Stern Meißen – Reise zum Mittelpunkt des Menschen (1980)

FrontCover1Eine wahrlich beachtliche Band-Geschichte kann dieses Combo aufweisen:

Die Stern-Combo Meißen, von 1980 bis 1989 Stern Meißen, ist eine 1964 von Martin Schreier, Norbert Jäger und Bernd Fiedler in Meißen in der DDR gegründete Musikgruppe. Sie ist eine der ältesten bestehenden Rockbands Deutschlands.

Ihren ersten Auftritt hatte die Stern-Combo Meißen am 24. September 1964 auf einer Feier für Rentner im Luftbad Meißen-Spaar. Wie viele weitere ostdeutsche Bands der 1960er Jahre spielte sie am Anfang ihrer Karriere Stücke international bekannter Künstler. Bands wie Chicago, Blood Sweat & Tears oder The Flock waren damals die Vorbilder der Stern-Combo Meißen. Von 1970 bis 1973 gehörte ein aus Axel Gothe, Gerhard Lau und Christian Höhle bestehendes Bläser-Trio zur Band. Nach dem Ausscheiden dieses Trios und dem Wechsel der Musiker zu Berufsmusikern wechselten auch die musikalischen Vorbilder. Progressive-Rock-Bands wie Emerson, Lake & Palmer, Pink Floyd, Genesis und Yes waren nun Inspiration für künftige Werke. Typisch dafür war unter anderem die Verwendung einer Vielzahl Synthesizer, auf Saiteninstrumente wurde dagegen verzichtet. Ab Mitte der 1970er Jahre kamen eigene Werke hinzu, die dem Artrock zugerechnet werden können, etwa Der Kampf um den Südpol. 1977 erschien das Debüt Stern-Combo Meißen, das eine sechsstellige Auflage erzielte. Im Folgejahr wurde das Album Weißes Gold veröffentlicht, das als Konzeptalbum die Geschichte der Entdeckung des Porzellans in Dresden beschreibt. Recht eindeutig dem Progressive Rock lassen sich die beiden darauffolgenden Werke zuordnen. Ein Höhepunkt ist der acht Minuten lange Titel Die Sage in Der weite Weg. Mit Der Frühling ist auch ein elektronisches Arrangement der Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi auf dem Album enthalten. Das 1981 erschienene Album Reise zum Mittelpunkt des Menschen setzte die Entwicklung des Progressive Rock fort.

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Der Anfang: Das Stern Meißen Combo im Jahre 1965

1980 wurde der Name der Band zu Stern Meißen verkürzt. Wenig später erfolgte ein Wechsel der Stilrichtung hin zu kürzeren, tanzbaren Liedern, wie etwa auf dem 1982 erschienenen Album Stundenschlag, auf dem auch erstmals wieder Saiteninstrumente zu hören waren. Der Wandel ging mit häufigen Umbesetzungen innerhalb der Formation einher. Auch die Leadsänger wechselten: Auf Veronika Fischer (1970) folgten Reinhard Fißler (1972–1982, 1978 gemeinsam mit Werther Lohse von der Gruppe Lift). Fißler, der als „Seelensänger“ bezeichnet wurde, musste zusammen mit Michael Behm die Band verlassen und wurde durch Ralf Schmidt alias IC Falkenberg ersetzt (1983–1989). 1982 gewann die Band den 1. Preis beim Internationalen Schlagerfestival Dresden. 1981 wurde sie mit dem Kunstpreis der DDR ausgezeichnet.[1] Die letzten beiden Stern-Meißen-Veröffentlichungen Taufrisch und Nächte enthielten rockige Popmusik, die mit dem früheren Charakter der Band praktisch nichts mehr zu tun hatte. Gleichwohl stellte sich zu dieser Zeit der größte kommerzielle Erfolg für Stern Meißen ein.

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Noch mit Bläserbesetzung (1973)

Nach der politischen Wende 1989 wurde es ruhiger um die Band. Erst 1996 wurde ein Comeback-Versuch unternommen, der erfolgreich war. Als Sänger war Reinhard Fißler wieder dabei. Neben dem in Zusammenarbeit mit dem Kammermusikensemble Dresden durchgeführten Konzertprojekt „Rock-Classics“ arbeitet die Band bis heute im „Sachsendreier“ mit den stilistisch artverwandten Bands electra und Lift zusammen und ist auch mit ihrem eigenen Programm als Stern-Combo Meißen nach wie vor live aktiv. Im Juni 2004 fand in Meißen das Eröffnungskonzert zur Jubiläumstournee 40 Jahre Stern-Combo Meißen statt. Dabei waren viele musikalische Weggefährten und Freunde der Band. Zu diesem Ereignis erschien auch eine Doppel-CD mit neu produzierten Hits und drei neuen Songs.

