Höchste Zeit, diesen Ausnahmemusiker zu würdigen:
Eberhard Weber (* 22. Januar 1940 in Stuttgart-Hedelfingen) ist ein deutscher Jazz-Bassist und -komponist. Er gilt als eine herausragende Persönlichkeit der deutschen Jazzszene und genießt internationale Anerkennung. Weber zählt neben Jaco Pastorius zu den wenigen Bassisten, die das Bassspiel im Jazz stark erweitert haben. Sein einzigartiger Stil ist durch die Tongebung und Phrasierung sofort erkennbar und wird als lyrisch, schwebend und warm beschrieben.
Eberhard Weber ist mit seiner Schwester als Sohn des promovierten Berliner Cellisten Hans Weber und dessen Stuttgarter Frau Hildegard in Esslingen aufgewachsen. Weber hatte ein musikalisches Elternhaus, in dem viel Musik gespielt und gehört wurde. Die eindringlichsten musikalischen Erlebnisse seiner Kindheit waren die monatlichen Kammermusikabende seines Vaters mit dessen Kollegen. Zu seinem großen Bedauern wurde er regelmäßig vorzeitig von den Eltern ins Bett geschickt, dennoch blieb er wach und hörte angestrengt mit einem Ohr an der Wand der Hausmusik zu. Die gefilterten tiefen Frequenzen, die er dadurch vorwiegend wahrnahm, hätten sein späteres Klangideal mitgeprägt, wie er in seiner Autobiografie erklärt. Im Alter von sechs Jahren begann Eberhard Weber Cello zu spielen, später dann auch im Schulorchester des Esslinger Georgii-Gymnasiums. Danach kam auf Anfrage seines Musiklehrers der Kontrabass hinzu, durch den er neben der klassischen Musik auch den Jazz und dessen spezifische Spielweisen kennenlernte.
Nach einer Fotografenlehre arbeitete er neben seiner Musikertätigkeit in verschiedenen Bereichen in Rundfunk und Film, bevor er sich ausschließlich der Musik widmete. 1968 heiratete Eberhard Weber die Malerin Maja Weber (gest. 2011), ab 1973 gestaltete sie die Umschlagbilder aller seiner Musikalben.
Mit Wolfgang Dauner in den 60er Jahren
Ab 1962 spielte er mit dem Pianisten Wolfgang Dauner zahlreiche Alben ein. Daneben war er auch an anderen Produktionen beteiligt, etwa George Gruntz‘ Noon in Tunisia (1967). Mit der 1970 gegründeten Band Et Cetera (mit Wolfgang Dauner am Piano, Sigi Schwab an Gitarre, Sitar und Tarang, Fred Braceful, Schlagzeug und Gesang, Roland Wittich am Schlagzeug und Eberhard Weber am Bass) näherte er sich einerseits dem Stil des Bill Evans Trios mit Scott LaFaro und Paul Motian an, andererseits war sie aber der Beginn einer erfolgreichen Jazz-Rock-Formation. Die Zusammenarbeit mit Dauner riss nicht völlig ab, jedoch beschritten beide seit 1973 (das Jahr von Webers erfolgreichem Album The Colours of Chloë) getrennte Wege. Sie kamen nur noch gelegentlich für gemeinsame Projekte zusammen, insbesondere im United Jazz + Rock Ensemble.
1973 – Musikalischer Durchbruch
1972 kaufte Weber in einem Antiquitätenladen den Holzkörper eines alten Kontrabasses. Er ließ ihn von einem Geigenbauer restaurieren und eine zusätzliche, hohe C-Saite sowie einen elektronischen Tonabnehmer installieren. Nach und nach beseitigte er die dabei auftretenden Eigenresonanzen des Basses, was den Klang des Instruments klarer machte und den Bass länger klingen ließ.
Mit seinem Album The Colours of Chloë (1973) mit Rainer Brüninghaus erlangte Weber auch internationale Beachtung. An diesen Erfolg anknüpfend gründete er bald darauf die Band Colours mit Rainer Brüninghaus und Charlie Mariano sowie dem Schlagzeuger Jon Christensen. Nach dessen Weggang ersetzte ihn der Schlagzeuger John Marshall. Zwischenzeitlich arbeitete Weber auch mit Pat Metheny, Gary Burton, Ralph Towner (Solstice, 1974) und Volker Kriegel (Biton Grooves, 1974) zusammen.
