Für mich eine der wirklich wichtigen Bands des frühen deutschen Prog-Rock:
Wallenstein, gegründet in Viersen am Niederrhein, später daheim in Mönchengladbach, war eine deutsche Rockband von 1971 bis 1982, die man auch dem Krautrock zurechnet.
Wallenstein wurde im Sommer 1971 unter dem Namen Blitzkrieg von dem Viersener Kunststudenten und später als Gastronomiekritiker bekannten Jürgen Dollase gegründet, der bereits in klassischer Musik an Klavier und Kontrabass geschult war und in Skiffle- sowie Jazz-Formationen gespielt hatte. An der Gründung waren außerdem der Kaufmann und Bandmanager Peter Gielen (†; Octopus Productions) aus Mönchengladbach-Hehnerholt und Dollases ehemaliger Roadmanager Corrado Faccioni beteiligt. Dollase und Faccioni suchten die ursprüngliche Besetzung bei anderen Bands zusammen.
Der erste Sologitarrist der Gruppe war der Erkelenzer Wolfgang „Ginger“ Steinicke, heute ein bekannter Astronom, doch wurde das vorherige Mitglied von Smiddys Blues Band (weil sein Physik- bzw. Astrophysik- und Mathematik-Studium absolute Priorität für ihn hatte) nach nur wenigen Live-Auftritten durch den US-Amerikaner Bill Barone aus Philadelphia ersetzt. Kurz nach Steinicke konnte Dollase den gebürtigen Hildesheimer Harald Grosskopf als Schlagzeuger für sich gewinnen, unmittelbar nach Barone wurde auch noch der Niederländer Jerry Berkers (†; etwa 1988) aus Brunssum als Bassist und Sänger akquiriert.
Da der Name Blitzkrieg schon von einer englischen Band benutzt wurde, außerdem den deutschen Plattenfirmen als politisch nicht korrekt missfiel, benannte sich die Gruppe Anfang 1972 nach dem Feldherrn Wallenstein aus dem Dreißigjährigen Krieg. Zur gleichen Zeit erschien das Debütalbum der Artrocker, das bereits zwischen September und Dezember 1971 im Tonstudio von Dieter Dierks in Stommeln bei Köln aufgenommen worden war, und trug den ersten Bandnamen nur mehr als LP-Titel. Noch im gleichen Jahr veröffentlichte das deutsche Plattenlabel Pilz mit Mother Universe (das von Harald Grosskopf aufgenommene Coverfoto zeigt Dollases Oma) ein Nachfolgealbum.
Nach einigen Wechseln des musikalischen Stils tauschte Dollase 1978 alle Bandmitglieder aus. 1979 erreichte die Gruppe mit dem Singleerfolg Charline Platz 17 in den deutschen Pop-Charts, nachdem sie einen Auftritt in der ZDF-Sendung Disco hatten. Aber auch die Single-Auskopplung Don’t Let It Be (vom Album Blue Eyed Boys) wurde etwas später relativ erfolgreich und verkaufte sich in größeren Stückzahlen. Von März bis Juni 1981 ging Wallenstein das letzte Mal auf Tournee; 1982 löste sich die Gruppe auf.
Einige Mitglieder (Brough, Schmidt, Terstappen) spielten später wieder bei den Twelve Drummers Drumming zusammen, eine Band die in Mönchengladbach (1983 mit Schmidt) gegründet worden war und ihren ursprünglichen Gründungsnamen Volkswagen ebenfalls unmittelbar aufgeben musste. (wikipedia)
“Blitzkrieg“, war der ursprüngliche Name der Classic-Rockband „Wallenstein“. Diese beiden recht kriegerischen Namen hatten schon Anfang der Siebziger mit voller Absicht die Gemüter provoziert. Mit „Blitzkrieg“ bezeichnete Adolf Hitler seine barbarischen Raubzüge auf unsere Nachbarländer Polen, die Niederlande, Belgien und vor allem Frankreich. Selbstredend waren wir Musiker keine Anhänger dieses völkermordenden Nazi-Chauvinismus. Im Gegenteil. Einige von uns, mich eingeschlossen, waren Kriegsdienstverweigerer und damit ausgewiesene Gegner weltweiten Militarismus (speziell unseres deutschen, schon wegen der Verstrickungen unserer eigenen Eltern). Mein Vater war als 22-jähriger Soldat dabei, als die Deutsche Wehrmacht am 1. September 1939 völkerrechtswidrig über Polen herfiel.
Umso mehr gefiel uns die Idee, diesen international bekannten Begriff „Blitzkrieg“ umzukehren. Wir fielen quasi mit lautstarker, provokanter Musik und englischen Texten „blitzkriegartig“ über unsere ungeliebte, unbelehrbare, geschichtsverdrehende Elterngeneration her. Schon die Verwendung einer „undeutschen“ Sprache empfanden unsere Alten als unerträglich. Dass wir dabei auch noch einen Begriff beanspruchten, auf den die meisten dieser Generation stolz waren, setzte der Provokation noch eine Krone auf.
