Und hier wieder mal ein Beitrag aus der Kategorie … aus den Kindertagen von … Can:
The Inner Space nannten Holger Czukay und David Johnson ihre 1968 in Köln gegründete Band. Mit Michael Karoli, Irmin Schmidt und Jacki Liebezeit fanden die beiden weitere Mitstreiter. Ende 1968 trat Malcolm Mooney der Gruppe als Sänger bei und die Band änderte ihren Namen zu The Can. Unter dem Namen The Inner Space entstand im Herbst 1968 der Soundtrack zum Film „Agilok & Blubbio“, von dem 1968 zwei Stücke auf einer Single veröffentlicht wurden.
Und darum geht´s in dem Film:
Agilok und Blubbo sind zwei junge Männer mit Hut und Maschinenpistolen, die in einer Winterlandschaft in einer Holzhütte am Bach die Revolution proben. Sie diskutieren über Gewalt und Gewaltlosigkeit, verabscheuen „Fußball, Autowaschen, Fressen und Saufen“ und versenken ein Radio, die „Stimme des Establishments“ im Wasser. Einem Kapitalisten im Mercedes 600 halten sie ein Teach-In über die Apo. Aber sie vergessen alle Träume und Utopien, als ihnen die hübsche Rosy-Rosy über den Weg läuft, und geben sich dem Sex hin. (kino.de)
Ähm … ich habe den Streifen nicht gesehen … vermute aber mal, gemäß der Inhaltsangabe, dass er ziemlich dürftig ist … es war halt die Zeit. wo „freier Sex“ ziemlich progressiv anmutete … einerseits kein Wunder, angesichts dieser verdammten Prüderie dieser Jahre.
Und der Star des Filmes war ganz sicher diese „Rosy Rosy“, die damals – ob iher üppigen Oberweite, die sie auch sehr freizügig präsentierte – als progressive Glamour-Girl gehandelt wurde:
Rosemarie Heinikel (* 4. Juni 1946 in Nürnberg) ist eine deutsche Schauspielerin, Sängerin und Autorin. Als Rosy Rosy war sie eine Ikone der Subkultur. Inspiriert vom Geist, der später unter dem Begriff ,Die 68er-Bewegung‘ zusammengefasst wurde – und auch die Frauenbewegung mit einschloss –, verkörperte sie die befreite, feminine Sexualität und kreative Selbstverwirklichung. Sie war neben Uschi Obermaier die bekannteste Kommunardin.
Immer wieder sprengte Rosemarie Heinikel den Rahmen des Gewohnten, angefangen bei ihrem ersten Auftritt 1966 bei den Mannheimer Filmfestspielen oder 1970 im Kunst-Porno-Bildband Softgirls, ein Frühwerk des Grafikdesigners Gunter Rambow. Die erst später von Ian Dury auf die Formel: Sex & Drugs & Rock’n’Roll gebrachte Lebensmaxime nahm sie vorweg. Die zeitgenössische Presse gab ihr den Beinamen: Das Münchner Busenwunder.
Schon mit 24 Jahren beschrieb sie diese wilde Zeit in ihren ersten Memoiren Rosy Rosy, wobei sie erotische Begegnungen mit Frank Zappa oder Donovan nicht ausließ. Sie lebte überwiegend in München-Schwabing, wobei sie sich mehr in Künstlerkreisen, kaum in den Politzirkeln aufhielt. Als Sängerin wirkte sie bei den Krautrockern Guru Guru mit. Irmin Schmidt ‚The Inner Space‘ (später Can) nahm mit ihr 1968 die erste Single auf. Conny Plank in Köln produzierte 1974 ihre zweite.
Seit 1971 arbeitet sie als Schriftstellerin, machte Regie (auch für Kinderfilme) und Rundfunksendungen. Ihre zweite Autobiografie erschien 1979, in der sie die Mythenbildung um ihre Person in den Medien beschrieb und welch existenzbedrohende Auswirkung das in der Realwelt für davon Betroffene haben kann. Zudem veröffentlichte sie 1983 den erotischen Gedichtband Der hungrige Wolf.
