Floh de Cologne – Profitgeier (1971)

LPFrontCover1Und jetzt kommt wieder mal Politrock … und zwar von einer Gruppe, die sich wohl als erste so ganz konsequent ausschließlich politischen Themen zuwandte:

Floh de Cologne war eine zwischen 1966 und 1983 aktive Kölner Politrock-Band und Kabarettgruppe der linken außerparlamentarischen Opposition und des Umfelds der Neuen sozialen Bewegungen in der westdeutschen Bundesrepublik.

Floh de Cologne wurde am 20. Januar 1966 von Kölner Studenten zunächst als Politkabarett gegründet. Die Band stammte aus der Kölner APO um den SDS, ihre politische Ausrichtung veränderte sich über die Jahre hinweg zu einer klar dialektisch-marxistischen Position; unabhängig voneinander traten die Mitglieder der Band zwischen 1970 und 1973 in die DKP ein.

Floh de Cologne im Jahr 1969: v.r.n.l. Gerd Wollschon, Hansi Frank, Markus Schmid, Dick Städtler, Dieter Klemm:
Floh de Cologne im Jahr 1969: v.l. Gerd Wollschon, Hansi Frank, Markus Schmid, Dick Städtler, Dieter Klemm

Ihr legendärster Auftritt bleibt wohl der auf dem Fehmarn-Festival am 6. September 1970 nach Jimi Hendrix; dies war dessen letzter Auftritt vor seinem Tod. 1973 trat Floh de Cologne als musikalischer Teil einer westdeutschen Abordnung bei den X. Weltfestspielen der Jugend in Ost-Berlin auf. Ab 1980 waren Teile der Band (Vridolin Enxing als Vorsitzender) aktiv bei Rock gegen Rechts, im selben Jahr erhielt die Gruppe den Deutschen Kleinkunstpreis zusammen mit Gerhard Polt. 1983 löste sich Floh de Cologne auf. (Quelle: wikipedia)

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Hier ihr drittes Album:

Die Rock-Oper Profitgeier aus dem Jahr 1971 ist ein aggressives Konzeptwerk mit einer primitiven, garagenartigen Orgel-/Gitarrenuntermalung und einer linksradikalen politischen Agenda. Das Album wettert gegen Millionäre, Kapitalismus und das Profitstreben und ist eine Art deutsches Fugs oder Garage Crass!

Plakat

Die Tatsache, dass alle Texte auf Deutsch sind, schmälert nicht die Kraft, mit der sie vorgetragen werden – besonders bei den heftigen „Wir brauchen keine Milliφnre“…. Und das abschließende „Wir werden immer mehr“ …

„Wir werden immer mehr … “ hat sich freilich für die DKP (jener Partei, der Floh de Cologne sehr nahestanden) nicht bestätigt

Plakat2

Also: Jede Menge markiger Texte, Slogans und Phrasen (oftmals ziemlich blauäugig und naiv), gepaart mit einer zuweilen gar nicht so schlechten, knackigen Rockmusik im Sound jener Jahre (und einer wunderbaren Mundharmonika bei „Wir brauchen keine Millionäre“). Und wie so oft bei dieser Gruppe: Die Musik ist halt ein wenig grobschlächtig.

Live-Mitschnitt in Neumünster, 11. Januar 1971 /
Windrose-Dumont Studio Hamburg 12. + 13. Januar 1971

LPBackCover1

Besetzung:
Hansi Frank (drums, vocals)
Dieter Klemm (percussion, vocals)
Markus Schmidt (guitar, organ, harmonica, vocals)
Dick Städtler (bass, guitar, vocals)
Gerd Wollschon (percussion, vocals)

Labels

Titel:
01. He, Hallo Stift 1.22
02. Die einen kommen erster Klasse zur Welt 2.32
03. Wir stehen am Rande 4.54
04. Bekenntnis der unpolitischen Väter 1.35
05. Auf dem Arbeitsmarkt 5.29
06. Der Kapitalismus stinkt 3.14
07. Wir brauchen keine Millionäre 7.39
08. Die Luft gehört denen, die sie atmen 1.45
09. Profitgeier 7.04
10. Wir werden immer mehr 2.25

Musik und Texte:
Hansi Frank – Dieter Klemm – Markus Schmidt – Dick Städtler -Gerd Wollschon

Labels

*
**

Wir stehen am Rande
Und gucken zu
Wenn einer zur Sau gemacht wird
Wenn einem Unrecht geschieht

Wir stehen am Rande
Und gucken zu
Wir tun nichts
Und gucken zu

Wir stehen am Rande
In der Menge
Und gucken zu
Alle zusammen, gemeinsam
Und gucken zu

Wir stehen am Rande
In der Menge
Und gucken zu

Wenn einer angebrüllt wird
Wenn einer geprügelt wird
Wenn einem Unrecht geschieht
Wenn einer unterdrückt wird
Wenn einer gefeuert wird

Wir stehen am Rande
Allein in der Menge
Mit allen zusammen
Und gucken zu
Und reden danach mit den anderen
Und sagen: „Scheiße, sowas!“
Und sagen: „Das dürfen die doch gar nicht. Da müsste einer mal was tun!“
Und fragen, und fragen, und fragen und fragen
Was tun ?

Wir stehen am Rande
In der Menge
Mit allen zusammen
Und fragen was tun?
Gucken zu, wie der, der gesagt hat
Wir müssen alle zusammen was tun
Wie der alleingelassen wird
Wie diesem Unrecht geschieht
Wie er fertiggemacht wird
Wie er gefeuert wird

Aber wir stehen doch nicht am Rande
Wir stehen doch mittendrin
Wir stehen doch nicht allein und verlassen
Wir stehen doch in der Menge zusammen
Alle zusammen sind wir doch stark
Und trotzdem gucken wir zu wie ein Einzelner schwach ist
Wir müssen uns wieder zusammen tun
Und zusammen was tun!
Und was tun!

Die DDR Ausgabe auf Amiga:
Amiga Ausgabe

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Oktober – Die Pariser Commune (1977)

LPFrontCover1Ein wahrlich ambitioniertes Projekt:

Eigenartigerweiseist über die Gruppe Oktober kaum etwas bekannt, was einen angesichts dieses Doppelalbums ein wenig erstaunt (insgesamt haben sie 3 Alben veröffentlicht).

Hier ihr 2. Album:

Oktober war eine siebenköpfige deutsche Band, die diese theatralischen, sehr politischen Shows aufführte. Dieses zweite Album der Band geht in die gleiche Richtung wie das Debüt, da wir diesen Symphonic/Krautrock-Stil hören, obwohl es viel symphonischer ist als das Debüt. Der Sänger hat, gelinde gesagt, eine Menge Charakter. Dies war ein Doppel-Konzeptalbum mit vier seitenlangen Suiten mit vielen Wendungen und Samples sowie gesprochenen Worten. Gesungen und gesprochen wird auf Deutsch, und das Thema ist „Die Pariser Kommune“, ein Ereignis, das 1871 in Paris stattfand und bei dem vermutlich die erste Regierung von der Arbeiterklasse gebildet wurde. Das ist eine Fahrt, Leute.
Wir beginnen mit „Unser Blut-Ihre Geschichte“, wo wir eine laute, schreiende und feiernde Menge hören, bevor die Orgel den Ton angibt. Diese wird von Schlagzeug und Gitarre abgelöst, die sich aufbaut. Man beachte den klobigen Bass und die Hintergrund-Synthies. Mann, das klingt unglaublich. Nach 2 1/2 Minuten gibt es ein Gitarrensolo, bevor sich alles wieder beruhigt und gesprochene Worte die Atmosphäre verstärken. Nach 5 Minuten setzt alles wieder ein, diesmal auch das Klavier. Der Gesang folgt. Es beruhigt sich wieder mit Hintergrund-Synthies, während der Gesang weitergeht. Großartiger Sound vor 8 Minuten, als er an Geschwindigkeit gewinnt und dann kraftvoller wird. Ich mag die Art und Weise, wie die Themen wiederholt werden.

Booklet05+06

Es folgen beeindruckende instrumentale Abschnitte, und ich mag die Ruhe nach 14 Minuten, wenn die Synthies wie der Wind wehen und das Schlagzeug pocht. Nach 15 Minuten reißende Gitarre mit erdbebenartigem Bass, während das Schlagzeug weiterhin im Vordergrund steht. Eine dunkle Ruhe vor 18 Minuten mit tiefen Klängen und düsteren Gitarren. Es folgen nur gesprochene Worte, dann wieder die Instrumentalarbeit, gefolgt von Gesang, während sich die Themen wiederholen. Was für ein Song!

„Die tage Der Kommune“ klingt wie der Beginn des ersten Tracks, als die Menge zusammen mit anderen Klängen brüllt. Die Musik setzt vor einer Minute ein. Ich liebe die prominente Gitarre nach 2 1/2 Minuten. Es wird sehr symphonisch, fast wie bei GENESIS, und der Gesang wird doppelspurig, wie sie es manchmal auf ihrem Debütalbum taten. Die Themen wiederholen sich auch in dieser Suite. Nach 13 Minuten wird der Gesang mit gezupfter Gitarre zerbrechlich, bis nach 16 Minuten die gesprochenen Worte mit dem Klavier die Oberhand gewinnen. Die Musik setzt vor 17 Minuten mit etwas Kraft wieder ein, Gesang folgt. Nach 22 Minuten kehrt mit der Flöte Ruhe ein, dann übernehmen Gesang und Klavier die Führung, und es bleibt sanft. Aber nicht lange, denn die Stimmung ändert sich weiter.

Oktober01

Die zweite Platte beginnt mit „Zwischenlied“, wo wir einen Mann sprechen hören, begleitet von Straßenlärm, bevor die Gitarre und der Gesang die Führung übernehmen. Das Klavier kommt und geht in diesem schönen Abschnitt. Die Dinge ändern sich, als eine dunkle Atmosphäre aufkommt und der Gesang plötzlich gesprochen wird. Zurück zu der gezupften Gitarre mit Gesang. Sehr folkig bis jetzt bei diesem Stück. Das ändert sich nach 11 1/2 Minuten, als die Musik aufhört und wir Soldaten marschieren und die Menge brummen hören können. Es folgt ein Uptempo-Sound, als die Musik kurz darauf mit Gesang zurückkehrt. Die Musik marschiert hier fast mit. Ich denke an GENESIS mit den Synthesizern und den komplizierten Klängen nach 16 1/2 Minuten. Es folgt eine Ruhe mit sanften Vocals. Nach 18 Minuten, fast bis zum Ende, wird es dynamischer und die Vocals kraftvoller.

