Anyone’s Daughter – Live (1983)

FrontCover1Wenn ich mich recht erinnere, waren sie damals ganz schön angesagt … und ich habe gerade nachgedacht, warum diese Band damals an mir eher vorbeigegangen ist. Da fiel mir ein, dass ich damals gerade dabei war, eine Familie zu gründen und zudem einen ziemlich aufreibenden Job hatte … da hatte meine musikalische Leidenschaft einfach mal ne Auszeit zu nehmen … Aber, kann man ja alles noch nachholen:

Anyone’s Daughter, heutige Eigenschreibweise anyone’s daughter, ist eine deutsche Rockband. In ihrer ersten Inkarnation während der späten 1970er und 1980er Jahre zählte sie zu den Bands der deutschen Progressive-Rock-Szene. Seit ihrer Wiedervereinigung 2000 geht die musikalische Ausrichtung der Band in die Richtung Pop-Rock, teilweise unter Verwendung der in den früheren Werken etablierten Stilmittel.

1972 wurde Anyone’s Daughter von Uwe Karpa und Matthias Ulmer in Stuttgart gegründet. Die Band benannte sich nach einem Songtitel von Deep Purple. Einem größeren Publikum wurde die Band mit ihrem ersten Album Adonis zugänglich, das 1979 erschien.

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Die frühen Alben der Band um Frontmann Harald Bareth sind stilistisch in einem symphonischen und bisweilen lyrischen Progressive Rock gehalten, wie er in der ersten Hälfte der 1970er Jahre von britischen Bands wie Genesis oder Yes geprägt wurde. Die ersten beiden Alben enthalten zudem noch englischsprachigen Gesang. Adonis umfasst vier Stücke, darunter das Titelstück mit einer Spiellänge von 24 Minuten – im Progressive Rock ein durchaus übliches Songformat. Der Nachfolger Anyone’s Daughter hingegen besteht aus acht kürzer gehaltenen Stücken. Bekannt geworden ist der Song Moria.

Die folgenden Alben waren mit deutschen Texten versehen, behielten die stilistische Ausrichtung zunächst aber weitgehend bei. Mit Piktors Verwandlungen veröffentlichte die Band 1981 eine Vertonung des gleichnamigen Märchens von Hermann Hesse, die bereits seit vier Jahren das Herzstück der Konzerte der Band bildete. Die musikalische Umsetzung ist als Wechselspiel zwischen Erzählpassagen mit leichter Untermalung, vorgetragen von Harald Bareth, sowie kurzen Instrumentalstücken im gewohnten symphonischen Stil gehalten. Auf dem folgenden Album In Blau tritt gegenüber dem symphonischen Stil der poetisch-lyrische Charakter der Stücke stärker in den Vordergrund. Mit Tanz und Tod ist eine dreiteilige Verarbeitung des Motivs Tod enthalten.

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Mit Neue Sterne versuchte man, an den Erfolg der Neuen Deutschen Welle anzuknüpfen. Allerdings kam es schon kurze Zeit später zur Auflösung der Band. Nach einer kurzen Wiedervereinigung in neuer Besetzung und einer weiteren Veröffentlichung löste man sich im Jahr 1986 erneut auf.

2000 kam es zur Wiedervereinigung der Band um Ulmer und Karpa, die sich in der Zwischenzeit in anderen Projekten betätigt hatten. Ulmer hatte unter anderem für Heinz-Rudolf Kunze gespielt, aus dessen Band der Bassist Raoul Walton übernommen werden konnte. Gegenüber den frühen Werken präsentiert sich die Band stilistisch deutlich gewandelt – die Stücke sind nun an zeitgemäßen Pop-Rock angelehnt.

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Der amerikanische Sänger André Carswell wurde als jüngstes Bandmitglied aufgenommen. Sein englischsprachiger, am Soul orientierter Gesang trägt zur stilistischen Neuorientierung der Band bei. Jedoch enthalten die neueren Kompositionen auch Elemente, die an die früheren Werke der Band erinnern, etwa die schnellen Gitarren- und Keyboardläufe sowie Stakkato-Passagen. Seither tritt die Band auch wieder live auf, entweder in Trio-Besetzung mit Gesang, Gitarre und Keyboard, oder auch wie bei der CD-Präsentation von Living the Future am 26. April 2018 in voller Bandbesetzung. Einziges verbliebenes Mitglied der „Urbesetzung“ ist Matthias Ulmer.

