Verschiedene Interpreten – Kurt Tucholsky – Chansons Prosa Briefe (1989)

FrontCover1Für mich eine mehr als lobenswerte Werkschau:

Kurt Tucholsky (* 9. Januar 1890 in Berlin; † 21. Dezember 1935 in Göteborg) war ein deutscher Journalist und Schriftsteller. Er schrieb auch unter den Pseudonymen Kaspar Hauser, Peter Panter, Theobald Tiger und Ignaz Wrobel.

Tucholsky zählt zu den bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik. Als politisch engagierter Journalist und zeitweiliger Mitherausgeber der Wochenzeitschrift Die Weltbühne erwies er sich als Gesellschaftskritiker in der Tradition Heinrich Heines. Zugleich war er Satiriker, Kabarettautor, Liedtexter, Romanautor, Lyriker und Kritiker (Literatur, Film, Musik[1]). Er verstand sich selbst als linker Demokrat, Sozialist, Pazifist und Antimilitarist und warnte vor der Erstarkung der politischen Rechten – vor allem in Politik, Militär und Justiz – und vor der Bedrohung durch den Nationalsozialismus.

1933 verboten die Nationalsozialisten die Weltbühne, verbrannten Tucholskys Bücher und erkannten ihm die deutsche Staatsangehörigkeit ab.

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Vom 14. Oktober bis zum 4. November 1935 war Tucholsky wegen ständiger Magenbeschwerden in stationärer Behandlung. Seit diesem Krankenhausaufenthalt konnte er nicht mehr ohne Barbiturate einschlafen. Am Abend des 20. Dezember 1935 nahm er in seinem Haus in Hindås eine Überdosis an Schlaftabletten. Tags darauf wurde er, im Koma liegend, aufgefunden und ins Sahlgrensche Krankenhaus nach Göteborg gebracht. Dort starb Kurt Tucholsky am Abend des 21. Dezember. Es wurde lange als gesichert angenommen, dass Tucholsky Suizid begehen wollte – eine These, die 1993 von Tucholskys Biographen Michael Hepp jedoch angezweifelt wurde. Hepp fand Anhaltspunkte für eine versehentliche Überdosierung von Medikamenten, also eine unbeabsichtigte Selbsttötung.

Die Asche Kurt Tucholskys wurde im Sommer 1936 unter einer Eiche nahe Schloss Gripsholm im schwedischen Mariefred beigesetzt. Die Grabplatte mit der Inschrift „Alles Vergängliche Ist Nur Ein Gleichnis“ aus Goethes Faust II wurde erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf das Grab gelegt. Tucholsky selbst hatte 1923 in der Satire Requiem folgenden Grabspruch für sich vorgeschlagen:
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Hier eine Zusammenstellung (von Fritz J. Raddatz) mit wichtigen Texten von Kurt Tucholsky; die Aufnahmen stammen aus den Jahren 1966 – 1970 und die Sprecher waren damals (und sind heute) bemerkenswerte Zeitgenossen der deutschen Kultur-Szene.

Markenzeichen: Respektlosigkeit

Wer Kurt Tucholsky war, hat am besten Erich Kästner beschrieben: „Ein kleiner dicker Berliner, der mit seiner Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten wollte“. Der 1890 geborene Schriftsteller verkörpert mit seiner Ruhelosigkeit und seinem unstillbaren Aktivitätsdrang die Weimarer Republik.

Tucholsky, 1890 als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Kaufmanns in Berlin geboren, ist ein rastloser Textproduzent und gilt schon bald als Institution. Zwei bis drei Artikel pro Woche liefert er seinem Stammblatt, der linksbürgerlichen Wochenzeitschrift Schaubühne; nebenbei arbeitet er noch an seiner Promotion. Er publiziert unter mehreren Pseudonymen, nennt sich Peter Panther, Theobald Tiger oder Ignaz Wrobel und verfasst spitzzüngige Kritiken, Glossen, Porträts und Kommentare.