Dann erfuhren wir, dass ausgerechnet eine englische Rockband diesen martialischen Namen für sich beanspruchte und sogar nachweislich eher verwendete als wir. Um Rechtsstreitigkeiten unserer Plattenfirmen aus dem Weg zu gehen, benannten wir uns kurzerhand in „Wallenstein“ um.
Auch dieser Name des berühmtesten Heerführers des 30-jährigen Krieges im 17. Jahrhundert gab Anfang der Siebziger unseren Zuhörern Anlass zum Nachdenken. Unser Interesse galt in erster Linie seinem widersprüchlichen Charakter und seiner vehementen Auflehnung gegen allerhöchste Obrigkeit, die er am Ende mit seinem Leben bezahlte. Auch wir lehnten uns mit aller – meist friedlichen – Kraft gegen diese Nazi-Elterngeneration auf. So hatte Wallensteins Charakter ein wenig von unseren damaligen Helden wie Rudi Dutschke oder Benno Ohnesorg. (Harald Grosskopf)
Und hier ihr Debüt-Album:
Klassik-Rock meets Kraut-Rock könnte man das Debut der Gruppe Wallenstein überschreiben. Den klassischen Anteil liefert Keyboarder Jürgen Dollase (auch Komponist aller Stücke), der hierzu vor allem Klavier und Cembalo (mit E-Piano imitiert?), letzteres vor allem in „Lunetic“ (die Orthographie habe ich unverändert übernommen), einsetzt. Auch das beliebte Mellotron wird verwendet, nicht bombastisch, nur sanft im Hintergrund. Dollase wildert nicht im Schaffen klassischer Komponisten, zumindest ist mir nichts entsprechendes aufgefallen, es ist die Art der Melodieführung, die den Stücken die klassische Ausstrahlung verleiht. Gitarrist Bill Barone spielt, obwohl Amerikaner, in typisch „krautiger“ Manier, was insgesamt eine äußerst faszinierende Mischung ergibt. Der Gesang ist nicht weiter bemerkenswert, die Instrumentalpassagen überwiegen sowieso bei weitem.
Insgesamt ein Meilenstein des frühen deutschen Progressive Rock. (Jochen Rindfrey)
Blitzkrieg nannte Jürgen Dollase seine im Herbst 1971 gegründete Gruppe, der neben Harald Grosskopf der Amerikaner Bill Barone und der Holländer Jerry Berkers angehörte. Noch im selben Jahr spielte das Quartett seine erste LP ein. Da es aber schon eine britische Gruppe gleichen Namens gab, erschien „Blitzkrieg“ unter dem Bandnamen Wallenstein.
„Klassik meets Krautrock“ ist in der Tat ein recht passender Untertitel für dieses Album. Zur klassisch-inspirierten, romantisch-impressionistischen Tatstenarbeit Dollases rockt der Rest der Gruppe krautig ab. Das rotzige E-Gitarrenspiel von Bill Barone ergibt zusammen mit dem feinfühligen Tastenklängen von Dollase an Piano und Cembalo-E-Piano, gelegentlich bereichert um dezente Tonflächen eines flötenden Mellotrons, um eine dahineilende E-Orgel oder spacig-psychedelische Klangeffekte (in „Lunetic“), einen ganz eigene, ausgesprochen interessante Musik. Fast pastorale, ruhig-entspannte Abschnitte, bestimmt von Mellotron und Piano, runden das Klangbild ab.
Ein paar Längen gibt es ab und zu (insbesondere in „Manhatten Project“) und mitunter droht das musikalische Konzept ein wenig aus den Fugen zu geraten. Auch der Gesang, insbesondere zu beginn von „Audiences“, ist ziemlich schwach und wackelig, fällt aber aufgrund seiner Kürze kaum negativ ins Gewicht.
Alles in allem: Daumen hoch! Ein interessantes Debut! (Achim Breiling)
Besetzung:
Bill Barone (guitar, vocals)
Jerry Berkers (bass, vocals)
Jürgen Dollase (keyboards, mellotron, vocals)
Harald Grosskopf (drums, percussion)
Titel:
01. Lunetic 11.58
02. The Theme 9.47
03. Manhatten Project 13.55
04. Audiences 7.43
Musik und Texte: Jürgen Dollase
*
**
Dieser Aufkleber lag der LP bei:
Pilz war ein deutsches Plattenlabel der Ohr & Pilz Musik Produktion, Berlin und in den Jahren 1971 und 1972 aktiv. Auf Pilz erschienen 20 Langspielplatten und 7 Singles.
Die Ursprünge von Pilz gehen auf die BASF Musikproduktion zurück. Ein von Jürgen Schmeisser für den wachsenden Deutschrockmarkt konzipiertes Label der BASF Musikproduktion namens mouse, welches bereits Alben mit Gruppen wie Dies Irae, Ardo Dombec, McChurch Soundroom oder Virus fertig produziert hatte, wurde zugunsten des zeitgleich von Rolf-Ulrich Kaiser und Peter Meisel gegründeten Labels Pilz wieder eingestellt. Auf Pilz, für das BASF nun den Vertrieb übernahm, wurde kurzerhand das fertige Startpaket von mouse veröffentlicht.
