Martin Schüller – Bird’s Bird (Hörspiel – WDR) (2001)

FrontCover1Ein Radiohörspiel, dass auf gewiefte Weise Jazz mit einer Krimihandlung verbindet:

Jan Richter hat sich seinen größten Wunsch erfüllt: einen Jazzclub in Köln. Doch sein Traum verwandelt sich in einen Albtraum. Das „Cool Moon“ steht kurz vor der Pleite und der Kredithai sitzt ihm schon im Nacken. Freund Christian hat die Lösung. Er bietet ihm das Saxophon von Charlie Parker zum Kauf an. Jazzstar Jack Saphire erklärt sich bereit, im „Cool Moon“ aufzutreten, gegen Charlie Parkers Saxophon als Gage. Doch bevor Jan das Saxophon in die Hand bekommt, verschwindet es spurlos – gemeinsam mit seinem Besitzer. Für Jan beginnt eine verzweifelte Suche, die ihn von Köln bis nach Lissabon führt, in eine Welt, in der Menschen für Musik ihre Seele verkaufen.
Martin Schüller, Jahrgang 1960, lebt als Taxifahrer und freier Autor in Köln. Dem Hörspiel „Bird’s Bird“ liegt sein erster, im Jahr 2000 erschienener Roman „Jazz“ zugrunde.
Das Buch zum Radio-Hörspiel:
Buh

Martin Schüller (* 29. März 1960 in Haan) ist ein deutscher Schriftsteller und Musiker. Er lebt und arbeitet in Köln.
Inhaltsverzeichnis

Künstlerisch ursprünglich als Jazz- und Rockmusiker sowie Komponist tätig, begann er 1999 zu schreiben.

Sein erster Roman Jazz erschien 2000 im Emons Verlag, Köln.

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Musik nimmt in Schüllers Büchern großen Raum ein, neben Jazz auch Rock ’n’ Roll (in King, 2002) und Klassik (in Kunst?Blut!, 2003, unter dem Synonym Jagomir Krohm). In seinem Lexikon der deutschen Krimi-Autoren beschreibt H. P. Karr Schüllers Romane als „sorgfältige, mit dem Blick für das Detail und die Charaktere entworfene Geschichten, erzählt in einer makellosen Prosa, mit viel Gespür für den Rhythmus und die Akzente der Story.“

Martin Schüller ist Mitglied des Köln-Düsseldorfer Kriminalkomitees. (wikipedia)

Martin Schüller wurde 1960 in Haan, Nordrhein-Westfalen geboren. Seine kreative Neigung lebte er vor seiner Schriftstellerkarriere bereits in der Musikbranche aus. Schüller wurde in Köln geboren und kann sich seit Ende der 90er Jahre Schriftsteller nennen, zuvor war er mehrere Jahre als Jazz- und Rockmusiker tätig. Als Autor hat er sich dem Krimi-Genre verschrieben, wobei er in fast allen Büchern regelmäßig sein musikalisches Faible zur Geltung bringt. (buchreihe.org)
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In diesem Krimi geht es um ein Saxophon, daß angeblich einmal dem berühmten Saxophonisten Charlie Parker gehört haben soll. Dieses Saxophon wird Jan Richter, dem Besitzer eines Jazzclubs zum Kauf angeboten. Dieser steckt in großen finanziellen Schwierigkeiten, sein Jazzclub steht kurz vor der Pleite und er selbst wird von Kredithaien bedroht.
Das Saxophon als Gage für einen großen amerikanischen Jazzstar wäre da die Rettung. Doch bevor Jan das Saxophon in die Hand bekommt, verschwindet es spurlos, und mit ihm sein Besitzer.
Als dann die Leiche des Saxophonbesitzers im Rhein schwimmt, erkennt Jan, daß dieses Saxophon mehr sein muß als nur ein Musikinstrument. Seine Suche nach dem Geheimnis des Saxophons bringt ihn von Köln auch nach Lissabon.
Mehr möchte ich eigentlich gar nicht verraten. Dies ist ein Krimi für alle, die Musik lieben und wissen, dass darin Wunder passieren können. (SH)
Das Buch läuft unter dem Etikett „Regional Krimi Köln“ … was natürlich Quatsch ist, denn die Handlung führt  Jan Richter eben auch nach Lissabon (einschließlich natürlich einer verruchten Schönheit).
Nun denn, der Krimi ist durchaus amüsant … wobei die Geschichte natürlich ein wenig Hokus Pokus aus dem Jazz Milieu … Böse Zungen könnten behaupten, die Musik des Heiko Kulenkampff Quartett ist das Beste an diesem WDR-Hörspiel.
Und jetzt will ich Charlie Parker hören …
Charlie Parker
Besetzung:
Isabella Archan (Dunestre)
Daniel Berger (Dietmar Greiner)
Sibylle Bertsch (Angestellte am Flughafen)
Chris Bishop (Chris)
Calvin Burke (Jojo McIntire)
Daniel Drewes (Taxifahrer)
Heinrich Giskes (Jupp Falkenstein)
Tyree jr Glenn (Jack Saphire)
Reinhard Schulat (Rudi)
Ulrich Matthes (Erzähler)
Dominique Michelet (Marquis Duqué)
Dietmar Mues (Jochen Diekes)
Maria Joao Neno (Quitéria Crespo)
Hans-Georg Panczak (Jan Richter)
Oliver Kauss (Wartender)
Franz Xaver Zach (Friedhelm Aufdemsee)
Regie: Klaus Mehrländer
Musik: Heiko Kulenkampff Quartett
Heiko Kulenkampff
Titel:
01. Bird’s Bird (Hörspiel – WDR) 53.58
Text: Martin Schüller
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Amon Düül II – Made In Germany (1975)

LPFrontCover1Amon Düül (II) ist eine deutsche Rockband, die sich im Zuge der Studentenbewegung der 1960er Jahre bildete und in verschiedenen Formationen bis in die Gegenwart besteht. Die Band gilt als einer der wichtigsten Vertreter des Krautrock.

1967 gründete sich in der Leopoldstraße in München eine Künstler-Kommune, die sich nach dem altägyptischen Gott Amon samt einem nicht eindeutig erklärbaren Zusatz „Düül“ benannte. Renate Knaup erzählt, dass die Inspiration von einem Stück mit dem Titel „Dyl“ auf der Platte Tanyet der obskuren Band The Ceyleib People, an der auch Ry Cooder mitgewirkt hatte, gekommen war. Schon bald erlangten die Kommunarden durch ihre musikalischen Sessions bei den Happenings und Demonstrationen der politisierten Jugend Kultstatus. Man konnte sich jedoch auf kein gemeinsames musikalisches Konzept einigen.

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Eine Fraktion der Kommunarden vertrat den libertären Weg der künstlerischen Freiheit und nahm jeden auf, der Musik machen wollte, ob er nun singen oder spielen konnte oder auch nicht. Die andere Fraktion war in dieser Hinsicht konservativ eingestellt und legte Wert auf musikalisches Können. Bei den unter anderem von Rolf-Ulrich Kaiser und Tangerine Dream initiierten Essener Songtagen 1968 kam es dann zum offiziellen Bruch, als statt einer Band gleich zwei desselben Namens auftraten, Amon Düül und Amon Düül II. Fortan ging man getrennte Wege, und es sollte auch nicht nur bei diesen beiden Formationen bleiben.

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Und hier ihr 9. Album:

„Besser, einfallsreicher und progressiver“ als Pink Floyd oder Velvet Underground fand die Süddeutsche Zeitung einst die deutsche Underground-Band Amon Düül II. Die künstlerisch anbitionierte Fraktion, die sich ’68 von den Polit-Freaks Amon Düül I absonderte, schuf bis ’78 13 Alben und galt auch international als Rock-As. „Made In Germany“ (’75) zeigt die Münchner vital, doch unter verblassendem Stern. (Audio)

LPBooklet

Wir schreiben das Jahr 1975. Die ehemaligen Kommunen-Musikanten von Amon Düül II haben sich längst von der billigen Pink-Floyd-Kopie zu einer der führenden Krautrock-Bands gemausert. Auf ihrer Doppel-LP zeigen Knaup, Karrer, Weinzierl und Co. sogar etwas, was so gar nicht „Made in Germany“ ist: Humor. Da wird der olle Kaiser Willem, der schöne Kini Ludwig und auch der Mr. Kraut tüchtig durch den appetitlich angerichteten Kakao gezogen. Endlose Improvisationen wie noch auf „Vive La Trance“ (1974, REP 4607) haben zugunsten klar strukturierter Pop- und Rock-Songs abgedankt. (Stereoplay)

Kann man natürlich so sehen … für meine Ohren ist das gesamte Album … man verziehe mir … belanglos und überflüsig.