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Sein Markenzeichen: Respektlosigkeit, bissiger Witz, muntere Polemik und eine markante politische Witterung. Die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs, den er in diversen Schreibstuben glimpflich übersteht, machen ihn endgültig zum Gegner der Armee. Der Bürger müsse erzogen werden, so seine Erkenntnis, weshalb Tucholsky seinen Produktionsrhythmus steigert und auf die Breitenwirkung von Kabarett, Revuen und Chansons setzt.

„Rote Melodie“:
„General! General!
Wag es nur nicht noch einmal!
Es schreien die Toten!
Denk am die Roten!
Sieh dich vor! Sieh dich vor!
Hör den brausend dumpfen Chor!
Wir rücken näher ran – Kanonenmann!
Vom Grab – Schieb ab- !“

So unbestechlich sein politisches Gespür, so wirr ist sein Gefühlsleben. Kurt Tucholsky kann sich Zeit seines Lebens für keine Frau endgültig entscheiden. Aber auch das weiß er künstlerisch auszuschlachten.

„Ideal und Wirklichkeit“:
„In stiller Nacht und monogamen Betten,
denkst du dir aus, was dir am Leben fehlt.
Die Nerven knistern. Wenn wir das doch hätten,
was uns, weil es nicht da ist, leise quält. „

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1924 geht Kurt Tucholsky als Korrespondent der Schaubühne, die mittlerweile in Weltbühne umbenannt wurde, nach Paris. Unablässig warnt er vor dem erstarkenden Nationalwahn in Deutschland. Für kurze Zeit übernimmt er die Leitung seiner Zeitschrift, aber das Tagesgeschäft ist seine Sache nicht, weshalb er die Herausgeberschaft 1927 an Carl von Ossietzky übergibt. Tucholsky, von den Entwicklungen in Deutschland entsetzt und gesundheitlich schwer angeschlagen, zieht sich nach Schweden zurück. Langwierige Atemwegserkrankungen, fünf Nasenoperationen und zermürbende Frauengeschichten verstärken seine Schwermut. In journalistischer oder literarischer Arbeit sieht er keinen Sinn mehr. In einem Brief an Walter Hasenclever zieht er 1933 eine bittere Bilanz.

Brief an Walter Hasenclever:
„Ich werde nun langsam größenwahnsinnig – wenn ich zu lesen bekomme, wie ich Deutschland ruiniert habe. In zwanzig Jahren hat mich immer dasselbe geschmerzt: wie ich nicht einen Schutzmann von seinem Posten wegbekommen habe. Ich glaube nicht, daß Hitler kippt. Warum auch. Europa sieht, wie gelähmt, zu, wie der neue Krieg vorbereitet wird – die Kriegsindustrie hat zu tun, Herr Daladier ist taktvoll, das Foreign Office eiskalt. Und so kommen die drei Jahre zustande, die jener braucht, um loszulegen. „

Kurze Zeit später wird Kurt Tucholsky ausgebürgert. Gequält von Schmerzen nimmt er regelmäßig Schlafmittel. Am 21. Dezember 1935 stirbt er. Ob sein Tod auf Medikamentenmissbrauch zurückzuführen ist, bleibt ungewiss. (Maike Albath)

Diese Werkschau ist ein beeindruckendes Dokument aus vergangenen Zeiten und zuweilen immer noch hochaktuell.

