Für mich ist er einer der ganz großen Schriftsteller der Nachkriegszeit … für mich weitaus bedeutender als Günther Grass:
Siegfried Lenz, geboren am 17. März 1926 in Lyck, Ostpreußen; gestorben am 7. Oktober 2014 in Hamburg, war ein deutscher Autor und Erzähler, dessen Œuvre über hundert Erzählungen, Hörspiele, Essays, Theaterstücke, Reden sowie Rezensionen umfasst.
Als eines seiner bekanntesten Werke zählt der Roman Deutschstunde aus dem Jahr 1968, welcher die geläufige Aussage, man habe während des Nationalsozialismus nur seine Pflicht getan, kritisch durchleuchtet. Das Werk zählt zu den größten belletristischen Verkaufserfolge in Deutschland nach 1945. Darüber hinaus gilt Siegfried Lenz als einer der Wegbereiter der literarischen Gattung der Kurzgeschichte.
Lebenslauf:
1926: Siegfried Lenz wird am 17. März in Lyck in Ostpreußen geboren.
1927 – 1943: Seine Mutter verlässt ihn im schulpflichtigen Alter nach dem Tod seines Vaters. Lenz wächst in Lyck bei seiner Großmutter auf und geht dort zur Schule. Mit 17 legt er ein Notabitur ab und wird zum Kriegsdienst eingezogen.
1944: Siegfried Lenz tritt angeblich (dem Berliner Bundesarchiv zufolge) der NSDAP bei.
1945 – 1951: Er desertiert in Dänemark. Lenz gerät in britische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft beginnt er ein Studium an der Universität von Hamburg in den Fachbereichen Philosophie, Literaturwissenschaften und Anglistik. Siegfried Lenz bricht sein Studium ab. Er absolviert ein Volontariat bei der Tageszeitung Die Welt und arbeitet dort als Redakteur. Der angehende Schriftsteller heiratet seine erste Frau Liselotte (geb. 1918 oder 1919; † 5. Februar 2006). Lenz wird freier Schriftsteller. Sein erster Roman Es waren Habichte in der Luft erscheint.
1953 – 1962: Sein zweiter Roman Duell mit dem Schatten erscheint. Er bekommt den Lessing-Preis der Freien- und Hansestadt Hamburg. Siegfried Lenz veröffentlicht seinen Kurzgeschichten-Band So zärtlich war Suleyken. Er ist Schriftsteller der Gruppe 47. Lenz erhält den Literaturpreis der Stadt Bremen für sein Werk Zeit der Schuldlosen.
1963 – 1977: Siegfried Lenz unterstützt Willy Brand im Wahlkampf. Er reist nach Warschau, um an der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages teilzunehmen. Sein Erfolgsroman Deutschstunde erscheint. Lenz lehnt das Bundesverdienstkreuz ab.
1978: Siegfried Lenz veröffentlicht seinen Roman Heimatmuseum.
1984 – 1988: Lenz erhält den Thomas Mann-Preis und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
1999 – 2003: Er erhält den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main. Siegfried Lenz bekommt eine Professur an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.
2010: Lenz heiratet seine zweite Frau Ulla Reimer.
2014: Siegfried Lenz stirbt am 7. Oktober in Hamburg. Er wird am 28. Oktober auf dem Friedhof von Groß-Flottbek beigesetzt. (wortwuchs.net)
Hier ein Roman, der nicht so ganz bekannt und berühmt wurde, er ihn aber auch als großen Schriftsteller ausweist:
Schweigeminute ist eine Novelle von Siegfried Lenz aus dem Jahr 2008.
Die Handlung spielt an der westdeutschen Ostseeküste in der nicht näher spezifizierten Nachkriegszeit, wobei Erwähnungen von Benny Goodman und Ray Charles im Radio, des Liedes Spanish Eyes und eines VW Käfer am ehesten auf die 1960er- oder 1970er-Jahre hindeuten. Die Erzählung nimmt bei einer Gedenkfeier ihren Anfang, als Schüler und Lehrer in der Aula des Lessing-Gymnasiums Abschied von der jungen Englischlehrerin Stella Petersen nehmen, die bei einem Bootsunglück tödlich verletzt wurde. Christian, ein 18-jähriger Schüler, erinnert sich an seine Affäre mit Frau Petersen. Die Geschichte wird als Rückblende aus Christians Sicht erzählt, der während der Schweigeminute seine Beziehung zu der toten Geliebten sowie seine Erlebnisse mit ihr Revue passieren lässt.
