Verschiedene Interpreten – Das Herz von St. Pauli (1992)

FrontCover1Dieses blog hat ja – bedingt durch meine bajuwarische Herkunft –  eine spürbare Südstaaten-Tendenz. Umso mehr freut es mich immer, wenn ich auch Musik aus anderen Regionen Deutschlands in die Finger bekomme, einfach weil mich regionale Musikansätze schon heftig interessieren.

Und so kommt´s , dass ich nun einen St.Paui/Reepberbahn – Sampler präsentieren kann, der schon ein ganz besonderes Format aufweisen kann.

Die Konzeption und Realisation dieses Projekts lag bei Rita Flügge-Timm und Oliver Helwig; diese wurden wiederum von dem Autor Jürgen Stark konzeptionell unterstützt und Jürgen Stark schrieb auch ein paar Einführungsworte zum Mythos St. Pauli.  Und der Stark ist in der schreibenden Zunft der Musikjournalisten wahrlich kein Leichtgewicht:

Jürgen Stark (* 20. März 1957 in Hamburg) ist ein deutscher Autor, Journalist und Mitglied des Deutschen Musikrates.

Stark veröffentlichte zahlreiche Bücher zu kulturpolitischen und insbesondere popularmusikalischen Themen, darunter Biografien von Künstlern wie Udo Lindenberg und der Band Die Prinzen. Gemeinsam mit Thomas Böhm gab er von 1984 bis 2000 die Taschenbuchreihe „Rock Kalender“ heraus. Mit Dieter Gorny veröffentlichte er mehrere Jahrbücher zum Thema Popkultur.

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Jürgen Stark (und der sagt: „Pop und Politik gehören zusammen.“)

Als Journalist war er unter anderem als Konzertkritiker für Die Welt tätig und sieben Jahre Korrespondent für den Entertainment Media Verlag (Musikwoche, Blickpunkt:Film, musikwoche.de). Als freier Journalist schrieb er Reportagen für Musikzeitschriften, Magazine und Tageszeitungen. Darüber hinaus war er an der Konzeptentwicklung für die Zeitschrift Metal Hammer beteiligt und auch zwischenzeitlich Chefredakteur des Blattes.

Stark arbeitete wissenschaftlich für das rock’n’popmuseum der Stadt Gronau und konzipierte die Inhalte zur dortigen Dauerausstellung über „Die Kulturgeschichte der Popularmusik im 20. Jahrhundert“. Im Auftrag der Deutschen Phono-Akademie entwickelte Stark als Projektleiter in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung das Projekt SchoolTour, das 1999 als Kampagne für mehr Musik und Kreativität an Schulen gestartet wurde.

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Die Domenica Single

An der Hamburger Hochschule für Musik und Theater war Stark Gast-Dozent für den Fachbereich Medien und Design (Popkurs). Er ist berufenes Mitglied im Bundesfachausschuss Populäre Musik beim Deutschen Musikrat.

Stark unterrichtet als Lehrbeauftragter an Hochschulen (u.a. Hochschule der populären Künste, Berlin) in den Fachbereichen Medien und Kultur (u.a. Geschichte der elektronischen Medien, Geschichte der Popularmusik im 20. Jahrhundert) und ist Mitbegründer des Institut für kulturelle Kommunikation IKK an der Hochschule Offenburg. Beim IKK ist Stark stellvertretender Direktor für Medienjournalismus.

Jürgen Stark veröffentlicht monatlich seine “Kulturkolumne” im Offenburger Tageblatt.

