Dieter Schuster – Zur Geschichte des 1. Mai in Deutschland (1991)

TitelEs mag ja sein, dass der 1. Mai als Feiertag der Gewerkschaften mittlerweile (wie Weihnachten) sinnentleert ist, ein freier Tag, der alle Arbeitnehmer freut …

Aber, da beißt die Maus keinen Faden ab … ohne Gewerkschaften würde unser Leben hier bei uns und anderswo ganz, ganz anders aussehen …

Von daher gebietet es für mich der Respekt vor der Geschichte der Gewerkschaften am heutigen Tag ein wenig an die Geschichte des 1. Mai in Deutschland zu erinnern.

Seinen Ursprung hat dieser Feiertag allerdings ganz woanders:

Anfang 1886 rief die nordamerikanische Arbeiterbewegung zur Durchsetzung des Achtstundentags zum Generalstreik am 1. Mai auf – in Anlehnung an die Massendemonstration am 1. Mai 1856 in Australien, welche ebenfalls den Achtstundentag forderte. Der 1. Mai war traditionell auch der moving day, an dem öfter Wechsel im Beruf oder Wohnort durchgeführt wurden. Es kam darauf zu Massenstreiks und Demonstrationen in den Industrieregionen.

Auch in einer Chicagoer Fabrik für landwirtschaftliche Geräte erklärten sich zu dieser Zeit die Mehrheit der Arbeiter solidarisch gegen die Betriebsleitung und drohten mit Streik, weil sie unzufrieden waren mit dem 12-Stunden-Tag bei einem Durchschnittstagesverdienst von drei US-Dollar. Die Geschäftsleitung reagierte mit Massenaussperrungen und versuchte, die nun 800 bis 1000 freien Stellen mit neuen Einwanderern zu besetzen. Infolge der Kampagnen der sozialistischen Arbeiter-Zeitung meldeten sich jedoch nur 300 neue Arbeiter, während in anderen Fällen Arbeiter vor der Fabrikpforte Schlange standen. Das wurde und wird bis heute als großer Sieg der Gewerkschaft gewertet.

DieUSAnarchisten

Die sieben zum Tode verurteilten Anarchisten

Drei Wochen später hielt August Spies, der Chefredakteur und Herausgeber der Arbeiter-Zeitung, am Abend des 1. Mai 1886 auf einer Arbeiterversammlung auf dem Haymarket in Chicago eine Rede. Nach der Haymarket-Versammlung – Ursprung des Arbeiterklassenbewusstseins in den USA – folgte ein mehrtägiger Streik in Chicago und führte zunächst am 3. Mai zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und der Polizei, bei der zwei Demonstranten getötet wurden.

Bei einer Protestkundgebung am Tag darauf eskalierte die Gewalt. Nach der Stürmung der friedlichen Versammlung durch die Polizei warf ein Unbekannter eine Bombe, die einen Polizisten sofort tötete und zahlreiche Polizisten wie auch Demonstranten verletzte. Sechs weitere Polizisten starben an den Folgen des Bombenanschlags. Bei dem anschließenden Gefecht, das in die US-Geschichte als Haymarket Affair eingegangen ist, wurden mehr als 200 Arbeiter verletzt; die Zahl der Toten wird mit sieben Polizisten und schätzungsweise der dreifachen Anzahl auf Seiten der versammelten Arbeiter angegeben.

Acht Anarchisten, die die Kundgebung organisiert hatten, wurden festgenommen und der Verschwörung angeklagt. Vier von ihnen, darunter der Chefredakteur und Herausgeber der Arbeiter-Zeitung, Spies, wurden durch den Strang hingerichtet, einer beging in seiner Zelle Suizid. Die noch lebenden drei wurden sechs Jahre später begnadigt.

Auf dem Gründungskongress der Zweiten Internationale 1889 wurde zum Gedenken an die Opfer des Haymarket Riot der 1. Mai als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ ausgerufen. Am 1. Mai 1890 wurde zum ersten Mal dieser „Protest- und Gedenktag“ mit Massenstreiks und Massendemonstrationen in der ganzen Welt begangen. (Quelle: wikipedia)

In diesem Buch (108 Seiten; der Herausgeber war der DGB) wird die wechselhafte und z.T. dramatische Geschichte des 1. Mai in Deutschland nacherzählt. Und es ist eine Geschichte von Anfeindungen … Arbeitgeberverbände und die konservativen Partien kämpften jahrzehntelang gegen die Einführung dieses Feiertages …  Aussperrungen und fristlose Kündigungen waren deren Machtinstrumente.

Aber der Blick in die Geschichte zeigt … der Kampf der Gewerkschaften für soziale Gerechtigkeit war nicht umsonst. Und so leben wir heute in einem Sozialstaat (bei dem wahrlich noch nicht alles im richtigen Lot ist), der aber zu den fortschrittliches Sozialsystemen weltweit geführt hat.
Darauf können die Gewerkschaftsbosse und all die tapferen Sozialdemokraten der Vergangenheit stolz sein.
Und die „neue“ SPD unter Martin Schulz erinnert sich wohl wieder mal ein bisschen an diese Tradition …. auch schon wieder Vergangenheit …

Verfasst wurde diese Schrift von Dieter Schuster:

Dieter Schuster (* 22. November 1927 in Leipzig; † 14. Januar 2019 in Düsseldorf) war ein deutscher Archivar, Bibliothekar und Historiker.

