Onkel Kunibert – Der Struwwelpeter (Heinrich Hoffmann) (1968)

FrontCover1.jpgDieser Beitrag löste bei mir Übelkeit und heftige Widerstände aus … Und das ist kein Wunder: „Der sog. „Klassiker“ Struwwelpeter ist quasi ein Synonym für jene pädagogischen Vorstellungen, die man dann – wesentlich später – als die sog. „schwarze Pädagogik“ bezeichnete.

Und sie ist leider auch Teil der deutschen Kulturgeschichte (sollte man sie gar in den Kanon „deutscher Leitkultur“ integrieren ?)

Struwwelpeter ist der Titel eines Werkes des Frankfurter Arztes und Psychiaters Heinrich Hoffmann aus dem Jahr 1844 und zugleich die Titelfigur des Buches. Das seit 1845 gedruckte Bilderbuch enthält mehrere Geschichten, in denen oft Kinder nach unvorsichtigem Verhalten drastische Folgen erleiden, die von einem Sturz ins Wasser bis zum Tod reichen.

Der Struwwelpeter gehört zu den erfolgreichsten deutschen Kinderbüchern und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die vielen Adaptionen werden Struwwelpet(e)riaden genannt.

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Titelbild der Erstausgaben, 1948

Den Geschichten des Struwwelpeters warf man in den 1970er und 80er Jahren einen autoritären Erziehungsstil vor. Spätestens seit den Publikationen zum 200. Hoffmann-Jubiläum 2009 hat sich diese Vorstellung – auf den historischen Kontext Hoffmanns bezogen – revidiert. Der zeitbezogene warnend-pädagogische Ansatz Hoffmanns wird nun hervorgehoben.

Im Dezember 1844 suchte der Arzt Heinrich Hoffmann nach einem Bilderbuch als Weihnachtsgeschenk für seinen damals dreijährigen Sohn Carl, fand aber nichts, was ihm für ein Kind dieses Alters passend erschien. Über die Ursprünge des Struwwelpeters schrieb Hoffmann 1871 in der Zeitschrift Die Gartenlaube:

„Gegen Weihnachten des Jahres 1844, als mein ältester Sohn drei Jahre alt war, ging ich in die Stadt, um demselben zum Festgeschenke ein Bilderbuch zu kaufen, wie es der Fassungskraft des kleinen menschlichen Wesens in solchem Alter entsprechend schien. Aber was fand ich? Lange Erzählungen oder alberne Bildersammlungen, moralische Geschichten, die mit ermahnenden Vorschriften begannen und schlossen, wie: ‚Das brave Kind muss wahrhaft sein‘; oder: ‚Brave Kinder müssen sich reinlich halten‘ usw.“

Hoffmann kam schließlich mit einem leeren Schreibheft zurück und beschloss, selbst für seinen Sohn ein Bilderbuch zu schreiben bzw. zu zeichnen. Das Geschenk hatte die erhoffte Wirkung und erzielte schließlich in Hoffmanns Bekanntenkreis großes Aufsehen:

„Das Heft wurde eingebunden und auf den Weihnachtstisch gelegt. Die Wirkung auf den beschenkten Knaben war die erwartete; aber unerwartet war die auf einige erwachsene Freunde, die das Büchlein zu Gesicht bekamen. Von allen Seiten wurde ich aufgefordert, es drucken zu lassen und es zu veröffentlichen. Ich lehnte es anfangs ab; ich hatte nicht im entferntesten daran gedacht, als Kinderschriftsteller und Bilderbüchler aufzutreten.“

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So erzieht man Untertanen …

Es war schließlich der befreundete Verleger Zacharias Löwenthal (später Carl-Friedrich Loening), der Hoffmann zur Veröffentlichung bewegen konnte. 1845 erschien das Buch zum ersten Mal im Druck unter dem Titel Lustige Geschichten und drollige Bilder für Kinder von 3–6 Jahren, aber seit der 4. Auflage (1847) schließlich unter dem Titel Struwwelpeter. Seit 1858 erschien das Buch mit veränderten Darstellungen. Bei der Erstveröffentlichung hatte Hoffmann noch das Pseudonym Reimerich Kinderlieb benutzt. Die Titelfigur erhielt erst 1861 ihr heutiges Aussehen.