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Besetzung:
Robby Heibl (bass, guitar, violin, vocals)
Chris Karrer (guitar, banjo, violin, vocals)
Renate Knaup (vocals)
Peter Leopold (drums, percussion)
Nando Tischer (vocals, guitar)
+
Thor Baldursson (keyboards)
Karlheinz Becker (percussion, gong)
Lee Harper (trumpet)
Fritz Sonnleitner (violin)

Inlets

Titel:
01. Overture (Evers) 5.13
02. Wir Wollen (Leopold) 1.33
03. Wilhelm, Wilhelm (Leopold/Tischer) 3.10
04. SM II Peng (Leopold/Weinzierl) 2.17
05. Elevators Meet Whispering (Rogner) 1.26
06. Metropolis (Weinzierl/Knaup/Rogner) 3.37
07. Ludwig (Weinzierl/Tischer) -2.33
08. The King’s Chocolate Waltz (Korduletsch/Rogner) 2.29
09. Blue Grotto (Weinzierl/Knaup/Rogner) 3.33
10. Mr.Kraut’s Jinx (Karrer) 8.44
11. Wide-Angle (Fichelscher/Knaup/Rogner) 4.06
12. Three-Eyed Overdrive (Korduletsch/Rogner) 1.17
13. Emigrant Song (Heibl/Tischer) 3.21
14. Loosey Girls (Tischer) 5.13
15. Top Of The Mud (Tischer) 3.45
16. Dreams (Tischer) 4.08
17. Gala Gnome (Rogner) 3.52
18. 5.5.55 (Weinzierl/Tischer/Leopold) 1.39
19. La Krautoma (Yradier/Heibl/Karrer/Knaup/Leopold/Tischer) 6.09
20. Excessive Spray (Korduletsch/Rogner) 1.42

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Die (gekürzte) US Ausgabe des Albums:
USEdition

Mehr von Amon Düül II:
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Die offizielle Website:
Website

Siegfried Koenig – Das ist das Lied für meine Carolina + Warum sagst du immer nur morgen (1967)

FrontCover1Tja, der Siegfried Koenig (*28. April 1939 in Leipzig; † 4. März 1993 in Leipzig).

Zwischen seinem achten und fünfzehnten Lebensjahr blies er Flügelhorn und nahm später Gitarrenunterricht. Bereits mit 16 Jahren war er Kapellensänger der seinerzeit bekannten Leipziger Amateurformation „Schwarze Spatzen“.
Siegfried erlernte zunächst den Beruf eines Elektromonteurs. 1962 erhielt er beim Willy-Noack-Sextett ein fünfjähriges Engagement; sang Schlager, Lieder sowie Arien aus Opern und Operetten. Parallel nahm Siegfried bei Käthe Brinkmann Gesangsunterricht. 1963 beendete er seine Tätigkeit als Elektromonteur, um als Sänger mit Auftrittsgenehmigung zu arbeiten. „Eine Rose beim Auseinandergehen“ (M.: Dannenberg/T.: Schneider) hieß 1966 sein erster Rundfunktitel. Im gleichen Jahr folgten die Aufnahmen „Mein Mädchen und meine Gitarre“ (Dannenberg/T.: Lietz) und „Grüß mir all‘ meine Freunde“ (M.: Kunze / T.: Lennartz), die sich in Wertungssendungen gut platzierten. 1967 erschien seine erste AMIGA-Single mit „Das ist das Lied für meine Caroline“ (M.: Schöne/Lietz) und „Warum sagst du immer nur morgen“ (M.: Bause/Schneider). Im Fernsehen stellte er in der Sendung „Schlager ‘67“ diese Bause- Komposition vor, 1967 erhielt er auch seinen Berufsausweis.

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Von 1968 bis zur Wende gehörte Siegfried zum Team der TV-Sendereihe „Klock 8-achtern Strom“ und war u.a. mit maritimen Liedern wie „Wir sind wieder mal in Rostock“, „Heute Abend an der Mole“ (Siebholz/Schneider/ T.: Wolter), „Das Schönste an jeder Reise“ (Schöne/Hoffmann) oder „Die längste Fahrt hat irgendwann ein Ende“ (M.: Kähne/Schneider) erfolgreich. 1973 kam er mit „Ich lass mein Herz zu Hause bei dir“ (M.: Hoffmann/Schneider) beim Rostocker Festival auf den zweiten Platz. Nicht nur mit Seemannthematik feierte er Erfolge. Mit „Die Liebe bleibt immer“ (Bause/Schneider) qualifizierte er sich beim DDR-TV- „Schlagerstudio“ für das Jahresendfinale „Einmal im Jahr“. Stimmungslieder wie „Mein Lied, das geht ins Ohr“ (Möckel/ T.: Heine) oder „Da fehlt ein Mann im Haus“ (M.: Möckel/Brandenstein), aber auch die melodiebetonten Titel „Am Meer“ (Kähne/ T.:Hall), „Das hört nie auf“ (Möckel/Heine) „Die Newa kann Märchen erzählen“ (Schöbel/T.: Krautz) oder „Weiße Taube auf dem Roten Platz“ (Kähne/Halbach) zählen zu seinen Erfolgen.

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1983 produzierte er mit Brigitte Künzel das Duett „Wer ist der Täter“ (Schöne/Schneider). Ende der 1980 Jahre waren es vor allem der Komponist Lothar Joswiak und Dieter Schneider, die für ihn neue Titel schrieben, Noch 1990 nahm er mit dem Rundfunk-Blasorchester-Leipzig neue Titel bei Radio DDR auf.
Nach der Wende blieben künstlerische Angebote aus. Er versuchte in verschiedenen Berufen Fuß zu fassen, so u.a. im Dienstleistungsbereich.
Am 4.März 1993 stürzte er sich in Leipzig aus einem Hochhaus in den Tod. (Kofferradio Fansite)

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Hier seine erste Single:

Nun gut, zwei Schmachtfetzen im Stil von Freddy oder Ronny

Und die Hülle dieser Single ist natürlich angesichts seiner Todesumstände arg makaber.

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Besetzung:
Siegfried Koenig (vocals)
+
Orchester Walter Eichenberg

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Titel:
01. Das Ist Das Lied Für Meine Carolina (Schöne/Lietz) 2.47
02. Warum sagst du immer nur „morgen“ (Schneider/Bause) 2.49

LabelB1
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Theater … und so sofort – Entweder … oder – Eine komödiantische Farce von Jean-Claude Grumberg (Programmheft) (2023)

TitelNicht dass man denkt, ich würde nur im „Gestern“ leben … hier das Programmheft (20 Seiten) einer kleiner Theaterbühne aus München zu dem Stück „Entweder … oder – Eine komödiantische Farce“ von Jean-Claude Grumberg (Regie: Heiko Dietz) … Premiere am 15.04.2023.

Und darum geht´s:

Zwei Nachbarn begegnen sich im Treppenhaus. Ihr Kontakt beschränkte sich bislang auf den flüchtigen Austausch von Höflichkeitsfloskeln.
Von seiner Ehefrau „beauftragt“, stellt der Nachbar von oben dem von unten die entscheidende erste Frage: „Sind Sie Jude?“
Diese Frage wird in diesem flotten, humorvollen Theaterabend, eine Lawine von weiteren Fragen ins Rollen bringen.