Colours löste sich 1981 auf. 1982 wurde Eberhard Weber ständiges Mitglied der Band des norwegischen Saxophonisten Jan Garbarek und arbeitete bis zu seinem Schlaganfall im April 2007 mit ihm zusammen.[9] Anfang der 1980er begann auch seine Zusammenarbeit mit der britischen Sängerin und Komponistin Kate Bush. Auf vier ihrer Alben (u. a. The Dreaming) ist er bei einzelnen Stücken als Bassist zu hören.
Seit 1985 gab Weber immer wieder Solokonzerte, bei denen er sich elektronischer Klangvervielfältiger bediente, um seinen Bass live aufzunehmen und – teilweise in veränderter Form – wiederzugeben. Auf diese Weise konnte er sich live selbst begleiten.
2000 nahm er unter eigenem Namen das Album Endless Days auf, auf dem auch wieder Rainer Brüninghaus mitwirkte. Daneben ist er auf mehreren Alben des Gitarristen Andreas Georgiou zu hören.
Mit Volker Kriegel
Im April 2007 erlitt Weber kurz vor einem Konzert mit der Jan Garbarek Group in der Berliner Philharmonie einen Schlaganfall,[9] von dem er sich nur langsam und nicht mehr vollständig erholte. Infolgedessen war er halbseitig gelähmt und ist deshalb spielunfähig. Sein Album Résumé beruht daher auf Bearbeitungen von Soli, die er früher im Quartett von Jan Garbarek spielte und die mitgeschnitten worden waren.
Unter gleichem Titel – mit dem Zusatz Eine deutsche Jazzgeschichte – veröffentlichte Eberhard Weber im Januar 2015 seine Autobiografie.[12] Anlässlich seines 75. Geburtstags wurden am 23. und 24. Januar 2015 zwei Konzerte zu Ehren von Weber im Theaterhaus Stuttgart aufgeführt. Im ersten Teil spielte die SWR Big Band mit Webers musikalischen Weggefährten Pat Metheny, Jan Garbarek, Gary Burton, Scott Colley, Danny Gottlieb, Paul McCandless und Manfred Schoof dessen Kompositionen in Arrangements für ein Orchester. Das zweite Konzert namens Inspired oder Hommage gestaltete Pat Metheny mit Solovideos von Weber, zu denen Metheny Kompositionen für das Gary Burton Quintett (mit Scott Colley anstelle des verhinderten Steve Swallow) und die SWR Big Band schrieb. Der ARD-Fernsehsender SWR zeichnete die Konzertaufführung auf. Weber erhielt zu diesem Anlass den Ehrenpreis des Landes Baden-Württemberg für sein Lebenswerk.
Mit dem United Jazz & Rock Ensemble
In der Union Deutscher Jazzmusiker gehörte er zum künstlerischen Beirat.
Weber lebt nach seinem Rückzug vom aktiven Musikerleben vorwiegend in seinem Ferienhaus in einem südfranzösischen Dorf.
Neben dem Kontrabass und dem Cello spielte Eberhard Weber vor allem, und später ausschließlich, auf einem elektrischen Kontrabass, der gegenüber einem klassischen Kontrabass einen reduzierten Massivholzkorpus hat. Webers Anliegen war, den Bass als gleichwertiges Soloinstrument zu etablieren, was bei seinen Kollegen zunächst auf Widerstand stieß.
Seine Musik stellt sich oftmals in melancholischem Ton mit einfachen Grundmustern (Ostinati), aber mit hochdifferenzierter Klangfärbung dar. Durch die Verwendung elektronischer Hilfsmittel hob sich sein Instrumentenklang von dem anderer Bassisten ab. (wikipedia)
Und hier sein Debütalbum aus dem Jahr 1974;
The Colours of Chloë ist das Debütalbum des deutschen Jazzbassisten und Komponisten Eberhard Weber, das er gemeinsam mit Rainer Brüninghaus, Peter Giger, Ralf Hübner, Ack van Rooyen, Gisela Schäuble und den Cellisten des Südfunk Symphonie Orchesters Stuttgart aufnahm.
