Percewood’s Onagram – Ameurope (1974)

FrontCover1Die waren für mich eine der Kultgruppen der frühen 70er Jahre:

Percewood’s Onagram war eine deutsch-amerikanische Band um Wolfgang Michels mit Sitz in Bremen und Delmenhorst.

Die Band existierte von 1969 bis 1974 und veröffentlichte vier Alben bei ihrer eigenen Plattenfirma Virgin. Das Label von Percewood’s Onagram namens Virgin wurde noch vor dem Bestehen der gleichnamigen Firma von Richard Branson etabliert, was sie zur ersten „Independent“-Band Deutschlands macht. Alexis Korner förderte die Gruppe und schrieb die Liner-Notes für das Debütalbum.

Percewood’s Onagrams Vorreiterrolle in der deutschen Rockmusik zeigte sich in ihrem unorthodoxen musikalischen und textlichen Stil sowie einer für die damalige Zeit provokanten Coverartwork ihrer Alben (eine Plattenhülle zeigte ein seitenverkehrtes Hakenkreuz, ursprünglich ein Sonnensymbol in der indischen Mythologie).

Der Gruppenname geht zum einen auf Mike Percewood zurück, eine „von Wolfgang Michels erdachten Gestalt aus dem schottischen Hochland, um die herum Michels mysteriöse Geschichten sponn“.

Percewood´s Onagram01

„Onagram“ kann man als „on a gram“ (wörtlich übersetzt: auf einem Gramm) lesen, was so viel bedeutet wie „high sein“ (durch ein Gramm Haschisch). „Percewood’s on a gram“ hieße demnach „Percewood ist bekifft“. Zum anderen kann man es als Intonation von „Anagramm“ begreifen. Somit könnte man „Percewood’s Onagram“ auch frei mit „Percewoods Umwandlung“ übersetzen.

Ähnlich wie die Punk-Bands 1976 war die Gruppe zu provokant und eigenwillig, um ein Massenpublikum zu erreichen. Dies lag zum einen an der ungewöhnlichen, sich einer klaren stilistischen Zuordnung verweigernden Musik, zum anderen an den teilweise sehr kritischen und provozierenden Texten.

Das Fernsehen entdeckte die Gruppe: 1970 traten sie erstmals in der ARD-Sendung IN 2/70 auf. Weitere Auftritte u. a. bei Radio Bremen folgten.

Percewood´s Onagram02

Percewood’s Onagram waren eine der ersten originär progressiven deutschen Rockbands, die gegen den musikalischen Strom schwammen: Während die sog. Krautrock-Bands sich u. a. der elektronischen Musik bzw. Improvisationen zuwandten, arbeiteten Percewood’s Onagram primär im akustischen Genre. Die Kompositionen von P.O. waren eigenwillig und wiesen klare Songstrukturen auf, während die übrigen deutschen Bands sich primär Soundexperimenten hingaben.

Das vierte und letzte Album Ameurope war das ausgereifteste Werk der Gruppe, die für diese Produktion um zwei Amerikaner – Peter Conant-Schaffer an der Lead-Gitarre und Geary Priest am Schlagzeug – ergänzt wurde.

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Cause Me Pain und I’ve Got My Woman entwickelten sich 1974 in Underground-Discos zu veritablen Insider-Hits. Gerade Conant-Schaffers Gitarrenarbeit veredelte die Songs geschrieben und gesungen von Wolfgang Michels auf Ameurope kongenial. Die Arbeit des Ton-Ingenieurs Richard Borowski tat ihr Übriges, um das Album zum „Klassiker der deutschen Rock-Geschichte“ werden zu lassen.

Auf der Höhe ihres kreativen Schaffens löste die Gruppe sich auf, deren Musik bis in die Gegenwart Relevanz hat, wie regelmäßige Wiederveröffentlichungen beweisen.

1984 – zehn Jahre nach der Auflösung der Gruppe – löste das Doppelalbum 1969–1974 ein erneutes Interesse an der Gruppe aus. Zuletzt veröffentlichte Warner Music 2003 alle Alben der Gruppen – neben dem Michels-Solo-Gesamtwerk – in remasterter Version und mit diversen unveröffentlichten Bonus-Tracks versehen.

Wolfgang Michels01

Sänger, Gitarrist und Komponist Wolfgang Michels schlug nach dem Ende von P.O. eine erfolgreiche Solokarriere ein, nahm als erster deutscher Musiker in den USA auf und arbeitete u. a. mit Rio Reiser zusammen. Rio Reiser und Wolfgang Michels lernten sich über den Toningenieur Richard Borowski kennen, der in den frühen 1970er Jahren Aufnahmen von Percewood’s Onagram und Ton Steine Scherben betreute.

Peter Conant-Schaffer aus San Francisco arbeitete auch nach dem Ende von Percewood’s Onagram mit Wolfgang Michels zusammen und spielte auf den Michels-Alben Full Moon California Sunset und Crazy Enough Leadgitarre. Die Spuren von Geary Priest, ebenfalls Amerikaner, verlieren sich. Klaus Kaufmann ist als Erfinder tätig. Jojo Ludwig widmet sich dem „theater 1“ in Bad Münstereifel mit Christiane Remmert. Kaka Neumann ist heute Professor für Kunst in Köln.

Since I met you my darling, ursprünglich mit englischem Text auf dem Album Ameurope erschienen, wurde 1985 von Rio Reiser mit deutschem Text als Herzverloren eingespielt (erschienen 2003 auf dem Tribute-CD Familienalbum). Lonely Place von Ameurope erschien mit deutschem Text, geschrieben von Rio Reiser, als Bald zuhause ebenfalls auf dem Familienalbum.