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Besetzung:
nun ja … siehe unten

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Titel:

Chansons:
01. Gisela May & Studioorchester Henry Krtschil: Das Leibregiment (Heymann) 3.33
02. Günter Pfitzmann & Roger Bean und Ensemble: An die Berlinerin (Bienert) 2.24
03. Günter Pfitzmann & Roger Bean und Ensemble: Mutterns Hände (Bienert) 1.36
04. Gisela May & Studioorchester Henry Krtschil: Augen In Der Großstadt (Fischer) 2.08
05. Ursula Herking & Edmund Nick und Ensemble: Der deutsche Mann (Bienert) 2.12
06. Gisela May & Studioorchester Henry Krtschil: Die Nachfolgerin (Eisler) 1.19
07. Günter Pfitzmann & Roger Bean und Ensemble: Ideal und Wirklichkeit (Bienert) 2.12
08. Helen Vita & Heinz Brüning nd Ensemble: Stoßseufzer einer Dame in bewegter Nacht (Brüning) 3.08
09. Hanne Wieder & Heinz Brüning und Ensemble: Nur das (Bienert) 2.29

Prosa:
10. Grete Weiser: Lottchen beichtet 1 Geliebten 4.29
11. Ernst Ginsberg; Herr Wendriner betrügt seine Frau 5.47

Chansons:
12. Gerd Vespermann & Heinz Brüning Und Ensemble: Park Monceau (Bienert) 1.42
13. Ernst Busch (& Adolf Fritz Guhl: Piano): Anna Luise (Eisler) 4.58
14. Ernst Busch (Walter Olbertz: Harpsichord): Sehnsucht Nach Der Sehnsucht (Eisler) 2.05
15. Ernst Busch & Instrumentalgruppe (Adolf Fritz Guhl, Walter Goehr): Bürgerliche Wohltätigkeit 1929 3,01
16. Kate Kühl & Bert Grund und Ensemble: Rote Melodie (Hollaender) 2.52
17. Kate Kühl & Bert Grund und Ensemble (Herbert Jarczyk): Der Graben (Eisler) 2.29
18. Ernst Busch & Instrumentalgruppe (Adolf Fritz Guhl, Walter Goehr): März 1919 – Das Lied vom Kompromiß (Eisler) 3.31
19. Ernst Busch (Adolf Fritz Guhl: Orgel): An den deutschen Mond (Eisler) 3.23
20. Kate Kühl & Bert Grund Und Ensemble): Singt eene uff’n Hof (Bienert) 1.60

Briefe:
21. Erich Schellow: Brief an Arnold Zweig 2.23
22. Erich Schellow: Lieber Leser 1.07
23. Erich Schellow: Brief an Walter Hasenclever 7.00
24. Erich Schellow: Brief an Mary Gerold-Tucholsky 4.28

Alle Texte: Kurt Tucholsky

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Mehr von Kurt Tucholsky in diesem Blog:
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Gedenktafel in Berlin (Friedrich-Wilhelm-Platz):
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Kurt Tucholsky: Rosen auf den Weg gestreut (1931)

Mein Dank geht an UNO für dieses Gedicht aus fernen Zeiten … und doch so nah …

Rosen auf den Weg gestreut

… von Kurt Tucholsky (1890 – 1935)

Ihr müßt sie lieb und nett behandeln,
erschreckt sie nicht – sie sind so zart!
Ihr müßt mit Palmen sie umwandeln,
getreulich ihrer Eigenart!
Pfeift euerm Hunde, wenn er kläfft –:
Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft!

Wenn sie in ihren Sälen hetzen,
sagt: »Ja und Amen – aber gern!
Hier habt ihr mich – schlagt mich in Fetzen!«
Und prügeln sie, so lobt den Herrn.
Denn Prügeln ist doch ihr Geschäft!
Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft.

Und schießen sie –: du lieber Himmel,
schätzt ihr das Leben so hoch ein?
Das ist ein Pazifisten-Fimmel!
Wer möchte nicht gern Opfer sein?
Nennt sie: die süßen Schnuckerchen,

gebt ihnen Bonbons und Zuckerchen …
Und verspürt ihr auch
in euerm Bauch
den Hitler-Dolch, tief, bis zum Heft –:
Küßt die Faschisten, küßt die Faschisten,
küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft –!

(Theobald Tiger
Die Weltbühne, 31.03.1931, Nr. 13, S. 452.)

