Herbert Hefft – Lorbas und Marjellchen – Heiteres aus Ostpreußen (1962)

FrontCover1Die Geschichte Ostpreußens ist auch die Geschichte des Untergangs einer deutschen Provinz

Ostpreußen war über Jahrhunderte ein Teil Deutschlands und ist deswegen bis heute eng mit der deutschen Kultur verbunden. Die Vertreibung und Enteignung von Millionen Ostpreußen im Zweiten Weltkrieg haben nicht nur das Land entvölkert, sondern auch die deutsche Lebensart dort fast völlig ausgelöscht. Die Region wurde geteilt, bekam neue Grenzen, neue Bewohner und neue Städtenamen. Der nördliche Teil wurde sowjetisch, der südliche polnisch. Beide Regionen entwickelten sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr unterschiedlich.

Die preußische Provinz Ostpreußen war von 1871 bis 1945 der östlichste Landesteil Deutschlands. Hier herrschten adelige Gutsbesitzer wie die Fürsten zu Dohna, die Grafen Finckenstein oder die Grafen Dönhoff, die große Ländereien besaßen, Getreide und Kartoffeln anbauten und oft auch Pferdezucht betrieben. Um 1900 hatte Ostpreußen etwa zwei Millionen Einwohner, rund drei Viertel der Bevölkerung lebten von der Landwirtschaft.

Bereits um 1900 wurden in Ostpreußen moderne Agrar-Techniken entwickelt und angewandt. So gab es ein ausgeklügeltes Drainagesystem mit Pumpen und Kanälen, um der weit verbreiteten Moorlandschaft das Wasser zu entziehen und diese als Agrarfläche nutzbar zu machen. Den daraus resultierenden reichen Ernten verdankte Ostpreußen seinen Namen als „Kornkammer Deutschlands“.

Karte

Doch immer wieder geriet Ostpreußen während Kriegen zwischen die Fronten. Im Ersten Weltkrieg etwa wurde die Provinz Aufmarschgebiet für den deutschen Feldzug gegen Polen und zeitweilig von russischen Truppen besetzt.
Auf der Karte sind die ehemaligen Gebiete Ostpreußens in den Grenzen vor 1945 zu sehen.

Als der Erste Weltkrieg vorüber war, wurde Deutschland die alleinige Schuld am Krieg gegeben. Die Siegermächte beschlossen im Versailler Friedensvertrag von 1918, große Teile Westpreußens, Danzig, die ostpreußische Stadt Soldau und das Memelgebiet vom Deutschen Reich abzutrennen und dem polnischen Staat zu übertragen.

Ostpreußen wurde durch den „polnischen Korridor“, einen 30 bis 90 Kilometer breiten Landstreifen, der Polen den Zugang zur Ostsee ermöglichte, vom Deutschen Reich getrennt und somit eine Exklave.

Ostpreußen03

Aus dem Jahr 1895

Ostpreußen geriet durch den Korridor auch in eine wirtschaftliche Isolation, die sich in der Weltagrarkrise 1928 zu einer Notlage entwickelte. Durch den Preisverfall von Roggen und Kartoffeln sowie wegen höherer Steuern drohte vielen Gutshöfen der Bankrott. Das hätte Hunger und Elend für die Mehrheit der Bevölkerung bedeutet.

Deshalb beschloss die Regierung der Weimarer Republik die Osthilfe. Sie beinhaltete Steuersenkungen, Kredithilfen und Frachtkostenerstattung für Großbetriebe. Ostpreußen hing fortan am Tropf des Reichshaushaltes.

Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum deutschen Reichskanzler im Jahr 1933 übernahmen die Nationalsozialisten auch in Ostpreußen die Macht. Während des Zweiten Weltkrieges war die Provinz lange die Befehlszentrale für den Ostfeldzug Hitlers. Vom „Führerhauptquartier Wolfsschanze“ im heutigen Polen dirigierte der deutsche Diktator bis Ende 1944 seine Truppen.

Ostpreußen01

Krieg …

Der Roten Armee gelang es 1944 schließlich, bis an die deutsche Ostgrenze vorzudringen. Doch die Evakuierung der ostpreußischen Gebiete wurde von den Behörden zu spät eingeleitet, da die nationalsozialistische Führung immer noch einen deutschen Sieg propagierte.

Ein halbes Jahr später wurde Ostpreußen von der Roten Armee überrollt, die Bevölkerung musste überstürzt fliehen. Von 2,6 Millionen Einwohnern flohen mehr als 1,4 Millionen Menschen im Januar 1945 und versuchten unter grausamen Bedingungen Ostpreußen zu verlassen.

Ostpreußen02

… und Vertreibung

Es war ein harter Winter mit Temperaturen bis minus 30 Grad Celsius, und immer wieder gerieten die Flüchtlinge zwischen die Fronten. Die Feuergefechte, Fliegerangriffe, Minen und nicht zuletzt die Kälte kosteten rund 311.000 Menschen das Leben.

Nach Kriegsende wurde der Untergang Ostpreußens offiziell besiegelt, die Provinz von den Siegermächten aufgeteilt. Das nördliche Gebiet ging an die Sowjetunion, der südliche Teil wurde polnisch. (Eva Mommsen)

Und unter der Motto „Frohe und besinnliche Erinnerungen an die alte Heimat“ erschien im Gräfe und Unzer Verlag u.a. auch diese 10″ LP.

Herausgegeben hatte sie ein Dr. Hertbert Hefft (über den fand ich keinerlei Informationen, außer dass er mehrere Alben dieser Art zusammenstellte).