In neun kurzen Bildern kommen die beiden vom Hundertsten ins Tausendste, von Beschneidung und Essensgewohnheiten über Geldgier bis hin zur Palästinenserfrage. Dabei entstehen spaßige Missverständnisse.
Mehr und mehr werden antisemitische Vorurteile sowie allgemeine Binsenwahrheiten sabotiert und eindeutige identitäre Zuordnungen mit Witz und Humor unterlaufen. Aufkeimende Freundschaft wechselt sich mit launischer Feindschaft ab.
Kann der geplante gesellige Aperitif mit den Ehefrauen schließlich stattfinden?
Werden die beiden Nachbarn endgültige Antworten auf die Gretchenfrage finden?
Oder werden sich immer neue auftun?

Entwaffnend klug, ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit viel Witz und Weisheit begleitet der Autor das Publikum durch ein Thema, das wohl nie an Brisanz verlieren wird. (Pressetext)

Jean-Claude Grumberg

„(Das Stück) ist eine Entdeckung, es ist nun am Theater … und so fort zu sehen. Eine ungeheuer witzige, kluge Farce. Es braucht nur die zwei Nachbarn, A und B. Konrad Adams spielt A, ein scheues Mann-Gebirge, Cordhose, weißes Hemd; in dessen Tasche ein Notizblock, an einem Gummizug an der Hose stets griffbereit ein Bleistift. Heiko Dietz ist B, bisschen schicker, weltmännischer, lächelnd skeptisch. Außer den beiden braucht Regisseur Jörg Schur nur ein paar Treppenstufen, das Geräusch des Aufzugs. (…) Das Ganze vollzieht sich mit Aberwitz, Rasanz und Genauigkeit, ein großer Spaß über Vorurteile und deren Umdrehung.“ (Egbert Tholl, Süddeutsche Zeitung)

„Zwei begeisternde Mimen, zwei authentische, wahrhaftige Schauspieler im imaginären Treppenhaus…, eigentlich drei, denn „meine Frau“ – war‘s nun die Frau von A oder B? – ist in allen Szenen präsent. Fühlbar! Exzellent Konrad Adams mit seiner Frau und Heiko Dietz. Großes Theater auf minimalistischer Bühne. Bravo ! Die Protagonisten nehmen das Publikum mit auf eine pausenlose, kurvenreiche 80-minütige Achterbahnfahrt, 80 kurzweilige Minuten en suite Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung (als hätte Christian Dietrich Grabbe den Titel entliehen), man ist amüsiert, ist erheitert, lacht lauthals, prustet vor Lachen, obwohl man geziemend bestürzt sein sollte, das Lachen im Halse steckenbleiben müsste, man eher weinen sollte in der schnurrig-lakonischen, gescheiten Inszenierung. Danke!“
(Werner Thate)

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Seit geraumer Zeit besuche ich – angestachelt durch mein Eheweib – öfters mal ein Theaterstück. Dieses habe ich allerdings gar nicht gesehen, aber durch meine Fee kam ich an dieses Programmheft (sie weiß ja auch, was mich interessiert).

Sie selbst fand das Stück, „durchaus amüsant, am Ende dann allerdings eher flach“.

Wie auch immer: Dieser Beitrag ist eine Hommage an all die kleinen Theaterbühnen dieser Republik, die all den Widrigkeiten (ich sag da nur Corona mit all den notwendigen Restriktionen)zum Trotz ihr Fähnlein weiterhin nach oben halten.

Und dann wundert mich noch, dass ein solches Stück heute noch aufgeführt werden kann (denke ich da nur an das „Theater“ mit dem Stück „Vögel“ vom Metropoltheater München, aber das wäre mal einen eigenen Beitrag wert).

Und ansonsten gilt für mich weiterhin: Soll jeder glauben was er will, Hauptsache man lässt mich mit dem religiösen Quatsch in Ruhe.

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???:
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Die Rückseite des Programmheftes:
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Die offizielle Website des Theaters:
Beispiel12

Beispiel13

Verschiedene Interpreten – Hifi-Stereo-Festival 70 (1970)

FrontCover1Auch das remontierte Klassik Label Deutsche Gramophon veröffentliche Anfang der 70er Jae immer wieder Zusammenstelungen aus ihrem Proramm unter dem Titel „HiFi Stereo Festival“.

Bedauerlicherweise widmet sich  diese Ausgabe ausschließlich auf „Höhepunkte“ der Opern-Musik.

Und dann noch – quasi als Höchstsrafe“ gleich ne ganze Seite mit Kompositionen von Richard Wagner.

Nun denn: Damals hätte mich ein solches Album keinen cm hinter dem Ofen hervorgelockt …

… und daran hat sich ,,, 50 Jahre später … nichts, aber auch gar nichts verändert auch wenn hier all die renommieren Opernstars und Orchester der damaligen Zeit mitgewirkt haben.

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Oder aber auch: Und wieder einmal habe ich die Sünden meines Lebens bereits im irdischen abgebüßt.

Aber die Hüllengestaltung viel recht prachtvoll aus … kein Wunder, wollte man doch für weitere Produkte aus dem Deutsche Grammophon werben.

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Titel:
01. Münchener Bach-Orchester, Karl Richter: Ouvertüre (aus „Orpheus und Eurydike“ (Gluck) 2.48
02. Ezio Flagello, Dietrich Fischer-Dieskau, Martti Talvela, Orchester des Nationaltheaters Prag, Karl Böhm: Finale „Ah! Signor! Per Carita“ (aus „Don Giovanni) (Mozart) 7.37
03. Kurt Böhme, Symphonie-Orchester Des Bayerischen Rundfunks, Eugen Jochum: Wolfschluchtsszene (aus „Der Freischütz) (Weber) 7.58
04. Gwyneth Jones, Edith Mathis, James King, Peter Schreier, Franz Crass, Martti Talvela, Staatskapelle Dresden, Karl Böhm: Finale (aus „Fidelio“) (Beethoven) 7.10
05. Wolfgang Windgassen, Chor und Orchester Der Deutschen Oper Berlin, Otto Gerdes: Pilgerchor, 1. Akt (aus „Tannhäuser“) (Wagner) 8.37
06. Zoltan Kelemen, Gerhard Stolze, Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan: Schmiedeszene (aus „Das Rheinold“) (Wagner) 6.07
07. Régine Crespin, Thomas Stewart, Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan: Vorspiel 2. Akt und 1. Szene (aus „Die Walküre“) (Wagner) 4.52
08. Birgit Nilsson, Orchester der Bayreuther Festspiele, Karl Böhm: Isoldes Liebestod (aus „Tristan und Isolde“) (Wagner) 6.06

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Hans-Günther Bunz – Ca cést Paris (1962)

FrontCover1Der war mir bisher noch gar nicht bekannt:

Hans-Günther Bunz (* 8. Februar 1925; † 25. September 2022) war ein deutscher Pianist und Komponist.

Hans-Günther Bunz war der Sohn eines Lehrers und einer Konzertsängerin. Er stammte aus Heilbronn und besuchte dort das Gymnasium; er war ein Klassenkamerad von Dankwart Koehler. Nach der Reifeprüfung begann er ein Medizinstudium an der ärztlichen Akademie der Luftwaffe, wurde aber zum Kriegsdienst herangezogen und geriet schließlich in amerikanische Gefangenschaft, aus der er 1946 zurückkehrte. Seine Eltern sowie sein elterliches Haus waren den Fliegerangriffen auf Heilbronn zum Opfer gefallen.

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Bunz, der damals schon mit seiner späteren Frau Gabriele verlobt war, änderte seine beruflichen Pläne. Er studierte Musik und arbeitete unter anderem für den Süddeutschen Rundfunk und als Dozent an der Musikhochschule Stuttgart. Bekannt wurde er unter anderem durch die Radiosendung Von Melodie zu Melodie, die von 1952 bis 1992 wöchentlich ausgestrahlt wurde. Bunz leitete das Hans-Günther-Bunz-Quartett und trat mitunter auch unter Pseudonymen auf. Er hat etwa 900 Kompositionen geschaffen.