Der an ALS erkrankte Sänger Reinhard Fißler wirkte bei den Auftritten mit, obwohl er auf den Rollstuhl angewiesen war, und ging sogar mit anderen ostdeutschen Künstlern Anfang 2004 auf eine Israel-Tournee. Ab März 2005 konnte er nicht mehr live auftreten. Gesanglich traten hauptsächlich Martin Schreier und Norbert Jäger in Erscheinung, Ralf Schmidt gastierte bei einigen Konzerten. Am 7. Januar 2006 gab es bei einem Konzert in der Dresdner Lukaskirche gemeinsam mit dem Kammermusikensemble Dresden die Premiere der Klassikadaption von Aram Chatschaturjans Säbeltanz.

TourplakatDie Zusammenarbeit mit Ralf Schmidt und drei weiteren Musikern (Michael Behm, Alexander Procop und Frank Nicolovius) wurde aufgrund interner und musikalischer Differenzen im Juli 2008 beendet. Im September 2008 stellte Bandchef Martin Schreier die neue Besetzung der Stern-Combo Meißen vor: Keyboarder Thomas Kurzhals kehrte zur Band zurück, die Rhythmus-Gruppe wurde neben Gründungsmitglied Norbert Jäger mit Axel Schäfer am Bass und Frank Schirmer am Schlagzeug ergänzt. Als Sänger kam Michael Larry B. Brödel hinzu. Im Februar 2009 verließ Eghard Schumann die Band; er wurde bis Juni 2010 durch Sebastian Düwelt ersetzt.

Ein Höhepunkt war das Jubiläumskonzert zum 45. Geburtstag am 20. Juni 2009 in Meißen, bei dem auch Dirk Zöllner & André Gensicke, muSix und die Klosterbrüder auf der Bühne standen. Reinhard Fißler war als Gast anwesend. Im Anschluss an dieses Auftakt-Konzert tourte die Band noch bis zum Ende des Jahres 2009 unter dem Motto 45 Jahre Stern-Combo Meißen und arbeitete parallel an den Songs für ein neues Studio-Album. Seit Juli 2010 spielte die Stern-Combo Meißen mit Robert Brenner (Bass) und Marek Arnold (Keyboards, Saxophon). Am 18. November 2010 wurde der Stern-Combo Meißen für ihre Verdienste als „Aushängeschild und Werbeträger“ der Stadt Meißen der „Kunst- und Kulturpreis der Stadt Meißen 2010“ verliehen.[2] 2011 erschien mit Lebensuhr ein Album mit neuen Songs.

Am 6. Juli 2012 verließ Marek Arnold die Band. Dem schlossen sich Michael Brödel und Robert Brenner an. Stattdessen gehören jetzt wieder Axel Schäfer und Sebastian Düwelt sowie als neuer Sänger Manuel Schmid zur Band.[3][4] Am 8. April 2013 wurden im Stage Theater am Potsdamer Platz in Berlin die Aufnahmen für die erste Live-DVD realisiert, die am 10. Januar 2014 als Doppel-DVD/-CD unter dem Titel Stern-Combo Meißen im Theater am Potsdamer Platz veröffentlicht wurde.

Thomas Kurzhals verstarb nach kurzer schwerer Krankheit Anfang Januar 2014. Die Stern-Combo Meißen beging 2014 ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum und startete am 7. März 2014 ihre Jubiläumstour mit über 50 Konzerten. Genau 50 Jahre nach der Gründung erschienen das Album Stern Meißen – Die größten Hits, auf dem auch neue und neu arrangierte Songs zu finden sind, sowie der Konzertmitschnitt Senftenberg 2013, auf dem Kurzhals letztmals mit der Band spielte.

Im Juni 2015 führte die Band den Zyklus Bilder einer Ausstellung – The Rock Version nach Modest Mussorgski mit dem Leipziger Symphonieorchester unter Stephan König und dem Landesjugendchor Sachsen im Rahmen des 1. Landesmusikfests Sachsen in Grimma erstmals auf. Stephan König zeichnet für die musikalische Bearbeitung verantwortlich, Manuel Schmid schuf die Texte. Eine Veröffentlichung des Konzertes auf CD/DVD ist für Herbst 2015 geplant. (Quelle: wikipedia).

SternMeißen2014

Im Jahr 2014

Soweit die Historie. Hier nun ein Album, das recht kontrovers diskutiert wurde … und auf den babyblauen Seiten habe ich einen recht interessanten Disput über dieses Album gelesen (liegt dem Präsentationspäckchen bei).