Heiteres aus Ostpreußen bedeutet hier Texte von Heimat- und Mundart Dichtern zusammenzustellen, darunter auch Texte von Robert Johannes:

Robert Johannes wurde 1846 in Insterburg unter seinem bürgerlichen Robert Lutkal geboren. Nach Beendigung des Gymnasiums und einer Uhrmacherlehre ging er mit 23 Jahren zum Theater. Er spielte in Tilsit und Memel und wirkte zehn Jahre als Charakterkomiker am Königsberger Stadttheater. Später trat er in Hamburg, Lübeck und Berlin auf.

Postkarte Insterburg

Ale Postkarte von Insterburg

Als 45jähriger begann er mit der Rezitation eigener und fremder Texte. In seinem „Deklamatorium“, das in neun Bänden erschien und immer wieder nachgedruckt wurde, bezeichnete er sich selbst als „Erster ostpreußischer Dialektrezitator“. Der Erfolg gab ihm recht. Er beherrschte das Platt seiner Heimat, vor allem aber das sogenannte „Missingsch“, eine Mischform zwischen dem ursprünglichen Platt und dem Hochdeutschen.
Robert Johannes starb 1924 in Königsberg. (ostpreussen-humor.de)

Einerseits könnte man die Texte als schlicht bezeichnen, aber damit würde man ihnen nicht wirklich gerecht. Sie haben oft eine erfrischende Bauernschläue und natürlich auch jede Menge Sentimentalität. Die Äußerungen von Immanuel Kant zum Wesen der Frau im allgemeinen und besonderen sind allerdings ehr dümmlicher Natur.

Na,und dann habe ich dieses schöne Zitat gefunden:

Ich bin sicher, daß der ostpreußische Humor auch Nichtostpreußen erfreuen wird. Bei Ostpreußen werden die vertrauten Klänge Bilder einer längst vergangenen, aber unvergessenen Welt und wehmutsvolle Erinnerungen wachrufen. Doch gehört es ja zur Wesensart echter Ostpreußen, „mit einer Träne im Auge lächelnd dem Leben beizupflichten“.(Heinrich Ehlert)

Dieses Album wird eröffnet und geschlossen mit der alten Volksweise „Zogen einst fünf wilde Schwäne“:

Zogen einst fünf wilde Schwäne ist ein Volks- und Antikriegslied aus Westpreußen, Ostpreußen und dem Memelland.

Überregional bekannt wurde das Lied durch den ostpreußischen Volkskundler Karl Plenzat, der die Weise 1918 in seine Sammlung Der Liederschrein aufnahm. Aufgrund der Angaben von Plenzat wurde das Lied bis 2005 als litauisches Volkslied eingeordnet. Die Veröffentlichung älterer Niederschriften durch eine Volksliedforscherin des Deutschen Volksliedarchivs im Jahr 2005 deutet darauf hin, dass das Lied eher aus den deutschen Siedlungsgebieten um die Danziger Bucht stammt.

Schwäne

Der eingängige und mit seinen eindringlichen Wiederholungen nahezu lakonische Text thematisiert die einschneidenden Folgen des Krieges. Nach der Veröffentlichung im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs traf das Lied auf die Ernüchterung und Stimmungslage in der Zwischenkriegszeit und wurde sehr schnell von der deutschen Jugendbewegung aufgegriffen und ab Mitte der 1920er Jahre in Gesamtdeutschland verbreitet. Ab 1935 eliminierten die Nationalsozialisten das Lied nahezu vollständig aus dem gedruckten Liedrepertoire. Nach den Entbehrungen des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit traf das Lied erneut den Nerv der Zeit. Ende der 1970er Jahre griff die Friedensbewegung das Lied verstärkt auf und es wurde von verschiedenen Liedermachern vorgetragen, beispielsweise von Hannes Wader und vom Folk-Duo Zupfgeigenhansel. In der Erinnerungskultur der Heimatvertriebenen aus West- und Ostpreußen spielt das Lied eine wichtige Rolle. In verschiedenen Buchtiteln wurde es als Liedincipit verwendet. (Quelle: wikipedia)

Tharau

Quelle: Bildarchiv Ostpreußen
Das Lied lernte ich durch meine 1. Frau kennen, deren Mutter stammte aus Ostpreußen.

Und ich kann mich noch gut an ihre feuchten Augen erinnern, wenn wir das Lied gemeinsam gesungen haben … Heute kann ich diesen Schmerz, die eigene Heimat verloren zu haben, viel besser nachempfinden.

Von daher habe ich diese LP auch mit viel Respekt gehört.

BackCover1

Besetzung:
Herbt Hefft (Sprechen)
+
Es spielen Irmgard und Karl Wimmer

Ostpreußen04

Titel:

01. Lorbas und Marjellchen – Heiteres aus Ostpreußen (Teil 1): (15.16)
01.1. Zogen einst fünf wilde Schwäne
01.2. Der Bauer Schneidereit
01.3. Öck bön emol önne Stadt gewäse
01.4. Mein Jettchen
01.5. Fräuleinche
01.6. Eine dralle Ostpreußenmarjell
01.7. Ostpreußische Kinderchens
01.8. Ein Kind

02. Lorbas und Marjellchen – Heiteres aus Ostpreußen (Teil 2): (14.01)
02.1. Schöne ostpreußische Sprichwörter
02.2. In der langen Winterszeit
02.3. Ging ein Weiblein Nüsse schütteln
02.4. Immanuel Kant
02. 5. Amalie
02.6. Polka
02.7. Unsere ostpreußische Mundart
02.8. Zogen einst fünf wilde Schwäne

LabelB1

*
**

Braunsberg

Braunsberg/Ostpreußen