Erich Schmeckenbecher und Thomas Friz waren mit Sicherheit das bekannteste Folk-Duo der siebziger und achtziger Jahre.
Zupfgeigenhansel ist ein von Erich Schmeckenbecher und Thomas Friz gegründetes deutsches Folk-Duo, das in den 1970er und 1980er Jahren neun für die Liedermacher- und Folkszene wegweisende LPs veröffentlichte.
Die Gruppe benannte sich nach dem bekannten Wandervogel-Liederbuch Der Zupfgeigenhansl, das 1909 erschienen war. Das Repertoire der Gruppe überschneidet sich allerdings nur teilweise mit dem Inhalt des Liederbuchs.
Zupfgeigenhansel folgte zunächst der Idee, deutsche Volkslieder mit freiheitlichem Charakter wiederzuentdecken, teilweise mit eigenen Melodien zu versehen und diese wieder populär zu machen. In den Volksliedern ging es um das Leben der „einfachen“ Leute der vergangenen Jahrhunderte. Inhaltlich handeln sie von Liebe, Not und Wagnis, Unternehmungslust, dem Stolz libertärer Geister, der Verachtung gegenüber Obrigkeit und Pfaffen sowie dem Widerstand gegen Militarismus. Die Musik Zupfgeigenhansels sollte einen Grundstein – neben Ougenweide, Hannes Wader und Liederjan – für eine alternative deutsche Volksmusik legen, jenseits der zu der Zeit konservativ besetzten traditionellen Volksmusik. Ein Kritiker schrieb einmal: „Heino möge diese Lieder hören, damit er aufhört, seine zu singen.“ Anfang der 1970er Jahre begann in Westdeutschland die große Zeit der Folkbewegung, die Zupfgeigenhansel maßgeblich mitprägte.
Für die DKP hätten sie allerdings nicht singen müssen …:
Schmeckenbecher und Friz lernten sich 1972 kennen und musizierten gemeinsam zunächst als Straßenmusiker. Ab 1974 traten sie unter dem Namen „Zupfgeigenhansel“ in verschiedenen Folkclubs, hauptsächlich in Süddeutschland, auf. Es folgten einige Rundfunkauftritte in der Sendung Liederladen des Südwestfunks und in der FS-Sendung Nachklapp des Saarländischen Rundfunks. 1976 erschien ihre erste LP Volkslieder I im Verlag Pläne und im folgenden Jahr die LP Volkslieder II. Dafür wurden sie 1977 für den Deutschen Schallplattenpreis nominiert. 1978 erhielten sie die Auszeichnung Künstler des Jahres 1978 – Ensemble Pop national von der Deutschen Phonoakademie und veröffentlichten ihr erstes Liederbuch mit 222 Volksliedern unter dem Titel: Es wollt ein Bauer früh aufstehn (Gesamtauflage über 250 000). Neben ihren Tonträgern sorgte dies für ein wahres Volksliedrevival in West wie Ost und gilt heute als legendär und diente als Vorlage für weitere Liederbuchveröffentlichungen anderer. Mit der LP ’ch hob gehert sogn erschien 1979 eine vielbeachtete Platte mit jiddischen Liedern, die heute noch als Grundlage für die später aufkommende Klezmerbewegung in Deutschland zählt.
In den frühen 1980er Jahren ebbte mit dem Aufkommen der Neuen Deutschen Welle das Interesse an Folkloremusik und der Musik der Liedermacherszene allmählich ab. Zupfgeigenhansel erweiterten ihr Repertoire und versuchten vermehrt, mit selbstgeschriebenen Liedern und Gedichtvertonungen ihr Publikum zu gewinnen. So schrieb auch Dieter Süverkrüp einige Lieder für die Gruppe. Musikalisch herausragend ist auch ihr letztes Werk mit Texten des fast vergessenen österreichischen Dichters Theodor Kramer. Vor der anschließenden Tournee 1986 kam es zu internen Streitigkeiten, die letztendlich zur Auflösung der Gruppe führten. Den letzten offiziellen Live-Auftritt hatte Zupfgeigenhansel als Überraschungsgast beim Konzert Pete Seegers 1986 in der Zeche Bochum.