Als Schüler wurde er 1943/44 als Luftwaffenhelfer eingesetzt, ehe er 1945 von der Wehrmacht eingezogen wurde. Gegen Kriegsende geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Nach der Freilassung beendete er die schulische Ausbildung mit dem Abitur.

Im Jahr 1948 war er Volontär beim stadtgeschichtlichen Museum in Leipzig. Er verließ die DDR und studierte bis 1958 Geschichte, Germanistik und Philosophie in Bonn. Als Werkstudent arbeitete er im Parteiarchiv der SPD. Im Jahr 1958 promovierte er bei Max Braubach mit der Arbeit Das preußische Dreiklassenwahlrecht, der politische Streik und die deutsche Sozialdemokratie bis zum Jahr 1914 zum Dr. phil.

Als wissenschaftlicher Bibliothekar und Archivar verzeichnete er zwischen 1960 und 1965 zusammen mit anderen die zentralen Bestände zur deutschen Arbeiterbewegung im Internationalen Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam. Danach leitete er ab 1966 die Bibliothek und das Archiv des deutschen Gewerkschaftsbundes in Düsseldorf.

Er veröffentlichte zahlreiche Schriften zur deutschen und internationalen Gewerkschaftsbewegung. Sein Buch Die deutsche Gewerkschaftsbewegung von 1971 erreichte mehrere Auflagen. Zusammen mit Franz Osterroth verfasste er die dreibändige Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Nicht im Druck erschienen ist seine Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918. Diese wurde von der Friedrich-Ebert-Stiftung auf elektronischen Weg veröffentlicht.

Dieter Schuster starb am 14. Januar 2019 in Düsseldorf. (Quuelle: wikipedia)

Beispiel01

Beispiel02

Beispiel03

Denkschrift zur „Achstundenbewegung“

Beispiel04

Der Arbeitgeberverband Hamburg-Altona fand die 1. Mai-Feier nicht lustig und reagierte entsprechend schroff (25. April 1890)

Beispiel07

Beispiel08

Na ja, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wussten es besser …

Beispiel11

Beispiel12

Beispiel13

Beispiel16

Das traurigste Kapitel deutscher Geschichte hat begonnen.

Beispiel17

Beispiel20

Beispiel21

Aus dem DGB-Aufruf 1964

Beispiel22

Beispiel23Beispiel26
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Das Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung trauert um Dieter Schuster (1927-2019)

Dieter Schuster war als Historiker und Archivar der Geschichte der Arbeiterbewegung verpflichtet.

1927 in Leipzig geboren, gehörte Schuster den Jahrgängen an, die noch minderjährig am Ende des Zweiten Weltkrieges als Luftwaffenhelfer Dienst tun mussten. Er kehrte nach Kriegsende aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurück und schloss seine schulische Ausbildung mit dem Abitur ab. Nach einem Volontariat im Stadtgeschichtlichen Museum in Leipzig 1948 zog es ihn im Folgejahr nach Bonn, wo er ein Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie an der dortigen Universität begann. Durch Arbeiten im Parteiarchiv der SPD finanzierte Dieter Schuster seinen Lebensunterhalt. 1958 promovierte er mit einer Dissertation zum Thema „Das preußische Dreiklassenwahlrecht, der politische Streik und die deutsche Sozialdemokratie bis zum Jahr 1914“.

Als Bibliothekar und Archivar arbeitete er von 1960 bis 1964 im „Internationalen Institut für Sozialgeschichte“ (IISG) in Amsterdam, wo er dort befindliche zentrale Überlieferung der deutschen Arbeiterbewegung ordnete und verzeichnete. Ende 1964 holte ihn Werner Hansen als Mitarbeiter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) nach Düsseldorf. Er übernahm 1966 die Leitung von Archiv und Bibliothek, die er bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1992 innehatte.

Zu nennen ist darüber hinaus die Tätigkeit Dieter Schusters in einer Vielzahl von nationalen und internationalen Organisationen, die der Geschichte der Arbeiterbewegung verpflichtet sind. Hervorzuheben ist seine Verbundenheit mit der „International Association of Labour History Institutions“ (IALHI). Im Dezember 1970 gehörte er zu ihren Gründungsmitgliedern. Im Verlaufe seines Berufslebens besuchte Schuster deren Konferenzen und vertrat lange die deutschsprachigen Länder im Leitungsgremium der IALHI. Um seine Arbeit zu würdigen, wurde er nach Ende seines Berufslebens zum Honourary Member der IALHI ernannt.

Als „Hüter des Gedächtnisses der deutschen Gewerkschaftsbewegung“ verband Schuster in seinem publizistischen Arbeiten stets historische und archivarische Profession. Seine mit Franz Osterroth verfasste „Chronik der deutschen Sozialdemokratie“, die deren Geschichte von den Anfängen bis 1979 beschreibt, die online angebotene „Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918“ oder seine ebenfalls in mehreren Auflagen und in verschiedenen Sprachen erschienene Arbeit „Die deutsche Gewerkschaftsbewegung“ sind nur ausgewählte Beispiele dafür.

All dies wird ihn dem Archiv der sozialen Demokratie verbunden halten. (Quelle: socialhistoryportal.org)