Anlässlich des 75. Jahrestages der Luftangriffe auf Heilbronn schuf er die sinfonische Dichtung Heilbronner Inferno, die am 4. Dezember 2019 uraufgeführt wurde. (wikipedia)

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Nun gut, hier hören wir diese klassische Piano Tingel-Tangel, wie man es früher auch in Bas oder auch in Hotel-Lobbies zu hören bekam.

Kunstfertig fügt Hans-Günther Blum französische Schlagermelodien zu einem Potpourri zusammen

Und nachdem ich ein Herz für diese Art von Piano . Geklimper habe, gefällt mir das Album auch.

Ich widme diesen Beitrag allen unbekannten Bar-Pianisten auf der ganzen Welt !

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Besetzung:
Hans-Günther Bunz (piano)
+
seine Rhythmus-Gruppe

Hüllentext

Titel:

01. Ca cést Paris  (Teil 1) 13.07
01.01. Mademoiselle aus Paris (Durand)
01.02. C’est Si Bon (Betti)
01.03. Moulin Rouge (Auric)
01.04. La Mer (Trenet)
01.05. Parlez-moi D’amour (Lenoir)
01.06. Bel Ami (Mackeben)
01.07. La Vie En Rose (Louiguy)
01.08. Mélodie D’amour (Salvador)
01.09. Pigalle (Ulmer)
01.10. I Love Paris (Porter)
01.11.  La Complainte de la Butte (van Parys)
01.12. C’est Magnifique (Porter)
01.13. Hymne à L’amour (Monnot)

02. Ca cést Paris  (Teil 2) 14.33
02.01. Komm zurück („J’attendrai“) (Olivieri)
02.02. Charmaine (Rapee)
02.03. Cancan (aus „Orpheus in der Unterwelt“) (Offenbach)
02.04.  La Premier Rendez-vous (Sylviano)
02.05. Das ist Paris (Ferré)
02.06. Sous Le Ciel de Paris (Giraud)
02.07. Im Café de la Paix (Schulz-Reichel)
02.08. La Seine (Lafarge)
02.09. Dreh dich nicht um nach fremden Schatten („Touchez Pas Au Grisby“) (Wiener)
02.10. Der Reigen (Straus)
02.11. Marche Lorraine (Ganne)
02.12. Ein Amerikaner in Paris (Gershwin)
02.13. Avant de Mourir (Boulanger)
02.14. Je Suis Seul Ce Soir (Durand)
02.15. Ça C’est Paris (Padilla)

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Eberhard Weber – Once Upon A Time (Live in Avignon) (2021)

FrontCover1Und wieder einmal will ich diesen Ausnahmemusiker würdigen:

Eberhard Weber (* 22. Januar 1940 in Stuttgart-Hedelfingen) ist ein deutscher Jazz-Bassist und -komponist.

Er gilt als eine herausragende Persönlichkeit der deutschen Jazzszene und genießt internationale Anerkennung.

Weber zählt neben Jaco Pastorius zu den wenigen Bassisten, die das Bassspiel im Jazz stark erweitert haben.

Sein einzigartiger Stil ist durch die Tongebung und Phrasierung sofort erkennbar und wird als lyrisch, schwebend und warm beschrieben. (wikipedia)

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Mehr zu ihm findet man dann hier:

Hier sein bisher letztes Soloalbum:

„Once Upon A Time: Live In Avignon“, aufgenommen im Théâtre des Halles in Avignon im August 1994, präsentiert Eberhard Webers einzigartige Herangehensweise an ein Solokonzert. Das Album zeigt den Bassisten, der Kompositionen aus seinen Alben „Orchestra“ und „Pendulum“ mit einer lebendigen Interpretation von „My Favorite Things“ und seinem eigenen „Trio für Fagott und Bass“ verbindet und dabei neue Aspekte seiner unverwechselbaren musikalischen Diktion offenbart.

Als die Financial Times im Jahr der Aufnahme des Konzerts einen Live-Auftritt des Bassisten besprach, hob die Zeitung Webers besondere Kunstfertigkeit hervor und betonte, dass „es schwer vorstellbar ist, dass ein Anderer spielen könnte, was Weber spielt“. „Once Upon A Time – Live in Avignon“ hält die Essenz von Eberhard Webers Soloauftritten fest. (Pressetext)

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Manchmal ereilen einen völlig unerwartet musikalische Erweckungserlebnisse an völlig unspektakulären Orten. So erging es dem Schreiber dieser Zeilen, der bis zu einem Konzert mit Volker Kriegels Spectrum 1973 im Schlossbräusaal in Dornbirn den Bass für ein nicht sonderlich spannendes Instrument gehalten hatte. Aber dort stand Eberhard Weber auf der Bühne mit seinem fünfsaitigen, irgendwie eigenartig fragmentiert wirkenden E-Kontrabass-Hybrid, den ihm ein Geigenbauer nach seinen Wünschen extra angefertigt hatte. Er erschien wie ein Wesen von einem anderen Stern – und er klang auch so. Experimentierfreudig, farbenreich, melodisch, ungezwungen zwischen Rock, Jazz und freien Improvisationen hin- und herpendelnd.

Ein Eindruck, der sich dann ein Jahr später verdichtete, als Weber als Mitglied des Bill Connor Trios bei den Bregenzer Randspielen open-air auf dem Gebhardsberg auftrat und noch viel mehr 1975, als er am selben Ort seine erste eigene Band „Colours“ präsentierte. Von dort an war der Name Weber auf der Besetzungsliste Grund genug, ein Jazzkonzert zu besuchen – sei es eines seiner eigenen Projekte oder ein Dutzendmal in diversen Bands des Saxophonisten Jan Garbarek, mit dem er 25 Jahre lang unterwegs war. Technisch wurde Weber immer versierter, aber er realisierte selbst musikalisch komplexe Ideen stets voller emotionaler Wärme, melodischer Schönheit und mit einer für dieses Instrument unglaublich breiten Soundpalette.

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Er kannte natürlich die amerikanischen Jazz-Großmeister auf dem Bass, verstand sich aber stets als von der europäischen Klassik beeinflusster Musiker. Die Veröffentlichung des Albums „Once Upon A Time – Live in Avignon“, ein 1994 beim Festival de Contrabasse im Théâtre des Halles aufgenommenes Solokonzert des gebürtigen Stuttgarters, ist nun ein absoluter Glücksfall, dokumentiert es doch den seit einem Schlaganfall 2007 halbseitig gelähmten Ausnahmebassisten auf dem absoluten Höhepunkt seiner Kunst. Zu hören sind „Air“ und „Ready Out There“ vom 1988-er Album „Orchestra“, „Delirium“, „Silent For A While“, „My Favorite Things” und das Titelstück des Solo-Albums „Pendulum“ (1993), sowie das knapp 13 Minuten lange „Trio For Bassoon And Bass“. Mittels Delay-Effekten, die er bei Bill Frisell entdeckte, Overdubbing und Loops gelang es Weber, auf klangmalerische Weise eindrucksvolle Stimmungen zu erschaffen und mit sich selber in Dialog zu treten. Das war stilbildend, und bestenfalls ergaben sich daraus unglaublich intensive, gleichsam magische Momente. Mit dem ihm eigenen Witz erzählte Eberhard Weber in einem „Zeit“-Interview, dass er diesem Album eigentlich den Titel „Last Stroke“ verpassen wollte, zweideutig zu übersetzen mit „Letzer Streich“ und „Letzter Schlaganfall“. „Das war’s” übertitelte das Magazin, den Bassisten zitierend, den Artikel. Ja, das mag es angesichts seines Gesundheitszustandes wohl tatsächlich gewesen sein, aber es war unglaublich viel! (.kulturzeitschrift.at)

Live-Mitschnitt aus dem  Théâtre Des Halles, Avignon/Frankreich, August 1994

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Besetzung:
Eberhard Weber (bass)

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Titel:
01. Pendulum 6.13
02. Trio For Bassoon And Bass 12.24
03. Ready Out There 5.10
04. Silent For A While 6.05
05. Delirium 7.10
06. My Favorite Things 5.12
07. Air 3.16

Musik: Eberhard Weber
außer bei 06.: Richard Rogers

CD1

  • (demnächst)
    **

Mehr von Eberhard Weber:
Mehr

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Wallenstein – Blitzkrieg (1972)

LPFrontCover1Für mich eine der wirklich wichtigen Bands des frühen deutschen Prog-Rock:

Wallenstein, gegründet in Viersen am Niederrhein, später daheim in Mönchengladbach, war eine deutsche Rockband von 1971 bis 1982, die man auch dem Krautrock zurechnet.

