Peter Schreiner + András Schiff – Winterreise (Franz Schubert) (1994)

frontcover1Also, im Sommer bräuchte ich diese Aufnahmen nicht darbieten. Oder: Wenn nicht jetzt, wann dann ?

Franz Schubert wird am 31. Januar 1797 als Sohn eines Vorstadtlehrers in Wien geboren. Ersten Geigen- und Klavierunterricht erhält er von seinem Vater, später findet er im Hofkapellmeister Antonio Salieri einen Förderer und Lehrer. Bis 1817 ist Schubert als Hilfslehrer an der Schule seines Vaters beschäftigt, danach ist er als freier Komponist in Wien tätig. Ohne feste Anstellung, um die er sich jedoch zeitlebens bemüht, lebt er in bescheidenen Verhältnissen. Der Freundes-kreis, der sich um Franz Schubert bildet und ihn auch finanziell unterstützt, trifft sich zur Beschäftigung mit Kunst, Literatur und Musik zu den so genannten „Schubertiaden“.

Mit über 600 Kompositionen ist das Lied die zentrale Gattung in Schuberts Schaffensprozess und Werdegang und erreicht durch ihn ein neues künstlerisches Niveau. 1827 entsteht Schuberts Liederzyklus „Die Winterreise“, die Vertonung des Gedichtzyklus von Wilhelm Müller. Am 19. November 1828 stirbt Schubert wahrscheinlich an den Folgen einer Typhusinfektion.

„Schubert wurde durch einige Zeit düster gestimmt und schien angegriffen. Auf meine Frage, was in ihm vorgehe, sagte er nur, „nun, ihr werdet es bald hören und begreifen.“ Eines Tages sagte er zu mir, „komme heute zu Schober, ich werde euch einen Zyklus schauerlicher Lieder vorsingen. Ich bin begierig zu sehen, was ihr dazu sagt. Sie haben mich mehr angegriffen, als dieses bei anderen Liedern der Fall war.“ Er sang uns nun mit bewegter Stimme die ganze Winterreise durch. Wir waren über die düstere Stimmung dieser Lieder ganz verblüfft, und Schober sagte, es habe ihm nur ein Lied, Der Lindenbaum, gefallen. Schubert sagte hierauf nur, „mir gefallen diese Lieder mehr als alle und sie werden euch auch noch gefallen“; und er hatte recht, bald waren wir begeistert von dem Eindruck der wehmütigen Lieder, die Vogl meisterhaft vortrug.“

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Franz Schubert

Mit diesen Worten berichtet Schuberts Freund Josef von Spaun über die Entstehung der „Winterreise“. Schubert hatte 1824 bereits Wilhelm Müllers Zyklus „Die schöne Müllerin“ vertont und war so auf den Dichter aufmerksam geworden. Müllers Gedichtzyklus „Die Winterreise“ erschien in zwei Teilen 1823 und 1824. Ursprünglich wünschte sich Müller wohl eine Vertonung durch Carl Maria von Weber, dem er diesen Zyklus widmete, und den er als „Meister des Deutschen Liedes“ bezeichnete. Der Freischütz-Komponist starb, wie Müller auch, 1827, in dem Jahr, als Schubert an der „Winterreise“ arbeitete. Vermutlich vertonte Schubert zunächst die ersten 12 Gedichte, die im Taschenbuch Urania erschienen waren, um dann, als er Müllers Zyklus vollständig vorliegen hatte, die weiteren 12 Gedichte als „Fortsetzung der Winterreise von Wilh. Müller“ zu komponieren. In seinem Manuskript sind diese wiederum mit 1 bis 12 durchnumeriert. Die Reihenfolge der Lieder weicht von der Vorlage Müllers teilweise erheblich ab.