Verschiedene Interpreten (librivox) – Adventskalender 2011

FrontCover1Der Brauch, im Dezember einen Adventskalender zu haben, ist ein typisch deutscher Brauch, wie ich neulich im Radio erfuhr:

Der in der Adventszeit nicht mehr wegzudenkende Adventskalender entstand erst am Anfang des 20. Jahrhunderts. So ganz genau weiß man es nicht, aber in den meisten Quellen ist seine Entstehung auf das Jahr 1902 datiert.

Die eigentlichen Ursprünge lassen sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. In religiösen evangelischen Familien wurden im Dezember 24 Bilder nach und nach an die Wand gehängt. Eine andere Variante waren 24 an die Tür oder Wand gemalte Kreidestriche, von denen die Kinder jeden Tag einen wegwischen durften. Oder es wurden Strohhalme in eine Krippe gelegt, für jeden Tag bis zum Heiligen Abend.

Die wohl früheste Form des Adventskalenders stammt aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Angeblich bastelte eine evangelische Pfarrersfrau für ihren kleinen Sohn Gerhard Papierschachteln und legte in jede ein leckeres Plätzchen hinein. Jeden Tag durfte er nun ein Schächtelchen öffnen und das süße Gebäck verspeisen. So wurde Gerhard die Zeit bis Weihnachten nicht zu lange.

Mittlerweile findet man in immer mehr Städten Häuser, die in Adventskalender umgewandelt wurden. Jeden Tag wird hier buchstäblich ein Fenster oder Fensterladen geöffnet. Hier das Wallenfels’sche Haus in Gießen.

Gerhard Lang erinnerte sich offenbar gut an seine Kindheitstage und entwickelte Anfang des 20. Jahrhunderts den ersten Adventskalender. Der war noch fensterlos. Er bestand aus zwei Blättern, auf einem waren Zahlen, auf dem anderen Engelsbilder. Jeden Tag wurde ein Engel ausgeschnitten und auf eine Zahl geklebt. Andere Quellen berichten allerdings davon, dass der erste gedruckte Adventskalender im Jahr 1902 von einer Buchhandlung in Hamburg gedruckt wurde. Das war eine Weihnachtsuhr für Kinder.

Seit etwa 1920 erscheinen die Adventskalender, wie wir sie heute kennen: mit Türchen zum Öffnen. In den sechziger Jahren wurden die ersten Schoko-Adventskalender hergestellt. Heute kann man beinahe jede Art von Überraschung hinter den Türchen des Adventskalenders finden. Am schönsten sind und bleiben aber die selbst gefüllten und selbst gebastelten. (Quelle: wasistwas.de)

Im Lande des Christkinds 1903, Nachdruck 1915

Im Lande des Christkinds 1903, Nachdruck 1915

Hier nun ein akustischer Adventskalender aus dem Jahr 2011, veröffentlicht von der großartigen librivox, somit allesamt gemeinfreies Material.

Und natürlich hört man den amateurhaften Charakter der Aufnahmen zuweilen mehr als deutlich (z.B. bei „Vom langen Winter“); aber die meisten der 24 Geschichten sind gut zu hören .. .man darf z.B. bei „Knecht Ruprecht“ schmunzeln …

Die Länge der Texte ist extrem unterschiedlich, von kleinen Minuten-Nummern bis hin zu 45minütigen Testen („Einer Weihnacht Lust und Gefahr“) reicht das Spektrum. Mir persönlicher sind die längeren Texte lieber, kann man sich dann doch viel stärker in die jeweilig Magie der Worte einfühlen.

Wir hören Werke von deutschen Klassikern wie Christian Morgenstern, Joseph von Eichendorff, Rainer Maria Rilke oder Theodor Storm; es gilt aber auch unbekanntere Dichter zu entdeckt. Und selbst Kurt Tucholsky und der Anarchist Erich Mühsam sind zu hören.

Also genau jene bunte Mischung, die ich immer wieder schätze bei Sammlungen dieser Art.