Wallenstein wurde im Sommer 1971 unter dem Namen Blitzkrieg von dem Viersener Kunststudenten und später als Gastronomiekritiker bekannten Jürgen Dollase gegründet, der bereits in klassischer Musik an Klavier und Kontrabass geschult war und in Skiffle- sowie Jazz-Formationen gespielt hatte. An der Gründung waren außerdem der Kaufmann und Bandmanager Peter Gielen (†; Octopus Productions) aus Mönchengladbach-Hehnerholt und Dollases ehemaliger Roadmanager Corrado Faccioni beteiligt. Dollase und Faccioni suchten die ursprüngliche Besetzung bei anderen Bands zusammen.

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Der erste Sologitarrist der Gruppe war der Erkelenzer Wolfgang „Ginger“ Steinicke, heute ein bekannter Astronom, doch wurde das vorherige Mitglied von Smiddys Blues Band (weil sein Physik- bzw. Astrophysik- und Mathematik-Studium absolute Priorität für ihn hatte) nach nur wenigen Live-Auftritten durch den US-Amerikaner Bill Barone aus Philadelphia ersetzt. Kurz nach Steinicke konnte Dollase den gebürtigen Hildesheimer Harald Grosskopf als Schlagzeuger für sich gewinnen, unmittelbar nach Barone wurde auch noch der Niederländer Jerry Berkers (†; etwa 1988) aus Brunssum als Bassist und Sänger akquiriert.

Da der Name Blitzkrieg schon von einer englischen Band benutzt wurde, außerdem den deutschen Plattenfirmen als politisch nicht korrekt missfiel, benannte sich die Gruppe Anfang 1972 nach dem Feldherrn Wallenstein aus dem Dreißigjährigen Krieg. Zur gleichen Zeit erschien das Debütalbum der Artrocker, das bereits zwischen September und Dezember 1971 im Tonstudio von Dieter Dierks in Stommeln bei Köln aufgenommen worden war, und trug den ersten Bandnamen nur mehr als LP-Titel. Noch im gleichen Jahr veröffentlichte das deutsche Plattenlabel Pilz mit Mother Universe (das von Harald Grosskopf aufgenommene Coverfoto zeigt Dollases Oma) ein Nachfolgealbum.

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Nach einigen Wechseln des musikalischen Stils tauschte Dollase 1978 alle Bandmitglieder aus. 1979 erreichte die Gruppe mit dem Singleerfolg Charline Platz 17 in den deutschen Pop-Charts, nachdem sie einen Auftritt in der ZDF-Sendung Disco hatten. Aber auch die Single-Auskopplung Don’t Let It Be (vom Album Blue Eyed Boys) wurde etwas später relativ erfolgreich und verkaufte sich in größeren Stückzahlen. Von März bis Juni 1981 ging Wallenstein das letzte Mal auf Tournee; 1982 löste sich die Gruppe auf.

Einige Mitglieder (Brough, Schmidt, Terstappen) spielten später wieder bei den Twelve Drummers Drumming zusammen, eine Band die in Mönchengladbach (1983 mit Schmidt) gegründet worden war und ihren ursprünglichen Gründungsnamen Volkswagen ebenfalls unmittelbar aufgeben musste. (wikipedia)

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“Blitzkrieg“, war der ursprüngliche Name der Classic-Rockband „Wallenstein“. Diese beiden recht kriegerischen Namen hatten schon Anfang der Siebziger mit voller Absicht die Gemüter provoziert. Mit „Blitzkrieg“ bezeichnete Adolf Hitler seine barbarischen Raubzüge auf unsere Nachbarländer Polen, die Niederlande, Belgien und vor allem Frankreich. Selbstredend waren wir Musiker keine Anhänger dieses völkermordenden Nazi-Chauvinismus. Im Gegenteil. Einige von uns, mich eingeschlossen, waren Kriegsdienstverweigerer und damit ausgewiesene Gegner weltweiten Militarismus (speziell unseres deutschen, schon wegen der Verstrickungen unserer eigenen Eltern). Mein Vater war als 22-jähriger Soldat dabei, als die Deutsche Wehrmacht am 1. September 1939 völkerrechtswidrig über Polen herfiel.

Umso mehr gefiel uns die Idee, diesen international bekannten Begriff „Blitzkrieg“ umzukehren. Wir fielen quasi mit lautstarker, provokanter Musik und englischen Texten „blitzkriegartig“ über unsere ungeliebte, unbelehrbare, geschichtsverdrehende Elterngeneration her. Schon die Verwendung einer „undeutschen“ Sprache empfanden unsere Alten als unerträglich. Dass wir dabei auch noch einen Begriff beanspruchten, auf den die meisten dieser Generation stolz waren, setzte der Provokation noch eine Krone auf.

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Dann erfuhren wir, dass ausgerechnet eine englische Rockband diesen martialischen Namen für sich beanspruchte und sogar nachweislich eher verwendete als wir. Um Rechtsstreitigkeiten unserer Plattenfirmen aus dem Weg zu gehen, benannten wir uns kurzerhand in „Wallenstein“ um.

Auch dieser Name des berühmtesten Heerführers des 30-jährigen Krieges im 17. Jahrhundert gab Anfang der Siebziger unseren Zuhörern Anlass zum Nachdenken. Unser Interesse galt in erster Linie seinem widersprüchlichen Charakter und seiner vehementen Auflehnung gegen allerhöchste Obrigkeit, die er am Ende mit seinem Leben bezahlte. Auch wir lehnten uns mit aller – meist friedlichen – Kraft gegen diese Nazi-Elterngeneration auf. So hatte Wallensteins Charakter ein wenig von unseren damaligen Helden wie Rudi Dutschke oder Benno Ohnesorg. (Harald Grosskopf)

Und hier ihr Debüt-Album:

Klassik-Rock meets Kraut-Rock könnte man das Debut der Gruppe Wallenstein überschreiben. Den klassischen Anteil liefert Keyboarder Jürgen Dollase (auch Komponist aller Stücke), der hierzu vor allem Klavier und Cembalo (mit E-Piano imitiert?), letzteres vor allem in „Lunetic“ (die Orthographie habe ich unverändert übernommen), einsetzt. Auch das beliebte Mellotron wird verwendet, nicht bombastisch, nur sanft im Hintergrund. Dollase wildert nicht im Schaffen klassischer Komponisten, zumindest ist mir nichts entsprechendes aufgefallen, es ist die Art der Melodieführung, die den Stücken die klassische Ausstrahlung verleiht. Gitarrist Bill Barone spielt, obwohl Amerikaner, in typisch „krautiger“ Manier, was insgesamt eine äußerst faszinierende Mischung ergibt. Der Gesang ist nicht weiter bemerkenswert, die Instrumentalpassagen überwiegen sowieso bei weitem.

Insgesamt ein Meilenstein des frühen deutschen Progressive Rock. (Jochen Rindfrey)

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Blitzkrieg nannte Jürgen Dollase seine im Herbst 1971 gegründete Gruppe, der neben Harald Grosskopf der Amerikaner Bill Barone und der Holländer Jerry Berkers angehörte. Noch im selben Jahr spielte das Quartett seine erste LP ein. Da es aber schon eine britische Gruppe gleichen Namens gab, erschien „Blitzkrieg“ unter dem Bandnamen Wallenstein.

„Klassik meets Krautrock“ ist in der Tat ein recht passender Untertitel für dieses Album. Zur klassisch-inspirierten, romantisch-impressionistischen Tatstenarbeit Dollases rockt der Rest der Gruppe krautig ab. Das rotzige E-Gitarrenspiel von Bill Barone ergibt zusammen mit dem feinfühligen Tastenklängen von Dollase an Piano und Cembalo-E-Piano, gelegentlich bereichert um dezente Tonflächen eines flötenden Mellotrons, um eine dahineilende E-Orgel oder spacig-psychedelische Klangeffekte (in „Lunetic“), einen ganz eigene, ausgesprochen interessante Musik. Fast pastorale, ruhig-entspannte Abschnitte, bestimmt von Mellotron und Piano, runden das Klangbild ab.