Am 6. März 2020 veröffentlichte die Band die Single One World for You and Me, bei dem mehrsprachigen Lied sind Heinz Rudolf Kunze, Tayfun Ünlü, Mick Jackson, Dani Suara sowie John Vooijs und Matthias Ulmer zu hören. (wikipedia)

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Nach Erscheinen der schlicht „Live“ betitelten Scheibe als Doppel-Vinyl im Jahr 1984 stellte das ‚klassische‘ Line-up Anyone’s Daughters seine Aktivitäten ein. Es war quasi ein Abschiedsgeschenk an die treue Anhängerschaft, die gerade den Live-Gigs stets einen ganz besonderen Rahmen gab. Fünf Studioalben in fünf Jahren waren eine beeindruckende Bilanz. Auch der Zeitpunkt war geschickt gewählt. Neue Sterne konnte nicht restlos überzeugen und war nicht unbedingt ein Weg zu ’neuen Sternen‘. International wie national war der Progressive Rock mausetot. Da kam es eigentlich allen zupass, dass Ulmer und Kappa ihren Zivildienst antreten und Bareth sein Medizinstudium forcieren wollte. Und genau diesem in Agonie liegenden Prog Rock setzten Anyone’s Daughter mit „Live“ noch einmal mittels eines bunten Querschnitts aus ihrer Diskographie ein kleines Denkmal, wenn auch eine kleine ‚Träne im Knopfloch‘ zurückblieb.
Diese remasterte Doppel-CD ist nicht nur aufgrund des wesentlich verbesserten Klanges, sondern auch wegen zweier (darunter einer von fünf zum Aufnahmezeitpunkt unveröffentlichter) zusätzlicher Songs und vier Bonusvideos ein echter Gewinn für jeden geneigten Fan der Jungs aus dem schwäbischen Calw.

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Es ist durchaus erstaunlich, wie es den vier Musikern gelingt, den Sound aus dem Studio auf die Bühne zu transferieren. Gerade Keyboarder Matthias Ulmer scheint über vier Arme und Hände zu verfügen. Gut, der Sequenzer springt ihm ein ums andere Mal zur Hilfe, aber die klangliche Breite ist nichtsdestotrotz beachtlich. Ein Beweis für seine Fähigkeiten ist bereits der Opener dieses Doppelalbums, „Konsequenzen“. Es folgt eine Trilogie, die das Thema Sterbeprozess bzw. Tod behandelt. Das Gerüst bilden „Der Begleiter“ sowie „Tanz und Tod“. Das bislang von mir ungehörte Instrumental „Treance“ kann man als Zwischenspiel ansehen und hätte klanglich auf das wunderbare Piktors Verwandlungen gepasst. Ulmer entlockt seinem Fender Rhodes zunächst die bekannt glockigen Töne, lässt dann die Sequenzer einen flockigen Teppich legen, auf dem in der Folge seine Hammond zaubern darf. Ein paar ’schräge‘ Töne sind nicht schlimm – ist ja alles live, ohne Netz und doppelten Boden.

