Jud’s Gallery – SWF- Sessions Volume 1-1972,1974 (2001)

FrontCover1So richtig bekannt wurden sie eigentlich erst, als sich Bandmitglied Jürgen Winter mit keinem geringerem als Gay Moore anlegte:

JUD’S GALLERY hatten ihren Sitz in Offenburg, einer Stadt im Südwesten von Deutschland. Die Band wurde 1971 von Mastermind/Komponist Jürgen ‚Judy‘ Winter (Gesang, Bass, Akustikgitarre) und Peter Oehler (Gitarre, Klavier) gegründet. Während ihrer Existenz in den 70er Jahren hatten sie nie eine Veröffentlichung. Wie auch einige andere Bands, wie z.B. Coupla Prog, nahmen sie jedoch an Aufnahmesessions beim Radiosender SWF Baden-Baden teil. Das Ergebnis lag lange Zeit vergessen in den Archiven und wurde erst durch das deutsche Label Longhair Music veröffentlicht, digital remastered vom Originalband.

Die erste Besetzung sah die zusätzlichen Musiker Hannes Gremminger (Geige, Klavier), Herbert Brandmeyer (Schlagzeug) und Elly Lapp (Gesang). Im Juli 1972 begaben sich die fünf Mitglieder ins SWF-Studio, um die ersten selbst komponierten Songs aufzunehmen, die an einem Tag ohne Overdubs oder sonstige Nachbearbeitung realisiert wurden – Heavy Blues Rock und Folk, geprägt von Gremmingers Geigenspiel mit Zeit und Geist für einige Improvisationen. JUD’S GALLERY tourte anschließend mit Golden Earring, Steamhammer, Pretty Things, Beggar’s Opera und Alexis Korner durch ganz Deutschland.

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Nach einem Festivalauftritt wurde die Band erneut zum SWF-Radiosender eingeladen. Die Besetzung hatte sich in der Zwischenzeit verändert. Mit den neuen Mitgliedern Clem Winterhalter (Orgel) und Sibi Siebert (Schlagzeug) gelang es ihnen im März 1974, neue Songs aufzunehmen. Nun mit einer mehr jazzrockigen und psychedelischen Ausrichtung, darunter das lange Stück ‚Nordach‘. Nach diesen positiven Erfahrungen nahm JUD’S GALLERY Kontakt zu Achim Reichels Label ‚GORILLA MUSIC‘ auf, mit der Absicht, ein Album zu produzieren. Doch dieses Projekt scheiterte letztlich an wirtschaftlichen und privaten Gründen.

Jürgen Winter und Peter Oehler gingen nach der Auflösung der Band getrennte Wege, machten aber weiter Musik. Im Jahr 2000 wurde das Album ‚SWF Sessions Vol.1‘ veröffentlicht, das 9 Songs aus den beiden Radiosession-Aufnahmen enthält. Winter führt außerdem seit langem einen Rechtsstreit gegen Gary Moore, weil er ihm Plagiat vorwirft. Anfang 2007 erlebte die Band in fast gleicher Besetzung wie 1974 eine kleine Renaissance und überraschte mit einem Live-Auftritt in der Reithalle in Offenburg. (Uwe Zickel)

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Und hier ihr posthum veröffentlichtes Album der Radio Sessions beim SWF

Dies ist die einzige kommerziell erhältliche Aufnahme von Jud’s Gallery, die 1971 von Jürgen Winter (Spitzname Judy, daher der Bandname) in Offenbach gegründet wurde. Sie traten zweimal im Juli 1972 und im März 1974 beim berühmten deutschen Regionalradiosender SWF auf und lösten sich dann auf, bevor sie ein komplettes Album aufnehmen konnten. Diese „Live“-Radiositzungen (plus ein Stück, „New Day’s Dawning“, das 1975 in einem Heimstudio aufgenommen wurde) sind alles, was wir haben, um anzudeuten, welche Höhen sie hätten erreichen können, und die Beweise deuten darauf hin, dass sie großes Prog-Versprechen enthielten.

Stilistisch war Jud’s Gallery überall in der progressiven Landschaft zu finden, von den härteren Experimenten von „Inspiration“ und „Reaching“ über das mit Geigen unterlegte „Danger of Shoot (Early Version)“ bis hin zu den Folk-Obertönen von „Friends“ (nicht das einzige Stück mit Gesang, aber das einzige, das wirklich um ihn herum aufgebaut ist). Dann gibt es noch Tracks wie „Catch the Fly“, „Nordrach“ und „New Day’s Dawning“, die sich kaum einordnen lassen, da sie wunderbar zwischen den Stilen wandern.

Live 2008

Wenn Sie die Gelegenheit haben, hören Sie sich ein paar Tracks auf youtube an. Wenn Ihnen gefällt, was Sie hören, werden Sie wahrscheinlich die ganze Platte genießen. Die Tonqualität der Bandübertragungen ist hervorragend. Sicher, es gibt einige der Unreinheiten einer Live-Aufnahme, aber das ist Teil dessen, was die Live-SWF-Radioshows so aufregend und aus historischer Sicht so interessant machte. Vielleicht hatten die meisten der Acts, die an der Serie teilnahmen, nie großen Erfolg, aber es ist faszinierend, zu hören, was hätte sein können. (J. Merritt)

Wobei mir die Songs, bei denen der Geiger Hannes Gremminger mitgewirkt (also die Aufnahmen aus dem Jahr 197) weitaus besser gefallen … weil noh vitaler.