Das Album wurde im Dezember 1973 im Tonstudio Bauer in Ludwigsburg eingespielt und am 1. April 1974 von ECM Records als Langspielplatte veröffentlicht. Alle Kompositionen des Albums stammen von Eberhard Weber. Die Wiederveröffentlichung auf CD durch ECM erfolgte 1994.
Bevor Eberhard Weber sein erstes Album als Bandleader aufnahm, hatte er sich bereits als Sideman bei „Wolfgang Dauner, Volker Kriegel und dem Dave Pike Set … einen Namen innerhalb der europäischen Jazzszene gemacht.“[3] Er war „einer der besten und erfahrensten Bassisten Europas geworden, der sich in ganz verschiedenen Spielarten – Walking Bass, Free Jazz, Jazz-Rock – gleichermaßen leicht bewegen konnte“.[4] Anfang der siebziger Jahre „fing seine Entwicklung hin zu einem innovativen Stilisten und einer zentralen Persönlichkeit mit eigener musikalischer Identität und individuellen Klang an. … Zugang zu dieser neuen Identität fand er über den Klang seines Instruments, das er selbst entwickelte und ‚Elektrobass‘ taufte. Er bearbeitete einen alten italienischen E-Bass mit langem Hals und kleinem, rechtwinkligem Klangkörper, der eher wie ein akustischer Baß ohne Körper aussah. Mit der Hilfe von Instrumentenbauern und Elektronikexperten entwickelte er … eine fünfsaitige Version des Instruments, das nun ganz neue Qualitäten besaß: einen größeren Tonumfang und mehr Obertöne, wodurch der Klang schärfer, also prägnanter und ausdrucksvoller wurde und mehr Sustain hatte, die Töne also von sich aus länger klangen. Mit diesem Sound machte er sein erstes Album als Leader, The Colours of Chloe … .“ Über die Aufnahmen zu seinem Album äußerte sich Eberhard Weber wie folgt:
„Meine Ankunft bei ECM war wie ein Traum … Heute würden sich junge Musiker glücklich preisen, wenn sie bei den Plattenfirmen nicht die Klinken putzen und sich anbieten müßten. 1972 war das noch anders: Manfred Eicher, den ich da schon einige Zeit kannte und häufig bei Konzerten und auf Festivals in Süddeutschland (immerhin war er damals noch aktiver Bassist) getroffen hatte, fragte mich, ob ich für seine noch relativ neue Plattenfirma ein Album aufnehmen wolle. … Just die gleichnamige Komposition, die wahrscheinlich meine bekannteste ist, musste in zwei Etappen aufgenommen werden. Es kostete mich sechs Monate, ein funktionierendes Format zu finden.“
Durch Webers Debütalbum „wurde man … auch in den USA auf diesen Ausnahmemusiker aufmerksam. Und dies obwohl er das Album nicht mit amerikanischer Starbesetzung aufgenommen hatte, sondern ausschließlich mit europäischen Musikern: dem damals noch unbekannten, erst 24-jährigen Pianisten und Synthesizerspieler Rainer Brüninghaus, dem niederländischen Flügelhornisten Ack van Rooyen, den beiden Schlagzeugern Peter Giger und Ralf Hübner sowie den Cellisten des Stuttgarter Südfunk-Sinfonieorchesters.“
Das Titelstück des Albums nahm der „Vibraphonist Gary Burton … sieben Monate später mit Weber, Pat Metheny, Mick Goodrick, Steve Swallow und Bob Moses auch für sein ECM-Album ‚Ring‘ (ECM 1051) auf.“
1975 wurde The Colours Of Chloë mit dem Großen Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet.
Die Allmusic-Rezension von David R. Adler wertete das Album mit 4½ von 5 Sternen und stellte fest: „Eberhard Weber’s erstes Musikalbum bleibt sein bekanntestes und einflussreichstes. Ein ambitioniertes Werk von etwas, das symphonischer Jazz genannt werden kann, half The Colours of Chloë den ECM-Sound zu begründen — malerisch, romantisch, manchmal kompliziert rhythmisch, ein anderes Mal minimalistisch und harmonisch verworren… Die Menschen werden unterschiedlicher Meinung sein in ihrer Beurteilung, ob The Colours of Chloë den Test der Zeit bestanden hat, aber Webers Ästhetik spielte eine bedeutende Rolle in der kreativen Musik der 1970er Jahre und fand zahlreiche Nachahmer.“
The Rolling Stone Jazz Record Guide vergab 4 von 5 Sternen.