Hier einer der Beiträge …

“ … wobei diese Meinungsverschiedenheit eher auf der Ossi-Wessi-Basis als auf der multikulturellen Musikbasis erfolgt (denn zur musikalischen Wahrnehmung sind wir uns diesbezüglich einig!). Erfolgen muss!

Darum möchte ich diese Kritik mit einem Zitat aus dem Booklet von „Beatkiste 2 – Hit-Raritäten aus dem DDR-Rundfunkarchiv“ eröffnen, um den harten, ungerechten Aussagen zum Text dieses hervorragenden Konzeptalbums den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Das war schon etwas Komisches und für westliche Bobachter geradezu unverständlich, welche Rolle da der Rockmusik in der Gesellschaft zugeteilt war. […] Im Mittelpunkt stand für die Offiziellen immer die Angst vor unbequemen und kritischen Text-Wahrheiten.“ Diese ‚Offiziellen‘ nannten sich Komitee für Unterhaltungskunst, wobei besonders in Sachsen eine Gisela Steineckert sich auf ekelhafte Weise ausschließlich über die Texte der Musiker hermachte und diese ideologisch zerlegte, während die Musik überhaupt keine Rolle spielte.

In einem Interview, das ich mit Norbert Jäger von der Stern-Combo Meissen führte, sagte dieser wortwörtlich zu mir: „Die textliche Unterdrückung durch eine Frau Steineckert oder der ganzen Kommission verhinderte die freie Entwicklung jedes einzelnen Künstlers in der Dresdner Ecke. Dass eine Frau Steineckert noch heute aktiv publizieren kann, stellt für viele der von ihr bevormundeten ’sächsischen Dichter und Denker‘ einen symbolischen Faustschlag in das Gesicht dar, welches man jetzt endlich ohne diese Dame zeigen kann. Eigentlich müsste man von dieser Frau Schadenersatz verlangen, doch stattdessen veröffentlicht die schwer gewendete Steineckert nun ihre neuen, gewandelten lyrischen Ergüsse. Und dass selbst Veronika Fischer sich mit der Steineckert einlässt und eine Biographie herausbringt, ist mehr als bedauerlich. Anscheinend heilt die Zeit alle Wunden – und so wird heute selbst die Lüge am Beispiel der ‚roten Gisela‘ salonfähig gemacht.“ (Zitat aus einer Wettbewerbsarbeit zur DDR-Geschichte über die Stern-Combo Meissen, die unter der Schirmherrschaft von Thomas Brussig im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig den 1. Preis gewann und dort einzusehen ist!)

Eine dieser „Wunden“ ist natürlich auch dem Text von Kurt Demmler „Reise zum Mittelpunkt des Menschen“ geschuldet. Doch gerade dieser Text macht klar, dass, wenn man ihn mit Ost-Ohren hört, hier hinter höchsten (manchmal etwas gezwungen wirkenden) lyrischen Ansprüchen einige deutliche DDR-Kritiken steckten. So konnten wir eben höchstens eine ‚Reise zum Mittelpunkt des Menschen‘, aber nicht zum „Mittelpunkt der Erde“ antreten, weil uns bei dieser Reise zu viele Mauern im Wege standen! Knallhart ist darin die Kritik an den Zensoren, verpackt in wirkliche Poesie:

„Hält mich nicht zurück / Ein Gesicht von Ton / Das Kleid der Eitelkeit / Der Schild aus Spott und Hohn / Halt ich meinen Mut / Gegen fremde Angst / Such ich, den ich seh‘ / Einen andern Menschen.“

Solche und ähnliche Texte gaben uns im Osten Mut und hielten unsere Hoffnung wach, irgendwann auch mal das laut und deutlich sagen zu können, was man uns bis dahin immer wieder verbat, selbst wenn sie im Westen durchaus zurecht sehr befremdlich klangen. Wir sprachen immer zwischen den Zeilen und suchten dort auch nach den Antworten aus unserer DDR-Misere. Aber genau das diesem hervorragenden, nach „Weißes Gold“ zweitbesten Studio-Album zum Vorwurf zu machen, kann nicht unwidersprochen bleiben.