Nach mehr als 35-jähriger Trennung begannen die Musiker im Oktober 2021 mit der Erarbeitung einer Werkschau mit dem Titel „Miteinander: 50 Jahre – 70 Lieder“, einer 3er-CD-Box mit 4 Booklets, die zu ihrem 50-jährigen Jubiläum im Sommer 2022 erschien. 50 Lieder darauf waren bislang unveröffentlicht, darunter ein komplettes Club-Konzert aus dem Jahre 1975. Gleichzeitig wurden Zupfgeigenhansel für ihre fünf ersten Alben mit IMPALA-Awards in Gold (1×), Doppelgold (3×) und Diamant (1×) geehrt, mit denen nachgewiesene Album-Verkäufe von jeweils mehr als 75 000 (Gold), 150 000 (Doppelgold) 200 000 (Diamant) ausgezeichnet werden. Zu einer weltweit beachteten Antikriegshyhme entwickelte sich 2022 das Lied Ich bin Soldat, doch bin ich es nicht gerne. 1976 erstmals auf dem Album Volkslieder I veröffentlicht, erfuhr das Werk nach seiner digitalen Wiederveröffentlichung innerhalb von sechs Monaten mehr als 2,5 Millionen Abrufe (Stand 25. August 2022) allein auf den Streamingplattformen Youtube und Spotify. Aktuell werden Zupfgeigenhansel-Lieder immer wieder von Gruppen anderer Genres aufgegriffen und in deren Repertoire aufgenommen – so Waldfest von der Rockband NoRMAhl oder Es wollt ein Bauer früh aufstehn von Des Gayers Schwarzer Haufen oder Feuerschwanz. (wikipedia)
Und hier ihr viertes Album, das sich dem jüdischen Liedgut widmet:
Damals war der Begriff der sog. „kulturellen Aneignung“ noch nicht geläufig, aber heutzutage kommt einem dieser Begriff unwollkürlich in den Sinn, wenn „Nichtjuden“ sich dieser Musik widmen:
(Quelle: Lea Wohl von Haselberg: Und nach dem Holocaust?: Jüdische Spielfilmfiguren im (west-)deutschen Film, 2016)
So gelungen aus meiner Sicht all diese Interpretationen auch sind, es bleibt die ein wenig zwiespältige Frage, ob es „statthaft“ ist, sich fremdes Kulturgut anzueignen.
Aber ja, lautet da meine Antwort … halfen solche Aufnahmen doch auch, die verfolgten Kulturgüten der Juden wieder lebendig werden zu lassen.
Ach ja … und „Donai, Donai “ kennen wir als USFolgsong namens „Donna Donna“.
Besetzung:
Thomas Fritz (guitar, vocals)
Erich Schmeckenbecher (vocals, guitar, mandolin, accordion, bouzoukia)
+
Lutz Berger (violin)
Bruno Schaab (bass)
Titel:
01. Griene Kusine (Traditional) 2.34
02. Diregeld (Traditional) 2.08
03. Tränelech (Traditional) 2.57
04. Still, die Nacht (Glik) 3.32
05. Arbejtlose (Gebirtig) 2.35
06. Lo mir sich iberbejtn (Traditional) 3.24
07. Donai, Donai (Traditional) 3.17
08. Huljet, huljet, Kinderlech (Traditional) 2.22
09. Die Johren gehjen sich (Traditional) 4.19
10. Mir sejnen do! (Traditional) 2.18
11. Tsen Brieder (Traditional) 7.15
+
12. Jingele (live) (Traditional) 3.23
13. Moischele mein Frajnd (live) (Gebirtig) 5.19
14. Mesinke (live) (Warschawski) 2.37
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