Rotglut – … Einfach nur leben! (1979)

FrontCover1Von Rotglut war neulich in einem Leserbrief die Rede (der Wunsch nach dieser Band kam auch schon bei der Präsentation eines alten Trikont-Katalogs aus dem Jahr 1979 … kann man sich hier anschauen)… und ich hab mal versucht, ein paar Infos über diese Band (Kategorie Eintagsfliege) zusammen zutragen: und da waren mir die Erinnerungen des Bandmitglieds Wolfgang Zimber natürlich sehr hilfreich:

Rotglut wurde 1978 von Wolfgang Zimber (STINGRAYS, JAY JAY JEFFERSON & THE HELIOCENTRIC SPACE, WARSCHAU 1927, ALPHA CENTAURI, URANIAN CIRCUS, HELICOPTER BLUE, NERVOUS NEIGHBORES, SCHWESTER GABY, ROOSTERS, TANGRAM SESSION BAND, W.I.L.S.), Ariane Ehinger (URANIAN CIRCUS), Jerry Auerswald (WOLKENBRUCH) und Uwe Seibertz (EPIKUR, URANIAN CIRCUS) gegründet. Die Gruppe war eine der profiliertesten Konstanzer Bands der 70er Jahre. Sie war auch eine der ersten Bands in Konstanz, die eine Langspielplatte herausbrachten. Die Platte wurde in Eigenregie aufgenommen und vom Trikont-Verlag, München herausgegeben. Es wurden ingesamt 5000 Stück verkauft. Der letzte Gig war im Frühsommer 1981 in Lindau auf einem großen Open Air Festival. Das war ein guter Abschluß vor 10.000 Leuten. 2001 gab’s noch mal ein Revival der Gruppe. In der Besetzung mit Wolfgang Zimber (Gitarre), Uwe Szech(Schlagzeug), Jerry Auerswald (Bass) und Ariane Ehinger (Keyboards) absolvierte die Gruppe einen umjubelten Auftritt beim MuT-Festival auf dem Klein-Venedig Gelände in Konstanz. Dabei zeigte sich, daß die Gruppe auch heute noch eine große Fangemeinde hat. (horstheirler.homepage.t-online.de/rotglut.htm)

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Ariane Eheinger, Bernhard (Technik), Uwe Seibertz, Wolfgang Zimber, Jerry Auerswald, Cordula Mettke (Live-Mix) 

Und hier der Rückblick von Wolfgang Zimber:

Viele (eigentlich die allermeisten) der alten ROTGLUT-Songs sind aus heutiger Sicht textlich total peinlich und musikalisch schlecht, das gebe ich neidlos zu. Da bin ich selbst der schlimmste Kritiker :-)) HV oder Hochspannung war damals auf jeden Fall die spieltechnisch bessere Band. High Voltage hatten einen echten, straighten Rock-Drummer – wir nicht. Ariane war 7 Jahre lang meine liebste Freundin und wir konnten zusammen in der Küche sitzen, Musik machen und Ideen entwickeln. Das hatte was 🙂 Auf diese Weise entstanden manche Hymnen zum mitsingen (GOLF GTI, ARMEE, EINFACH NUR LEBEN) und einige Titel unserer Songs fanden spraymässig den Weg an diverse Schulmauern. Irgendwie schafften wir es wohl damals einfach gute Laune zu verbreiten und den Leuten was rüberzubringen. Und in der Regel verliefen unsere Gigs in euphorischer, friedlicher Atmosphäre, keine Schlägereien etc. (Ausser dass mir mal eine Punkerin in München auf der Bühne voll eine in die Fresse gab als wir gerade BUNTER VOGEL spielten, den ultimativen Folk-Rock-Song für Hippies – danach verschob sich unser Repertoire weg vom Blues-Rock zu eher Neuer Deutscher Welle – Vorbild IDEAL.

