Gil Mehmert – Der Ghetto Swinger – Aus dem Leben des Jazzmusikers Coco Schumann (2012)

DerGhettoSwinger01AVor 5 Jahren (September 2015) gastierte im Kupferhaus in der Gemeinde Planegg (ein kleiner Vorort von München) ein Ensemble der Hamburger Kammerspiele, das ein ganz besonderes Theaterstück darbot:

Die Geschichte um Coco Schumann nimmt uns mit auf eine Reise in das Berlin der 30er Jahre. In den Kneipen wird Swing und Jazz gespielt und der junge Coco, Sohn einer jüdischen Mutter, ist fasziniert von der Musik. Schon früh gerät er in die Szene der verbotenen „Swing-Kids“, Jugendliche, die den Jazz als anarchische Ausdrucksform gegen die Unkultur der Nazis stellten. Und plötzlich findet Coco sich in Theresienstadt wieder. Dort wird er Mitglied der „Ghetto-Swingers“. In Auschwitz spielt er zur Unterhaltung der Lagerältesten und SS um sein Leben, in Dachau begleitet er mit letzter Kraft den Abgesang auf das Regime. Ein perfides Spiel, denn auf einmal wird die Musik für ihn die Möglichkeit, das Konzentrationslager zu überleben.

Chuzpe, Glück, Zufälle, die Musik oder ein Schutzengel? Vielleicht hatte Coco Schumann von allem etwas. Als er zum Kriegsende wieder in Berlin landet, steht er plötzlich in einem improvisierten Lokal im Kreis der alten Kollegen, die längst wieder spielen, und er nimmt ein Instrument und beginnt ebenfalls zu spielen…

„Morgens stand in großen Lettern unter meinem Konterfei in einer bekannten Tageszeitung: „Coco Schumann: Das schreckliche Leben einer Jazz-Legende“! Aber das stimmt nicht. Nein, mein Guter, sage ich angesichts des hellen Planeten, wild und bunt lief es, manchmal zu lang und immer zu kurz, das Leben hat sich unglaublich böse und entsetzlich schön gezeigt. Nur eines war es mit Sicherheit nicht: schrecklich.“

Coco Schumann wurde 1989 für seine Verdienste um die Musik, für sein großes aufklärerisches Engagement als Zeitzeuge und nicht zuletzt für seine Autobiografie „Der Ghetto Swinger – Eine Jazzlegende erzählt“ mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse geehrt. 2008 erhielt er den Verdienstorden des Landes Berlin.

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Und hier eine Kritik von der Premiere am 2. September 2012:

Rechts ein großer Davidstern, frontal ein Brettergestell mit schwarzem Vorhang, das mal an eine Show-Bühne, mal an einen Viehwaggon, mal an eine Rampe erinnert.

Links die amerikanische Jazz-Diva Helen Schneider, die mit rauchig-zarter Stimme und Songs von einem Berliner Swing-Kid erzählt, das 1944 in Auschwitz «La Paloma» spielen muss, während Frauen und Kinder ins Gas gehen.

Sehr reduziert, mit siebenköpfigem Ensemble in knappen Szenen, dabei ungeheuer stimmungsintensiv hat Regisseur Gil Mehmert in den Hamburger Kammerspielen die schaurig-schöne Revue «Der Ghetto-Swinger – Aus dem Leben des Jazzmusikers Coco Schumann» uraufgeführt. Bewegt von der gut zweistündigen Inszenierung des Stücks von Kai Ivo Baulitz jubelte am Ende das Publikum im voll besetzten Haus.

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Gefeiert wurde auch der 88-jährige Schumann, der aus der Hauptstadt angereist war und in der zweiten Reihe saß. «Ich dachte, ich stehe auf der Bühne», sagte der Künstler, der mit seinem Quartett bis heute Konzerte gibt, mit Tränen in den Augen. «Aber ich sitze hier und habe überlebt.» Schumanns Autobiografie «Der Ghetto-Swinger» von 1997 ist Grundlage der Aufführung.