Booklet03+04

„Unser Blut-Unsere Geschichte“ beginnt wieder mit Samples, dann übernehmen Multi-Vocals, diesmal auch weibliche. Himmlische Gitarrenmelodien werden von Keyboards begleitet. Der Gesang kommt vor 2 Minuten hinzu. Das Ganze endet vor 5 Minuten, als eine Hymne mit Bläsern und Schlagzeug die Oberhand gewinnt. Dann sind die Jungs mit einem vertrauten Instrumentalthema zurück. So gut, dann folgt eine Ruhe mit Gesang, bevor es wieder losgeht. Eine Ruhe mit Synthesizern nach 10 Minuten. Die letzten 1 1/2 Minuten sind so, als würde man vielen Leuten zuhören, die sich über das Ereignis zum Ende hin unterhalten. (by Mellotron Storm)

BookletFrontCover

In der Tat, die sehr abwechslungsreiche und versiert gespielte Musik ist wirklich beeindruckend und textlich  … nun gut … die Texte entsprangen halt diesen klassenkämpferischen Tenor (mit all dem entsprechenden Pathos), wie er halt bei all dieses Polit-Rock-Gruppen der 70er Jahre üblich war.

Auch wenn da manches ein wenig hölzern und unbeholfen wirkt … so ganz falsch lagen sie ja nicht, mit ihrer Schilderung der Geschichte, die – und das ist schon noch zu erwähnen – sich nicht nur um die Ereginisse der Pariser Komunne dreht, sondern den Gogen zur damaligen Gegenwart schlägt  – so ganz falsch lagen sie ja nicht, denn:

„Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen“ (Karl Marx/Friedrich Engels)

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Besetzung:
Carl-F. Dörwald (flute, vocals)
Klaus-Peter Harbort (drums)
Peter Robert (keyboards, synthesizer)
Hans-Werner Schwarz (guitar, slide-guitar)
Kalla Wefel (bass, vocals, guitar)
+
Michael Iven (vocals, guitar, keyboards bei 04.)
Pierre Meyn (guitar, bass bei 04.)

Booklet

Titel:
01. Prolog: 1830-1851 (Dörwald/Harbort/Robert/Schwarz/Wefel) 5.00
02. Teil 1: Unser Blut – Ihre Geschichte (Dörwald/Harbort/Robert/Schwarz/Wefel) 17.09
03. Teil 2: Die Tage der Kommune (25.27)
03.1. Proklamation des ZK der Nationalgarde (Dörwald/Harbort/Robert/Schwarz/Wefel)
03.2. Die Maßnahmen der Kommune (Dörwald/Harbort/Robert/Schwarz/Wefel/Mandl)
03.3. Lob des Aufbaus (Dörwald/Harbort/Robert/Schwarz/Wefel/Iven)
03.4. Lied vom Verbrechen (Dörwald/Harbort/Robert/Schwarz/Wefel/Mandl)
03.5. Janine (Dörwald/Harbort/Robert/Schwarz/Wefel/Mandl)
03.6. Dekret über die Zuerkennung einer Pension / Keiner oder alle (Eisler/Brecht/Mandl)
03.7. Die Frauen der Kommune (Dörwald/Harbort/Robert/Schwarz/Wefel/Unger)
03.8. Stadt der Illusionen (Dörwald/Harbort/Robert/Schwarz/Wefel/Mandl)
04. Zwischenlied (Iven) 11.26
05. Teil 3: Der Untergang Der Kommune (11:28)
05.1. Die letzte Schlacht (Dörwald/Harbort/Robert/Schwarz/Wefel/Mandl)
05.1. Die Rache / Dreißigtausend Tote (Dörwald/Harbort/Robert/Schwarz/Wefel/Mandl/Pottier)
06. Teil 4: Unser Blut – Unsere Geschichte (einschl. Pottier’s Lied)
06.1. Lamentations (Kosma/Bassis)
06.2. Pottier’s Lied (Dörwald/Harbort/Robert/Schwarz/Wefel/Mandl)
06.3. Die Internationale
07. Epilog: Lob der Dialektik (Brecht) 1.36

Texte: Peter Robert

LabelD1

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Floh de Cologne – Prima Freiheit (1978)

FrontCover1Und jetzt kommt wieder mal Politrock … und zwar von einer Gruppe, die sich wohl als erste so ganz konsequent ausschließlich politischen Themen zuwandte:

Floh de Cologne war eine zwischen 1966 und 1983 aktive Kölner Politrock-Band und Kabarettgruppe der linken außerparlamentarischen Opposition und des Umfelds der Neuen sozialen Bewegungen in der westdeutschen Bundesrepublik.

Floh de Cologne wurde am 20. Januar 1966 von Kölner Studenten zunächst als Politkabarett gegründet. Die Band stammte aus der Kölner APO um den SDS, ihre politische Ausrichtung veränderte sich über die Jahre hinweg zu einer klar dialektisch-marxistischen Position; unabhängig voneinander traten die Mitglieder der Band zwischen 1970 und 1973 in die DKP ein.

Floh de Cologne im Jahr 1969: v.r.n.l. Gerd Wollschon, Hansi Frank, Markus Schmid, Dick Städtler, Dieter Klemm:
Floh de Cologne im Jahr 1969: v.l. Gerd Wollschon, Hansi Frank, Markus Schmid, Dick Städtler, Dieter Klemm

Ihr legendärster Auftritt bleibt wohl der auf dem Fehmarn-Festival am 6. September 1970 nach Jimi Hendrix; dies war dessen letzter Auftritt vor seinem Tod. 1973 trat Floh de Cologne als musikalischer Teil einer westdeutschen Abordnung bei den X. Weltfestspielen der Jugend in Ost-Berlin auf. Ab 1980 waren Teile der Band (Vridolin Enxing als Vorsitzender) aktiv bei Rock gegen Rechts, im selben Jahr erhielt die Gruppe den Deutschen Kleinkunstpreis zusammen mit Gerhard Polt. 1983 löste sich Floh de Cologne auf. (Quelle: wikipedia)

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Hier ihr 9. Studio-Album:

Musikalisch haben sich die „Flöhe“ weiterentwickelt: War ihre frühere Musik zuweilen arg grobschlächtig gibt es hier viele insrumentale Passagen die durchaus anspruchsvoller sind, und ne gepfefferte Prise Jazz-Rock ist auch dabei („Zwischenspiel“; der Text ist im übrigen auch nicht von schlechten Eltern !)

Und die Texte … gewohnt spöttisch, gewohnt markant und auch wenn sie weiterhin in diesem agitatorischem Stil gehalten sind, der Kern ihrer „Botschaften“, ja der Kern der Aussagen war und ist so verkehrt auch nicht.

Ach ja, und das Cover stammte von einem Wolfgang Niedecken, Köln …

Live-Mitschnitt aus dem Jungen Forum Ruhrfestspiele, 11. ud 12. Mai 1978 by Conny’s Studio
(die ergänzenden Aufnahmen entstanden im Conny Plank Studio, Neunkirchen)

BackCover1

Besetzung:
Vridolin Enxing (keyboards, cello, bass, vocals)
Hansi Frank (drums, vocals)
Dick Städtler (guitar, bass, vocals)
Dieter Klemm (percussion, vocals) (*)
Theo König (woodwinds, vocals)

(*) Dieser Name ist ein wenig rätselhaft, denn auf der Rückseite das Covers sieht man bei diesem Namen eindeutig das Gesicht von dem Ur-Floh Gerd Wollschon, der auf diesem Album eigentlich gar nicht erwähnt wird …Aufklärung täte not

Poster

Titel:
01. Ich kenne ein Land 3.18
02. Ich steh‘ so rum 3.10
03. Ballade vom Studenten aus den kleinen Verhältnissen 5,31
04. Zwischenspiel 6.46
05. Eddi, der Bär 7.31
06. Was ist der Fortschritt? 3.56
07. Prima Freiheit 9.57

Musik: Vridolin Enxing & Dick Städtler
Texte: Hansi Frank

LabelB1

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Und auch dieses Logo stammte von Wolfgang Niedecken:
Logo

GerdWollschon

Gerd Wollschon (* 11. Februar 1944 in Zobten; † 9. September 2012) war ein deutscher Autor, Musiker und Kabarettist.

Wollschon war bis 1978 Texter der Rock- und Kabarettgruppe Floh de Cologne (auch Bass, Percussion, Gesang) und danach Autor seines „Solokabaretts für Staatsfeinde“ (1979). Die FAZ sah Wollschon hierin ein „vielfarbiges Bild“ entwickeln, eine „prächtige Kulisse gesellschaftlicher Zustände; seine Akteure – Polizisten, Nationalisten, Feministen und Sozialisten“ – lasse er „schonungslos nach seiner satirischen Pfeife tanzen“. Der Hessische Rundfunk hob den „formalen Einfallsreichtum“ des Programms hervor. Für Hanns Dieter Hüsch verfasste der Satiriker überdies die TV-Serie Der goldene Sonntag mit.
Mit seiner Frau Saskia war Wollschon in den 1970ern auch Herausgeber der Sudelbücher mit Texten von satirischen Liedermachern wie Franz-Josef Degenhardt, Franz Hohler, Hanns Dieter Hüsch, Diether Dehm oder Hannes Wader. Als Buchautor zeichnete er verantwortlich für die Sudel-Lexika (1977 und 1983) und für eigene Satirebände. Wollschon wanderte in die Karibik aus. Die letzten Jahre lebt er u. a. in Altea an der Costa Blanca.
Gerd Wollschon verstarb am 9. September 2012 nach längerer schwerer Krankheit. (wikipedia)

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Checkpoint Charlie – Checkpoint Charlie (Die durchsichtige) (1979)

LPFrontCover1Checkpoint Charlie war eine der ersten deutschsprachigen Rockbands und hauptsächlich aktiv in den späten 1960er, 1970er und frühen 1980er Jahren, die vor allem sozialkritische und satirische Texte in der Rockmusik verwendete. Durch zahlreiche Auftritte gehörte Checkpoint Charlie Ende der 1960er Jahre zum festen Bestandteil der studentischen Oppositionsbewegung.

Checkpoint Charlie entstand 1966 in Karlsruhe aus einer Begegnung von Harald Linder und Uwe von Trotha. Schnell kam die Idee lyrisches u. a. von Bertolt Brecht und François Villon mit Beatmusik zu verbinden. Neue Bandmitglieder waren Joachim „Krebssalat“ Krebs und Werner Heß. 1969 traten sie auf dem letzten Burg Waldeck Festival auf. Ihre erste LP erschien 1970 in Eigenproduktion und enthielt einen Mitschnitt eines Konzertes an der Uni Erlangen. In ihrer damaligen Rock-Operette „Scheiße“ befassten sie sich mit Problemen des Umweltschutzes.

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Es folgte der erste Prozess gegen die Band aufgrund einer Schwarz-Rot-Goldenen Kloschüssel. Als Beispiel für die deutsche Rockszene und den Begriff „Rock und der Anspruch kultischer Aufklärung“ fand Checkpoint Charlie 1971 Eingang in die 13-teilige NDR-Sendereihe Sympathy for the Devil, wurde allerdings größtenteils nachträglich herausgeschnitten. Nach einer kurzzeitigen Auflösung der Gruppe probte Checkpoint Charlie 1972 auf der Burg Waldeck für ihr Programm „Notwehr“. Die Tournee sollte vom Verband der Kriegsdienstverweigerer finanziert werden, dieser sprang jedoch kurz vor Beginn ab, was große finanzielle Probleme zur Folge hatte. Trotzdem spielte Checkpoint Charlie in kleinerer Besetzung in über 100 Städten der BRD, löste sich aber 1973 auf.