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„Viel zuviel“ sowie später „Neue Sterne“ und „Der Plan“ sind die einzigen – sagen wir mal – ‚griffigeren‘ Songs, alles andere lässt sich unter den Oberbegriff ‚Prog Rock‘ subsumieren. Besonders schön kommt hierbei das stille „Sundance Of The Haute Provence“ zur Geltung. Die Jungs wussten halt schon damals – lange bevor der Massentourismus einsetzen sollte – wo es sich wie ‚Gott in Frookreisch‘ leben lässt! Zu schade, dass wir uns damals nicht über den Weg gelaufen sind…
Der instrumentale Dreierpack, der CD 1 beschließt, war seinerzeit noch nie auf einen Tonträger gepresst worden. „November“ und „Sambuca“ zeigen Uwe Kappas Fähigkeiten auf der Flamencogitarre, wobei letzteres Stück eindeutig jazzige Wege beschreitet – damals keineswegs ungewöhnlich für Anyone’s Daughter. Beim furiosen „Carrara“ darf sich dagegen Ulmer einmal mehr im wahren Wortsinne austoben.
Der zweite Silberling beginnt ebenfalls mit einem unveröffentlichten Stück, „Land’s End“ betitelt. „Come Away“ von der gnadenlos guten Adonis switcht übergangslos in „Peterchens Mondfahrt“ hinüber, bei dem sich Peter Schmidt mit einem Schlagzeugsolo präsentieren kann. Nach den aktuellen Nummern „Neue Sterne“ und „Der Plan“ folgt als Abschluss der grandiose Hit Moria. Frenetischer Jubel setzt ein und die geforderte Zugabe kommt in Form von „Anyone’s Daughter“, dem Paradestück der „Adonis“ ebenso wie dieser Aufnahmen, die übrigens in Esslingen, Biberach, Aalen und Reutlingen sowie Magstadt (Videos) aufgezeichnet wurden.
Aufgrund der hohen Anzahl von neuen Stücken ist „Live“ alles andere als eine bloße Ergänzung der fünf Studioalben und von daher ein unbedingter Kauftipp. (Steve Braun)

Und ja … singen konnten sie auch !

BackCover

Besetzung:
Harald Bareth (bass, vocals)
Uwe Karpa (guitar)
Peter Schmidt (drums)
Matthias Ulmer (keyboards, vocals)

LPBooklet

Titel:
01. Konsequenzen (Ulmer) 4.02
02. Der Begleiter (Bareth/Ulmer/Karpa/Schmidt) 5.22
03. Treance (Ulmer) 5:20
04. Tanz und Tod (Bareth/Ulmer/Karpa/Schmidt) 6.26
05. Viel zuviel (Bareth/Ulmer) 6.27
06. Sundance Of The H.P. (Bareth/Ulmer/Karpa/Schmidt) 4.01
07. November (Karpa) 2.47
08. Sambuca (Karpa) 1.51
09. Carrara (Ulmer) 6.00
10. Land’s End (Bareth/Ulmer/Karpa/Schmidt) 4.40
11. Come Away (Adonis I) (Bareth/Ulmer/Karpa/Schmidt/Becker) 8.18
12. Peterchens Mondfahrt (Bareth/Ulmer/Karpa/Schmidt) 5.42
13. Neue Sterne (Des Poppers unglücjliche Liebe) (Ulmer/Bareth) 4.13
14. Der Plan (… und das Eis zerschlagen) (Ulmer/Bareth) 3.55
D2 Moria (Bareth/Karpa/Konopik/Ulmer) 5.20
D3 Anyone’s Daughter (Becker/Bareth/Karpa/Konopik/Ulmer) 11.09

LabelA

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Die offizielle Website:
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Anyone’s Daughter – In Blau (1982)

FrontCover1Wenn ich mich recht erinnere, waren sie damals ganz schön angesagt … und ich habe gerade nachgedacht, warum diese Band damals an mir eher vorbeigegangen ist. Da fiel mir ein, dass ich damals gerade dabei war, eine Familie zu gründen und zudem einen ziemlich aufreibenden Job hatte … da hatte meine musikalische Leidenschaft einfach mal ne Auszeit zu nehmen … Aber, kann man ja alles noch nachholen:

Dieses Album ist sicherlich der Höhepunkt des musikalischen Schaffens der Schwaben. Anyones Daughter treten mit „In Blau“ den Beweis an, dass man sehr wohl ein poetisches Rockalbum mit deutschen Texten schaffen kann. Dieses Album berührt mich und Titel wie „Nach diesem Tag“ erzeugen noch heute beim Hören eine Gänsehaut bei mir. Absolut grandios ist das Epos „Tanz und Tod“, wohl eine der fantasievollsten und positivsten musikalischen B(V)erabeitungen zum Thema Tod. Vielleicht das Meisterwerk des deutsprachigen Artrocks. (Martin Dambeck )

Und nicht ganz so euphorisch:

Harald Bareths Stimme ist einfach toll. Wie Anyone’s Daughter selbst erfährt er in meinem Augen nicht die ihm und der Band zustehende Anerkennung in Deutschland. Ob nun Adonis, Piktor oder eben „In Blau“ das Referenzwerk der Schwaben ist, ist schwer zu sagen. Zu unterschiedlich sind die Alben, jedoch auf gleich hohem Niveau. Selbst Neue Sterne würde ich nicht von der CD-Player-Kante stoßen, wenn ihr wisst, was ich meine.