Den Hauptpart darin hat eigentlich nicht der Schumann ähnelnde Konstantin Moreth, der Gitarre und Schlagzeug leidenschaftlich spielt, sondern die Musik wie «Creole Love Call» und «I Got Rhythm». Die anderen fünf männlichen Darsteller agieren in wechselnden Rollen und als Band. Sie bringen die elektrisierende Faszination und lebensrettende Kraft des unter den Nazis verfemten Swing unter die Haut gehend zum Klingen. (dpa)

Coco Schumann, 2012

Und auch vor 5 Jahren war es eine souveräne Aufführung; dabei stand nicht nur eine äußerst agile und souveräne Helen Schneider im Mittelpunkt, auch ihr Partner, der Schauspieler Konstantin Moreth, der zeigte, dass er weitaus mehr drauf hat, als nur in irgendwelchen Serien mitzuspielen. Überhaupt: Das ganze Ensemble wusste zu überzeugen.

Der Regisseur Gil Mehmert hat sich übrigens u.a. auch damit einen Namen gemacht, dass er diverse Musicals wie das „Wunder von Bern“ oder eine deutsprachige Version von „Cabaret“ inszeniert hat.

Und wer sich für die Unterhaltungsmusik der 30er Jahre (die ja stark vom Jazz beeinflusst war) begeistern kann, kam natürlich voll auf seine Kosten … Es gab 25 Lieder, von Jazzklassikern wie „Caravan“ und „I Got Rhythm“ bis hin zu Schlagerklassikern wie „La Paloma“ und „Rosamunde“. Da kann man nur hoffen, dass es von dieser Produktion mal einen Tonträger geben wird.

Ich präsentiere hier mal das vorbildlich gestaltete Programmheft. Es enthält nicht nur Angaben zu dieser Theaterproduktion, sondern auch viel geschichtliche Hintergrundinformationen. Wie gesagt: vorbildlich !

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Eintrittskarte
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Vorankündigung für das Gastspiel im Kupferhaus, Plannegg am 26.09.2015

Vorankündigung für das Gastspiel im Kupferhaus, Plannegg am 26.09.2015

Konzertprogramm: Louis Armstrong (1962)

TitelAlso das Leben schlägt manchmal schon überraschende Pirouetten:

Eds war wohl im November 2018 als ich im Rahmen eines beruflich bedingten Stehempfangs mit einem älteren, seriösem Herren ins Gespräch kam. Ich erzählte dabei, dass ich mich abseits meines beruflichen Engagements auch sehr für alte Schallplatten interessieren würde.

Da strahlte er mich an und sagt, er hätte da in seiner Garage ein paar Kisten, die könnte ich gerne kostenlos haben.

Ich nickt freudig erregt, dachte mir aber dennoch nicht viel dabei … und hakte dieses Gespräch einfach mal ab.

Ein halbes Jahr später und just jener seriöse Herr meldete sich: ob ich denn nun die Plastten abholen wolle.

Gesagt getan … ich schleppte zwei große Umzugskisten in mein Auto … und als ich diese zu Hause öffnete, fanden sich darin jede Menge alter, uralter Jazzplatten und dann noch einen nicht gerade kleinen Stapel ,von Konzertprogrammen.

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Das Plakat für das Konzert in Hamburg am 14. April 1962

Deutsche Konzertprogramme für Jazz- und Bluesgastspiele in den 60er Jahren … ich staunte nicht schlecht und natürlich war mir klar, dass diese hier auch mal präsentiert werden sollten.

Und mit diesem Konzertprogramm fange ich mal an … Man konnte es bei dem Konzert der Jazzlegende Louis Armstrong im „Kongreß-Saal des Deutschen Museums“, München am 7. April 1962 käuflich erwerben…

Und der Vorbesitzer dieses Konzertprogramms klebte auch noch zwei Konzertbesprechungen sowie die Original Eintrittskarte dazu …

Findet sich alles in meiner Präsentation und der geneigte Leser ahnt natürlich, dass weitere Exponate dieser Art folgen werden.

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Konzertbesprechung aus der „Abendzeitung“

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Die Rückseite des Programmhefes

Und wer sich mal informieren möchte, wie Louis Armstrong 1962 so klang, kann das gerne hier tun .. ein Konzertmitschnitt des Jahres 1962 aus Paris.