Übrigens fehlte nicht umsonst Norbert Jäger bei diesem Album. Er hatte sich nämlich zuvor mächtig mit Kurt Demmler (Der sich vor einigen Jahren der Anklage wegen Kindesmissbrauchs durch Freitod entzog!) angelegt, weil er dessen Text zu „Weißes Gold“ zu platt fand und darin deutliche Änderungen vorgenommen hatte, die zu einem Zerwürfnis zwischen Demmler und ihm führten, auch wenn die Band selber diesbezüglich ein wenig zwischen den Stühlen zu sitzen schien. So enthält die „Reise zum Mittelpunkt des Menschen“ zwar wieder einen Demmler-Text, aber der Musiker und ebenfalls Texter Norbert Jäger fehlt. Allein daran ist zu erkennen, welche Bedeutung in der DDR besonders die Texte der Rock-Alben hatten. Und vielleicht kann man so auch verstehen, wie sehr es mich persönlich schmerzt, wenn ich ein gutes Prog-Rock-Album höre, das einen miserablen Text enthält, göttliche Missionars-Botschaften verbreitet oder die x-te Vertonung der „Herr der Ringe“-Mythologie darstellt, mir aber überhaupt nichts zu sagen hat – im völligen Gegensatz eben zur „Reise zum Mittelpunkt des Menschen“.

Allerdings ist auch die Sicht von Ralf absolut nachvollziehbar, da Demmlers Text in seiner Gesamtheit manchmal in dermaßen unverständlicher „Alltagslyrik“, die auf die Dauer mehr den Reim als die poetische Aussage bedient, tatsächlich in der einen oder anderen Trivialität versinkt und den Hörer mit einem großen Fragezeichen im Kopf zurücklässt. Aber vielleicht sollte gerade diese Unverständlichkeit dazu beitragen, die ideologischen Seitenhiebe geschickt zu verschleiern. Darum sollte diese Bedeutung, die sich daraus für mich ergibt, sicher nicht jedem genauso erschließen und ich bin mir sicher, dass solch ein Text heutzutage befremdlich wirkt. Er ist eben ein Zeitdokument.

Beim ersten Hören dieses Stern-Meissen-Albums im Jahr 1981, als gerade aus dem Westen die NDW und der Punk zu uns herüberschwappten, war ich ziemlich verstört. Eine dunkle Grundstimmung, der etwas Beängstigendes innewohnte, quoll mir regelrecht aus den Lautsprechern entgegen. Das konnte nicht gerade ein fröhlicher oder glücklicher Zeitgenosse sein, in den man da musikalisch einfuhr. Der Keyboarder Thomas Kurzhals, der diese „biologische Sinfonie“ komponierte und arrangierte, arbeitete mit einer Vielzahl von Motiven und Stimmungen, die mal offen zu Tage traten oder sich hinter Mellotron- und Synthie-Flächen auf mystische Weise versteckten. Dazu dieser geheimnisvolle Text, der 1981 genau das in Worte fasste, was in Klänge gegossen wurde. Eine wahre Klangdramaturgie für einen gespenstischen Film, der sich in den menschlichen Hirnwindungen abspielt und in der beispielsweise der Teil Romanze überhaupt nicht romantisch, sondern extrem verstörend klingt, da hier raffiniert mit den unterschiedlichsten Klängen experimentiert wird. Und gerade wegen solcher Momente und solcher Texte gehört „Reise zum Mittelpunkt des Menschen“ bei mir zu den Alben, die ich immer und immer wieder höre, ohne dass sie mir auch nur einmal langweilig werden. Und das schon seit 30 Jahren!

Der einzige Wermutstropfen an diesem wundervollen Kunstwerk ist aus heutiger Sicht für mich die Tatsache, dass sich die „neue“ Stern-Combo Meissen noch immer nicht dazu entschließen konnte, endlich nicht nur „Weißes Gold“, sondern auch „Reise zum Mittelpunkt des Menschen“ live auf die Bühne zu bringen. Doch vielleicht lohnt sich ja das Warten und manchmal ist es sogar eine Kritik, die ein kleines Wunder vollbringen kann. Denn ich bin garantiert nicht der Einzige, der bei jedem Konzertbesuch diesen Wunsch in sich trägt. Ein Wunsch, der vielleicht noch wahr wird:

„Lass doch heraus / Was da geschieht / Die Schönheit will / Dass sie jeder sieht!“

Und diese Schönheit will ich unbedingt noch einmal live hören!

Textlich kann man in der Tat etliche Fragezeichen machen, musikalisch hingegen ist das Album ein wahres Feuerwerk (aber ich mag ich auch die Frühwerke von Emerson, Lake Palmer).

Im Jahr 2015

Besetzung:
Michael Behm (drums)
Reinhard Fißler (vocals)
Lothar Kramer (keyboards)
Thomas Kurzhals (keyboards)
Peter Rasym (bass)
Martin Schreier (drums, vocals)

LPBackCoverTitel:
01. Allein (Kurzhals) 3.42
02. Hinwendung (Kurzhals/Demmler) 13.28
03. Romanze (Kurzhals) 8.42
04. Innenwelt (Kurzhals/Demmler) 6.50
05. Menschenzeit (Kurzhals/Demmler) 6.03

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