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1977 gründeten Uwe von Trotha und Joachim Krebs die Gruppe neu und beteiligten sich an dem Umsonst und Draußen Festival 1977 in Vlotho und den Folgeveranstaltungen in Porta Westfalica 1978 und 1979. Die zweite LP entstand acht Jahre nach der ersten unter dem Namen Frühling der Krüppel auf dem unabhängigen Label Schneeball, bei dem auch befreundete Gruppen wie Embryo, Ton Steine Scherben und Missus Beastly mitwirkten. Die Band gründete die „Familie Hesselbach Kommune“ im nordpfälzischen Bisterschied. Die 1979 erschienene LP, aufgrund des transparenten Vinyls und Covers meist „Die Durchsichtige“ genannt, enthielt neben zwei Studioaufnahmen drei Liveaufnahmen. 1980 kamen sie aufgrund eines „Franz Josef“ genannten Pappschweines in erneute rechtliche Schwierigkeiten. Die Staatsanwaltschaft nahm ein Konzert vom 28. Juli 1979 beim „Burghaldefest“ in Kempten zum Anlass, die Gruppe wegen Beleidigung des bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß zu verklagen. Die 1981 erschienene LP Krawall im Schweinestall griff diesen Vorfall sowohl in den Liedern als auch im 8-Seitigen Booklet auf. 1982 erschien die LP Feuer und Flamme, danach zog sich die Band zurück.

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In den 1990er Jahren ging Uwe von Trotha mit Musiker Therofal erneut auf Tournee und veröffentlichte mit weiteren Freunden das Album Echtes Liveblocking Gurglersinfonie.

2002 kam es zur erneuten Wiederbelebung der Band mit einem Konzert beim Burg-Herzberg-Festival und einer kleinen Tournee. (wikipedia)

Und so stellten sie sich selbst dar:

Seit 1967 nehmen die Mannen um Uwe von Trotha „Spießer, kalte Krieger, verkalkte Offiziere, ganz bestimmte Politiker und Schreibtischtäter mit Unterleibern von Käthe-Kruse-Puppen“ aufs Korn – in wechselnden Besetzungen und mit längeren Schaffenspausen. Aber es gibt den Checkpoint Charlie trotz Wiedervereinigung noch immer, demnächst mit neuer CD.

Tourposter

CHECKPOINT CHARLIE:
Die Undercover ROCK Agenten
Wenn man den Namen Checkpoint Charlie hört, denkt man natürlich als Erstes an den
ehemaligen Grenzübergang in Berlin. Aber der ist hier natürlich nicht gemeint.

CHECKPOINT CHARLIE ist eine Pfälzer-Band aus den hippigen 70ziger Jahren, die 1978 als neues Bandmitglied eine rosa Pappsau mit dem Namen „Franz-Josef“ in den Bandbus packte und sie bei ihren Konzerten immer einmal über die Bühne trieben, damit ihr nicht die Füße einschliefen. Irgendwo in Bayern geschah es dann, dass sich ein aufrechter Landsmann durch den Anblick der Sau und die Namensgleichheit mit dem damaligen Ministerpräsidenten, so in seiner Ehre verletzt fühlte, dass er die Begebenheit dem Verfassungsschutz meldete und dieser zu dem Schluss kam, es müsse sich dabei tatsächlich um eine Verschwörung gegen ihren so geliebten Ministerpräsidenten handeln.

Ein Artikel aus der Zeitschrift „Sounds“, Nr. 47, 1/73:
Sounds-Artikel1

Nach langem Hin + Her wurde CPC vom dem Kemptener Amtsgericht verurteilt in Zukunft die Sau zuhause zu lassen und eine Geldstrafe von damals 15000.- DM wegen Beleidigung an Herrn Franz-Josef Strauss zu zahlen. Dies ging damals natürlich durch die deutsche Presse und war ein positiver Beitrag für die Popularität der Anarcho-Kapelle CHECKPOINT CHARLIE. Aber nicht nur durch diese Aktion, sondern auch durch ihre eigenwilligen Texte und unverblümten Interpretationen waren die Konzerte von CPC ein Happening der anderen Art. Die Shows von Jürgen Bräutigam, Lothar Stahl, Wilfried Sahm um den Frontmann Uwe von Trotha waren prägend für den Begriff „Subkultur von unten“ ! (schneeball-records.de)

CheckpointCharlie02

Und hier ihr drittes Album:

Und das Album enthält alles, was an damals wohl unter „Polit-Rock“ verstanden hatte: Knackig-harte Rock-Riffs und Rhythmen und markige Texte (die man auch grobschlächtig nennen könnte) … aber man wolle, man musste die Leute wachrütteln … und ja, man wollte provozieren !

Die Poesie eines Konstantin Weckers oder Hannes Wader fehlte ihnen gänzlich.

Aber … wenn einen der Zorn packt, der Zorn über all diese ja nicht erfundenen gesellschaftlichen Missstände … dann kann man schon mal etwas gröber werden.

Und von daher floss bei dieser LP auch viel Herzblut ein.

Ach ja, die LP wurde in einer durchsichtigen Plastikhülle veröffentlicht … würde man heute auch nicht mehr machen.

CheckpointCharlie01

Besetzung:
Jürgen Bräutigam (bass, vocals)
Joachim Krebs (keyboards)
Wilfried Sahm (guitar)
Lothar Stahl (drums)
Uwe von Trotha (vocals)

Miniposter

Titel:
01. Du sollst dein Leben nicht den Schweinen geben 7.41
02. Smogalarm 5.29
03. Folter für John Travolta 8.01
04. Hitler in Dosen (Haben Rock) 22.11

Musik und Texte:
Jürgen Bräutigam – Joachim Krebs – Wilfried Sahm – Lothar Stahl – Uwe von Trotha

Diverse Label-Variationen:
Labels

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Eintrag in dem Lexikon Rock in Deutschland“ von Günter Ehnert (Taurus Press, Hamburg, 2. Auflage, 1979):
Ehnert

Mehr von Checkpoint Charlie:
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Die Uwe von Trotha Website über Checkpoint Charlie:Website

Floh de Cologne – Lucky Streik (1973)

FrontCover1Floh de Cologne war eine zwischen 1966 und 1983 aktive Kölner Politrock-Band und Kabarettgruppe der linken außerparlamentarischen Opposition und des Umfelds der Neuen sozialen Bewegungen.

Die Band wurde am 20. Januar 1966 von Kölner Studenten zunächst als Politkabarett gegründet. Die Band stammte aus der Kölner APO um den SDS, ihre politische Ausrichtung veränderte sich über die Jahre hinweg zu einer klar dialektisch-marxistischen Position. Unabhängig voneinander traten die Mitglieder der Band zwischen 1970 und 1973 in die DKP ein. Am 6. September 1970 trat die Gruppe beim Fehmarn-Festival nach Jimi Hendrix auf; dies war dessen letzter Auftritt vor seinem Tod. 1973 trat Floh de Cologne als musikalischer Teil einer westdeutschen Abordnung bei den X. Weltfestspielen der Jugend in Ost-Berlin auf.[2] Ab 1980 waren Teile der Band (Vridolin Enxing als Vorsitzender) aktiv bei Rock gegen Rechts, im selben Jahr erhielt die Gruppe den Deutschen Kleinkunstpreis zusammen mit Gerhard Polt. 1983 löste sich Floh de Cologne auf.

Als die ursprünglich konventionelle Kabarettgruppe bei den Essener Songtagen 1968 Undergroundbands wie die Mothers of Invention, die Fugs und die Edgar Broughton Band erlebt hatte, orientierte sie sich mit ihrem dritten Programm „SimSAlabimbambaSAladUSAladim“ stilistisch um und verband agitatorische Texte mit Beatmusik und einer Bühnenshow zu sogenannten „Agitations-Revuen“[3] und entwickelte sich zu einer der führenden Politrock-Bands. 1969 schloss Floh de Cologne einen Exklusiv-Plattenvertrag mit dem Label Ohr/Metronome für die Produktion „Fließbandbabys-Beatshow“ und weitere Produktionen ab. Der Metronome-Produzent Rolf-Ulrich Kaiser war maßgeblich beteiligt am Aufbau der sogenannten Krautrock-Szene dieser Jahre.

Floh de Cologne im Jahr 1969: v.l. Gerd Wollschon, Hansi Frank,
Markus Schmid, Dick Städtler, Dieter Klemm:
Floh de Cologne im Jahr 1969: v.l. Gerd Wollschon, Hansi Frank, Markus Schmid, Dick Städtler, Dieter Klemm

1971 schuf Floh de Cologne die erste deutschsprachige Rockoper namens „Profitgeier“. In der dreisätzigen „Geyer-Symphonie“ von 1973 arbeitete die Band in ihre Musik Originalausschnitte aus Politikerreden anlässlich des Begräbnisses des deutschen Großindustriellen Friedrich Flick ein. Mit der Kantate für Rockband „Mumien“ reagierte die Band 1974 auf den Putsch in Chile 1973, unter anderem mit einer Vertonung der letzten Rede des gestürzten Präsidenten Salvador Allende. Im selben Jahr erarbeitete die Gruppe zusammen mit Hans Werner Henze alternative Vertonungen des Chilelieds („Dieser chilenische Sommer war süß“; 1974), Text: Rudi Bergmann (* 1950), Uraufführung war am 31. Mai 1974 in Essen (Grugahalle: Gedenkkonzert für Víctor Jara, zugleich Solidaritätsveranstaltung für den Widerstand in Chile). Grenzüberschreitend war ebenfalls die Zusammenarbeit mit Mauricio Kagel bei den „Kölner Kursen für Politische Musik“ (1975). In der Rockoper „Koslowsky“, für die die Band ein Jahr lang vor Ort recherchiert hatte, zeichnete Floh de Cologne 1980 das Schicksal eines Arbeiters aus dem Ruhrgebiet nach, der nach Bayern zur Maxhütte kommt.

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Weniger bekannt, aber wesentlich für die Entwicklung der Band, waren ihre Arbeiten für das Theater. So entstanden in Zusammenarbeit mit Roberto Ciulli am Kölner Schauspielhaus: Ein Neuer Florentinerhut nach Eugène Labiche (1976 Rowohlt-Theaterverlag), mit dem Markgrafen-Theater Erlangen und dem Staatstheater Wiesbaden: „Rotkäppchen – ein Märchen mit viel Rock und Pop und Rum-ta-ta“ nach Jewgeni Schwarz (1977/1980 Kiepenheuer & Witsch-Theaterverlag). Weitere Arbeiten erfolgten in verkleinerter Besetzung nach der Auflösung (Dick Städler, Theo König, Vridolin Enxing): Am Grillo-Theater Essen zusammen mit David Esrig eine Neufassung von „Der Krieg“ von Carlo Goldoni (1984 Sessler-Verlag Wien), „Babette oder peu à peu“ mit Helmut Ruge am Markgrafen-Theater Erlangen (1986), ebenfalls dort: „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ (1986).

