Und wieder mal so ein Urgestein der westdeutschen Kraut Rock / Prog Rock Szene:
Amon Düül ist eine deutsche Rockband, die sich im Zuge der Studentenbewegung der 1960er Jahre bildete und in verschiedenen Formationen bis in die Gegenwart besteht. Die Band gilt als einer der wichtigsten Vertreter des Krautrock.
1967 gründete sich in der Leopoldstraße in München eine Künstler-Kommune, die sich nach dem ägyptischen Gott Amon samt einem nicht eindeutig erklärbaren Zusatz „Düül“ benannte. Schon bald erlangten die Kommunarden durch ihre musikalischen Sessions bei den Happenings und Demonstrationen der politisierten Jugend Kultstatus. Man konnte sich jedoch auf kein gemeinsames musikalisches Konzept einigen. Eine Fraktion der Kommunarden vertrat den libertären Weg der künstlerischen Freiheit und nahm jeden auf, der Musik machen wollte, ob er nun singen oder spielen konnte oder auch nicht. Die andere Fraktion war in dieser Hinsicht konservativ eingestellt und legte Wert auf musikalisches Können. Bei den unter anderem von Rolf-Ulrich Kaiser und Tangerine Dream initiierten Essener Songtagen 1968 kam es dann zum offiziellen Bruch, als statt einer Band gleich zwei desselben Namens auftraten, Amon Düül und Amon Düül II. Fortan ging man getrennte Wege, und es sollte auch nicht nur bei diesen beiden Formationen bleiben.
Amon Düül spielte überwiegend improvisierte Musik ohne Songstruktur. Der häufige Mitgliederwechsel der Formation trug nicht zur Ausbildung eines konkreten musikalischen Charakters bei. Viele der Musiker standen der Kommune 1 in Berlin nahe.
Uschi Obermaier
Man spielte bevorzugt schockierende Anti-Musik. Die Titel trugen Namen wie Mama Düül & ihre Sauerkrautband spielt auf oder Ein wunderhübsches Mädchen träumt von Sandosa. In kurzer Zeit wurden unter Regie von Peter Meisel, Mitinhaber der Hansa Musik Produktion, vier Alben veröffentlicht, meist gleichzeitig mit den Alben der „Konkurrenz“ Amon Düül II. Zwar wurden die Alben mit so kuriosen Titeln wie Collapsing – Singvögel rückwärts oder Disaster – Lüüd Noma von der Kritik verrissen, von den Fans jedoch innig geliebt. Heute sind sie Raritäten und zählen zu den psychedelischen Höhepunkten des Krautrock-Genres. 1970 traten Amon Düül zum letzten Mal auf.
Amon Düll (I)
Amon Düül II, bestehend aus Chris Karrer, Peter Leopold und Ulrich Leopold, Falk Rogner, John Weinzierl und Renate Knaup, legten dagegen Wert auf ein Mindestmaß an Musikalität. Die Kritiker bestätigten anlässlich der Essener Songtage 1968 zwar auch nur ein „halbstündiges musikalisches Nichts“ (FAZ), doch ihr erstes Album Phallus Dei (lateinisch ‚Gottes Phallus‘) von 1969 setzte Maßstäbe in der deutschen Rockgeschichte. Der Titelsong brachte es auf stolze 21 Minuten Länge. Die Beurteilung in der Öffentlichkeit war gespalten. Siegfried Schmidt-Joos bezeichnete das Album im 1973 erschienenen Rock-Lexikon als ein Gemenge aus „Reports von futuristischen Desastern mit alttestamentlichen Katastrophenberichten“, die Gruppe tue sich schwer mit Rückkopplungseffekten und biete „eigenbrötlerischen Klangzauber und biedere Kopien der Pink-Floyd-Musik“. Verkauft hat sich das Album dennoch gut. Die Filmbranche bat um Auftragsarbeiten, nachdem die Gruppe den von Rüdiger Nüchtern gedrehten Konzertfilm Amon Düül plays Phallus Dei vorgelegt hatte. In dem im Mai 1970 gedrehten WDR-Film Niklashauser Fart von Rainer Werner Fassbinder ist die Gruppe mit einem Liedtitel zu sehen. Das Band-Groupie Uschi Obermaier musiziert dabei ebenfalls mit. Die Musik des 1970 erschienenen Films San Domingo brachte den Musikern sogar 1971 den deutschen Filmpreis ein.