Bei der Deutschland-Tour 2003, die vom WDR-Rockpalast in der „Harmonie“ in Bonn dokumentiert wurde, spielte Michels u. a. auch Percewood’s-Onagram-Klassiker wie Who’s The Sailor, Cause Me Pain, Leaders.[4]

Im April 2008 erschien das Michels-Album Zuhause mit einer neuen Version von Bald zuhause (im Original Lonely Places von Percewood’s Onagram). (wikipedia)

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Und hier ihre 4. und zugleich letzte LP, jene mit dem seitenverkehrtem Hakenkreuz-Cover:

Man mag sich angesichts dieses Covers (die Originalgrafik ist nicht schwer zu erraten) fragen, was sich Wolfgang Michels dabei wohl gedacht hat und ob diese LP in die „Rechte Szene“ eingeordnet werden muss. Dies ist ganz sicher nicht der Fall, die Songtexte sprechen eine deutliche Sprache und zeugen genau vom Gegenteil. Die Absicht von Michels war vielmehr, eine Protesthaltung gegen „Rechts“ auszudrücken. Er meinte, dass diese Protesthaltung bereits dadurch deutlich würde, dass man das fragliche Zeichen seitenverkehrt abdruckt. Ein Irrtum, den man vielleicht seinem damals jugendlichen Alter zuschreiben kann; auf jeden Fall zeugt diese Covergestaltung nicht unbedingt von tiefgehender Überlegung. Seitenverkehrt oder nicht, es bleibt ein Symbol der Nationalsozialisten und als solches wurde das Cover zu Recht indiziert. (Jojo Ludwig)

Auszug aus einer Pressinformation: schon ein wenig marktschreierisch:
Presse-Information (Auszug)

Die LP wurde von Percewood’s Onagram finanziert und auf eigenem Label („Onagram Records“) herausgebracht. Später wurde sie von Govi-Records publiziert, 1976 mit neuem Cover wiederum von Govi-Records, da die LP in manchen Plattenläden aufgrund des Original-Covers beschlagnahmt und verboten wurde. 1990 kam sie als CD, nochmals mit anderem Cover bei Castle Communications heraus, 1994 als CD bei BMG Ariola.

Die alternative Edition auf Govi Schallplatten:
Alternative Edition

Und eigentlich hätte dieses wirklich gute Album diese Provokation nun wirklich nicht gebraucht:

Percewood’s Onagram hatten längst ihren eigenen, originellen Musikstil gefunden und es war keineswegs „Kraut-Rock“, sie klangen eher wie eine englische oder amerikanische Band. Die Musik von P. O. ist eine seltsame und einzigartige Kombination aus R&B, Beat, Psychedelic, Folk und (Garagen-, Wohnzimmer-, Prewave-) Rock. Eingängige, zeitlose Songs, rau und schön zugleich, mit anspruchsvollen, manchmal provozierend kritischen – aber wiederum zeitlosen Texten. Präsentiert von der Band in perfektem Englisch und ungewöhnlichen Phrasierungen und unterstützt von starken akustischen und elektrischen Gitarren, Klavier, Mundharmonika, Schlagzeug und Bass (eine Kombination und ein Sound von Instrumenten, auf die viele neue Gruppen von heute zurückgehen…. (Zitat von der inzwischen gelöschten Website der Band)

Inlets

„Was mir an der Musik von Percewood’s Onagram sofort auffiel, war ihre Authentizität. Trügerisch einfach, bittersüß, manchmal wütend und traurig, aber immer exquisit ausgedrückt und mühelos gespielt. Dies war keine Stimme, die darum kämpfte, irgendwohin zu gelangen; diese Stimme wusste genau, wohin sie wollte … Was ich hörte, hatte etwas Unvermeidliches an sich; es fühlte sich an, als käme man nach Hause, als treffe man jemanden, den man schon sein ganzes Leben lang kennt, aber gerade erst kennengelernt hat …“ Alan Bangs, 2/1999

Wer auf gepflegte Westcoast Musik steht, findet hier einen Klassiker aus deutschen Landen !

BackCover

Besetzung:
Gerard Heinemann (vocals, marracas, tambourine)
Klaus Kaufmann (piano)
Wolfgang Michels (vocals, guitars)
Uwe Meyer (bass)
Eddy Muschketat (percussion, harmonica)
Geary Priest (drums)
Peter Conant Shaffer (guitar, background, percussion)
+
Gerd Back (percussion)
Rainer Kosch (bass)
Jojo Ludwig (flute, percussion)
Friedrich Thein, Friedrich (drums)
+
background vocals:
Brigitte Blunck – Gaby Borowski

Booklet

Titel:
01. Cause Me Pain 4.56
02. Lonely Places 3.02
03. Since I Met You My Darling 2.24
04. I’ve Got My Woman 4.42
05. You Don’t Know What It Means 3.30
06. Mind Is Political Pollution 3.18
07. Jew Blues 2.02
08. Leaders 5.44
09. Lonely 4.25
10. The Wilderness 4.40
11. The Tamer And His Beasts 1.36
12. Give Me All I Deserve 3.36
13. Ameurope 2.40
14. If You Did 0.48

Musik und Texte: Wolfgang Michels

LabelA1

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„Eines der bestgehüteten Geheimnisse Deutschlands“
(Pat Thomas, San Fransisco, 1997)

Die Startseite der inzwischen gelöschten offiziellen Website:
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