Eines Tages in den Sommerferien kommt Stella an dem Hafen vorbei, in dem Christian seinem Vater – einem Steinfischer und Betreiber eines Ausflugsbootes – aushilft. Da sich Stella zu Beginn für den Beruf des Steinfischers interessiert, bietet Christian ihr an, mit ihnen zu fahren, später tanzen die beiden gemeinsam auf einem Dorffest. Einige Tage später unternehmen sie einen Ausflug zu einer nahegelegenen Vogelinsel, wo sie wegen eines Gewitters in einer kleinen Hütte Unterschlupf suchen und sich näherkommen. Nach ihrer Rückkehr verbringen sie die Nacht im Hotelzimmer miteinander. Fortan unternehmen sie hier und da gemeinsame Ausflüge. Nach einem spontanen Wettschwimmen kommt es erstmals zum Liebesakt zwischen Christian und Stella „in der Mulde bei den Kiefern“. Stella vermeidet es allerdings stets, die Zuneigung in der Öffentlichkeit – insbesondere in der Schule – zu zeigen, da das ihre Karriere als Lehrerin beenden würde. Sie zögert, als Christian ein gemeinsames Foto mit ihr macht, das er später in seinem Zimmer aufstellt. Das Foto bringt Christians Mutter und das Nachbarsmädchen Sonja dazu, trotz keiner offen abgebildeten Liebesbeweise die Liebesbeziehung zu erahnen.
Stella versucht, ihre Affäre mit Christian von ihrer Tätigkeit als Lehrerin zu trennen. Der junge Mann ist allerdings enttäuscht, dass sie ihn nach den Sommerferien wie die anderen Schüler behandelt. Als sie einen Aufsatz über Animal Farm von George Orwell schreiben müssen, deutet Christian die darin geschilderten Folgen des Aufstands der Tiere, schenkt den Machtkämpfen nach der „Eroberung“ aber keine Beachtung. Als er Stella unerwartet in der Wohnung ihres Vaters aufsucht und bei dieser Gelegenheit nach dem Ergebnis seiner Arbeit forscht, steckt Stella trotz aller Zuneigung und erfahrenen Nähe zu Christian das Feld ihrer Autorität ab, wenn sie sagt: „Dies ist wohl nicht der Ort, um über Zensuren zu sprechen.“ Christian spinnt dennoch an Plänen für eine gemeinsame und dauerhafte Zukunft („…ich glaubte ein Recht zu haben auf die Dauer meiner Empfindungen“.)
Ein Sturm während eines Bootsausfluges, den Stella mit Freunden unternimmt, trennt die beiden: Bei einem Aufprall des Bootes auf die steinerne Hafeneinfahrt wird Stella durch den abgebrochenen Mast von Bord geschleudert und zwischen Steinwand und Bootskörper gedrückt. Christian rettet sie aus dem Wasser; auf seine Ansprache reagiert sie jedoch kaum. Nur einmal glaubt Christian zu hören, wie sie leise seinen Namen ausspricht. Kurz darauf besucht Christian sie mit Klassenkameraden im Krankenhaus; doch bis auf ein paar Tränen, die bei einem Gesang der Schüler erkennbar werden, zeigt sie keine Regung. Wenige Tage später stirbt sie an den Folgen der Verletzungen. Nach ihrer Seebestattung folgt eine Gedenkfeier des Lehrerkollegiums und der Schüler. Christian, um eine Abschiedsrede gebeten, verweigert sich dieser Aufgabe und sucht im Schweigen eine Möglichkeit, das Geschehene zu verinnerlichen: „…vielleicht muss ja im Schweigen ruhen und bewahrt werden, was uns glücklich macht.“ Es bleibt letztlich eine unerfüllte Liebe, denn sie endet, bevor sie richtig begonnen hat. (wikipedia)
Und die Kritik war voll des (verdienten) Lobes:
Das Stilmittel, mit dem Siegfried Lenz die erinnerten Erlebnisse des Ich-Erzählers mit der Rahmenhandlung verwebt, gibt der Novelle „Schweigeminute“ einen besonderen Reiz.
Mit Einfühlungskraft und Hinneigung zu seinen Protagonisten entwickelt Siegfried Lenz eine melancholische Liebesgeschichte. Die Art und Weise wie die in Rückblenden erinnerten persönlichen Erlebnisse mit der Rahmenhandlung verwoben werden, ist ungewöhnlich, zumal oft mitten im Satz das Tempus wechselt und der Ich-Erzähler seine verstorbene Geliebte in persönlicher Rede anspricht. Dieses Stilmittel gibt der Novelle „Schweigeminute“ aber seinen besonderen Reiz. Sinnliche Prosa ist es: Man kann alles fühlen, sehen, hören und riechen. Es wird geschwommen, gerudert und gesegelt und natürlich geangelt, es gibt Schlauchboote, Lastkähne und Ausflugsdampfer.