Im Gegensatz zum psychedelisch-, elektronisch-orientierten Label Ohr, welches Kaiser ebenfalls führte, konzentrierte sich Pilz mehr auf folk-orientierte, ruhigere Rockbands. Mit Veröffentlichung von Popol Vuhs Hosianna Mantra endete bereits 1972 die Geschichte des Labels.
Bekannte Künstler, die auf Pilz veröffentlichten, waren u. a. Wallenstein und Jerry Berkers (Solo-Album), sowie Popol Vuh, Witthüser & Westrupp oder Hölderlin. In den 1980er Jahren erlebten die Ausgaben von Pilz ein Comeback als Reissues auf dem Label Pop Import Mikulski. (wikipedia)
Die Wallenstein Website von Harald Grosskopf :
Und so ging´s mit den Musikern ann weiter:
Jürgen Dollase wandte sich seinen anderen künstlerischen Wurzeln zu, nachdem Wallenstein aufgelöst wurde und er das Musikmachen komplett stoppte. Jürgen, der lange Zeit ein Fastfoodfreak war, wurde beinahe über Nacht ein Gourmet. Seine Kochkunst ist mehr als fantastisch. Heute schreibt er Gastronomiekritiken unter anderem in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)” und im “Feinschmecker” und gehört seit einigen Jahren zu Deutschlands führenden Gourmetkritikern. 2004 war er in Sachen “Haute Cuisine” zu Gast in der ZDF-Sendung “sonntags”.
Joachim Reiser lebt heute in der Nähe von Mönchengladbach und arbeitet als Dozent für Violine an der Mönchengladbacher Musikschule. Mitte der 80er Jahre gründete Joachim ein Rockstreichorchester, für das er auch die meisten Stücke schrieb. Einige der Stücke erschienen als Publikationen bei den Musikverlagen Schott und Tonger. Nebenbei hat er zahlreiche CD’s produziert, die aber kommerziell nicht erhältlich sind.
Jerry Berkers verließ Wallenstein bereits im Herbst 1972 und trat anschließend nur noch solo auf. Während der Produktion seines ersten (und einzigen) Soloalbums wurde Jerry geisteskrank und musste von seinen Eltern in eine psychiatrische Anstalt gebracht werden. Offenbar hatte LSD Konsum seine schrecklichen Vietnamerlebnisse wieder wahr werden lassen, während er an den Songtexten für sein Album arbeite. Jerry wurde vor sechs oder sieben Jahren tot in einem Park in Holland aufgefunden. Er starb an einer Überdosis Kokain.
Dieter Meier starb 1986 unter tragischen Umständen an den Folgen schweren Alkoholmißbrauchs in einem Krankenhaus in Mönchengladbach.
Bill Barone
Bill Barone kehrte nach der Trennung von WALLENSTEIN wieder in die USA zurück. Heute lebt er in Philadelphia und arbeitet für Caterpillar Baumaschinen. In den USA spielte er noch einige Jahre in verschiedenen regionalen Bands und hatte auch einige größere Auftritte (u. a. mit Chuck Berry 1977). Aus dieser Zeit sind jedoch keine Tonträger bekannt bzw. veröffentlicht worden. Nach einer langen Pause von 20 Jahren kamen Bill und Harald Dank Harald’s Webseite wieder in Kontakt. 2003 und 2004 war Bill in Deutschland zu Besuch und traf sich mit ehemaligen Bandkollegen.
Jürgen Pluta
Jürgen Pluta produziert seit vielen Jahren mit DJ Hooligan für das Projekt Da Hool. Ende 2008 veröffentlichten sie ihr Album „Light My Fire“. 4 ausgekoppelte Singles landeten alle in den Top 20 der deutschen Dancecharts (DDC), die Single „Light My Fire“ sogar auf Platz 1. Mit Da Hool bereiste er u.a. Spanien, England, Ukraine, Russland, Niederlande, Tschechische Republik, Estland etc.
Wolfgang Steinicke
Wolfgang Steinicke, der noch zur ursprünglichen Besetzung von WALLENSTEIN gehörte, und später von Bill Barone ersetzt wurde, verließ die Band noch vor dem ersten Album Ende 1971, um in Freiburg Mathematik und Physik zu studieren. Heute leitet er ein Büro für Umweltuntersuchungen in Freiburg (www.klima-luft.de), schreibt und veröffentlicht Bücher über Astrophysik und hält zu diesem Thema zahlreiche Vorträge weltweit. Nebenbei ist er als Schriftführer im Vorstand der Vereinigung der Sternfreunde e. V. (VdS) tätig. (Infos von der Harald Grosskopf Website)
Und der Harald Grosskopf ist u.a. mit Klangkunst- und Techno-/Dance-Projekten bis heute aktiv.