„Sonnenzeichen-Feuerzeichen“ ist ein grandioser Opener. Bareths Gesang ist von einer Intensität…auch wenn der Vergleich nun hinkt: unterm Kopfhörer musste ich fast an Steve Hogarth denken. Ein wunderschönes Gitarrensolo krönt den Song und Erinnerungen an große 70er Progheroen suchen mich heim. Warum das Solo nicht noch drei Minuten weitergeht weiß nur die Band selbst.

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Ob deutsche Texte peinlich oder einfach nur ungewöhnlich klingen, darüber kann man während der folgenden Songs nachdenken. Musikalisch kann „In Blau“ sicherlich durchgehend überzeugen. „Für ein kleines Mädchen“ kommt recht akustisch daher, „Nichts für mich“ erinnert an zeitgenössische Genesis (und ich meine dies positiv) mit schönen Percussion und ungezwungenen Rhythmuswechseln. Selbst in simplem Popsongs a la „Nach diesem Tag“ will man nicht zuletzt dank Bareths Stimme nicht sofort die Skiptaste betätigen. Überhaupt ist die Atmosphäre auf „In Blau“ recht entspannt und souverän. Vom reinrassigen Progressive Rock hat man sich entfernt ohne deshalb flach und oberflächlich zu werden.

Höhepunkt ist sicherlich „Tanz & Tod“. Thematisch geht es (natürlich) um das Ableben. Damit jedoch keine Missverständnisse aufkommen: „Tanz & Tod“ ist kein 15minütiger Longtrack, sondern besteht aus drei mehr oder weniger eigenständigen Parts. „Der Begleiter“ besticht durch wundervolle Melodien (man sagte mir, die Band PUR hätten ordentlich davon geklaut). Auch hier herrscht die akustische Gitarre und Bareths Gesang zunächst vor, für Anyone’s Daughter kommt man gegen Ende allerdings verhältnismäßig forsch zur Sache. Keyboards und Gitarre hetzten sich durch das Stück, doch Schlagzeuger Peter Schmidt lässt die beiden nicht entkommen. Ja, Anyone’s Daughter, so geht großes Kino! Darf man beim Piano dominierten zweiten Teil namens „Yaqui“ an ELP denken? Naja, ganz so großspurig geht es vielleicht doch nicht zu, aber man darf trotzdem. „Tanz & Tod“ mit seiner gesprochenen Passage ist dann der passende Abschluss für ein wirklich tolles Werk.

Kein alles überragendes, aber ein durchaus überzeugendes Album, dass man als Progressive Rock Fan aus deutschen Landen kennen sollte. (Gün Schote)

Und noch weniger euphorisch bin da ich: Keine Frage, in ihren intensiven Instrumentalpassagen weiß die Band durchaus zu überzeugen, aber – und so geht´s mir oft bei Produktionen dieser Art – die Gesangparts hauen mich einfach nicht vom Hocker … wobei sie mich mehr als einmal an Pur erinnern – und so bleibt bei mir ein arg zwiespältiger Eindruck zurück … Gut, dass die Geschmäcker verschieden sind.

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Besetzung:
Harald Bareth (bass, vocals)
Uwe Karpa (guitar, flute)
Peter Schmidt (drums, percussion)
Matthias Ulmer (keyboards, vocals)

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Titel:
01. Sonnenzeichen – Feuerzeichen  5.20
02. Für ein kleines Mädchen 5.24
03. Nichs für mich 6.45
04. Nach diesem Tag 4.00
05. La La 3.10
06. Sonne 4.30
07. Tanz und Tod 15.05
07.1. Der Begleiter 5:20
07.2. Yaqui 3:30
07.3. Tanz und Tod 6:15
+
08. Sonne + Adonis Medley (Live in Ettlingen 1982) 14.13
09.  Nach diesem Tag (Live in Ettlingen 1982) 13.18

Musik und Text: Bareth/Ulmer/Karpa/Schmidt (Anyone´s Daughter)
außer bei „Sonne“:  Bareth/Ulmer/Karpa

LabelA1

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