Ein paar Längen gibt es ab und zu (insbesondere in „Manhatten Project“) und mitunter droht das musikalische Konzept ein wenig aus den Fugen zu geraten. Auch der Gesang, insbesondere zu beginn von „Audiences“, ist ziemlich schwach und wackelig, fällt aber aufgrund seiner Kürze kaum negativ ins Gewicht.

Alles in allem: Daumen hoch! Ein interessantes Debut! (Achim Breiling)

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Besetzung:
Bill Barone (guitar, vocals)
Jerry Berkers (bass, vocals)
Jürgen Dollase (keyboards, mellotron, vocals)
Harald Grosskopf (drums, percussion)

LPBooklet

Titel:
01. Lunetic 11.58
02. The Theme 9.47
03. Manhatten Project 13.55
04. Audiences 7.43

Musik und Texte: Jürgen Dollase

Labels

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Dieser Aufkleber lag der LP bei:
Sticker

Pilz war ein deutsches Plattenlabel der Ohr & Pilz Musik Produktion, Berlin und in den Jahren 1971 und 1972 aktiv. Auf Pilz erschienen 20 Langspielplatten und 7 Singles.

Die Ursprünge von Pilz gehen auf die BASF Musikproduktion zurück. Ein von Jürgen Schmeisser für den wachsenden Deutschrockmarkt konzipiertes Label der BASF Musikproduktion namens mouse, welches bereits Alben mit Gruppen wie Dies Irae, Ardo Dombec, McChurch Soundroom oder Virus fertig produziert hatte, wurde zugunsten des zeitgleich von Rolf-Ulrich Kaiser und Peter Meisel gegründeten Labels Pilz wieder eingestellt. Auf Pilz, für das BASF nun den Vertrieb übernahm, wurde kurzerhand das fertige Startpaket von mouse veröffentlicht.

Im Gegensatz zum psychedelisch-, elektronisch-orientierten Label Ohr, welches Kaiser ebenfalls führte, konzentrierte sich Pilz mehr auf folk-orientierte, ruhigere Rockbands. Mit Veröffentlichung von Popol Vuhs Hosianna Mantra endete bereits 1972 die Geschichte des Labels.

Bekannte Künstler, die auf Pilz veröffentlichten, waren u. a. Wallenstein und Jerry Berkers (Solo-Album), sowie Popol Vuh, Witthüser & Westrupp oder Hölderlin. In den 1980er Jahren erlebten die Ausgaben von Pilz ein Comeback als Reissues auf dem Label Pop Import Mikulski. (wikipedia)

Die Wallenstein Website von Harald Grosskopf :
Website

Und so ging´s mit den Musikern ann weiter:

Jürgen Dollase wandte sich seinen anderen künstlerischen Wurzeln zu, nachdem Wallenstein aufgelöst wurde und er das Musikmachen komplett stoppte. Jürgen, der lange Zeit ein Fastfoodfreak war, wurde beinahe über Nacht ein Gourmet. Seine Kochkunst ist mehr als fantastisch. Heute schreibt er Gastronomiekritiken unter anderem in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)” und im “Feinschmecker” und gehört seit einigen Jahren zu Deutschlands führenden Gourmetkritikern. 2004 war er in Sachen “Haute Cuisine” zu Gast in der ZDF-Sendung “sonntags”.

Joachim Reiser lebt heute in der Nähe von Mönchengladbach und arbeitet als Dozent für Violine an der Mönchengladbacher Musikschule. Mitte der 80er Jahre gründete Joachim ein Rockstreichorchester, für das er auch die meisten Stücke schrieb. Einige der Stücke erschienen als Publikationen bei den Musikverlagen Schott und Tonger. Nebenbei hat er zahlreiche CD’s produziert, die aber kommerziell nicht erhältlich sind.

Jerry Berkers verließ Wallenstein bereits im Herbst 1972 und trat anschließend nur noch solo auf. Während der Produktion seines ersten (und einzigen) Soloalbums wurde Jerry geisteskrank und musste von seinen Eltern in eine psychiatrische Anstalt gebracht werden. Offenbar hatte LSD Konsum seine schrecklichen Vietnamerlebnisse wieder wahr werden lassen, während er an den Songtexten für sein Album arbeite. Jerry wurde vor sechs oder sieben Jahren tot in einem Park in Holland aufgefunden. Er starb an einer Überdosis Kokain.

Dieter Meier starb 1986 unter tragischen Umständen an den Folgen schweren Alkoholmißbrauchs in einem Krankenhaus in Mönchengladbach.

Bill Barone

Bill Barone kehrte nach der Trennung von WALLENSTEIN wieder in die USA zurück. Heute lebt er in Philadelphia und arbeitet für Caterpillar Baumaschinen. In den USA spielte er noch einige Jahre in verschiedenen regionalen Bands und hatte auch einige größere Auftritte (u. a. mit Chuck Berry 1977). Aus dieser Zeit sind jedoch keine Tonträger bekannt bzw. veröffentlicht worden. Nach einer langen Pause von 20 Jahren kamen Bill und Harald Dank Harald’s Webseite wieder in Kontakt. 2003 und 2004 war Bill in Deutschland zu Besuch und traf sich mit ehemaligen Bandkollegen.

Jürgen Pluta

Jürgen Pluta produziert seit vielen Jahren mit DJ Hooligan für das Projekt Da Hool. Ende 2008 veröffentlichten sie ihr Album „Light My Fire“. 4 ausgekoppelte Singles landeten alle in den Top 20 der deutschen Dancecharts (DDC), die Single „Light My Fire“ sogar auf Platz 1. Mit Da Hool bereiste er u.a. Spanien, England, Ukraine, Russland, Niederlande, Tschechische Republik, Estland etc.

Wolfgang Steinicke

Wolfgang Steinicke, der noch zur ursprünglichen Besetzung von WALLENSTEIN gehörte, und später von Bill Barone ersetzt wurde, verließ die Band noch vor dem ersten Album Ende 1971, um in Freiburg Mathematik und Physik zu studieren. Heute leitet er ein Büro für Umweltuntersuchungen in Freiburg (www.klima-luft.de), schreibt und veröffentlicht Bücher über Astrophysik und hält zu diesem Thema zahlreiche Vorträge weltweit. Nebenbei ist er als Schriftführer im Vorstand der Vereinigung der Sternfreunde e. V. (VdS) tätig. (Infos von der Harald Grosskopf Website)

Und der Harald Grosskopf ist u.a. mit Klangkunst- und Techno-/Dance-Projekten bis heute aktiv.

Capella Antiqua München (Konrad Ruhland) – Die Bayerische Hofkapelle im 16. Jahrhundert (ca. 1964)

FrontCover1Ohne ihn wäre dieses großartige Ensemble gar nicht denkbar gewesen:

Konrad Xaver Ruhland (* 19. Februar 1932 in Landau an der Isar; † 14. März 2010 in Deggendorf) war ein deutscher Musikhistoriker, Musikpädagoge, Dirigent und Musikherausgeber.

Seine ersten Kontakte mit der Musik hatte Ruhland als Domsingknabe am Dom St. Stephan zu Passau. Er studierte in München Musikwissenschaft bei Thrasybulos Georgiades und Theodor Göllner. Weitere Kurse in Geschichte, Theologie und Kirchengeschichte bildeten den Hintergrund für seine musikwissenschaftlichen Forschungen.

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Nach dem Besuch eines Konzertes des Brüsseler Ensembles „Pro Musica Antiqua“ unter Safford Cape, fanden sich 1956 unter Ruhlands Leitung in München neun begeisterte Studenten, welche die „Capella Antiqua München“ bildeten, eine der ersten Gruppen, die sich mit der Renaissancemusik und der Musik des Frühbarock im Studium auseinandersetzten. Mit der Zeit wuchs das Ensemble auf 19 Musiker an und machte zahlreiche Schallplattenaufnahmen.