Textheft02A

Unsere damalige Klientel war halt die sogenannte Alternativszene (was immer das auch war) und weniger die harten Arbeiter-Jungs. Allerdings hatten wir auch klare politische Statements in unseren Songs, von denen ich viele heute noch unterschreiben kann aber auch manche (für mich heute) unglaublich verschrobenen Ansichten wie z.B. eine Lied „gegen“ das Fernsehschauen, ha, ha oder „gegen“ Supermarkt-Einkaufen oder „gegen“ Fasnacht. Wir waren halt immer gegen irgendetwas und das traf auch den damaligen Zeigeist. Irgendwie waren wir lieb, obwohl wir oft gestritten haben wie die Bürstenbinder – einmal ununterbrochen im Transporter auf dem ganzen Weg von KN nach Hamburg. Danach war aber alles wieder in Butter, haha. Die Fahrten zu den Gigs Textheft01waren wie Gruppentherapie im geschlossenen Raum. Eine deratige Gruppenintensität (im Guten wie im Schlechten) habe ich später nie mehr erlebt und das ist der eigentliche melancholische Aspekt. Später war alles nur noch Projekt, Projekt, Projekt, Projekt !!!!!! Nach Rotglut verblieb mir noch für zwei Jahre der legendäre Mercedes-Doppelkabiner und eine ziemlich große PA. Die Martin-Bins (Bassboxen) fanden dann in Hamburg Ihr Ende auf dem Sperrmüll, weil solche Ungetüme keiner mehr haben wollte. (Schad‘ ums Holz, haha). Der Transporter schaffte es immerhin noch 2 mal nach Portugal und nach Polen und ist heute noch in Afrika am Leben. (Wolfgang Zimber, 2005)

Also, die Texte finde ich auch noch alles andere als peinlich, klar entsprechend dem damaligen Zeitgeist z.T. rotzfrech, naiv und provozierend .,. und damit für mich ein großartiges Dokument jener Zeit. Hier wurde das grundlegende Unbehagen eines Teils der damaligen „jungen Generation“ an den Strukturen der damaligen Gesellschaft artikuliert… und das war gut so, basta !

Trikont-Werbung

Werbung aus dem ober erwähnten Trikont Katalog (1979)

Und wie sich unsere Haarpracht im Laufe der Jahre verändert hat, so formulieren wir auch unsere Grundhaltungen heute auch ein wenig anders.

Und so befand auch der „Spiegel“ damals:

„Eine musikalische Geisterbahnfahrt durch den Morast des bundesdeutschen Alltags“

Booklet

Freak in … freak out !

Genau, als Morast haben wir das damals erlebt … und genau davon handelt diese LP und … diese LP überzeugt auch durch die knackigen Rocksongs und durch eine unbändige Spielfreude … man höre sich z.B. mal das Gitarren-Solo beim „Vermieter-Blues“ an … die hatten ihr Handwerk wohl gelernt !

Eine lohnenswerte Rarität aus deutschen Landen !

BackCover1

Besetzung:
Jerry Auerswald (bass)
Ariane Ehinger (keyboards)
Uwe Seibertz (drums)
Wolfgang Zimber (guitar, vocals)

WolfgangZimber2001

Wolfgang Zimber, 2001

Titel:
01. Golf Gti 5.32
02. Wudiwusch 0.21
03. Fastnacht 4.39
04. Fernsehmüll 4.16
05. Bunter Vogel 6.39
06. Der Traum 4.29
07. Abends in der Kneipe 3.46
08. Vermieter-Blues 5.24
09. Armee ?? 6.27
10. Mmasnagno + Einfach nur leben… 3.50

Musik und Texte: Jerry Auerswald -Ariane Ehinger – Uwe Seibertz – Wolfgang Zimber

LabelB1

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Ariane Ehinger

Ariane Ehinger

Ariane Ehinger ist heute Leiterin desPlayback Theaters, Berlin (es verkörpert eine Verbindung zwischen modernem Improvisationstheater und alten Formen mündlichen Erzähltheaters.)

Die Spuren der anderen Musiker verlieren sich, der Wolfgang Zimber hat noch in diversen anderen Bands aus der Ecke Konstanz gespielt. Irgendwie juckt es mich in den Finger  … mich auf Spurensuche zu begeben, wer weiß … bald „droht“ ja die Rentenzeit …

2 Gedanken zu “Rotglut – … Einfach nur leben! (1979)

  1. Hallo Rotglut,

    es war toll damals! Ihr habt einfach gute Laune verbreitet und alle waren sofort da, wenn es hieß, dass ihr in unsere Ecke kommt.
    Könnt ihr euch erinnern? Ihr habt nach einem Konzert bei mir auf dem Katharinentaler Hof bei Pforzheim übernachtet. Ich glaube, sogar zweimal.
    Ich kann mich noch gut an Ariane erinnern. Und auch an Bernhard…

    Liebe Grüße

    Eveline

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