Floh de Cologne, 1978 – v.l. Dieter Klemm, Vridolin Enxing, Hansi Frank, Theo König, Dick Städtler:
Floh de Cologne01

Die Kritik reagierte auf die Band meist zwiespältig, so resümierten Graves/Schmidt-Joos: „Die durchaus wegweisende Musikagitation mit harten Fakten wurde […] stets durch Beigabe unnützer Fiktionen über Ausbeutung, Arbeiterelend, Klassenkampf und ein sozialistisches Utopia geschwächt“, erkannten aber an: „Immerhin gelang es Floh de Cologne als erster deutscher Rock-Band, der nach ihren ethnischen und sozialen Ursprüngen motivierbaren Aggressivität, Spontaneität und Emotionalität des Rock ’n’ Roll mit annähernd gleichwertigen Texten gerecht zu werden.“

Nach über 3000 Konzerten in Deutschland und Europa seit der Gründung löste Floh de Cologne sich im Mai 1983 nach einer Abschiedstournee auf. Das Abschiedskonzert in der Kölner Sporthalle am 17. Mai 1983 hatte 6000 Zuschauer und dauerte 14 Stunden unter der Beteiligung zahlreicher bekannter Musiker wie Hannes Wader, Dieter Süverkrüp, Franz-Josef Degenhardt, Hanns-Dieter Hüsch, Die 3 Tornados, BAP und Ina Deter.

DVZ

„Der Floh de Cologne hat Kabarettgeschichte gemacht, und dies mehrfach: Als ersten kam ihnen das alte Nummernkabarett zu zerfleddert und unverbindlich vor; sie bauten kompakte Programme mit durchgehendem Tenor. Als erste begannen sie, multimedial Musik als wirklich gleichberechtigten Bestandteil sowie Dia und Film ins Programm einzubauen. Als erste begannen sie, richtige Programmgeschichten, abendfüllende Bühnenwerke satirischen Inhalts zu fertigen – zumindest für Deutschland sind sie die Erfinder der Rockoper. Schließlich noch waren sie es, die engagierte Texte der Liedermacher-Aura entkleideten und saftige Songs und Schlager daraus machten; so sind sie schließlich die Großväter aller neueren deutschen Wellen geworden“ (Michael Frank: Süddeutsche Zeitung, 7. April 1983)

Gründe

Zu jedem Bühnenprogramm von Floh de Cologne gab es ein programmatisches (Werbe)Plakat. Die Rückseite enthielt den gesamten Text des Programmes und gegebenenfalls „Anweisungen“ zum Handeln und Literaturhinweise für weiterführende „private revolutionäre Tätigkeit“. Die Vorderseite wurde von befreundeten Künstlern gestaltet. Unter ihnen sind zu nennen: Hansruedi Giger, Dieter Süverkrüp, Stefan Siegert, Wolfgang Niedecken u. a. Diese Plakate und die LPs wurden nach den Veranstaltungen von der Gruppe persönlich verkauft, so wie sie im Übrigen alles selber machten; professionelle Aufbauhelfer (Roadies) gab es nicht. Es gehörte zum Ehrenkodex der Gruppe, die eigene Arbeit, so es möglich war, selber zu machen und dadurch die Eintrittspreise so niedrig zu halten, dass die Zielgruppen (Lehrlinge, junge Arbeiter, Studenten, Schüler) möglichst problemlos Zugang fanden. Zitat aus einem Programmheft von 1978: Floh de Cologne, das ist keine Goldene Schallplatte und keine goldene Nase, kein Platz in der Hitparade und dem Abendprogramm des Fernsehens, kein Kunst- oder Kulturpreis und keine Subvention. Das ist Pech. (wikipedia)

Floh de Cologne03

Welchen Status und welchen Stellenwert die Gruppe damals hat, zeigt sich auch darin, dass man diese Doppel-Live-LP mit beigelegtem großem Poster veröffentlichte.

Musikalisch haben sie sich im Vergleich zu den ersten Jahren deutlich verbessert, es gibt tatsächlich etliche Passagen, die ansprechend und ziemlich flot. Alledings „Rock Jazz“ wie es das Covr verspricht kann man hier natürlich nicht hören.

Und die Texte … nun gut, öfters arg holzschnittartig, die subtile Kritik an dem kapitalistischem System war noch nie das Ding von Floh de Cologne … aber unabhängig davon, der Kern ihrer Aussagen, Botschaften oder Erkenntnisse … so ganz daneben lagen sie damals nicht. Ihre Lobhudeleien für die DDR (siehe z.B. „Vergleiche“) fand ich schon damals deplaciert.

Für dieses, aber auch für all die anderen Alben von  Floh de Cologne gilt ganz sicher, dass sie wichtige Zeitdokumente sind. Zeigen sie doch den musikalischen Versuch, gegen die verkrusteten Strukturen der „sozialen Markwirtschaft“ aufzubegehren … und das war bitter notwendig.

Gerhard Löwenthal

Der Knaller bleibt für mich übrigens „Der Löwenthaler“ … ein Spottlied auf den ZDF Journalisten Gerhard Löwenthal, der mit seinem regelmäßige Politjournal „ZDF Magazin“ regelmäßig seine stramm-rechten Positionen vertrat. Mein Vater war begeistert … Floh de Cologne aber sangen:

Die Milch wird sauer, das Bier wird schal
Im Fernsehen spricht der Löwenthal
Den Nazis werden die Augen feucht
Der Horror durch die Stube keucht

Versteht natürlich nur noch jemand, der den Löwenthal damals noch live und in Farbe erleben durfte. Da verzeiht einer wie ich dann gerne ein paar der textlichen Plattheiten …

Live-Aufnahme aus der Stadthalle Gummersbach, 25. November 1972

BackCover1

Besetzung:
Hansi Frank (drums, vocals)
Dieter Klemm (percussion, vocals)
Theo König (saxophone, clarinet, flute, harmonica, vocals)
Markus Schmidt (keyboards, guitar, harmonica, mandolin, vocals)
Dick Städtler (bass, guitar, piano, vocals)

Booklet

Titel:
01. Countdown 6.16
02. Schön ist ein Jugendtraum 3.40
03. Sozialpartner-Blues / Streikposten 2.46
04. Kalte Wut 2.44
05. Wenn ich einmal reich bin / Streikposten / Gonzales / Karl liest ein Flugblatt 7.51
06. Die Wirtschaft ist jetzt in Gefahr 2.10
07. Der Imker / Streikposten 2.25
08. Deine Freiheit 4.27
09. Vergleiche 3.52
10. Der Löwenthaler 4.56
11. Was ein Kommunist trinken darf / Streikposten 3.15
12. Wenn es brennt / Streikposten / Lüge zum Abschied 10.33
13. Freie Marktwirtschaft / Wenn dich jemand fragt 5.01
14. Für die Zukunft sehen wir rot / Unternehmerrätsel 3.26
15. Saurier / Aktionseinheit 7.39
16. Wir sind millionenmal so stark 3.08

Musik:
Hansi Frank – Dieter Klemm – Theo König – Markus Schmidt – Dick Städtler
Texte: Gerd Wollschon

LabelA+B

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Poster1A

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Ton Steine Scherben – Keine Macht für Niemand (1972)

FrontCover1Keine Macht für Niemand ist der Name des zweiten Albums und zugleich das wohl bekannteste Lied der Band Ton Steine Scherben. Die Doppel-LP von 1972 wird auch als „die Weiße“ bezeichnet, da das Cover sehr schlicht – weißer Hintergrund, schwarze Schrift – gehalten ist.

Das Album als Gesamtwerk, wie auch das Lied Keine Macht für Niemand prangert gesellschaftliche und politische Missstände an. Die Texte fordern zum Widerstand gegen das bestehende System auf. In Die letzte Schlacht gewinnen wir wird die Forderung nach einem Ersetzen des kapitalistischen Systems am deutlichsten. Gleichzeitig ist „Keine Macht für Niemand“ eine parolisierte Übersetzung des Begriffs Anarchie.

Nach Angaben von Rio Reiser stammt die Parole aus der Anarcho-Kiffer-Zeitung Germania. Durchaus nicht unabsichtlich eignet sich der Titel wie auch „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ als Schlagwort. So findet sich „Keine Macht für Niemand“ auch heute – mehr als 40 Jahre nach der Veröffentlichung – noch auf Transparenten der anarchistischen, autonomen und alternativen Szene oder als Graffiti auf Häuserwänden – gemäß der Aufforderung im Text „Schreibt die Parole an jede Wand.“

Nach der Bundestagswahl 2005 titelte selbst der Spiegel: „Keine Macht für Niemand“, in Anspielung auf das für Demoskopen und Politiker verwirrende Wahlergebnis.

Wie auf „Warum geht es mir so dreckig“ benutzten Rio Reiser und R.P.S. Lanrue noch nicht ihre Künstlernamen.
Das Doppelalbum erschien in einer weißen Pappbox, beigelegt waren ein Textblatt und ein Katschi.
Andreas Baader hielt das Lied Keine Macht für Niemand für „vollkommenen Schmarrn“.

Inlay02ANun ….

Diese Platte ist ganz unabhängig von Zeitgeist, Moden und Trends. Stattdessen steht sie für den immerwährenden und ewigjungen Kampf für Freiheit, Menschlichkeit und das Recht auf Utopien.

Diese Platte muss ungefähr immer herhalten, wenn es darum geht, uns Spätgeborenen das Lebensgefühl von ’68 nahe zu bringen. Absurd, wenn man bedenkt, dass das Album erst 1972 erschienen ist und sich auch die Band Ton Steine Scherben erst 1970 in West-Berlin gründete.

Rio Reiser und die anderen Bandmitglieder der Scherben waren gerade mal Anfang 20, als sie mit ihrem zweiten Album „Keine Macht Für Niemand“ ihr frühes Meisterstück schufen. Es ist quasi das „White Album“ des deutschen Politrocks. Die Blaupause nicht nur für linken Agit-Pop oder Punk, sondern der Referenzpunkt für jedes deutschsprachige Rock-Album, das danach folgen sollte.

Die Band Ton Steine Scherben | Bild: picture-alliance/dpa

Dass es keine studierten Besserwisser oder Bildungsbürger waren, die da sangen, erdet die Platte bis heute. Sie spricht eine Sprache, die jeder versteht. Und in Verbindung mit Reisers charismatischer Stimme gehören die Texte mit zum Besten an deutscher Poesie nach 1945. Dazu Musik, die von den Stones, den Kinks und den Zombies beeinflusst ist.

„Keine Macht Für Niemand“ ist ein Rebell. Das Album propagiert aber keine destruktive Anarchie. Stattdessen atmet es den Geist des sozialen Kollektivs. Der große Mittelfinger an alle Turbokapitalisten und Menschenjäger da draußen!