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Titel:
01. Christian Morgenstern: Wenn es Winter wird  (Sonja) 1.27
02. Heinrich Pröhle: Vom langen Winter (Elli) 8.33
03. Joseph von Eichendorff: Letzte Heimkehr (Ann-Kathrin Hänsch) 3.22
04. Anonymous: Sagen aus Tirol – Die mutige Magd im Wattenser Tal (Availle) 6.59
05. Rainer Maria Rilke: Advent (Patrick Wallace) 1.05
06. Theodor Storm: Knecht Ruprecht (Kara Shallenberg) 2.08
07. Christian Morgenstern: Neuschnee (Sonja) 0.55
08. Max Dauthendey: Wintersonne  (Hokuspokus) 3.03
09. Peter Rosegger: Einer Weihnacht Lust und Gefahr (muede) 41.32
10. Adolf Schwayer: Frau Bettis Christgeschenk (Kalynda) 21.23
11. Heinrich Heine: Altes Kaminstück (Patrick Wallace) 2.08
12. Ottilie Wildermuth: Bärbele’s Weihnachten (Elli) 29.42
13. Erich Mühsam: Weihnachten (Herman Roskams) 1.50
14. Friedrich Gerstäcker: Deutsche Christbäume im Ausland (Hokuspokus) 9.28
15. Frances Milton Trollope: Die Weihnachtsbescherung der Fürstin Metternich (Availle) 6.34
16. Paula Dehmel: Frohe Botschaft (Elli) 1.07
17. Joseph von Eichendorff: Weihnachten (Ann-Kathrin Hänsch) 1.35
18. Helene Stökl: Vom Bübchen vor der Himmelsthür (Elli) 12.48
19. Friedrich Schiller: Winternacht (Bastian Hepp) 5.11
20. Heinrich Seidel: Ein Weihnachtsmärchen (Hokuspokus) 28.45
21. Christian Fürchtegott Gellert: Das Weihnachtslied (Elli) 2.02
22. Adolf Schwayer: Wie Herr Schoißengeyer zu einem Christkindl kam (Karlsson) 29.30
23. Kurt Tucholsky: Großstadt-Weihnachten (evha) 1.57
24. Martin Luther: Am Heiligen Christtag (Karlsson) 18.04

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Lutz Görner – Trunken von Gedichten (2000)

FrontCover1.jpgAlso eigentlich bin ich mit der deutschen und sonstigen Lyrik weder vertraut, noch wurde ich bisher mit ihr  besonders warm (mit wenigen Ausnahmen) … Das änderte sich ziemlich schlagartig, als ich diese Doppel-CD hörte:

Lutz Görner (* 1. Januar 1945 in Zwickau) ist ein deutscher Rezitator.

Görner wuchs im Rheinland auf und stand als Schüler in Statistenrollen und als Tänzer im Stadttheater Aachen auf der Bühne. Er wollte zunächst Theaterintendant werden, studierte in Köln Theaterwissenschaft, Germanistik, Kunstgeschichte, Philosophie und Soziologie und besuchte dort die Schauspielschule. Es folgten Tätigkeiten an verschiedenen deutschen Bühnen als Bühnenarbeiter, Requisiteur, Schauspieler und Regisseur. Politisch organisierte sich Görner viele Jahre in der DKP.

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Lutz Görner, ca. 1977

Mitte der 1970er Jahre war Görner zunächst in München als Rezitator der Werke Heinrich Heines tätig. 1981 unternahm er zusammen mit Tahsin İncirci eine Tournee durch Deutschland unter dem Titel Ich liebe mein Land als Rezitator der Werke Nâzım Hikmets. Bis 1988 arbeitete er eng mit Ulrich Türk zusammen, der seine Programme und LPs musikalisch ausgestaltete. Programme wie Goethe für alle öffneten ihm die Stadttheater und Spielstätten auf der ganzen Welt. Görners Interpretation von Heinrich Heines Gedicht Deutschland – Ein Wintermärchen hatte im Großen Saal der Glocke in Bremen seine 1.000 Aufführung. Görner ging mit Programmen wie Droste für alle, einem Brecht-Programm (musikalisch begleitet von Oliver Steller, Dietmar Fuhr und Bernd Winterschladen) und über Friedrich Schillers Opiumschlummer und Champagnerrausch (mit Stefan Sell) auf Tournee. Von 1992 bis 1999 leitete Görner in Köln sein eigenes „Rezitheater“.