Die erste Hälfte der 1970er Jahre war die produktivste Phase von Amon Düül II. Um die Produktion kümmerte sich seit 1970 der Saxofonist Olaf Kübler, der in den 1970er Jahren auch mit Klaus Doldinger und Udo Lindenberg arbeitete. Kübler ließ der Gruppe weitgehende künstlerische Freiheit. Binnen sechs Jahren erschienen zehn Alben und mehrere offizielle Kompilationen, die Stammbesetzung bestand zu dieser Zeit aus:
Schon das zweite Album Yeti (1970) bedeutete den Durchbruch in Großbritannien, obwohl oder gerade weil die bisherigen Texte der Gruppe immer wieder in altertümelndem Deutsch oder mit zweifelhaftem Englisch dargeboten wurden. Der Melody Maker bescheinigte 1972, dies sei die erste deutsche Gruppe, „die einen eigenen Beitrag zur internationalen Musikszene geliefert“ habe.
Personelle Veränderungen und Verbindungen zu anderen Bands waren in den frühen 1970er Jahren zahlreich: Chris Karrer und Lothar Meid waren immer wieder bei Embryo beschäftigt, im Gegenzug war Christian Burchard unter anderem auf Phallus Dei zu hören, Renate Knaup arbeitete mit Florian Fricke, dessen späterer Popol Vuh-Kollege Daniel Fichelscher sprang bei Amon Düül für Peter Leopold am Schlagzeug ein, Bassist Lothar Meid arbeitete mit Klaus Doldinger, sein Vorgänger Dave Anderson wechselte später zu Hawkwind, es gab eine Tournee mit Can, für Renate Knaup war vorübergehend Jutta Weinhold am Gesang zu hören, die zuvor bei den Musicals Hair und Jesus Christ Superstar mitgewirkt hatte. (Quelle: wikipedia)
Wenn man Ingeborg Schobers Buch „Tanz der Lemminge“ glauben darf, war die Aufnahme dieser LP ein einziger Machtkampf und das Ergebnis die schlechteste Platte der Düüls zwischen 1969 – 1975. Nun habe ich die Nachfolgenden nicht im Kopf, aber so übel finde ich „CARNIVAL IN BABYLON“ nicht.
Es ist eine Platte im Umbruch. Vergangen sind die langen Improvisationen von „YETI“, die einzelnen Lieder sind kürzer, die Rhythmen eingängiger, das Tempo gedrosselter, aber irgendwie strahlt auch dies CD für mich eine Magie aus, wie sie nur wenige andere Bands haben. Ich finde nicht, dass sie lustlos klingt, sie kommt mir ziemlich melancholisch-depressiv vor, die Texte schwanken zwischen völligem Nonsens (im deutsch gesungenem „C.I.D. in Uruk“ ) und Abrechnung mit der eigenen Geschichte/Befindlichkeit („All the years ‚round“ oder „Kronwinkl 12“). Musikalisch ist alles nicht mehr so eindeutig abgedreht, aber im Sound gibt es immer noch genug verstecke Merkwürdigkeiten, wie sie im Krautrock üblich waren: zirpende Synthis, kosmisch klingende Gitarren, arabische Flötenpassagen (in „Hawknose Harlequin“) oder spacige, mellotronähnliche Passagen. Dazu kommt wieder der unnachahmliche, akzentbehaftete Gesang. Besondern Renate Knaup spielt damit und singt im erwähnten „All the years..“ manchmal wie eine Marlene Dietrich nach dem Genuss eines Joints. Auch Freunde der alten DÜÜL kommen nicht zu kurz. Instrumentalpassagen gibt es auch noch genug, die beiden Gitarristen liefern sich gelungene Ausflüge, zu denen Lothar Meid einen einfachen und druckvollen Bass spielt. (Andreas Pläschke)
„Sie werden sich umgucken da drüben. Die englische Popmusik erschöpft sich bald in sterilen Wiederholungen. Sie haben Angst vor uns, weil wir noch frisch und unverbraucht unsere eigenen Sachen spielen.“
So werden Amon Düül II in Günter Ehnerts und Detlev Kinslers Deutschrocklexikon zitiert. Die Aussage stammt wohl aus der Zeit kurz nach Veröffentlichung von „Tanz der Lemminge“, als sich die Gruppe auf ihrem künstlerischen Zenit befand. Fast sah es so aus, als ständen Amon Düül II tatsächlich vor dem großen, vielleicht sogar internationalen Durchbruch. Zumindest war dies die Einschätzung der Band selbst. So ganz aus der Luft gegriffen war das auch gar nicht. Mit „Yeti“ und „Tanz der Lemminge“ hatten die Münchner durchaus Aufsehen erregt (im westlichen Europa). Nun galt es mit einem gleichwertigen Nachfolgealbum den Status als eigensinnige und erfindungsreiche Kultcombo aus Deutschland zu festigen.
