Scheitern, von der Angst, vom Abschied, vom Fernweh. Ziemlich respektlos vor den Autoritäten: „Wo sind wir denn bloß hingekommen, das Ungeborene übt schon den Bückling.“

Bettina Wegner

Autogramm-Karte

Einige junge Frauen in der Kirche konnten ihre Verszeilen mitsummen: „Aaach, wenn ich doch als Mann auf diese Welt gekommen wär, das, was ich sag und denke, würde ernstgenommen…“ oder „Wenn meine Lieder nicht mehr stimmen, und keiner hört mir zu, dann lass ich die Gitarre schwimmen…“

Bettina Wegner drückte das Unbehagen einer ganzen Generation aus. Eine Zuhörerin in der Kirchenbank neben mir sagte nach dem Konzert: „Sie ist mutig, aufrichtig und singt, was sie denkt. Nach so einem Abend fühlt man sich nicht mehr so alleine.“

Kurz darauf las ich in den internen Protokollen der Evangelischen Kirchenleitung von Ost-Berlin, dass das „Staatssekretariat für Kirchenfragen“ von der Kirche und ihren Pfarrern verlange, „die Wegner“ tunlichst nicht mehr einzuladen. Einige Pfarrer gaben dem Drängen des Staates nach, einige wenige nicht. (Peter Wensierski im „Spiegel“)

Persönliche Erinnerung: Den Text „Kinder (Sind so kleine Hände“) schrieb meine damalige Frau mit ganz viel Liebe und mit ihrer wunderbaren Schrift auf ein großes Plakat und dies hängten wir dann über die Wickelkommode …. irgendwo müsste ich da noch ein Foto haben …

Besetzung:
Bettina Wegner (vocals, guitar)

BackCover

Titel:
01. Ach, wenn ich doch als Mann auf diese Welt gekommen wär (Wegner) 3.44
02. Für klein Zaches (Wegner) 2.29
03. Ene ene Mopel (Wegner) 1.36
04. Ikarus (Wegner) 3.04
05. Kinder (Sind so kleine Hände) (Wegner) 2.10
06. Schlaflied (Wegner) 1.45
07. Fleißig reichlich glücklich (Wegner) 2.56
08. Der Feuerwehrmann (Wegner/Matwejewa/Kirsch) 1.56
09. Hör zu, Soldat (Grondona/Rivera/Wegner) 2.06
10. Immer wieder eine Lanze werfen (Wegner) 1.11
11. Magdalena (Wegner) 2.10
12. War (Wegner) 3.37
13. Aus meinem Leben (Wegner) 1.48
14. Für meine weggegangenen Freunde (Wegner) 3.17
15. Es wird so sein, wie im November (Wegner) 2.22

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*
**

Sind so kleine Hände,
winz’ge Finger dran.
Darf man nie drauf schlagen,
die zerbrechen dann.

Sind so kleine Füße
mit so kleinen Zeh’n,
darf man nie drauf treten,
könn‘ sie sonst nicht geh’n.

Sind so kleine Ohren;
scharf und ihr erlaubt.
Darf man nie zerbrüllen,
werden davon taub.

Sind so schöne Münder,
sprechen alles aus.
Darf man nie verbieten,
kommt sonst nichts mehr raus.

Sind so klare Augen,
die noch alles sehen.
Darf man nie verbinden,
könn‘ sie nicht verstehen.

Sind so kleine Seelen,
offen und ganz frei.
Darf man niemals quälen,
geh’n kaputt dabei.

Ist so’n kleines Rückgrat,
sieht man fast noch nicht.
Darf man niemals beugen,
weil es sonst zerbricht.

Grade klare Menschen
wär’n ein schönes Ziel.
Leute ohne Rückgrat
hab’n wir schon zuviel.