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1994 – Lasker-Schüler: Deutsche Dichterin

Im Fernsehen war Görner von 1993 bis 2010 durch die 200-teilige Serie „Lyrik für alle“ vertreten, eine kleine gesprochene Literaturgeschichte der Lyrik vom Barock bis heute, die jeden Sonntagmorgen bei 3sat gesendet wurde.

Seit 2012 tritt Görner im Rahmen von ihm inszenierter und begleiteter Klavierabende auf. Diese Abende sind eine Mischung aus Literatur und Musik von Komponisten, meist des 19. Jahrhunderts. Bisher sind Programme über Franz Liszt, Frédéric Chopin, Richard Wagner, Ludwig van Beethoven und Franz Schubert sowie italienische Musik von Rossini, Donizetti, Bellini, u. a. unter dem Titel Eine italienische Nacht entstanden.

Lutz Görner lebt im Oberbergischen bei Köln. (Quelle: wikipedia)

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1998 – Zauberlehrling & Co von li Gerd Harder, Marcel Mader, Lutz Görner, Oliver Steller.

Und hier ein Querschnitt seines Schaffens … diese Doppel-CD trägt daher auch den Untertitel „Die fünfzig schönsten Texte aus fünfundzwanzig Jahren Rezitation“. Und es entfaltet sich vor uns ein wahrlich prachtvolles Kaleidoskop überwiegend deutscher Sprachgewalt, gewaltig diese Brandbreite … veredelt durch diesen Lutz Görner … ein Meister seines Fachs, wie er all diese Sprachklänge modulieren kann … betonen und somit den Kern einer Lyrik herausarbeitet … das ist wirklich famos !

Doch damit nicht genug: Görner nutzt dieses Best Of Album auch für sehr persönliche Rückschau auf seine Karriere wirft und dabei auch die Rückschläge nicht unter den Tisch fallen lässt.

Interessant auch sein Wandel vom politischen Rezitator hin zu einem, der sich auch an die deutschen Klassiker heranwagte. Und Görner bezeichnet sich im übrigen auch weiterhin als ein „68er“. Da steht mal wieder einer zu seiner Biographie und seinen Prägungen.

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2003 – Pessefoto Brecht-Programm. (v.l. Oliver Steller, Lutz Görner, Bernd Winterschladen, Dietmar Fuhr)

Von daher ein ganz besonderes Album. Leider lag meinem Exemplar (gebraucht erworben) kein Begleitheft bei, eigentlich ganz und gar nicht vorstellbar bei dem hochwertigem Naxos Label … Sehr schade !

Na, jedenfalls wird sich hier zukünftig mehr Lyrik tummeln und der Lutz Görner ist daran schuld !

Zwei erste und zwar dringende Empfehlungen: „Die Wahlesel“ (Heinrich Heine, passend zur Landtagswahl in Bayern) und „Krieg dem Kriege“ (Kurt Tucholsky, passend zur Weltlage).

