Release Music Orchestra – Garuda (1975)

FrontCover1Für mich eine der ganz wichtigen Jazz-Rock Bands der 70er Jahre:

Das Release Music Orchestra, kurz RMO, war eine meist vier- bis fünfköpfige Gruppe aus Norddeutschland, die Jazzrock, Artrock und progressiven Rock spielte und von 1974 bis etwa 1980 bestand. Das Wort Orchestra im Namen ist also etwas missverständlich. RMO veröffentlichte insgesamt fünf LPs, alle auf dem bekannten Hamburger Brain-Label.

Gegründet wurde das Release Music Orchestra 1974 in Hamburg in der Nachfolge von Tomorrow’s Gift. Diese Band, von der es zwei LPs gibt, hatte sich für die Release-Bewegung eingesetzt. Release, Verein zur Bekämpfung der Rauschgiftgefahr, kümmerte sich um Rauschgiftsüchtige, unterstützte sie gegen ihre Kriminalisierung und half ihnen bei der Wiedereingliederung. Der Verein hatte einen Bauernhof in Otterndorf bei Cuxhaven angemietet, auf dem die Therapiearbeit, unter anderem auch Musiktherapie, stattfand. Dort entstand das Release Music Orchestra, welches am Anfang auch Tanz, Schauspiel und Lichttechnik beinhaltete. Gründungsmitglieder waren Manfred Rürup an den Keyboards, Bernd Kiefer am Bass und Wolfgang „Zabba“ Lindner am Schlagzeug. In Otterndorf arbeiteten sie an ihrem Hörspiel Brain pollution für den NDR und WDR unter der Leitung von Herman Prigann.

Release Music Orchestra mit Margita Haberlang:
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Verstärkt durch Norbert Jacobsen gab es am 5. April 1974 den ersten öffentlichen Auftritt des Release Music Orchestra, und zwar im Hamburger Audimax vor etwa 2000 Zuhörern. Er wurde fachmännisch von Conny Plank mitgeschnitten und, zusammen mit einer Aufnahme vom Juni 1974 aus Amsterdam, als erste RMO-LP Life mit dem heute sehr gesuchten olivgrünen Label veröffentlicht. Die Besetzung: Norbert Jacobsen an der Klarinette, Bernd Kiefer am Bass, Zabba Lindner am Schlagzeug und Xylophon sowie Manfred Rürup an den Tasten. Es wurden begründete Vergleiche mit Soft Machine (deren Keyboardspiel Manfred Rürup sehr schätzt), Egg und überhaupt der Canterbury-Szene gezogen. Nach dem ersten Auftritt ging es auf Tournee in die Niederlande. Etwas später schied Bernd Kiefer aus und wurde von Holger Dunkel am Bass ersetzt. Außerdem stieß Margit „Maya“ Haberland von der Release-Bewegung dazu.

In dieser Besetzung nahmen sie im Februar 1975 auf dem Hof in Otterndorf ihre zweite LP Garuda auf, mit Kraan-Saxophonist Johannes „Alto“ Pappert, Randy-Pie-Saxophonist Jochen Petersen und anderen Gästen. Garuda hörte sich weniger nach Artrock an als der Erstling und ging schon mehr in Richtung Jazzrock. Zwischen den einzelnen Stücken gab es sogenannte Zwischenspiele mit Solos der einzelnen Musiker.