Filmplakat

Doch zurück zu diesem köstlichem Sampler: Natürlich fängt er mit dem Hans Albers Klassiker „Das Herz von Stz. Pauli“ (1958; aus dem gleichnamigen Film) und dann geht es im Affentempo quer durch alle Stile weiter: Da interpretiert ein Joachim Witt souverän einen weiteren Klassiker dieser Stadt („Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“; ebenfalls ein Filmsong aus dem 1939 entstandenem Streifen „Das Junggesellenparadies“). Schmachtfetzen ala „Junge komm bald wieder“ oder „Seemann, deine Heimat ist das Meer“ wechseln sich mit FC St. Pauli Schlachtgesängen („1:0 St. Pauli vor“ und „Er gehört zu mir“) ab. Dann gibt´s noch die gute alte Rockmusik von Udo Lindenberg und Achim Reichel und selbst der Schauspieler Ulrich Tukur kann mit seiner Interpretation von „Meine kleinen Träume“

Historische  Postkarte: St. Pauli (Spielbudenplatz)

Das ist aber immer noch nicht alles. Zumindest zwei weitere Songs verdienen eine besondere Erwähnung:

Da ist zum einen der Song „Alle meine Freier (…hiessen alle Meier)“ von jener Domenica, die bereits zu Lebzeiten als ex-Domina und späteren Drogenberaterin Kultstatus hatte … Der Song kam auch als Single (in drei unterschiedlichen Versionen) auf den Markt.

Und dann noch jenes skuril-rätselhafte Projekt zwischen Pater Leppich und dem Duo Metallic Traffic: Diese unterlegten einen Original-Ansprache des religiösen Eiferers Pater Leppich (dem „Maschinengewehr Gottes“) mit einem stakattoartigen Sounds … Glaubt man dem booklet, so hat Pater Leppich dieser aberwitzigen Montage zugestimmt (könnte stimmen, denn Leppich ist erst im November 1992 verstorben).

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Und das bemerkenswerte Cover stammt von der Künstlerin Sigrid Wilke (1940 – 2000); das gleiche Bild wurde übrigens für oben erwähnte Domenica-Single verwendet.

Also: zugreifen und reinhören … dann kann man auch noch so schräge Vögel wie „Die Stammgäste featuring das Heiligengeist-Sextett“ die „Die Macht vom Millerntor“ hören.

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Titel:
01. Hans Albers:  Das Herz von St. Pauli (Jary-Herz) 2.09 (1958)
02. Joachim Witt & Maritim Intim: Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern (Balz/Jary) 3.20 (1992)
03. Gunslingers:  St. Pauli (Hervé/Rozoum) 3.50 (1990)
04. Lolita: Seemann, deine Heimat ist das Meer (Scharfenberger/Busch) 2.50 (1960)
05. Udo Lindenberg: Reeperbahn (Lindenberg) 3.50 (1989)
06. Domenica: Alle meine Freier (…hiessen alle Meier) (Menke/Gutowski) 3.30 (1992)
07. King Rocko Schamoni And The Explosions: Was kostet Liebe (Schamoni) 3.42 (1990)
08. Hannes Kröger: Der blonde Hans (Hoffmann) 4.11 (1988)
09. J. Of Barcelona & His Bar Bee Boom: I Want Your Money (St.-Pauli-Sample-Mix) (J. Of Barcelona) 3.46 (1992)
10. Big Balls & The Great White Idiot: Across The Ocean (A.Grund/P.Grund/Lorenz) 4.40 (1992)
11. Achim Reichel:  St. Pauli Blues (Reichel/Peers-Steil) 4.19 (1989)
12 . Bully Buhlan featuring MC Anker: Hab’n sie nicht ’ne Braut für mich? (1992 Remix) (Gaze) 2.52 (1992)
13. Ulrich Tukur: Meine kleinen Träume (Tukur) 2.53 (1989)
14 . Freddy Quinn:  Junge, komm bald wieder (Olias/Rothenburg) 3.05 (1962)
15. Metallic Traffic featuring Pater Leppich: Christus auf der Reeperbahn (Achtung! Achtung! Pater Leppich!) (M.T.P./Leppich) 3.00 (1992)
16. Die Stammgäste featuring das Heiligengeist-Sextett: 1:0 St. Pauli vor (live aus dem „Silbersack“) (Schwebel/Westermann) 3.58 (1987)
17 . Hans Albers: Ganz dahinten, wo der Leuchtturm steht (Gray/’Reisch) 3.20 (?)
18. Shanghai’d Guts: St. Pauli Girl (Kraft/Charlton/Lyn)     3:13 (1991)
19. Die Macht vom Millerntor: Er gehört zu mir (Heider/Heilburg) 3.58 (1992)

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Pater Leppich auf der Reeperbahn …

… und Achim Reichel zelebriert der St. Pauli Blues:

Mein Daddy war’n Sailorboy,
Und meine Mama stand am Kai – Ahoi.