 

Udo Lindenberg – Dröhnland Symphonie – Deutschland-Tournee (Konzertprogramm) (1979)

TitelUnd gleich nochmal der Udo Lindenberg …

Gefunden habe ich dieses Programm in der Hülle zur Lindenberg LP „Rock Revue“(siehe hier).

Diese Tournee war die Brücke zwischen dieser LP und der dann folgenden LP „Dröhnland Symphonie“:

Nebel, Schnee und jede Menge Pinguine: So geht es zu auf der Bühne der ausverkauften Bremer Stadthalle, als sich am 19. Januar 1979 der Vorhang öffnet. Nebel quillt aus jeder Ecke, Fantasiegestalten wuseln über die Bühne – der Beginn eines außergewöhnlichen Events. Udo Lindenberg startet seine Rock-Revue ’79 und erscheint im Schlitten, gezogen von zwei Rentieren, vor seinem Publikum. „Meine letzte Expedition führte mich zum nordischen Pol“, singt der Rockstar, begleitet vom Sound seines Panikorchesters. „Die Bellos zogen die Schlitten und wir fühlten uns pudelwohl.“ Danach entledigt sich Udo lässig seines Mantels, trägt darunter die obligatorische Lederhose, dazu einen Frack. Der Eskimo „Ole Pinguin“ springt herum und schon ist das Publikum mittendrin in einer musikalischen Grönland-Reise, der „Dröhnland Symphonie“.

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Peter Zadek & Udo Lindenberg

Ein gigantisches Ereignis in durchaus amerikanischen Ausmaßen erwartete die Zuschauer in jenem Frühjahr 1979. Drei Stunden dauerte die Mega-Show, ein abendfüllendes Programm, gemacht aus Rock, Theater, Glanz und Glamour und mit rund 50 Akteuren vor und hinter den Kulissen. Kostenpunkt für die Produktion eines Abends: rund 70.000 DM. Kein Musical, keine Oper, eine Rock-Revue hatten sich Udo Lindenberg und Peter Zadek da ausgedacht. Das war wirklich neu auf deutschen Bühnen. Zwei Größen aus dem ernsthaften und dem unterhaltenden Genre hatten sich zusammengefunden, um es zu wagen: das „Experiment“, eine Provokation. „Es ging darum, mehr Theater in den Rock ’n‘ Roll zu bekommen und mehr Rock ’n‘ Roll ins Theater. Schluss musste sein mit dem Sektierertum“, äußert sich Udo Lindenberg in seiner Autobiografie „Panikpräsident“.

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Zadek steckte dafür so manche Schelte in den Gazetten ein. „Der ernsthafte, wenn auch in den Augen traditionsbewusster Theaterbesucher unseriöse Regisseur als Illustrator von Halbstarken-Schlagern? Es gibt keinen besseren Beweis dafür, wie sehr das über Jahre gehegte Misstrauen berechtigt war gegenüber einem Mann, der mit Shakespeare Schindluder getrieben hat und mit unverhohlener Genugtuung berichtet, er habe mit diesem Lindenberg zusammen Faust-Texte zur Gitarre gesungen“, schrieb das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt. „Schön verrückt ist das immer, hat aber nie den Beigeschmack von anarchischem Laientheater verloren“, war in der Süddeutschen Zeitung zu lesen. „Zadek als Konsequenz – das scheint da beinahe unausweichlich, zumal der Regisseur die Neigung Udo Lindenbergs zu allerlei makabren Monstrositäten, zum Aufsteigen von Gewalt und Brutalität in unserer Welt teilt, ihn in der Lust am Destruktiven womöglich noch übertrifft.“

Beispiel19.jpgEine Rock-Revue als kulturelle Massenveranstaltung? Es war Neuland, doch genau das wollten Zadek und Lindenberg ganz bewusst betreten.