Zwischen 1968 und 1991 wirkte Ruhland am musischen und neusprachlichen St.-Gotthard-Gymnasium seines Wohnortes Niederalteich. Dort gestaltete er zusammen mit seiner Frau Elisabeth (Musiklehrerin von 1968 bis 1995) die Qualität der musikalischen Ausbildung und damit zusammenhängend den Ruf der Schule entscheidend mit.

Aus seiner langjährigen Musizierpraxis im Bereich der Historischen Aufführungspraxis heraus gründete er 1976 die Niederaltaicher Scholaren, einen Konzertchor, mit dem er sich dem Gregorianischen Gesang und bis dahin wenig bekannten Werken und Komponisten widmete.

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Als Wissenschaftler sowie als Herausgeber hat sich Ruhland einen Namen gemacht und mehrere hundert Werke von vorwiegend süddeutschen Komponisten herausgegeben. Daneben gab er in Sommerkursen sein Wissen weiter, so an der University of Pennsylvania in Philadelphia.

Für sein Wirken wurde Ruhland 2004 mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse ausgezeichnet. (wikipedia)

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Hier einer der ganz frühen Einspielungen …

Und schon hier zeigt sich die Akribie und auch Professionalität, mit der Konrad ruhland vorging. Und da gefallen dann selbst mir all die prächtigen Chorgesänge … erstaunlich !

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Besetzung:
Capella Antiqua München unter der Leitung von Konrad Ruhland

Das Cover der ursprünglichen Veröffentlichung (noch recht schmucklos):
OriginalFrontCover

Titel:

Orlando di Lasso:
01. Domine, labia mea aperies (um 1585) 1.53
02. Ave verum corpus (1582) 3.05
03. Exaudi Deus orationem meam (1585) 1.37
04. Iustorum animae (1582) 2.04
05. Tui sunt coeli (1604) 2.37
06. Gloria Patri (1565) 1.17
07. De profundis (1584 gedruckt) 7.22

Ludwig Senfl:
08. Lament: Carmen 1.11

Ludwig Daser:
09. Frates, sobrii estote 2.52

Ludwig Senfl:
10. Asperges me 1.54
11. Missa ferialis 8.39
12. Carmen in re 1.03
13. Magnificat V. toni 5.54

Heinrich Isaac:
14. Introit: Rorate coeli 4.48
15. Communion: Ecce virgo concipiet 0.54
16. Hymn: Christe, qui lux est et dies 2.54

LabelA1

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Hüllentext

LassoSenfl

Mehr von Capella Antiqua München:
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Franz Josef Degenhardt – Lullaby zwischen den Kriegen (1983)

FrontCover1Für die linke Liedermacher-Szene der BRD war er eine Gallionsfigur:

Franz Josef Degenhardt (* 3. Dezember 1931 in Schwelm; † 14. November 2011 in Quickborn) war ein deutscher Liedermacher, Schriftsteller sowie promovierter Jurist und Rechtsanwalt.

Franz Josef Degenhardt, geboren am südöstlichen Rand des Ruhrgebiets, wuchs in einer katholischen Familie auf. Als Gymnasiast wurde er nach 1945 durch den Reformpädagogen Fritz Helling unterrichtet, der bis 1952 als Direktor des Jungengymnasiums lehrte. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Köln und Freiburg 1952–1956 und Ablegen des ersten juristischen Staatsexamens 1956 sowie des zweiten juristischen Staatsexamens 1960 arbeitete er ab 1961 für das Institut für Europäisches Recht der Universität des Saarlandes. Er promovierte 1966 mit einer Studie über Die Auslegung und Berichtigung von Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. 1968 verteidigte Degenhardt als Rechtsanwalt in mehreren Prozessen Sozialdemokraten oder Kommunisten, die wegen Aktionen der APO angeklagt waren. 1972/73 verteidigte er Mitglieder der Baader-Meinhof-Gruppe.

1961 trat Degenhardt der SPD bei, wurde jedoch 1971 ausgeschlossen, weil er in Schleswig-Holstein zur Wahl der DKP aufgerufen hatte. 1978 trat er in die DKP ein. Als Liedermacher war er eine Stimme der 68er-Bewegung, engagierte sich für die Ostermarschbewegung, die Proteste gegen den Vietnamkrieg, die Notstandsgesetze und den Radikalenerlass.

Seine ersten Auftritte hatte er auf den Burg-Waldeck-Festivals. 1963 erschien sein erstes Album Zwischen null Uhr null und Mitternacht – Baenkel-Songs, 1965 Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, dessen Titellied ihn berühmt machte.

1967 produzierte er im Quartett mit Hanns Dieter Hüsch, Wolfgang Neuss und Dieter Süverkrüp das gemeinsame Liederbuch Da habt ihr es! Das Album Franz Josef Degenhardt Live von 1968 nahm drei aktuelle politische Themen auf: Für Mikis Theodorakis verurteilt die griechische Militärdiktatur, Zu Prag bezieht sich auf den Prager Frühling, Der Gott der Pille nimmt Stellung für die Empfängnisverhütung. Auf dem Album Wildledermantelmann (1977) kritisierte er die sozial-liberale Einstellung vieler seiner ehemaligen Kampfgenossen. Er schrieb auch eine deutsche Fassung des Songs Here’s to You über Sacco und Vanzetti.

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Degenhardt trat bei den UZ-Pressefesten der DKP sowie bei zahlreichen Konzerten der westdeutschen Friedensbewegung auf. In mehreren Liedern setzte er sich mit dem Zweiten Weltkrieg, dem Vietnamkrieg und der Gefahr eines Atomkriegs auseinander. Die Liedermacher Konstantin Wecker und Prinz Chaos II. schrieben in ihrem Nachruf auf Degenhardt: „Degenhardts Lieder in den öffentlichen Rundfunkanstalten zu spielen, war ab Ende der 70er verboten.“

Er verfasste mehrere Romane mit zum Teil autobiografischen Zügen, in denen meist Rechtsanwälte oder Liedermacher die Protagonisten sind, unter anderem Brandstellen, Für ewig und drei Tage und Der Liedermacher. Sein Roman-Erstling Zündschnüre (1973) erzählt den Alltag und die Abenteuer einiger Arbeiterkinder am Ende des Zweiten Weltkriegs in der Stadt Schwelm. Er war ein großer Erfolg und wurde 1974 von Reinhard Hauff fürs Fernsehen verfilmt.[3] Sein zweiter Roman Brandstellen erzählt vom Widerstand einer Bürgerinitiative gegen einen Truppenübungsplatz der NATO. Als literarischer Anstoß diente der vergebliche Kampf der Gemeinde Klausheide gegen den NATO-Bombenabwurfplatz Nordhorn Range in den Jahren 1971 bis 1973. Der Roman wurde 1977 von der DEFA (DDR) verfilmt (Drehbuch Gerhard Bengsch, Regie Horst E. Brandt). Im Kulturmaschinen-Verlag erscheint seit 2011 eine auf zehn Bände angelegte Werkausgabe seiner belletristischen Arbeiten.

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Während die allgemeine Rezeption Degenhardts als politischer Autor die künstlerische Würdigung oft an den Rand rückt, ergänzen J. Gundelach und A. Schalk in ihrem Beitrag hier die Perspektive. Sie weisen auf die Verwurzelung Degenhardts in der Tradition der Romantik hin, speziell in der schwarzen Romantik, besonders in der Leidenschaft für die schaurige Moritat (z. B. im Lied Der Talisman vom Album Wenn der Senator erzählt). Die makabere Situation im Nachkriegsdeutschland zwischen Restauration und Auseinandersetzung mit der Vergangenheit bot diesbezüglich viele Ansatzpunkte, die, wie die Autoren an den frühen Liedern zeigen, von Degenhardt auf originelle Weise aufgegriffen wurden. Sie gebrauchen das Bild einer dünnen und zweifelhaft tragfähigen Grasschicht über Massengräbern, um den Umgang Degenhardts mit dieser Herausforderung zu beschreiben. Auch wenn später die konkrete Agitation mehr und mehr bestimmend wurde, blieb dieser Aspekt untergründig in Degenhardts Werk lebendig und gewann im späteren Werk wieder mehr Platz im Vordergrund (z. B. Olle Klaas vom Album Aus dem Tiefland von 1994). Auch in den Romanen Degenhardts finden die Autoren ein hintergründiges, der Romantik angehöriges Befreiungs- und Versöhnungsmodell, welches bei Degenhardt letztlich die von ihm selbst verkündete Skepsis gegenüber Zwischentönen in der politischen Auseinandersetzung übersteht sowie sein Werk bereichert und weit über reine Agitprop-Literatur erhebt. Dies zeige sich bereits in Degenhardts ersten Romanen Zündschnüre und Brandstellen, in denen Degenhardt den dargestellten Personen z. T. facettenreich über ihre Rollen in einem politischen Lehrstück hinaus Gestalt gibt.