Die war’n echtes Liebespaar,
Warum ich auch’n echtes Wunschkind war,
Oh oh oh mit’m St. Pauli Blues.
Die Schule war ne Sauerei,
Wir ham se abgerissen,
Heut steht da ne Brauerei.

Die erste Liebe hast du mir gegeben,
Und die letzte oh oh oh ist der St. Pauli Blues.

Du liegst mir im Blut,
Und das tut so gut,
Drück mich an dein Herz,
Ich vergess‘ mein Schmerz.
(und ich schenk dir’n Nerz)
.net/en/lyrics/achim-reichel-st-pauli-blues
Hier wird in den Straßen noch gelacht und gesungen,
Hier wird aber auch um jeden Freier gerungen.

Feine Pinkel wie Bauernpack,
Keine Angst, hier kommt ihr alle in den Sack.
Oh oh oh zum St. Pauli Blues.

Du liegst mir im Blut…..
Wir sind doch alle deine Kinder,
Ob Chinese, Italiener, Neger oder Inder
Und wenn dann alles mal zusammenfällt,
Was soll’s, hier bin ich doch gleich am Tor zur Welt,
Oh oh oh mit’m St. Pauli Blues.

Du liegst mir im Blut…..

Hey wenn du Nachts nicht schlafen kannst,
Wer hilft dir dann, und wenn nix mehr läuft.

Einer läuft immer, oh oh oh der ST. Pauli Blues

Ulrich Tukur – Mezzanotte (2010)

FrontCover1Und mal wieder so ein singender  Schauspieler, den ich als Schauspieler sehr schätze … :

Die etwas aus der Mode gekommene Umschreibung „Tausendsassa“ passt bestens zu Ulrich Tukur. Nicht nur ein weiterer singender Schauspieler – nein, auch als Theater-Intendant, Hörbuchsprecher und Buchautor stellt er seine Talente in den Vordergrund. Die Befähigung in Sachen Musik hat er in Zusammenarbeit mit den Rhythmus Boys dabei längst unter Beweis gestellt.

Sein „Mezzanotte“ trägt den Untertitel „Lieder Einer Nacht“. Denn ausschließlich darum geht es: Tukur trägt 16 deutsche und internationale Classics vor, deren gemeinsames Thema die Stunden zwischen Sonnenunter- und Aufgang darstellen. Bei der Auswahl war wichtig, besonders Titel zu nehmen, die noch nicht von der Evergreen-Dudelmaschine totgeleiert wurden. Zwei zusätzliche, brandneu komponierte Tracks („Willy Williams“, „Die Großstadt Träumt“) fügen sich harmonisch dazu (Hidden Track inklusive).

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Mit leisen, doch schwungvollen Schritten tapst die „Mitternacht, Mitternacht“ als Begrüßung ins Zimmer, im Gepäck alle Versprechungen einer Welt unterm nächtlichen Himmelszelt. Beschwingten Swing bietet „Das Großstadt-Lied (Über Den Dächern Der Großen Stadt). „Ausgerechnet Heute Abend“ beschreibt männliche Sehnsüchte nach der Liebsten, deren Erfüllung sich später in „Du Und Ich Im Mondenschein“ vollzieht.

Tukur begibt sich nicht auf die Max Raabe-Schiene. Er und der Palastorchester-Chef beackern sicherlich ähnliches Terrain in Zeitepoche und Stil. Doch in Sachen Umsetzung und Interpretation gibt es viele bunte, spannende Unterschiede. In Tukurs Kunst mischen sich verstärkt Aspekte aus Kabarett, Jazz, großem Varieté und auch liebenswertem Kleinkunst-Theater. Er mag nicht der größte Sänger sein – doch Tukur intoniert vorzüglich, absolut glaubwürdig und treffsicher.