Rosemarie Heinikel lebt heute zurückgezogen in Oberbayern.
Als Multimediaproduzentin veröffentlichte sie im September 2012 zwei Musikvideos bei YouTube. (wikipedia)
Der Soundtrack zu diesem Film scheint mir weitaus spannender zu sein:
The Inner Space? Dem krautrockerfahrenen Leser wird bei diesem Bandnamen sicher eines einfallen: das Inner-Space-Studio in Köln, der Ort, an dem die Krautrocklegende Can die meisten ihrer Alben aufgenommen hat. Und da läge dieser Leser auch ganz richtig. Bei The Inner Space handelte es sich im Grunde auch um Can, oder The Can.
1968 taten sich in Köln Holger Czukay (Bass) und David Johnson (Querflöte) zusammen, um ein Bandprojekt zu starten. Bald fanden die beiden in Michael Karoli (Gitarre), Irmin Schmidt (Orgel) und Jacki Liebezeit (Schlagzeug) weitere Mitstreiter. Der erste Name der Band war Inner Space, oder The Inner Space. Erst Ende desselben Jahres schloss sich mit Malcolm Mooney ein Sänger der Gruppe an, die im Dezember 1968 ihren Namen in The Can änderte. Wenig später verließ Johnson das Projekt, und die erste klassische Can-Besetzung war geboren.
Vorher, im Oktober 1968, spielten The Inner Space den Soundtrack für Peter F. Schneiders Polit-Liebes-Sexfilm „Agilok & Blubbio“ ein. Da geht es offenbar (den Film habe ich natürlich nicht gesehen) um zwei „Revolutionäre“, eben Agilok und Blubbio, die irgendwo in der Waldeseinsamkeit in einer Hütte hausen und planen jemanden namens „Nr. 1“ zu entführen. Da taucht die dralle Michaela auf, was dazu führt, dass die beiden ihre revolutionären Pläne erst einmal auf Eis legen und sich irdischeren Dingen zuwenden. Die Rolle der Michaela wurde von Rosy Rosy verkörpert, die als Rosemarie Heinikel geboren wurde und Ende der 60er, zusammen mit Uschi Obermaier, die weibliche Ikone der deutschen Untergrundkultur war. Sie ziert übrigens mit ihrer Oberweite das Cover des hier zu rezensierenden Albums.
Zu diesem Gegenkultur-Film haben The Inner Space also die Musik gemacht. Nur zwei Stücke davon sind bisher auf Tonträger erschienen. Das Titelstück und „Kamerasong“ wurden von der deutschen Abteilung des Labels Vogue 1968 auf einer (heute sehr seltenen) Single veröffentlicht. Das spanische Label Wah Wah Records (die vornehmlich Psychedelisches und Krautiges auf LP neu auflegen) hat nun erstmals das gesamte Material von „Agilok & Blubbio“ auf Vinyl und CD veröffentlicht.
Etwas unklar ist, wer hier zu hören ist und dabei welches Instrument spielt. Die obige Besetzungsliste ist im Beiheft der CD zu finden. Da würde Michael Karoli fehlen, dessen typisches Gitarrenspiel allerdings klar auszumachen ist (vor allem im langen „Apokalypse“). Zudem gehörte er damals mit Sicherheit zur Besetzung von The Inner Space. Die Irmin Schmidt zugeordneten Instrumente sind seltsam. Gitarre und Flöte? Für die Flöte, die auf „Agilok & Blubbio“ recht häufig eingesetzt wird, war ja eigentlich David Johnson zuständig. Allerdings ist hier auch kaum etwas von einer Orgel zu vernehmen, dem eigentlichen Stamminstrument Schmidts. Wie auch immer, ich vermute, dass hier Johnson, Czukay, Karoli, Schmidt und Liebezeit zu hören sind, wobei nicht so ganz klar ist, was Schmidt neben seinem Gesangsauftritt im Titelstück in instrumentaler Hinsicht beigetragen hat. Produziert und abgemischt wurde das Ganze von Johnsson und Schmidt.