Der gefeierte Theaterregisseur verlieh den Figuren aus den Liedern des bekannten Rockmusikers Gestalt. Da schwebte die korpulente Opernsängerin Elli Pyrelli übers Parkett, Rudi Ratlos hatte ebenso seinen Auftritt wie Bett-Män, der im gleichnamigen Song nicht fliegen, sondern lieber mit ’ner tollen Astronautin im Bett liegen will. Für die Choreografie war Pantomime Samy Molcho zuständig, für das passende Bühnenbild sorgte Peter Pabst, und sogar Filmclips und Dia-Projektionen waren Teil der Revue. Bunte Kostüme und Kulissen wechselten auf der Bühne – so bekamen die Zuschauer etwa eine Peepshow zu sehen, während Udo Lindenberg seinen Klassiker „Reeperbahn“ sang.

So einige Gast-Stars traten in der Rock-Revue auf, etwa die Sängerinnen Ulla Meinecke oder Ingeborg Thomsen. Als echtes Urgestein der Rockmusik-Szene hatten Lindenberg und Zadek den Briten Eric Burdon eingeladen, der alte Songs aus seinen Zeiten bei der Band „The Animals“ sang. „We Gotta Get Out Of This Place“ war einer von zwei bis drei Klassikern, die er, teils im Duett mit Udo, auf der Bühne präsentierte.

Nach der Eröffnung in Bremen machte die Rock-Revue Station in Lindenbergs Beispiel20Heimatstadt Hamburg. 6.000 Fans kamen am 21. Januar 1979 in die Ernst-Merck-Halle am Dammtor, für jeweils 18 DM Eintritt. „Ich habe die schwerste Woche meines Lebens hinter mir“, sagte Konzertveranstalter Fritz Rau nach dem Konzert in einem Bericht des Hamburger Abendblattes. Der Grund: Udo Lindenberg war schwer erkältet, das Projekt „Rock Revue ’79“ dadurch ernsthaft gefährdet. Davon berichtet auch die Dokumentation „So ’ne Tournee macht einen reichlich k.o. – Lindenbergs Rock-Revue ’79“ des Fernsehregisseurs Horst Königstein. Sie begleitet das gesamte Team vor und hinter den Kulissen.

Trotzdem ging es in den Wochen danach immer weiter, durch die nächsten 15 Städte. Das Equipment war auf drei Sattelschleppern verstaut. Die Revue füllte immer wieder riesige Konzerthallen. Unter anderem standen Aufführungen in Essen, Köln, Düsseldorf, Saarbrücken, Heidelberg und Zürich auf dem Programm. Das letzte Konzert der legendären Tournee fand am 10. April 1979 in der Münchner Olympiahalle statt, die mit 10.000 Besuchern voll besetzt war. Nachdem sich der Vorhang zum letzten Mal geschlossen hatte, hatten insgesamt 100.000 Fans die „Rock-Revue ’79“ gesehen. (Beatrix Hasse, NDR,de)

Und justament bei dieser letzten Show in der Münchner Olympiahalle war ich dabei (das Ticket liegt bei mir irgendwo rum …) und da habe ich wohl dieses Heft (30 Seiten) gekauft …

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Und klar, bei solch einem Mammutprojekt lies man sich dann auch bei dem Tourheft nicht lumpen … und da gibt es nicht nur jede Menge fotoraphische Eindrücke von der Tourvorbereitung sondern auch jede Menge Informationen (z.B. über die Zusammenarbeit von Lindenberg und Zadek)

Von daher ganz sicher ein wichtiges Dokument aus jener Phase von Lindenberg, die für mich zu seinen produktivsten Phase zählt.

Und ich freue mich irgendwie sehr, dass ich dieses Dokument hier präsentieren kann.

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Lilo … und wo bist du heute ?

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Was für eine Truppe …

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Udo Lindenberg: nachdenklich

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Werbung für das Ulla Meinecke Album „Meinecke Fuchs“

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Was für eine Band … und der großartige Samy Molcho war für die Choreographie des Spektakels verantwortlich

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Und natürlich bekam Eric Burdon ne eigene Doppelseite spendiert

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Die Rückseite des Tourheftes

Und hier kann man sich dann auch noch jene Tournee anhören (click on the pic)

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Und natürlich wird dies nicht die letzte Lindenberg Präsentation sein, aber jetzt ist erstmal für ne gewisse Weile Ruhe ….