Aus den sich rasch ablösenden Bildern entstehen wie von selbst Genrebilder […] Respekt, Diskretion, Dezenz, Takt: das sind die Vokabeln, die sich mir zunächst aufdrängen. Lenz hat Respekt vor den Figuren, die er geschaffen hat. Er gönnt ihnen den Anspruch auf Diskretion, er spart nichts aus, aber er schreibt vorsichtig, dezent und taktvoll […] Wir haben meinem Freund Siegfried Lenz für ein poetisches Buch zu danken. Vielleicht ist es sein schönstes. (Marcel Reich-Ranicki) Innerhalb von fünf Monaten wurden mehr als 250 000 Exemplare des Buches „Schweigeminute“ verkauft. Der Verlag freut sich: „Bislang hat sich kein Buch von Siegfried Lenz in so kurzer Zeit so gut verkauft, nicht einmal die ‚Deutschstunde‘„. (Dieter Wunderlich)
Und dieses Buch ist zudem eine wunderbare Liebeserklärung an die Nordsee/Ostsee und an den wohl ausgestorbenen Beruf des Steinfischers.
Gelesen wird das Buch von Konstantin Graudus:
Konstantin Erich Wilhelm Graudus (* 4. August 1965 in Gütersloh) ist ein deutscher Schauspieler, Hörspiel- und Synchronsprecher.
Graudus absolvierte seine Schauspielausbildung von 1985 bis 1988 an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Neben Rollen in diversen Fernsehserien, wie zum Beispiel Nicht von schlechten Eltern, Die Männer vom K3, Tatort, der Rolle des Holger Möbius in Adelheid und ihre Mörder und einer Stammrolle als Mike Lehmann in der RTL-Reihe Doppelter Einsatz wurde er europaweit vor allem als Staplerfahrer Klaus bekannt.
Eine seiner ersten Produktionen war der Fernsehfilm Moffengriet – Liebe tut, was sie will, in dem Konstantin Graudus einen deutschen Besatzungssoldaten spielt, der sich in ein holländisches Mädchen verliebt.
Auch spielte er an der Seite von Thomas D. in dem unabhängig produzierten deutschen Film Noir Curiosity & The Cat die Hauptrolle, den Künstler Henri.
Als Synchronsprecher lieh er seine Stimme unter anderem Brad Dourif (Der Wüstenplanet – zweite Synchronfassung) und Michael Imperioli (Die Sopranos). In der Serie GSI – Spezialeinheit Göteborg synchronisierte er Joel Kinnaman.
Des Weiteren betätigte er sich auch als Synchronsprecher in Computerspielen, unter anderem spricht er Sten in Dragon Age: Origins, Thane Krios in Mass Effect 2, sowie den Erzähler in Der Fall John Yesterday.
Im Fernsehen war er zuletzt 2008 in der ARD-Fernsehserie Die Stein als Oliver Stein zu sehen sowie in einer Gastrolle bei der Serie Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei. Danach agierte Konstantin Graudus in Der Bergdoktor als Nebenbuhler des Alpenarztes Martin Gruber (2008–2010). (wikipedia)
Und … sein Vortrag ist derart innig, intim, intensiv, dass man (also ich) gelegentlich psychisch an all den emotionalen Erschütterungen mitleiden kann oder muss.
Eine ganz starke Leistung !
Aufgefallen ist mir bei diesem Hörbuch, dass die Motivation der Stella Petersen sich auf so eine „verhängnisvolle Affäre“ einzulassen, eigentlich nicht beleuchtet wird.
Und klar: das Buch handelt auch – im weitesten Sinne – von einer strafrechtlich problematischen Beziehung (Missbrauch von Schutzbefohlenen; § 174 StGB).
Man kann sich ausdenken, wie der junge Mann sich später in neuen Beziehungen vermutlich sehr schwer tun wird …
Besetzung:
Konstantin Graudus (precher)
Regie: Sebastian Reiß
Titel:
CD 1:
Kapitel 01 – 11 / 1.15.37
CD 2:
Kapitel 12 – 22 / 1.11.12
CD 3:
Kapitel 23 – 33 / 1.14.33
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Die Bilder, die ich verwendet habe, um diesen Beitrag zu illustrieren, stammen aus der ebenfalls hochgelobten ZDF – Verfilmung aus dem Jahr 2016.
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