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Für die Aufnahmen zur dritten RMO-LP ging es, nun mit Frank Fischer am Bass und wieder mit drei Gästen, in das bekannte Studio von Dieter Dierks im rheinischen Stommeln. Sie erschien im Frühling 1976 als Get the Ball, wieder auf Brain. Nun nahm die Sache langsam Fahrt auf. Vom WDR wurden sie zur Sendung Phonzeit eingeladen. Und es gab nun Auftritte nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich und Italien, darunter ein gutes Dutzend Festivals, etwa 1976 und 1977 bei Umsonst und draußen in Vlotho. Anfang Juli 1976 spielten sie auf dem legendären Jazzfestival im schweizerischen Montreux. Trotzdem nahmen die Besetzungswechsel kein Ende. Günther Reger kam neu hinzu. Er spielte Sopran-, Alt- und Tenor-Saxophon. Zabba Lindner trennte sich wegen unterschiedlicher Vorstellungen über den musikalischen Kurs von der Gruppe. Für ihn setzte sich Wolfgang Thierfeldt ans Schlagzeug. Margit Haberland musste sich aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen. Am 25. Februar 1977 trat das RMO beim ersten Brain-Festival in der Essener Grugahalle auf.

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Im September 1977 machte das RMO sich im Dierks-Studio an die Aufnahmen zur vierten LP. Sie erschien Anfang 1978 als Beyond the Limit. Als Gäste wirkten die beiden Perkussionisten Tommy Goldschmidt von Karthago und Hans Behrendt mit, der später bei Volker Kriegel und Ideal spielte. Ende Februar 1978 nahm das RMO am zweiten Brain-Festival in Essen teil und war auch auf der dieses dokumentierenden Doppel-LP zu hören. Inzwischen war Tommy Goldschmidt zum festen Gruppenmitglied geworden. Im September 1978 ging es auf Polen-Tournee. Es gab dort neun Auftritte gemeinsam mit P-Mobil aus Ungarn und Skaldowie aus Polen. Der erste Gig war am 21. September 1978 in Oppeln vor etwa 4000 Zuhörern, der zweite am 22. September 1978 in Kattowitz vor etwa 3500 Leuten. Zum Schluss gab es noch zwei zusätzliche Konzerte in Warschau, und zwar mit der polnischen Jazzrock-Gruppe Crash.

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Im Februar 1979 ging es, immer noch in gleicher Besetzung, an die Aufnahmen zur fünften und letzten RMO-LP, nun aber nicht mehr bei Dieter Dierks in Stommeln, sondern bei Peter Baumann im Paragon-Studio in Berlin. Sie erschien noch im gleichen Jahr als News. Das Cover wurde von Günther Reger gestaltet, der auch ein anerkannter Maler ist. Weitere LPs von RMO sollte es nicht mehr geben, wohl auch deshalb, weil die Gruppe bei Brain immer in zweiter Reihe gestanden hatte und der erhoffte Durchbruch ausgeblieben war. Allerdings erschienen 1980 in der Reihe Rock on Brain noch zwei Zusammenstellungen, nämlich Sundance und eine namenlose Doppel-LP, außerdem 2004 die CD Bremen 1978 mit einem Konzertmitschnitt von Radio Bremen. Damit war das Kapitel Release Music Orchestra beendet. Von den fünf RMO-LPs auf Brain ist bisher noch keine einzige legal als CD erschienen. (wikipedia)

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Und hier ihr zweites Album:

„Slapstick“ ist anfangs ziemlich funky, mit Bläsern darüber, die in diesem eingängigen Stück oft weggeblasen werden. Nach 2 Minuten fühle ich mich an Kraan erinnert, auch hier gibt es eine aktive Schlagzeugarbeit. Einige verzerrte Keys kommen und gehen, während sie zu jammen scheinen, bis nach 6 Minuten ein kompletter Wechsel eintritt und der Track sich wieder beruhigt. Weiblicher Sprechgesang und ein symphonischer, leichter Sound, der mich an die siebziger Jahre erinnert (duh!). Das ist wirklich gut und führt uns zum Ende des Songs. Und es ist mein erstes Top-3-Lied hier. „Zwischenspiel Holger“ ist eine knappe Minute voller vertrackter akustischer Gitarrenmelodien. „Torso I’m Sommerwind“ ist für mich ein Top-Drei-Stück, ein schönes, klarinettengetriebenes Stück, das mit einem markanten Bass entspannt ist. Einige verzerrte Keboards nach 3 Minuten, als es etwas an Fahrt aufnimmt. „Zwischenspiel Norbert“ wird durchgehend von einem Horn begleitet und ist weniger als eine Minute lang. „Rallye Dallye“ hat ein beeindruckenes Schlagzeug-Intro, während die Bläser und mehr in diesem Uptempo-Stück mithelfen. Die Orgel gibt schließlich die Richtung vor. „Zwischenspiel Zabba“ ist weniger als 30 Sekunden lang und klingt nach Vibraphon.