Tukur01„Venezia, La Luna E Tu“ bedeutet für den Venedig-Liebhaber Tukur natürlich ein Muss und bietet amüsante Paolo Conte-Momente mit Tango-Rhythmen und zerschmelzenden Violinen. „Illusions“, diese wunderbar zeitlose Nummer aus der Textfeder Friedrich Hollaenders, führt in vorliegender Version besonders sentimental an den Rand der Abgründe des Lebens. „Le Soleil Et La Lune“ gestaltet sich dank des speziellen französischen Esprits höchst mitreißend. Für Fans des Gestern begeistert Tukur als untadeliger Schellack-Poet.

Eines der Highlights des Albums stellt „Hörst Du Das Meer?“ dar. Diese Nummer ist als Duett konzipiert, und Tukur präsentiert als Partnerin eine ganz besondere, große alte Dame: Margot Hielscher, UFA-Partnerin der unvergessenen Marlene Dietrich, zeigt stimmlich noch immer das, was eine Diva klassischen Zuschnitts ausmacht – und das mit über neunzig Jahren. Die Gesangsarbeit der Hielscher gestaltet sich wärmer und voluminöser, als etwa im Spätwerk der vergleichsweise jüngeren Kollegin Hildegard Knef.

Geliebte Nacht! Vielen stellt sie die lebenswertere Realität des Daseins da – abseits der Zwänge des Tages und lästigen Verpflichtungen wartet im Funkeln des Sternenlichts eine bessere Zeit. Für Träume und Versuchungen, denen es unbedingt nachzugeben verlangt.

„Die Sonne lehrt alle Lebewesen die Sehnsucht nach dem Licht. Doch es ist die Nacht, die uns alle zu den Sternen erhebt,“ schreibt der Dichter Khalil Gibran. Tukurs fein zusammengestellte Kollektion trägt wunderbar dazu bei, diesen Mythos weiterhin mit Leben zu erfüllen. (Artur Schulz)

Und noch ein Schauspieler, den ich nun auch als Sänger und Entertainer sehr schätze …

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Besetzung:
Olaf Casimir (bass)
Uwe Granitza (trombone, tuba, guitar, celesta)
Sandra Hempel (guitar)
Edgar Herzog (flute, clarinet, saxophone)
Lutz Krajenski (keyboards, accordion)
Matthias Meusel (drums, percussion)
Sebastian Strempel (trumpet, flugelhorn, horn)
Ulrich Tukur (vocals, accordion)

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Titel:
01. Mitternacht, Mitternacht (Rixner/Siegel) 2.48
02. Das Großstadt-Lied (Über den Dächern der großen Stadt) (Schröder/Holm) 3.30
03. J’ai Peur De Coucher Tout Seul (Oberfeld/Willemetz/Pothier) 2.47
04. Ausgerechnet heute Abend (Panzuti/Siegel) 3.21
05. Underneath The Arches (Flanagan/Connelly) 3.28
06. Nasse Lyrik (Rubin/Landau) 3.24
07. Du und ich im Mondenschein (Bochmann/Balz) 3.04
08. Venezia, La Luna E Tu (Derevitzky/Martelli) 3.52
09. Die kleine Stadt will schlafen geh’n (Bochmann/Bergner) 2.57
10. Die Großstadt träumt (Krajenski/Tukur) 3.44
11. Le Soleil Et La Lune (Trenet/Lasry) 3.16
12. Nachts ging das Telephon (Kollo) 5.11
13. Ich pfeif‘ heut‘ Nacht (Huber/Weiß/Pfrötzschner/Schwenn) 2.45
14. Illusions (Hollaender) 4.52
15. Un Bacio A Mezzanotte (Kramer/Garinei/Giovannini) 2.38
16. Hörst du das Meer? (A.v.Chevtschenko/W.v.Chevtschenko) 4.23
17 . Vecchio Frack (Modugno) 3.54
18. Willy Williams (Tukur) 4.26

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