Einer der berühmtesten Songs, der „Rauch-Haus-Song“, ist bis heute die Hymne aller Hausbesetzer – dank solcher Textzeilen: „Und wir schreien’s laut: Ihr kriegt uns hier nicht raus! Das ist unser Haus, schmeißt doch endlich Schmidt und Press und Mosch aus Kreuzberg raus!“

TSS02Der Song und die ganze Platte erteilten mir eine Lektion in Sachen Machbarkeit von Utopien: Mitte der Neunziger raffte sich in einem kleinen Kaff im Schwäbischen eine Gruppe dauerdepressiver, desillusionierter Grunge-Kids dazu auf, sich aktiv gegen den Abriss ihres Jugendhauses zu wehren. Sich nicht alles gefallen zu lassen, sich gegen die Mächtigen aufzulehnen.

PS: „Keine Macht Für Niemand“ ist immer noch die Platte, die mir am öftesten aus meinem DJ-Plattenkoffer geklaut wurde. Und das ist vollkommen okay so. Diese Platte taugt nicht zum Besitz für einen einzelnen, sie ist und bleibt ein Stück Allgemeingut. (Jutta Buck)

Ja, diese LP hat Kultcharakter, aber ganz so zeitlos, wie die Jutta Buck so sieht, nein , das ist sie nicht: Sie ist viel eher das klassische Tondokument jener Jahre, die schlicht und ergreifend für viele (wie mich) prägende Jahre waren.

Musikalisch überwiegend „schmutzig“ eingespielt, die textlichen Passagen, die dann mehr irgendwelche anarchistischen Idealen entsprechen sollen, nein, das war schon damas nicht meine Welt … denn der Traum der Anarchie war letztlichs chon damals längst ausgeträumt, weil eben utopisch …

TSS03Aber es gibt da auch jene zutiefst humanistische Grundhaltung bei den Texten, und die, ja die … beeindruckt mich noch heute.

Ein unverzichtbares Album für das Verständnis der deutschen Rockmusik

Undf so manch einer kann sich heute noch völlig euphorisiert in folgende Worte hinein steigern:

„Ich höre gerade mal wieder „romantisierende Scherbenmucke aus der Steinzeit“, wie Bohm es gerade nannte – und damit eine meiner Lieblingsplatten. Eine der fünf, die ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde. Weil ist halt so. Und weil Rio und die Scherben heute fehlen. Weil sie besser als die Stones waren und zudem ihre Instrumente auch sogar noch spielen konnten. Ja“ (kraftfuttermischwerk.de)

Also besser als die Stones waren Ton Stein Scherben nun ganz sicher nicht … und der musikalische Vergleich ist schon fast lächerlich, bedenkt man dass die Stones bereits ihr „Sticky Fingers“ Album veröffentlicht hatten … und as war dann musikalisch schon ne ganz andere Liga … oder ?

Dennoch gilt: Songs wie „Schritt für Schritt ins Paradies“ wurden für die Ewigkeit geschrieben !

Inlay01ABesetzung:
R.P.S. Lanrue (guitar, drums, background vocals)
Olaf Lietzau (drums)
Angie Olbrich (background vocals)
Nikel Pallat (vocals)
Jochen Petersen (saxophone)
Rio Reiser (vocals, guitar, keyboards)
Jörg Schlotterer (flute, background vocals)
Kai Sichtermann (bass, banjo, background vocals)
Anna Schimany (background vocals)
+
Gaby Borowski & Rauch-Haus-Chor (background vocals)
Klaus Schulz (cowbell)
BackCover1
Titel
01. Wir müssen hier raus! (Reiser/Lanrue) 5.21
02. Feierabend (Reiser/Lanrue) 4.41
03. Die letzte Schlacht gewinnen wir (Reiser/Lanrue) 4.18
04. Paul Panzers Blues (Pallat/Möbius) 6.41
05. Menschenjäger (Reiser/Lanrue) 4.18
06. Allein machen sie dich ein (Reiser/Lanrue) 4.41
07. Schritt für Schritt ins Paradies (Reiser/Lanrue) 6.52
08. Der Traum ist aus (Reiser) 9.24
09. Mensch Meier (Reiser/Lanrue) 3.43
10. Rauch-Haus-Song (Reiser) 3.59
11. Keine Macht für Niemand (Reiser, Lanrue) 4.08
12. Komm schlaf bei mir (Reiser) 4.02

LabelC1

*
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KeineMacht2<

Schmetterlinge – Proletenpassion (1977)

FrontCover1Und jetzt hätte ich noch ein Passionsspiel im Angebot:

Die „Proletenpassion“ der Schmetterlinge“ aus Österreich ist wohl eines der ambitioniertesten Projekte die es jemals im deutschsprachigen Raum produziert wurde. Und von daher hier nun eine sehr ausführliche Würdigung von diesem Meisterwerk:

Die Schmetterlinge waren eine österreichische Folk-Politrock-Band der 1970er und frühen 1980er Jahre mit kritisch-politischen Texten, die größtenteils von Heinz Rudolf Unger verfasst wurden.

Die Schmetterlinge wurden 1969 in Wien gegründet. 1970 stieß Brigitte Schuster zur Band, bereits 1971 wurde sie allerdings durch Pippa Armstrong ersetzt. 1973 verließ Fredi Rubatschek die Band, an dessen Stelle der vielseitige Herbert Tampier trat. 1976 wurde die weibliche Gesangsstimme endgültig von Pippa Armstrong an Beatrix Neundlinger übergeben, die als Sängerin die weiteren „Schmetterling“-Produktionen begleiten sollte. Außerdem spielte Günther Großlercher, der eigentlich für die Aufnahmeleitung, das Management und bei Konzerten für den Saalton zuständig war, auf vielen Platten die akustische Gitarre.

Schmetterlinge21977 erschien die Proletenpassion, in der die Herrschaftsstrukturen und soziale Fragen des frühen 16. bis zum späten 20. Jahrhundert thematisiert wurden. Sie basiert auf Texten von Heinz Rudolf Unger. Uraufgeführt wurde sie 1976 bei den Wiener Festwochen.

1977 vertraten die Schmetterlinge Österreich beim Grand Prix Eurovision de la Chanson, dem heutigen Eurovision Song Contest mit dem Lied Boom Boom Boomerang. Das Lied, getextet von Lukas Resetarits und gedacht als satirische Kritik an der Plattenindustrie, erreichte den vorletzten Platz. Beatrix Neundlinger hatte Österreich bereits 1972 mit der Gruppe Milestones beim Grand Prix vertreten.

Die 1979 erschienene LP Herbstreise ist die wohl zeitpolitischste wie auch die musikalisch ausgefeilteste Platte der Schmetterlinge. Sie nimmt Stellung zu den 1979 in Deutschland vorherrschenden Themen – von Befindlichkeiten im Klima der RAF, Denunziantentum im Zuge der Berufsverbote, über Emanzipation, Wirken alter Kräfte der NS-Zeit in der BRD, bis hin zum Kampf gegen Kernkraftwerke und für die 35-Stunden-Woche. Die LP kann als Soundtrack des „Deutschen Herbstes“ gesehen werden.

1979 sangen die Schmetterlinge den Titelsong Die goldene Acht des deutschen Kinofilms Die Abfahrer von Adolf Winkelmann. Ab 1982 verstärkte Helmut Grössing die Band und spielte Schlagzeug. 1983 verlieh das „Unterhaus“ in Mainz der Gruppe „Schmetterlinge“ den jährlich vergebenen Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte „Kleinkunst“. 1985 spielten die Schmetterlinge die Revue „Nix is fix“ im Wiener Akademietheater. Im selben Jahr verließen Willi Resetarits und Helmut Grössing die Gruppe, um unter den Pseudonymen Kurt Ostbahn und Eduard Jedelsky bei der Chefpartie mitzuspielen.[3] 1987 erfolgte eine große Tournee mit einer leicht veränderten Wiederaufführung der Proletenpassion in diversen Städten der damaligen BRD (u.a. München, Berlin, Bochum, Bremen, Oldenburg, Köln). 1989 gab es eine Vorstellungsserie des Programms „Vorwärts – und vergessen?“, dann wurde es ruhig um die Gruppe. 1995 folgten noch die Programme „Jahre wie Tränen“ und „Lieder zur rechten Zeit“. Danach gab die Band nur noch vereinzelt Benefizkonzerte – das vorerst letzte Konzert fand im März 2001 statt.

Im Sommer 2008 fand sich die Gruppe (ohne Willi Resetarits) wieder zusammen und spielte vereinzelt Konzerte mit dem Jura-Soyfer-Programm. Am 24. Mai 2013 erlag Gründungsmitglied Erich Meixner seiner Krebserkrankung. (Quelle: wikipedia)

Schmetterlinge3
Soweit die Geschichte der Schmetterlinge, nun zu diesem Album, das damals in einer Box erschien und 3  LP´s enthielt:

Die Proletenpassion ist ein politisches Oratorium der österreichischen Politrock-Gruppe Schmetterlinge. Das Werk wurde 1976 bei den Wiener Festwochen als szenische „Theaterfassung“ unter der Regie von Dieter Haspel uraufgeführt und 1977 auf einem Triple-Album (drei Langspielplatten) als „konzertante Fassung“ eingespielt. Bis in die 1980er Jahre folgten Live-Auftritte der Schmetterlinge mit diesem rund zweieinhalb Stunden dauernden Programm in vielen Städten des deutschsprachigen Raums.

Im Jahr 2015 erfolgte die Wiederaufnahme einer überarbeiteten Fassung Proletenpassion 2015 ff im Werk X in Wien Meidling. Heinz Rudolf Unger fügte hierfür neue Texte hinzu, die im Mandelbaumverlag als Buch erschienen sind  und Eva Jantschitsch hat die Musik neu arrangiert.

Die Arbeit an der Proletenpassion begann 1974 mit dem Versuch der Schmetterlinge, formale Umsetzungen der musikalischen Strukturen der Passionen Johann Sebastian Bachs vorzunehmen. Innerhalb des Band-Kollektivs war der Begriff „Passion“ für das geplante Werk umstritten, da er eine Leidensgeschichte suggeriere. Angesichts des historischen Fortschritts und der auf lange Sicht trotz aller Niederlagen auch erfolgreichen sozialen Kämpfe sei der Begriff verkürzend und irreführend. Dennoch wurde der Titel aufgrund seiner Einprägsamkeit beibehalten, da keine Alternativen dazu gefunden wurden, auf die sich alle Mitglieder der Schmetterlinge einigen konnten.

Bauernkrieg

Gemälde zum Grossen Deutschen Bauernkrieg von Max Lingner 1951-1955 (unvollendet)

Nach zwei Jahren wurde das Werk fertiggestellt. Nicht nur die Musiker der Schmetterlinge waren daran beteiligt, sondern u.a. auch Arbeitsgruppen aus Studenten und Historikern. Die Proletenpassion war das Ergebnis relativ umfangreicher Quellenstudien und teilweise kontroverser Diskussionen. Einzelne bereits eingeplante Lieder wurden dabei wieder gestrichen. Beispielsweise nahm man laut Angaben im Begleitheft des Albums einen Teil der Passage zur Geschichte der Sowjetunion heraus. Unter den Beteiligten herrschte hier in der Frage Uneinigkeit, inwieweit es sich bei der UdSSR der 1970er Jahre noch um einen sozialistischen Staat handle oder nicht.