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„Zwischenspiel Manne“ ist weniger als eine Minute lang und wir bekommen ein gesampeltes Gespräch zwischen einem Mann und einer Frau zusammen mit Orgel und Vibes, glaube ich. „Garuda“ ist meine letzte Top drei und mit 12 1/2 Minuten das längste Stück. Ein angenehmer und entspannter Sound zu Beginn, bei dem Klarinette, Schlagzeug und Vibraphon hervorstechen. Das Tempo zieht nach etwa 2 Minuten an, und nach 3 Minuten kommen diese Caravan-artigen verzerrten Tasten. Dies ist ein beeindruckender Abschnitt, der an Soft Machine erinnert. Ein kompletter Wechsel findet nach 6 Minuten statt, als es sich mit Bläsern, einem Beat und nachhallenden Tasten beruhigt. Zum Schluss wird es spacig. „Zwischenspiel Margit“ ist ein weiteres kurzes Stück, diesmal mit akustischer Gitarre und spacigen Klängen. „Mama Kubu“ ist das über 8-minütige Schlussstück, das mit einem funkigen Beat beginnt, zu dem sich entfernt klingende Vocals gesellen. Das ändert sich nach 1 1/2 Minuten, als wir einen Beat und mehr Atmosphäre bekommen. Hörner kommen hinzu und bald haben wir einen Weltmusikgeschmack, besonders mit den Vocals, die nach 4 Minuten an  Weather Report  erinnern. (Mellotron Storm)

Ein weiteres Album von RMO, das zu beeindrucken weiß !

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Besetzung:
Holger Dunkel (bass, guitar)
Margit Maya Haberland (prcussion, vocals, guitar)
Norbert Jacobsen (saxophone, clarinet, vocals)
Wolfgang „Zabba“ Lindner (drums, perussion, xylophone, gong)
Manfred „Manne“ Rürup (keybords,synthesizer)

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Titel:
01. Slapstick 11.04
02. Zwischenspiel: Holger + Torso im Sommerwind 4.18
03. Zwischenspiel: Norbert 0.51
04. Rallye Dallye 2.19
05. Zwischenspiel: Zabba 1.24
06. Zwischenspiel: Manne + Garuda 12.22
07. Zwischenspiel: Margit 0.57
08. Mama Kubu 8.12

Musik:
Norbert Jacobsen – Wolfgang „Zabba“ Lindner  – Manfred Rürup

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Release Music Orchestra – News (1979)

FrontCover1Für mich eine der ganz wichtigen Bands der 70er Jahre:

Das Release Music Orchestra aus Hamburg, hervorgegangen aus Tomorrow’s Gift, veröffentlichte von 1974 bis 1979 fünf Langspielplatten, alle auf Brain, und gehört zu den angesehensten Deutschrock-Gruppen. Die Musik hatte nichts mit Klassik zu tun, wie der Name vielleicht glauben machen könnte, sondern war angenehm entspannter Jazzrock mit progressiven Bestandteilen, die im Laufe der Jahre jedoch etwas verblassten.

RMO war die damals experimentellste Band der deutschen Musik-Szene und mit die erste, die bereits Performanceacts in ihre shows eingebaut hatte, mit führenden Künstlern wie Herman Prigann, Tim Belbe oder dem Wiener-Film-Kollektiv. (krautrock-musikzirkus.de)

Release Music Orchestra mit Margita Haberlang:
RMO1974

Wie sich dann der gesamte „Lebenslauf“ dieser Band liest, kann man z.B. hier nachlesen.