Die Musik klingt über weite Strecken nach einer Art von Proto-Can. Das Titelstück erinnert mit seinen monoton dahinrumpelnden Rhythmik, Karolis typischem verzerrten Gitarrensägen, dem flink dahinhüpfenden Bass und auch den leicht verstimmt-schwachbrüstigen Gesang an das ein Jahr spätere erschienen Can-Debüt, oder einige der Stücke von „Delay 1968“. Einzig die Flöte und eine kurz auftauschende Mundharmonika passen nicht ganz ins Schema.
Auch das lange „Apokalypse“ klingt sehr nach Can, nach einem langen Can-Jam von Bass, Schlagzeug und E-Gitarre, in den ab und zu jemand schräg hineinflötet. Auch die anderen kürzeren, oft recht fragmentarisch wirkenden Nummern weisen mitunter schon Can-Merkmale auf, bewegen sich aber mitunter in sehr freiformatige Gefilde einerseits, in songorientiertere Rockstücke andererseits. Mit dem schon erwähnten „Kamerasong“ (ein psychedelisches, noch sehr nach den 60er Jahren klingendes Liedchen mit ganz ordentlichem, deutschem Gesang von Rosy) und dem kurzen „Revolutionslied“ (welches genau so klingt, und betextet ist, wie man sich da bei einem deutschen Revolutionslied aus den späten 60ern so vorstellt) gibt es neben dem Titeltrack noch zwei weitere Gesangsnummern.
Mit „Memographie“ und „Hexapussy“ gibt es auf der CD noch zwei Bonusnummern, die der Vinylversion von Wah Wah fehlen. Beides sind umfangreiche, deutlich zu lange ausgedehnte, recht freie Durcheinander an Klang, die in Gänze zu goutieren nicht so ganz einfach ist. In „Memographie“, welches auch Teil des „Agilok & Blubbio“-Soundtracks ist, tauchen allerdings noch deutliche Songfragmente auf. „Hexapussy“, ein Stück von einem mir sonst völlig unbekannten Album Irmin Schmidts namens „Für Mogli“ (über das auch im Beiheft nichts weiter verraten wird) bietet dann nur noch freie Klänge (Bassgeknarze, Saxophontröten, Orgelfiepen … etc.). Die beteiligten Musiker sind im Beiheft nirgends genannt.
„Agilok & Blubbio“ ist für den Can-Adepten natürlich sehr interessant und auch in musikalischer Hinsicht durchaus lohnend. Wer zudem krautig-psychedelische Obskuritäten vom Ende der 60er-Jahre schätzt, der kann hier auch zugreifen! (Achim Breiling)
Besetzung:
Holger Czukay (bass)
Jaki Liebezeit (drums)
Irmin Schmidt (vocals, flute, guitar)
+
Rosemarie „Rosy Rosy“ Heinikel (vocals bei 06.)
Michael Karoli (guitar ?)
Titel:
01. Agilok and Blubbo (Schmidt/Mischka/Lea) 3.45
02. Es zieht herauf (Schmidt) 4.39
03. Dialog zwischen Birken (Schmidt) 1.52
04. Michele ist da (Schmidt) 1.41
05. Mama Mama (Schmidt 3.57
06. Kamerasong (Schmidt/Lea) 2.32
07. Zwischen den Bäumen (Schmidt) 3.57
08. Zweige und Sonne (Schmidt) 0.17
09. Revolutionslied (Schmidt) 1.50
10. Der letzte Brief (Schmidt) 1.29
11. Probleme (Schmidt) 2.16
12. Flop Pop (Schmidt) 3.36
13. Apokalypse (Schmidt) 10.22
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