Nach der Uraufführung bei den Wiener Festwochen wurde die Proletenpassion im eigens für die Bedürfnisse der Gruppe neu aufgebauten und eingerichteten Wiener „Schmetter Sound Studio“ aufgenommen. Dieses Tonstudio sollte auch später den Schmetterlingen und anderen inhaltlich ähnlich ausgerichteten Musikern dazu dienen, von der etablierten Musik- und Unterhaltungsindustrie unabhängige Tonband- und Plattenaufnahmen zu ermöglichen.

In der im Wesentlichen von Heinz Rudolf Unger getexteten und von Willi Resetarits und Georg Herrnstadt komponierten Proletenpassion werden Herrschaftsstrukturen und soziale Fragen der europäischen Neuzeit zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert in einer Mischung aus verschiedenen musikalischen und literarischen Stilelementen thematisiert. Bei der inhaltlichen Aussage steht dabei das Anliegen der Schmetterlinge im Mittelpunkt, gegen die „Geschichte der Herrschenden“ bzw. die „herrschende Geschichtsschreibung“ die „Geschichte der Beherrschten“ zu stellen.

Pariser Kommune

Die Proletenpassion ist angelegt in der Art einer historischen Revue der Geschichte der revolutionären Bewegungen und der Arbeiterbewegung von den Bauernkriegen nach der lutherischen Reformation bis zu den in den 1970er Jahren aktuellen Themen der politischen Linken. Dazu gehörte beispielsweise auch die internationale Auseinandersetzung mit dem Militärputsch gegen die sozialistische Regierung Salvador Allendes in Chile und dem daran anschließenden staatlichen Terrorregime unter General Augusto Pinochet.

Die Proletenpassion hat eine eigene Form der künstlerischen Bewusstseinsbildung mitgeprägt. Erste Umsetzungen dieser Form finden sich bereits in den frühen 1970er Jahren bei der westdeutschen Kabarett- und Politrockgruppe Floh de Cologne, zum Beispiel in deren Alben Mumien – Kantate für Rockband und Geyer-Symphonie von 1974. Nach den Schmetterlingen wurde dieser Stil verschiedentlich auch von anderen Politrock-Bands aufgegriffen (so etwa von der damals bestehenden Gruppe Oktober mit ihrem Doppelalbum Die Pariser Commune). Insgesamt ist diese Art der musikalischen Bearbeitung eines breiter angelegten politischen Themas bei den Schmetterlingen mit ihrem Album zur Geschichte der Arbeiterbewegung am erfolgreichsten zur Geltung gebracht worden.

Die Proletenpassion hat den Anspruch, die Geschichte der vergangenen 500 Jahre aus der Perspektive der Beherrschten im Sinne der marxistischen Geschichtsauffassung als Geschichte von Klassenkämpfen musikalisch mit kabarettistischen Einlagen darzustellen. Ein Stilmittel ist dabei, überlieferte historische Originalzitate einzubauen oder Monologe und Dialoge satirisch überspitzt historischen Persönlichkeiten – von Martin Luther bis zu Adolf Hitler – in den Mund zu legen.

Mit ihrem Anspruch, Geschichte sozusagen „von unten“ zu beschreiben, folgten die Schmetterlinge dem Beispiel von Bernt Engelmann, der dies 1974/75 in seinen „Anti“-Geschichtsbüchern „Wir Untertanen“ und „Einig gegen Recht und Freiheit“ in der literarischen Form des Sachbuchs umgesetzt hatte. Eine weitere Inspiration für die Umsetzung der Proletenpassion war das Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“ von Bertolt Brecht aus dem Jahr 1939 (vgl. unter Weblinks), das im Begleitheft des Triple-Albums statt eines Vorworts abgedruckt ist, und das die Kritik (vgl. Geschichtskritik) an der vorherrschenden Geschichtsschreibung sinnbildlich formuliert.

Oktoberrevolution
Inhaltlich beispielhafte Schwerpunkte setzt die Proletenpassion auf den Deutschen Bauernkrieg 1524/25, die bürgerlichen Revolutionen (vor allem die französische Revolution von 1789), die Pariser Commune 1871, die Oktoberrevolution in Russland 1917 und die ihr nachfolgenden revolutionären Umbrüche nach dem Ersten Weltkrieg, die Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus zwischen 1933 und 1945 und dem Spanischen Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 bzw. dem Kampf der antifaschistischen Internationalen Brigaden gegen den Franquismus. Am Ende thematisiert das Werk die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen der damaligen Gegenwart der 1970er Jahre. Dabei propagieren die Schmetterlinge ein politisches Engagement in einem revolutionär-sozialistischen Sinn – als Lehre und Moral der generationenübergreifenden sozialen Klassenerfahrung des Proletariats.

Musikalisch greift die Proletenpassion in vielen der einzelnen, jeweils relativ kurz gehaltenen Titel (nur wenige Lieder in dem insgesamt rund 130 Minuten dauernden Werk sind länger als 2 Minuten) teilweise den populären Musikstil der jeweils behandelten Epoche und Region auf und mischt ihn mit Elementen aus neuerer Folk- und Rockmusik (vgl. auch Folkrock). Dabei reicht das Repertoire von klassischen Elementen über Chorgesang (unterschiedlicher Stilrichtungen), regionalem russischem, französischem, deutschem Volksliedgut (vgl. Volksmusik) – bzw. traditionellen Revolutionsliedern aus historischer und moderner Folklore – bis hin zu moderner Rockmusik im Stil der 1970er Jahre. Akustische Instrumente wie Akkordeon, Congas, Mandoline und Gitarren bewirken einen weltmusikalischen Eindruck.

Zwischen den Musikstücken wechseln sich verschiedentlich gesprochene Einführungen und/oder szenische Darstellungen mit kabarettistischen Elementen ab, immer untermalt mit jeweils zeitgenössischen musikalischem Hintergrund, mal offensiv-kämpferisch, mal melancholisch, mal spitzzüngig-humoristisch.

Das Jalava-Lied ist das populärste Lied aus der Proletenpassion. Wegen seines schmissigen Refrains und des witzigen Plots, der in dem Lied erzählt wird, war es in der Jugendbewegung der 1970er und 1980er Jahre populär. Resetarits war auch der Sänger des Liedes in der bekannten Plattenaufnahme der Proletenpassion. Das Lied erzählt, wie Lenin im Oktober 1917, kurz vor der russischen Oktoberrevolution, angeblich als Heizer verkleidet auf einer finnischen Lokomotive illegal über die finnisch-russische Grenze nach Sankt Petersburg fuhr. Held des Liedes ist der finnische Lokführer Jalava, der das Seinige dazu tat, Lenin durch die Grenzkontrollen zu schmuggeln. In Wirklichkeit war Lenin allerdings als Heizer verkleidet nach Finnland geflohen und kehrte als Priester verkleidet nach Russland zurück.

Der Refrain des Liedes lautet:

Jalava, Jalava, du Finne, was lachst du so gegen den Wind?
Ich lache, weil meine Sinne alle beisammen sind
und weil wir weiterkamen und weil die Welt sich dreht,
und weil mein Heizer von Flammen und Dampfkesseln was versteht.

Diese Metapher spielte auf Lenins Rolle als „Anheizer“ der Oktoberrevolution an.

Rhythmus und Melodie des Liedes erinnern an russische Tanzlieder und zugleich an den Takt der fahrenden Lokomotive.

Faschismus

Opfer des Faschismus (1946) von Hans Grundig

Die Proletenpassion, in ihrem Zusammenhang deren Hauptautor sowie die Schmetterlinge insgesamt, waren Ende der 1970er Jahre vielfach Thema von Rezensionen im Feuilleton deutschsprachiger Zeitungen und Magazine. Dabei äußerten sich auch prominente Journalisten in renommierten Printmedien:

„Unger ist ein sprachbegabter Mann von radikaler Gesinnung […] Er trifft den Volksliedton, den Landsknechtston, den Eisler- und Brecht-Ton, er kann Knittelverse schnitzen und Balladen à la Biermann hämmern, er hat als Wiener von Karl Kraus gelernt, wie man Zitate zu Bumerangs macht […]“
(Auszug aus einer Rezension von Hilde Spiel in der deutschen Tageszeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung)

„Selten genug schleicht sich in die verzuckerten Fabriken der Unterhaltungsindustrie Sprengstoff […] In mühevoller Kleinarbeit produzierten die fünf Musiker und der Textdichter Unger ein zeitgemäßes Oratorium über die Kämpfe der kleinen Leute, die in den großen Chroniken namentlich nie und sonst nur in den Ziffern von Verlusten und Opfern Platz finden […] Heraus kam ein geschliffenes, beinahe überperfektes Opus, das ziemlich einzigartig in der Branche dasteht […]“
(Auszug aus einer Rezension von Joachim Riedl im österreichischen Nachrichtenmagazin Profil) (Quelle: wikipedia)

Schmetterlinge4

Es mag ja sein, dass all diese Lieder heute ein wenig antiquiert klingen, es mag ja sein, dass diese Form des Geschichtsbewußtseins heute „out of time“ ist … Das ändert aber nichts daran, dass nur und genau nur diese Form der Geschichtsschreibung all jenen Menschen die nicht „da oben“ standen, gerecht wird. Alles andere ist Humbug ! Damit ist allerdings nicht gemeint, dass jene unsägliche kommunistische Geschichtsschreibung die Alternative ist. Aber der Blick auf „die da unten“ ist schon angebracht !

Und deshalb gibt´s dann noch – ganz unten – die Fragen eines lesenden Arbeiters … von Bert Brecht.