Eberhard Weber um 1972
Das kanadische Jazzmagazin Coda äußerte sich 1975 über Eberhard Webers Debütalbum mit folgenden Worten: “Dies ist ein äußerst feines, bewegendes Album, eine Platte, die vor allem anders klingt als alle anderen, die derzeit erscheinen.”
Und die Zeitschrift HiFiVision meinte 1988: „Obwohl Eberhard Webers erste Produktion für die Plattenfirma ECM mittlerweile schon 14 Jahre auf dem Buckel hat, strahlt sie aufgrund ihrer außerordentlichen Instrumentierung auch jetzt noch eine unwiderstehliche Magie aus. Vor allem die Okarina, eine Gefäßflöte in der Form eines Gänse-Eis, bestimmt mit ihrem sanften, schwebenden Ton den geheimnisvollen Charakter.“
Die britische Musikzeitschrift Jazzwise nahm Colours of Chloë 2006 in ihre Liste „The 100 Jazz Albums That Shook the World“ auf und schrieb dazu: „Eberhard Webers Debütalbum war einer der bedeutendsten Eröffnungsvorlagen von ECM nach ihrer Ankunft in der Jazzwelt als Schiedsrichter des modernen Geschmacks. Vollständig ohne irgendwelche modische Amerikanismen des Tages, war seine Musik voller Licht und Farbe, abgeleitet aus europäischen modernistischen Klassik- und Filmtraditionen. Als solches bot es einen völlig unverbrauchten Pool von Genüssen, in dem man fischen konnte. Seine geschmeidige Basstechnik nutzend, um Melodien zu artikulieren, wie es noch niemand getan hatte, wechselte Weber zwischen üppiger und starker Streicherbegleitung und kleinen Keyboard- und Percussion-Mustern mit großem atmosphärischen Effekt.“
Ack van Rooyen
In ihrer 2009 veröffentlichten Eberhard Weber Retrospektive bezeichnet die Zeitschrift Jazzecho das Album als „ein Klassiker, der aus dem Rahmen fiel“ und der zu den „absoluten Klassikern des gesamten ECM-Katalogs“ zählt.
Martin Kunzler charakterisiert die Musik Webers in seinem Jazz-Lexikon wie folgt: „In seiner poetischen Musik, breiter bekannt seit dem Erfolg des 1975 mit dem Großen Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichneten Debüt-Albums ‚The Colours of Chloe‘, steht für den Komponisten und Leader Weber weniger der im Jazz so ausgeprägte Wille zur individuellen Expression im Vordergrund als vielmehr der Klang und der Integrationsversuch persönlicher Möglichkeiten von Jazzmusikern. Er definiert seine atmosphärische, von pastellartigen Klängen geprägte Gruppenmusik als ‚Synthese zwischen Rhythmik, die ursprünglich vom Jazz herkommt, mit Klangformen und Klangideen, wie sie in der Klassik zu Hause sind.‘“
Und die Jazzkritiker Joachim-Ernst Behrend und Günter Huesmann meinen: „Eberhard Weber hat in den siebziger Jahren – unabhängig von Jaco Pastorius – eine singende, ‚humane‘ Elektrobassspielweise entwickelt. Sein durchdringender, warmer Klang schwebt mit der Leichtigkeit eines imaginären Engelchores. Weber ist ein sehr intuitiver, klangschöner Spieler, der auf seinem 5-saitigen Upright-Bass verträumte, elegische Melodien mit agilen, lebhaften Rhythmen kombiniert.“ (wikipedia)
Oder kurz und bündig: zeitlos !
Besetzung:
Rainer Brüninghaus (piano, synthesizer)
Peter Giger (drums, percussion)
Ack van Rooyen (flugelhorn)
Gisela Schäuble (vocals)
Eberhard Weber (bass, cello, okarina, vocals)
+
Ralf Hübner (drums bei 02.)
+
Mitglieder des Südfunk-Symphonieorchesters Stuttgart (cello bei 02.)
Peter Giger
Titel:
01. More Colours 6.45
02. The Colours Of Chloë 7.49
03. An Evening With Vincent Van Ritz 5.52
04. No Motion Picture 19.33
Musik: Eberhard Weber
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Eberhard Weber und Ack van Rooyen, 2015