In seinen posthum im Jahr 1926 herausgegebenen Lebenserinnerungen äußerte sich Hoffmann befriedigt über den internationalen Erfolg seines Struwwelpeters:

„Ja, ich kann mit Befriedigung sagen, der Schlingel hat sich die Welt erobert, ganz friedlich, ohne Blutvergießen, und die bösen Buben sind weiter auf der Erde herumgekommen als ich; ich habe gehört, dass man ihnen in Nord- und Südamerika, ja am Kap der guten Hoffnung, in Indien und Australien begegnet ist.“

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„Die Geschichte von den schwarzen Buben“ könnte man als Plädoyer gegen Rassismus interpretieren …

In dem Buch erzählt Hoffmann Geschichten von Kindern, die nicht brav sind, nicht auf ihre Eltern hören und denen deshalb allerlei grausames Unheil widerfährt: So wird der „bitterböse Friederich“, der Tiere quält, entsprechend bestraft („Da biss der Hund ihn in das Bein, recht tief bis in das Blut hinein“); Paulinchen verbrennt, weil sie mit Streichhölzern spielt; die Kinder, die den Mohren verspotten, werden in ein riesiges Tintenfass gestopft und noch viel schwärzer eingefärbt; der Fliegende Robert wird mit seinem Regenschirm vom Wind auf Nimmerwiedersehen fortgetragen, weil er bei Sturm trotz Verbots aus dem Haus geht; dem Konrad werden vom Schneider die Daumen abgeschnitten, weil er heimlich daran nuckelt. Daneben steht aber auch die Geschichte vom Hasen, der den Jäger mit dessen eigener Flinte aufs Korn nimmt.

Namen wie Zappelphilipp, Suppenkaspar oder Hans Guck-in-die-Luft sind in die deutsche Umgangssprache aufgenommen worden. Textpassagen wie „‚Konrad‘ sprach die Frau Mama, ‚ich geh aus und du bleibst da‘“ sind heute ebenfalls Gemeingut. (Quelle: wikipedia)

Nun … dieser Trendwende, dem Buch einen „zeitbezogenen warnend-pädagogischen Ansatz“ zu attestieren, kann ich nicht recht folgen.

Mag ja sein, dass der Ansatz zeitbezogen war, aber eine Pädagogik, die auf dem Prinzip der Angst basiert … ist und bleibt eine schwarze Pädagogik (und da denke ich mit ganz viel Tiefe an all die Bücher der Alice Miller, die die Konsequenzen einer solchen Pädagogik aufzeigte).

„Sind so kleine Hände … “

In dieser Präsentation nun eine Single aus dem Jahr 1968 (ausgerechnet !), dargeboten von „Onkel Kunibert und den lustigen Buben“ sowie ein Reprint des Buches …

Der Hase, der dem Jäger das Gewehr mopst, gefällt mir da noch am besten.

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Sprecher:
Onkel Kunibert (Sprecher)
+
die lustigen Buben

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Titel:
01. Die Geschichte vom Struwwelpeter 0.19
02. Die Geschichte vom bösen Friederich 1.25
03. Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug 2.11
04. Die Geschichte von den schwarzen Buben 1.59
05. Die Geschichte vom wilden Jäger 1.47
06. Die Geschichte vom Daumenlutscher 1.07
07. Die Geschichte vom Suppen-Kaspar 1.14
08. Die Geschichte vom Zappel-Philipp 1.25
09. Die Geschichte vom Hans Guck-in-die-Luft 1.44
10. Die Geschichte vom fliegenden Robert 1.02

Text: Heinrich Hoffmann

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