Konzertplakat

Konzertplakat

Besetzung:
Joris Dudli (drums)
Schurli Herrnstadt (piano, guitar, vocals)
Erich Meixner (bass, accordion, piano, vocals)
Beatrix Neundlinger (flute, vocals)
Willi Resetarits (vocals, drums, percussion)
Herbert Tampier (guitar, mandolin, bass, vocals)
+
Chor:
Günter Grosslechner – Kirstin Lill – Lukas Resetarits – Pippa Tinsobin

Booklet03ATitel:

LP 1:

Prolog:
01. Wer schreibt die Geschichte? (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.59
02. Wir hatten Gräber und ihr hattet Siege (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.55
03. Lied des Geschichtslehrers (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.42

Die Bauernkriege:
04. Einführung: Deutschland um 1500 (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.09
05. Des Bauern große Not (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.15
06. Die 12 Artikel der Bauern (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.02
07. Martin Luther, Org.-Zitat 1 1.38
08. Kampflied der Bauern (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.27
09. Siegestanz (Tampier) 1.10
10. Bericht über Thomas Münzer (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.49
11. Ein neues Reich, ein bess’res Reich (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.28
12. Martin Luther, Org.-Zitat 2 0.38
13. Thomas Münzer, Org.-Zitat 0.26
14. Kommt, ihr tausend Haufen (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.12
15. Im Mai zu Frankenhausen (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.39
16. Lehren der Bauern (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.05

LP 2:

Die Revolution der Bürger:
17. Mächtelmöchtel (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.36
18. Dialog Bürger-Philosoph (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.13
19. Die große Zeit, die da begann (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.37
20. Marianne (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.52
21. Marseillaise (DeLille) 1.11
22. Lied von der letzten Schlacht (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 3.36
23. Ballade vom Glück und Ende des Kapitals (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.17
24. Die Schlesischen Weber (Heine/Herrnstadt/Resetarits) 3.41

Die Pariser Kommune:
25. Auftritt General V. Moltke (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.40
26. 100 000 Arbeitslose (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.35
27. Ballade von den zwei ruhmlosen Generalen (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.21
28. Lied vom Gespensterzug (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.12
29. Wahlaufruf (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 0.49
30. Was ist die Kommune (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.43
31. Dekrete der Kommune (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.16
32. Die Verhandlung (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.00
33. Die Frauen der Kommune (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.38
34. Chanson vom letzten Kampf Der Kommunarden (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.33
35. Die Lehren der Kommune (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.19
36. Lied der Fragen (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.07
37. Tot oder lebendig (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.55

Die Lehren der Kommune, gezogen im Oktober 1917 in Rußland:
38. Lärm und Stille (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 0.54
39. Es fällt ein Soldat in Tarnopol (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.11
40. Babouschka-Lied (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.11
41. Lied vom Hausbau (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.10
42. Lied der Kleingläubigen (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.51
43. Jalava-Lied (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 3.34
44. Erstürmung des Winterpalais (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.23
45. Wenn ich wieder reich bin (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.35
46. Lied von der Partei (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 3.59
47. Stille und Lärm (Herrnstadt/Resetarits/Unger)1.16

LP 3:

Faschismus:
48. Der Funke fliegt (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.13
49. Der Schuß von hinten (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 3.07
50. Otto Bauer, Org.-Zitat 1.48
51. Das Lied von Krupp und Thyssen (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.40
52. Hitler’s Blues (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 3.22
53. Lied vom A-Sager (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.21
54. Wir haben nie zu kämpfen aufgehört (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 0.22
55. Vier noble Generale (Lied aus dem spanischen Bürgerkrieg) (Traditional)
56. Faschismuslied des Geschichtslehrers (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.05
57. Companero Victor Jara: Presente (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.07

Epilog:
58. Fragelied 1 (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.31
59. Supermarkt-Song (Meixner/Unger) 3.09
60. Die Geschichte vom Arbeiter Willi K., der sich selber wegrationalisierte (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 4.19
61. Demokratie-Lied (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.09
62. Bilanz-Tanz (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 2.27
63. Fragelied 2 (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.12
64. Sozialismus, der fällt nicht vom Himmel (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.49
65. Wir lernen im Vorwärtsgeh’n (Herrnstadt/Resetarits/Unger) 1.57

LabelF1

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Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Und das mehrmals zerstörte Babylon,
Wer baute es so viele Male auf ? In welchen Häusern
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend, wo die chinesische Mauer fertig war,
Die Maurer? Das große Rom
Ist voll von Triumphbögen. Über wen
Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz
Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis
Brüllten doch in der Nacht, wo das Meer es verschlang,
Die Ersaufenden nach ihren Sklaven.
Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer
Siegte außer ihm?
Jede Seite ein Sieg.
Wer kochte den Siegesschmaus?
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?

So viele Berichte,
So viele Fragen.

Checkpoint Charlie – Frühling der Krüppel (1978)

FrontCover1Checkpoint Charlie war eine der ersten deutschsprachigen Rockbands und hauptsächlich aktiv in den späten 1960er, 1970er und frühen 1980er Jahren, die vor allem sozialkritische und satirische Texte in der Rockmusik verwendete. Durch zahlreiche Auftritte gehörte Checkpoint Charlie Ende der 1960er Jahre zum festen Bestandteil der studentischen Oppositionsbewegung.

Checkpoint Charlie entstand 1966 in Karlsruhe aus einer Begegnung von Harald Linder und Uwe von Trotha. Schnell kam die Idee lyrisches u. a. von Bertolt Brecht und François Villon mit Beatmusik zu verbinden.[1] Neue Bandmitglieder waren Joachim „Krebssalat“ Krebs und Werner Heß. 1969 traten sie auf dem letzten Burg Waldeck Festival auf. Ihre erste LP erschien 1970 in Eigenproduktion und enthielt einen Mitschnitt eines Konzertes an der Uni Erlangen. In ihrer damaligen Rock-Operette „Scheiße“ befassten sie sich mit Problemen des Umweltschutzes.

CheckpointCharlie01

Checkpoint Charlie, 1971

Es folgte der erste Prozess gegen die Band aufgrund einer Schwarz-Rot-Goldenen Kloschüssel. Als Beispiel für die deutsche Rockszene und den Begriff „Rock und der Anspruch kultischer Aufklärung“ fand Checkpoint Charlie 1971 Eingang in die 13-teilige NDR-Sendereihe Sympathy for the Devil, wurde allerdings größtenteils nachträglich herausgeschnitten. Nach einer kurzzeitigen Auflösung der Gruppe probte Checkpoint Charlie 1972 auf der Burg Waldeck für ihr Programm „Notwehr“. Die Tournee sollte vom Verband der Kriegsdienstverweigerer finanziert werden, dieser sprang jedoch kurz vor Beginn ab, was große finanzielle Probleme zur Folge hatte. Trotzdem spielte Checkpoint Charlie in kleinerer Besetzung in über 100 Städten der BRD, löste sich aber 1973 auf.

CheckpointCharlie02

Checkpoint Charlie als Teil einer Kommune

1977 gründeten Uwe von Trotha und Joachim Krebs die Gruppe neu und beteiligten sich an dem Umsonst und Draußen Festival 1977 in Vlotho und den Folgeveranstaltungen in Porta Westfalica 1978[2] und 1979.[5] Die zweite LP entstand acht Jahre nach der ersten unter dem Namen Frühling der Krüppel auf dem unabhängigen Label Schneeball,[2] bei dem auch befreundete Gruppen wie Embryo, Ton Steine Scherben und Missus Beastly mitwirkten.[6] Die Band gründete die „Familie Hesselbach Kommune“ im nordpfälzischen Bisterschied.[7] Die 1979 erschienene LP, aufgrund des transparenten Vinyls und Covers meist „Die Durchsichtige“ genannt, enthielt neben zwei Studioaufnahmen drei Liveaufnahmen. 1980 kamen sie aufgrund eines „Franz Josef“ genannten Pappschweines in erneute rechtliche Schwierigkeiten. Die Staatsanwaltschaft nahm ein Konzert vom 28. Juli 1979 beim „Burghaldefest“ in Kempten zum Anlass, die Gruppe wegen Beleidigung des bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß zu verklagen. Die 1981 erschienene LP Krawall im Schweinestall griff diesen Vorfall sowohl in den Liedern als auch im 8-Seitigen Booklet auf. 1982 erschien die LP Feuer und Flamme, danach zog sich die Band zurück.

CheckpointCharlie03

In den 1990er Jahren ging Uwe von Trotha mit Musiker Therofal erneut auf Tournee und veröffentlichte mit weiteren Freunden das Album Echtes Liveblocking Gurglersinfonie.[9]

2002 kam es zur erneuten Wiederbelebung der Band mit einem Konzert beim Burg-Herzberg-Festival und einer kleinen Tournee. (wikipedia)

Und so stellten sie sich selbst dar:

Seit 1967 nehmen die Mannen um Uwe von Trotha „Spießer, kalte Krieger, verkalkte Offiziere, ganz bestimmte Politiker und Schreibtischtäter mit Unterleibern von Käthe-Kruse-Puppen“ aufs Korn – in wechselnden Besetzungen und mit längeren Schaffenspausen. Aber es gibt den Checkpoint Charlie trotz Wiedervereinigung noch immer, demnächst mit neuer CD.

CHECKPOINT CHARLIE:
Die Undercover ROCK Agenten
Wenn man den Namen Checkpoint Charlie hört, denkt man natürlich als Erstes an den
ehemaligen Grenzübergang in Berlin. Aber der ist hier natürlich nicht gemeint.

CHECKPOINT CHARLIE ist eine Pfälzer-Band aus den hippigen 70ziger Jahren, die 1978 als neues Bandmitglied eine rosa Pappsau mit dem Namen „Franz-Josef“ in den Bandbus packte und sie bei ihren Konzerten immer einmal über die Bühne trieben, damit ihr nicht die Füsse einschliefen. Irgendwo in Bayern geschah es dann, dass sich ein aufrechter Landsmann durch den Anblick der Sau und die Namensgleichheit mit dem damaligen Ministerpräsidenten, so in seiner Ehre verletzt fühlte, dass er die Begebenheit dem Verfassungsschutz meldete und dieser zu dem Schluss kam, es müsse sich dabei tatsächlich um eine Verschwörung gegen ihren so geliebten Ministerpräsidenten handeln.
Nach langem Hin + Her wurde CPC vom dem Kemptener Amtsgericht verurteilt in Zukunft die Sau zuhause zu lassen und eine Geldstrafe von damals 15000.- DM wegen Beleidigung an Herrn Franz-Josef Strauss zu zahlen. Dies ging damals natürlich durch die deutsche Presse und war ein positiver Beitrag für die Popularität der Anarcho-Kapelle CHECKPOINT CHARLIE. Aber nicht nur durch diese Aktion, sondern auch durch ihre eigenwilligen Texte und unverblümten Interpretationen waren die Konzerte von CPC ein Happening der anderen Art. Die Shows von Jürgen Bräutigam, Lothar Stahl, Wilfried Sahm um den Frontmann Uwe von Trotha waren prägend für den Begriff „Subkultur von unten“ ! (schneeball-records.de)

Hier ihr zweites Album aus dem Jahr 1978 (das erste erschien bereits 1970 unter dem Titel „Grüß Gott mit hellem Klang“)

Ihre LP „Frühling der Krüppel“ erschien 1978 bei Schneeball Records (Musik im Vertrieb der Musiker) und hat Beschreibungen vom „Wahnsinn des deutschen Alltags“ zum Inhalt. Auf nur drei Titeln prangern sie mit hintergründiger Ironie den Konsumterror an („Wenn sie dich verkaufen wollen, laß dich nicht von ihrem Wahnsinn überrollen“, zeichnen das Leben „Vom Fritzle“ nach („Er gewöhnt sich jetzt das denken ab“) und offerieren unverständliche Philosophien („Du schwarzer Spaziergänger mit den unparfümierten Gesichtszügen; der Stein in deinem Kopf, ein versteinerter Traum, ist wie die Steine dieser Stadt“) (Günter Ehnert)

In der Tat: Die Texte sind mehr als einmal eher sperrig, zuweilen platt … okay, nennen wir sie anarchistisch … und das ist ja mal per se auch eine Form, sich künstlerisch auszudrücken.