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2013: Lutz Görner im Wagner-Museum in Bayreuth

Besetzung:
Lutz Görner (Sprecher)

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Titel:

CD 1:
01. Robert Gernhardt: Seht mich an, der Fuß der Zeit… 2.21
02. Christian Hoffmann: Von Hoffmannswaldau bei Antretung des 55. Jahres 1.49
03. Heinrich Heine: Vorrede zu „Geschichte der Philosophie“ 2.23
04. Johann Wolfgang von Goethe: Gedichte 1.04
05. Novalis: Wenn Nicht Mehr Zahlen Und Figuren… 0.41
06. Joseph von Eichendorff: Schläft ein Lied in allen Dingen… 0.29
07. Robert Gernhardt: Gedichte sind Beschissen… 2.57
08. Heinrich Heine: Die Wahlesel 6.08
09. Kurt Tucholsky: Krieg dem Kriege 6.03
10. Bertolt Brecht: Diese Arbeitslosigkeit 2.11
11. Theodor Storm: Der Lump 2.23
12. Nazim Hikmet: Ich liebe mein Land 1.58
13. Nazim Hikmet: Die Mehrzahl der Menschen 1.34
14. Nazim Hikmet: Das Meer muß man sein 1.35
15. Louis Fürnberg: Das Nußbaumblatt 2.25
16. Johann Wolfgang von Goethe: Monolog aus Faust II.Teil 7.12
17. Unbekannt König Salomo: Aus dem Buch Prediger: Es ist alles ganz eitel… 6.32
18. Wilhelm Busch: Vorwort aus „Maler Klecksel“ 6.36
19. Wilhelm Busch: Der alte Narr 1.35
20. Wilhelm Busch: Verlust der Ähnlichkeit 1.49
21. Heinrich Heine: Die Launen der Verliebten 3.20
22. Johann Wolfgang von Goethe: Über allen Gipfeln ist Ruh… 1.15
23. Theodor Fontane: Herr von Ribbeck auf Ribbeck… 3.07
24. Peter Maiwald: Das Meer 0.56

CD 2:
01. Robert Gernhardt: Folgen der Trunksucht 1.46
02. Berns: Lob der Schwarzen Kirschen 2.02
03. Robert Gernhardt: Ein Gleichnis 1.18
04. Robert Gernhardt: Monolog des Prinzen von Hamburg 3.14
05. F. W. Bernstein: Aus dem Schmatzkästlein… 4.32
06. Hadamar von Laber: Kometorik 1.47
07. Gotthold Ephraim Lessing: Der über uns 3.52
08. Clemens Brentano: Singet leise, leise, leise… 0.43
09. Clemens Brentano: Hörst du, wie die Brunnen rauschen… 2.18
10. Eduard Mörike: An einem Wintermorgen vor Sonnenaufgang 2.28
11. Matthias Claudius: Der Mensch 1.19
12. Matthias Claudius: Die Sternseherin Lise 2.20
13. Else Lasker-Schüler: Ein Alter Tibetteppich 1.16
14. Else Lasker-Schüler: Mein blaues Klavier 1.43
15. Annette von Droste-Hülshoff: Mondesaufgang 4.45
16. Joachim Ringelnatz: Seepferdchen 2.13
17. Joachim Ringelnatz: Überall 1.01
18. Joachim Ringelnatz: Cassel 2.33
19. Christian Morgenstern: Die Schildkröte 1.08
20. Christian Morgenstern: Der Hecht 0.43
21. Christian Morgenstern: Das Wasser 0.39
22. Christian Morgenstern: Das Butterbrotpapier 2.47
23. Christian Morgenstern: Drei Hasen 2.03
24. Johann Wolfgang von Goethe: An Den Mond 3.01
25. Joachim Ringelnatz: Zum Aufstellen der Geräte (live) 2.33
26. Kurt Tucholsky: Ein deutsches Volkslied (live) 8.57
27. Johann Wolfgang von Goethe: Umsonst (live) 2.25
28. Patrizia Fortenkopp: Ohne Titel (live) 1.36

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Das Schönste an Lutz Görner ist, dass er unprätentiös mit ein paar gebrochenen verspielten Gesten seine gut pointierten Texte spricht und mit ironischem Spaß die Dichtung und das Leben der Dichter zu trennen und aufeinander zu beziehen weiß. (Süeddeutsche Zeitung)