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Degenhardt war seit 1983 bis zum Ende der DDR korrespondierendes Mitglied der Akademie der Künste der DDR. Er trat seit den 1970er Jahren mehrmals beim Festival des politischen Liedes auf. Seine beiden Söhne Jan Degenhardt und Kai Degenhardt veröffentlichten als Liedermacher ebenfalls Soloalben. Degenhardt war ein Cousin des 2002 verstorbenen Paderborner Kardinals Johannes Joachim Degenhardt und Schwager der Illustratorin Gertrude Degenhardt, die für ihn mehrere Plattencover illustrierte. Franz Josef Degenhardt lebte in Quickborn im Kreis Pinneberg. Dort starb er im November 2011 im Kreise seiner Familie. (wikipedia)

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Hier sein 20. Album (wenn ich richtig gezählt habe):

Franz-Josef Degenhardt bewies 1983 abermals seine Genialität als Texter, Komponist, Musiker und Sänger. Sein Blick auf die Zeitläufe führt zu einer ganz eigenen Betrachtung, so wie z.B. in dem etwas skurrilen „Lullaby zwischen den Kriegen“, das als Einschlaflied getarnt „Dallas“, E.T., „Enterprise“, Max und Moritz, Krümelmonster und Mainzelmännchen mit einem Seitenhieb auf Ronald Reagen vermengt.
Da wäre noch „Tango du midi“, in dem das idyllische Bild des ruhigen Lebens in Midi durch eine deutsche Reisegruppe („Nazi-Witwen, die den Spuren ihrer Männer folgen“) zerstört wird, sodass Degenhardt einen Pastis nach dem anderen kippen muss.
Die „Aufschwungshymne“ mit Henning Venske als Gast-Sprecher ist eine bissige Parodie auf die damalige Kohl-Regierung, die ihren Sieg feiert (wozu der Vereinigte Männerchor schmettert), dabei aber das Land den Bach hinuntergehen lässt. Ebenso bissig zeichnet Degenhardt im „Geburtstag“ und im „Zeitzeugen Jahrgang 00“ zwei Lebensläufe voll Verbitterung nach.
Acht geniale Songs, ein geniales Album! Allerfeinstes Liedgut! (ein unbekannter Amazon-Kunde)

Inlets

1983 erschien diese LP, heute CD von Degenhardt. Keine dieser Aufnahmen klingt verstaubt, die Produktion enthält mit „Tango du Midi“ ein abolutes Highlight aus 40 Jahren, nämlich ein Lied eines linken deutschen Touristen in Frankreich, der am Grab von Resistance-Kämpfern aus deutschen Reisebussen Menschen aussteigen sieht, an die er nicht geglaubt hat … (Jürgen Köster)

Sehr wohltuend, das es auf diesem Album nicht nur „Gitarrengeklampe“ (man entschuldige diese etwas respektlose Ausdrucksweise) gibt,  sondern auch dezente aber feine musikalische Begleitung anderer Art gibt. Verantwortlich dafür war der Gitarrist Jan Reimer und ein Dicky Tarrach (ex-Rattles) war auch dabei ! Und der großatige Steve Baker bläst eine Blues Mundharmonika der Extraklasse („Zeit-Zeuge Jahrgang 00“) !

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Besetzung:
Steve Baker (harmonica)
Franz Josef Degenhardt (vocals, guitar)
Anselm Kluge (bass)
Jan Reimer (guitar)
Detlef Reshöft (synthesizer)
Dicky Tarrach (drums, percussion, keyboards)
+
Henning Venske (Sprecher bei 08. )

CD1

Titel:
01. Lullaby zwischen den Kriegen 8.05
02. Tango du Midi 5.59
03. Herbstlied 4.46
04. Nach 30 Jahren zurückgekehrt 6.57
05. Der Geburtstag 7.25
06. Zeit-Zeuge Jahrgang 00 5.16
07. Göttingen 4.28
08. Aufschwungs-Hymne 6.47

Musik und Texte: Franz Josef Degenhardt

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Lullaby zwischen den Kriegen:
Nimm meine Faust und wünsch dir was.
Ja, unsere Fenster sind schußsicheres Glas.
Und der galaktische General
mit den Tressen aus Milchzähnen,
den Fingern aus Stahl,
zieht sich Pantoffeln an, spielt mit E. T.
Wie lang eine Nacht langt, das weiß man nie.
Natürlich, das Mädchen ohne Beine und Hand
unter den Trümmern im Morgenland,
im Arm noch die Puppe, die Schleife im Haar,
hat nichts mehr gespürt, als es soweit war.
Ja, ich guck nochmal unter dein Bett,
ob Krümelmonster sich da nicht versteckt.
Das Fieber steigt,
das Fieber sinkt,
schlafen mußt du, mein Kind,
träumen mußt du allein, mein Kind.

Nein, das Rauschen ist nicht im Fernsehgerät,
das ist ein Flieger, der fliegt noch so spät.
Aber nein, der stürzt ganz gewiß nicht ab,
nämlich das ist der strategische Stab,
der macht einen Ausflug nach Engeland.
Nein, Stuttgart ist noch nicht abgebrannt.
Ja, Mr. Spock von der Enterprise,
der ist dabei, weil er alles weiß.
Der beamt uns vielleicht auf den grünen Planet,
wo deine Mutter am Info-Stand steht.
Die Unterschriftliste ist sicher schon voll,
dann treibt es Herr Reagan nicht mehr so toll.
Das Fieber steigt,
das Fieber sinkt,
schlafen mußt du, mein Kind,
träumen mußt du allein, mein Kind.

Horch, Kind, horch, wie der Sturmwind weht.
Nein, das Lied sing ich nicht,
weil das Lied nicht mehr geht.
Wir hören uns dafür, was der schwarze Mann
in der Silberhose so lustig singt, an:
Daß morgen ganz sicher der Morgen beginnt
und Bobby Ewing doch noch gewinnt.
Ja, Max und Moritz, die beiden sind tot,
die sind zermahlen zu braunem Schrot.
Ja, Donald Duck, der hat das gefressen.
Ja, auch den bösen Wolf, den kannst du vergessen,
Mickey Mouse hat uns davon befreit.
Die Mainzelmännchen, die wissen Bescheid.
Das Fieber steigt,
das Fieber sinkt,
schlafen mußt du, mein Kind,
träumen mußt du allein, mein Kind.

Ja, träumen mußt du allein, mein Kind,
weil träumen hilft nur allein, mein Kind.
Komm auf die Brücke aus Knüppeln und Bast und halte dich fest an dem stürzenden Ast.
Na, siehst du, das ging doch bis jetzt ganz gut. Dein Dröhnen im Kopf ist dein Leben im Blut. Hab auch keine Angst vor der engen Schlucht, da kommen wir durch auf unserer Flucht.
Die blauen Soldaten, die reiten nicht mehr,
die haben keine Kugeln mehr für ihr Gewehr. Ja, heute, das war der letzte Schuß,
und die roten Jäger sind schon über den Fluß.
Das Fieber steigt,
das Fieber sinkt,
schlafen mußt du, mein Kind,
träumen mußt du allein, mein Kind.

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Die offizielle Website:
Website

Franz Josef Degenhardt01