Zufriedener macht mich jedoch die Musik, die kann man als durchaus veritablen Rock, gelegentlich auch als Jazz-Rock benennen.

Auf jeden Fall sind und bleiben Checkpoint Charlie schon ne rechte Chaos-Truppe …

BackCover

Besetzung:
Jürgen Bräutigam (bass, vocals, noises)
Joachim Krebs (keyboards, synthesizer)
Wilfried Sahm (guitar, effect (Lemon Sound Phasing), background vocals)
Lothar Stahl (drums, percussion, noises)
Uwe von Trotha (vocals)

Booklet

Titel:
01. Haben Rock 9.31
02. Die Geschichte vom Fritzle 13.03
03. Frühling der Krüppel 22.53

Musik: Jürgen Bräutigam – Joachim Krebs – Wilfried Sahm – Lothar Stahl – Uwe von Trotha
Texte: Uwe von Trotha

LabelB1

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Streichholzbriefchen

Werbemittel: Ein Streichholzbriefchen

 

Panther – Wir wollen alles (1974)

FrontCover1Eigentlich wollte ich ja schon ein wenig mehr über diese „knallharte“ Polit-Rock-Band schreiben. Aber zum einen haben sich intensivere Informationen über diese Band kaum finden lassen, andererseits war ich aber auch nur zu faul zu suchen (die Hitze, you know). Deshalb heute nur soviel:

Die  Band  Panther  existierte  als  Politrockband  von 1971-1977  und  brachte  drei  Alben  heraus.
Mastermind Klaus Schulz war bei Rio Reisers heute noch bekannter Ex-Band Ton Steine Scherben  als Produzent für deren erfolgreichstes Werk „Keine Macht Für Niemand“  verantwortlich. Zu jener Zeit war er mit Sicherheit der am häufigsten von Polizei-MPs bedrohte Musiker Deutschlands. Die  Panther  LP  von  1974  „Wir  Wollen  Alles“  wurde  in  der Politrock-Zeit  zum  absoluten  Hausbesetzer- und  Straßenkämpfer-Hit.  Zu  den  frühen  Fans  zählten unter  anderem  Joschka  Fischer  und  Daniel Cohn-Bendit,  die  ihre  erste  Frankfurter  Zeitung  nach  „Wir  Wollen  Alles“  benannten.

Single

Musikalisch bewegte sich die Band zwischen Status Quo und Canned Heat und die MC 5 waren ganz sicher auch mit dabei. Die Texte, nun ja … einerseits richtige und wichtige Texte für jenen Teil der Jugend der damals aufbegehrte, heute hören sie sich dennoch ein wenig schlicht an, aber vielleicht auch genau das richtige für die damalige Hausbesetzer- und  Straßenkämpfer-Szene.

Wer sich für die Polit-Rock Bewegung jener Tage (Ton Steine Scherben, Tobogan oder Lokomotive Kreuzberg) interessiert, kommt an dieser Band aus Ahrensburg eigentlich nicht vorbei.

Panther

Interessant ist, dass aus dieser Band etliche Musiker weiterhin Musik gemacht haben und dabei sind einige klangvolle Namen dabei, wie diese Übersicht zeigt:

lineups

Quelle: spirit-of-metal.com

Ich selbst habe übrigens die damaligen Ereignisse in Frankfurt natürlich aus der Ferne aufmerksam beobachtet und das einerseits mit viel Sympathie, andererseits aber auch mit einem gewissen Argwohn: Mich störte damals die latent vorhandene Gewaltbereitschaft dieser autonomen Szene. Kein Wunder: bereitete ich mich auch gerade darauf vor, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden (damals kein unbedingt einfaches Unterfangen; aber ich hab´s ja dann schlussendlich geschafft *ggg*)

BackCover

Besetzung:
Gregor Ahrens (drums)
Julle Ahrens (bass)
Gert  Lange (guitar, background vocals)
Olaf Lietzau (percussions)
Manne Rürup (synthesizer)
Klaus  Schulz  (guitar,  vocals)

Joschka Fischer auf einer Demo in Frankfurt 1974:

 

Joschka Fischer auf einer Demo in Frankfurt 1974

 

Titel:
01. Wir wollen alles 4.20
02. Papiertiger 5.18
03. Putte muß bleiben 2.50
04. Mach die Augen auf 4.33
05. Daimler Se 4.16
06. Eingesperrt 7.26
07. Die Sirene heult 2.31
08. Wodka Lemon 9.07

LabelB1

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KlausSchulzHeute

Klaus Schulz im Jahr 2012

Textblätter

Die Textblätter

Flugblatt (Auszug)

Damals wie heute: ieses Thema brennt weiterhin unter den Nägeln !!!

Verschiedene Interpreten – Keiner oder alle (1978)

FrontCover1.jpgAusgangspunkt für diesen Beitrag war mein Beitrag über die Polit-Rock LP der Gruppe Oktober mit dem Titel „Uhrsprung“ aus dem Jahr 1976. Den Beitrag kann man natürlich noch nachlesen und zwar hier.

Und bei den Leserbriefen zu diesem Beitrag informierte mich der Michi, dass es da noch eine andere LP gleiche Coleur gäbe … uund die heiße „Keiner oder alle“. Und da hab´ich natürlich geantwortet, dass mich aus diese Aufnahmen sehr interessieren würden, „denn der Polit-Rock jener Jahre hat mich schon stark geprägt.“ … so schrieb ich das.

Und der Michi, ließ sich nicht lumpen und stellte mir nun dieses Album zur Verfügung.

Und so ist dieser blog wieder um eine Facette reicher … da kann ich nur ein herzliches Dankeschön sagen.

Und ja, die Texte (zuweien rotzfrech), sie mögen manchem antiquiert erscheinen, aber im Kern hatten sie damals wie heute ihre Berechtigung … zumindest hinsichtlich der damaligen AKW-Debatten („Atomkraft – Nein danke“) waren all diese Proteste nicht nur sinnvoll und notwendig, sondern zumindest in deutschen Landen dann letztlich erfolgreich … wenn es auch ein langer Weg war.

AtomkraftNeinDanke.jpg

Und wenn man sich mal der Musik zuwendet, so kann man erfreut feststellen, dass die Zeit der zuweilen arg grobschlächtigen Klänge der ganz frühen Polit-Rock Scheiben vorbei war (man hören sich diesbezüglich mal die Gruppe „Druckknöpfe“ an).

… und standen Liedermacher wie der Dieter Süverkrup oder der Walter Mossmann als Pate (vermutlich gerne) zur Verfügung.

Lieder, die die RAF als „politische Gefangene“ würdigen, fand ich damals wie heute eher deplaciert … aber das ist ein weites ‚Thema … für hat die RAF so ziemlich alles getan, um „linke Ideen und Gedanken“ in Misskredit zu bringen.

Info-Blatt

Info-Blatt

Der Titel dieses so sympathischen Albums stammt übrigens von dem gleichnamigen Gedicht von Berthold Brecht.

Wie gesagt: manches mag überholt und antiquiert klingen, aber dass die damalige junge Generation sich auch musikalisch in das gesellschaftliche Treiben, das ansonsten von bürgerlichen Politikern und dem Großkapital (jawohl, das darf man durchaus so sagen) bestimmt wurde … ist sehr bemerkenwert. Und heute haben wir die „Friday for Future“ – Bewegung … will this cirlcle never been broken.

Von daher: Ganz, ganz viele Sympathiepunkte meinerseits.

Und  ein Kalla Wefel war damals nicht nur musikalisch an diesem Album beteiligt, sondern stellte auch sein kleines 2-Spur „Eulenspiegel Studio“ in der Annenstraße 8, Hamburg zur Verfügung.

Und von dem Kalle Wefel und seinem weiterem Werdegang wird hier demnächst auch die Rede sein.

Bei ihm ist das auch so schwer, weil er bis heute in der einen oder anderen Weise aktiv ist … und was wurde aus all den anderen Beteiligten … ? Das würde mich doch sehr interessieren, weil mich eben Biographien von Menschen sehr interessieren.

BackCover1

Titel:
01. Schraubstock: Laßt uns wecken (Wefel) 4.56
02. Zündhölzer: Kinderlied (Zundhölzer) 0.47
03. Eimsbütteler Liederküche: Ich bau mir ein kleines AKW (E.Liederküche) 4-33
04. Uli; Baustellensicherung (Mock) 3.28
05. St. Pauli Gesangsverein V. 1878: Kriminalisierungslied
06. Hamburger Straßentheater: Unterelbelied (HH Straßentheater) 5.15
07. Zündhölzer: Lied vom Tod (Zünderhölzer/Süverkrup) 3.38
08. Druckknöpfe: Los komm mit (Hochhuth) 2.18
09. Kalla Wefel: Folter (Wefel/Zahn) 3.48
10. Hamburger Straßentheater: Lied von den politischen Gefangenen (Mossmann) 4.42
11. Eimsbütteler Liederküche: Der Berichterstatter (E. Liederküche) 3.35
12. Druckknöpfe: Cäsar (Hochmuth/Pursche) 7.16
13. Hamburger Straßentheater: Polizeistaatslied (HH Straßentheater) 3.08
14. Hamburger Straßentheater: Kapplerlied (HH Straßentheater) 1.10
15. Druckknöpfe: Keiner oder alle (Hochmuth/Brecht) 3.42

LabelA1

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Keiner oder alle

Sklave, wer wird dich befreien?
Die in tiefster Tiefe stehen
Werden, Kamerad, dich sehen
Und sie werden hör’n dein Schreien:
Sklaven werden dich befreien.

Keiner oder alle. Alles oder nichts.
Einer kann sich da nicht retten.
Gewehre oder Ketten.
Keiner oder alle. Alles oder nichts.

Hungernder, wer wird dich speisen?
Willst du dir ein Brot abschneiden
Komm zu uns, die Hunger leiden
Laß uns dir die Wege weisen:
Hungernde werden dich speisen.

Keiner oder alle. Alles oder nichts.
Einer kann sich da nicht retten.
Gewehre oder Ketten.
Keiner oder alle. Alles oder nichts.

Wer, Geschlagener, wird dich rächen?
Du, dem sie den Schlag versetzten
Reih dich ein bei den Verletzten
Wir in allen unsern Schwächen
Werden, Kamerad, dich rächen.

Keiner oder alle. Alles oder nichts.
Einer kann sich da nicht retten.
Gewehre oder Ketten.
Keiner oder alle. Alles oder nichts.

Wer, Verlorener, wird es wagen?
Wer sein Elend nicht mehr tragen
Kann, muß sich zu jenen schlagen
Die aus Not schon dafür sorgen
Daß es heut heißt und nicht morgen.

Keiner oder alle. Alles oder nichts.
Einer kann sich da nicht retten.
Gewehre oder Ketten.
Keiner oder alle. Alles oder nichts.