Hier ihr fünftes zu gleich letztes Album:

„News“ war die letzte Studioveröffentlichung des Release Music Orchestra, gleichzeitig ist es, mangels Verfügbarkeit, die einzige mir bekannte. Von den älteren Sachen des RMO kenne ich nur einzelne Titel, die auf den Samplern zu den Brain-Festivals der Jahre 1977 und 1978 erschienen. Auch wenn ich dadurch nur eingeschränkte Vergleichsmöglichkeiten habe, hinterlässt „News“ bei mir doch den Eindruck, dass die Mannen um Keyboarder Manfred Rürup hier – zumindest streckenweise – etwas einfacher gestrickte Musik bieten. (*)

Dies gilt vor allem für die erste Seite (Titel 1-4). Diese enthält größtenteils locker-flockig-eingängige Fusion-Musik, solide gespielt, nett anzuhören. Interessant ist „Pat Smile“, ein etwas langsameres Stück, aber Saxofonist Günther Reger geht hier mal mehr aus sich heraus und legt ein paar schöne Soli hin.

Interessanter ist die zweite Seite.

„Sombras“ nervt zwar in den ersten Takten etwas mit affektiertem Samba-Gesang (ansonsten ist die Platte völlig instrumental), bietet aber ein paar tolle Synthie-Solos und schöne Saxofoneinsätze über dichter, lateinamerikanisch beeinflusster Percussion.

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Das langsame, etwas melancholische „Kymerian Ship“ ist eines der schönsten Stücke auf „News“. Manfred Rürup entlockt seinem Tastenarsenal hier die vielfältigsten Klänge: von Minimoog-Sounds, die an Manfred Mann erinnern (rein vom Klang, die Melodien sind natürlich von ganz anderem Charakter) bis zu perlendem E-Piano. Dazu die hier sparsamen, aber stets gelungenen Saxofoneinsätze von Günter Reger. Auch die Percussion wird hier sehr zurückhaltend eingesetzt.

Mit „Rubber Stamp Alley“ endet das Album dann wieder ziemlich flott. Über einem Rhythmus aus knackigem Bass und dichter Percussion legen Saxofon und Keyboards noch einmal mächtig los.

Trotz kleinerer Einschränkungen wäre „News“ eine durchaus interessante und lohnenswerte Anschaffung für den Jazzrock-interessierten – wenn, ja wenn dieses und die anderen Alben des RMO auf CD erhältlich wären. Mit Ausnahme des posthumen Livealbums „Bremen 1978“ gibt es da leider nix! Hoffentlich ändert sich das in absehbarer Zeit mal! (Jochen Rindfrey)

(*) das mit der „etwas einfacher gestrickten Musik“ ist natürlich vollkommener Geschmack.

Denn auch bei diesem Album bietet die Band komplexe Kompositionen, die instrumental ganz wunderbar interpretiert werden.

Ihr Sound wurde eventuell mit  jedem neuen Album kommerzieller und klang mehr und mehr nach US-Jazz-Fusion der späten 70er Jahre. Aber das ist natürlich alles andere als eine schlechte Inspirationsquelle … wie man auf diesem Album hören kann.

Also: ein feines Album !

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Besetzung:
Frank Fischer (bass)
Tomas Goldschmidt (percussion, vocals bei 05.)
Günther Reger (saxophone)
Manfred Rürup (keyboards, synthesizer)
Wolfgang Thierfeldt (drums, percussion, xylophone)
+
Nuri Effendi (vocals bei 06.)

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Titel:
01. Catch Up (Fischer/Goldschmidt/Reger/Rürup/Thierfeldt) 5.22
02. Pat Smile (Rürup) 3.38
03, Oon (Rürup) 5.06
04. Tai Ming (Rürup) 5.36
05. Sombras (Rürup/Goldschmidt/Thierfeldt) 6.32
06. Kymerian Ship (Rürup) 8.13
07. Rubber Stamp Alley (Rürup/Reger) 4.12

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