Gelungen ist dies den zweiten Düül mit „Carnival in Babylon“ allerdings nicht. Offenbar – Andreas hat es weiter oben schon erwähnt – waren sich die Bandmitglieder auch nicht einig darüber, wie es in musikalischer Hinsicht weitergehen soll. Dazu kamen persönliche Spannungen innerhalb der Band. Dementsprechend unentschlossen und lau ist das Album ausgefallen. Frische, Spontaneität und Experimentierfreude sind der Gruppe abhanden gekommen. Sehr ordentlich und auch leidlich abwechslungsreich, aber doch alles in allem ziemlich unspannend und eingänglich wird hier gerockt. Deutlich songorientierter sind die Stücke auf „Carnival in Babylon“ ausgefallen, was mir doch ab und zu die Zehennägel kräuselt. Singen kann nämlich keine(r) der Beteiligten. Solche wackeligen, teutonisch holzigen, unmelodischen und schwachbrüstigen Gesangsdarbietungen haben zur Musik der ersten drei Alben ganz gut gepasst (und dort wurde deutlich weniger Gesungen), hier erzeugen sie beim Hörer aurikulare Magenverstimmungen.
In musikalischer Hinsicht schwankt „Carnival in Babylon“ zwischen anpsychedelisiertem Folkrock und spacig-krautigen, gelegentlich bluesigen Rocknummern. Über weite Strecken wirkt das Ganze wie ein verschollenes Album einer seltsamen kalifornischen Hippieband (vermutlich bestehend aus Kindern deutscher Auswanderer) aus den späten 60ern. Trotz der angeblich Vorhandenen gespannten Atmosphäre im Studio strahlt die Musik eine gewisse lockere Gelöstheit aus. Die Stücke sind auch durchaus vielschichtig aufgebaut. Insbesondere gibt es einige schöne E-Gitarrenzwiegespräche zwischen Weinzierl und Karrer (z.B. in „All The Years Round“ oder im langen „Hawknose Harlequin“). Karrers Violine und Hausmanns Tasten und Elektronikeffekte sorgen zudem für das eine oder andere interessante Moment. Trotzdem fehlt es dem Endergebnis aber an Biss, Schwung und ein paar wirklich guten Einfällen.
Von „frisch und unverbraucht“ (siehe das Zitat vom Beginn dieser Rezension) kann auf „Carnival in Babylon“ sicher nicht die Rede sein. Der britische Melodie Maker fand trotzdem noch gefallen an der Scheibe, und lobte (oder stellte fest), dass das Album einfacher und vokalhafter ausgefallen war. Im Pop-Poll desselben Magazins des Jahres 1972 kamen Amon Düül II in der Kategorie „größte internationale Hoffnung“ immerhin auf Platz 7. Über den Status des Hoffnungsträgers kamen die Münchner allerdings nie mehr hinaus. (Achim Breiling)
Oder aber auch:
Die Instrumentalpassagen sind bis heute teilweise atemberaubend (z.B. bei „Skylight“) und hypnotisch – die Vokalpassagen hingegen erhalten von mir das Prädikat „überwiegend schauderhaft“ … ich weiß nicht, welches Zeug man geraucht haben muss, um diese einigermaßen unbeschadet zu überleben.
Besetzung:
Karl-Heinz Hausmann (keyboards, electronics)
Chris Karrer (guitar, violin, saxophone, vocals)
Renate Knaup (vocals)
Peter Leopold (drums, percussion)
Lothar Meid (bass)
John Weinzierl (guitar, vocals)
+
Joy Alaska (background vocals)
Olaf Kübler (saxophone)
F.U. Rogner (organ)
Titel:
01. C.I.D. In Uruk (Weinzierl) 5.39
02. All The Years Round (Weinzierl/Knaup/Rogner) 7.26
03. Ballad Of The Shimmering Sand (Karrer/Rogner) 6.37
04. Kronwinkl 12 (Weinzierl) 3.57
05. Tables Are Turned (Karrer/Rogner) 3.39
06. Hawknose Harlequin (Karrer/Rogner/Meid/Weinzierl/Hausmann/Fichelscher /Leopold/Rogner) 10.04
+
07. Skylight (Weinzierl) 9.51
08. Tatzelwurmloch (Karrer/Weinzierl/Meid/Knaup*) 17.46
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Der Bruder von Renate Kaup heißt übrigens Herbert