Na ja, und dann eben „Nordrach“ (ab 08.17 kann man dann die Passage hören, die dem Gary Moore diesen für ihn schlecht ausgegangenen Plagiatsprozess eingebracht hat).

Booklet01A

Aufgenommen im Südwestfunkstudio U1, Baden-Baden
28.07.1972 (Tracks 1-5), 29.3.1974 (Tracks 6-9)

BackCover1

Besetzung:
Herbert Brandmeyer (drums bei 01. – 05.)
Hannes Gremminger (violin, piano bei 0. – 05.)
Peter Oehler (guitar, piano, vocals)
Sibi Siebert (drums bei 06. -09.)
Jürgen Winter (guitar, bass, vocals)
Clem Winterhalter (organ bei 06. – 09.)
+
Elly Lapp (background vocals bei 04.)

Booklet02+03

Titel:
01. Inspiration 4:36
02. Danger Of Shoot (Early Version) 4:47
03. Follow Me 11:14
04. Friends 5:15
05. Catch The Fly 8:00
06. Reaching 6:00
07. Danger Of Shoot (Real Version) 8:10
08. Nordrach 12:00
09. White Woman 4:10

Musik + Texte: Jürgen Winter

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So kann man das auch sehen:

Wer hat’s erfunden? Das Landgericht München hat entschieden, dass „Still Got The Blues“ von Gary Moore geklaut ist. Eine Farce in Akkorden.

Pardon, wir müssen uns kurz mit etwas unangenehmer Musik befassen. Das Landgericht München hat nach einem acht Jahre dauernden Streit entschieden, dass der Rockmusiker Gary Moore die Gitarrenmelodie seines Hits aus dem Jahr 1990, „Still Got The Blues“, geklaut hat. Das Gericht gab der Klage der unbekannten deutschen Band Jud’s Gallery statt. Die Melodie sei aus deren Lied „Nordrach“ von 1974 übernommen.

Schön für die Band, könnte man sagen und dann das Ganze möglichst schnell vergessen, bevor es zu seltsamen Ohrwürmern kommt – aber der Fall ist einfach zu haarsträubend. Denn die Passage, um die es geht, ist ein Klassiker, eins von vielen bekannten musikalischen Versatzstücken, die immer wieder verwendet werden. Es lässt sich kaum sagen, wann das mal wirklich neu war, ganz zu schweigen davon, wer es als Erster gespielt haben könnte.
Urheber ohne Ende

Das geht bei den zugrunde liegenden Akkorden los: Die Kadenz D-Moll / G-Dur / C-Dur / F-Dur / H vermindert / E-Dur / A-Moll findet sich, in allen möglichen Transpositionen und Variationen, quer durch die Musikgeschichte, in der Kirchenmusik, bei Bach, bei Schubert, im Jazz, in der jüngeren Popmusik. Und die Gitarrenmelodie, die in den beiden gerichtlich verglichenen Fällen darüber liegt, orientiert sich absolut simpel an Leittönen der Akkorde; für so etwas gibt es in der Harmonielehre Regeln, zum Beispiel im klassischen Chorsatz. Das lernen angehende Kirchenorganisten im ersten Jahr. Kurzum: nichts Besonderes.

Jürgen Winter01

Wenn Gary Moore geklaut hat, dann bei ungefähr dreihundert Urhebern gleichzeitig. Es gibt Aufnahmen des Jazz-Standards „Autumn Leaves“ (auch bekannt als „Les Feuilles Mortes“), bereits 1945 komponiert von Joseph Kosma und basierend auf der gleichen Kadenz, in denen schon lange vor 1974 mehr oder weniger die Melodie von „Still Got The Blues“ als Nebenstimme zu hören ist – ganz einfach, weil sie sich zu dieser Akkordfolge fast zwingend anbietet.

Und falls sich noch jemand an Lionel Richies Schmuse-Hit „Hello“ von 1984 erinnert: Der bestand sogar zu wesentlichen Teilen aus exakt der gleichen Melodie samt den zugehörigen Akkorden.

So absurd wie das Urteil ist übrigens auch die Tatsache, dass das Gericht klären musste, ob Moore das Lied der deutschen Band überhaupt kennen konnte – es war nie auf Platte, nur bei Konzerten zu hören. Moores Plattenfirma Virgin betonte bis zuletzt, bei der Melodie handle es sich um „musikalisches Allgemeingut“. Völlig richtig. Tragische Pointe der ganzen Geschichte: Es wird ein Musiker gegen Plagiatsvorwürfe verteidigt, indem man ihm öffentlich seine Kreativität abspricht. Kein Wunder, dass der Mann den Blues hat. (Max Fellmann. Süddeutsche Zeitung vom 17. Mai 2010,)

Jürgen Winter und Peter Oehler (2018):
Jürgen Winter und Peter Oehler (2018)

Jürgen Winters Website:
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