Der  „Winterreise“ liegt keine wirkliche Handlung zugrunde, sie ist vielmehr eine Kette von Rückblicken und Stimmungen eines von der Liebe enttäuschten Mannes auf seiner ziellosen Reise durch eine Winterlandschaft. Schubert war die Erfahrung einer unerfüllten Liebe nicht fremd. Der kleine und pummelige Mann war nicht der Typ, für den sich die Frauen begeistern konnten. Zudem steckte sich Schubert 1822 mit Syphillis an, was in dieser Zeit einem Todesurteil gleichkam. Er lebte und arbeitete also mit dem Tod, der Einsamkeit und der Sehnsucht nach Nähe und Zuneigung. Schuberts Freund, der Dichter Mayrhofer, erzählt:

„…Anders in der Winterreise, deren Wahl schon beweiset, wie der Tonsetzer ernster geworden. Er war lange und schwer krank gewesen, er hatte niederschlagende Erfahrungen gemacht, dem Leben war die Rosenfarbe abgestreift; für ihn war Winter eingetreten. Die Ironie des Dichters, wurzelnd in Trostlosigkeit, hatte ihm zugesagt; er drückte sie in schneidenden Tönen aus. Ich wurde schmerzlich ergriffen.“

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Original Notenblatt von „Gute Nacht“

In den Worten Müllers fand Schubert wohl sein eigenes Leiden wieder. Durch den Tod Beethovens, welchen Schubert sehr bewunderte, war er zur Zeit der Entstehung der „Winterreise“ noch zusätzlich angegriffen.

Franz Schubert fing so die trostlose Stimmung der Gedichte Wilhelm Müllers in einem düsteren und bedrückenden Liederzyklus  ein. Bereits schwer krank und ans Bett gefesselt, nutzte Schubert 1828 die letzten lichten Momente seines Lebens zur Korrektur des zweiten Teils der „Winterreise“.

Wichtig erscheint mir dann noch folgende Zusatzinformation, die ein wenig wegführt von einer rein persönlichen Zustandsbeschreibung:

Durch Veröffentlichungen verschiedener Autoren ist in den vergangenen Jahren eine zweite Deutungsebene der Winterreise publik geworden. Mit der Vertonung von Zeilen wie „Hie und da ist an den Bäumen manches bunte Blatt zu seh’n“ (Lied 16; Hoffnung) habe Schubert auch ganz bewusst und gezielt subtile Kritik am herrschenden System geübt. So stehe der Winter bei ihm auch als Metapher für das System der reaktionären Restauration unter Kanzler Metternich. Schubert, der enge Kontakte zu den Kreisen der Opposition unterhielt, sei durch seine exponierte Begabung ein wichtiges Sprachrohr der Intellektuellen gewesen. Auch das folgende Lied, Im Dorfe („Es bellen die Hunde, es rasseln die Ketten, …“), spricht für diese Interpretation. Einer Razzia beim Dissidentenverein seiner Freunde im Jahr 1826 entging Schubert nur durch eine frühzeitige Warnung. Die 1822 verbotene Leipziger Literaturzeitschrift Urania mit den Texten des Dichters Wilhelm Müller hatte sich Schubert illegal besorgt. Eine ausführliche Deutung der verschlüsselten Textstellen hat der Astrophysiker und Musiker Andreas Goeres publiziert. Eine andere politische Deutung hat Reinhold Brinkmann vorgelegt: Der Harvard-Musikologe sieht die Winterreise als Allegorie auf die „heil’ge Kunst“, welche die Ideen der revolutionären „Zeit der Kraft und Tat“ bewahre. (Quelle: wikipedia)

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Eine klassische Illustration zum Schubert Zyklus „Winterreise“

Hier eine Interpretation dieses Werkes durch den Tenor Peter Schreier und dem Pianisten . Und es finden sich im Netz so ganz euphorische Reaktionen:

„Eine Aufnahme für Liebhaber und Freunde des Kunstliedes und aller Freunde, die sich an guter Musik erfreuen.
Peter Schreier aus Dresden und der Pianist Andras Schiff interpretieren mit modernem Musikverständnis, ohne Verbeugung vor einem „Mainstream“, in sehr einfühlsamer Art und Weise ein Kleinod der Musikkultur des 19. Jahrhunderts.
Für mich sind die „Schreier-Aufnahmen“ immer wieder ein Anlass sie als Geschenk an Freunde weiterzugeben.
Ob noch in früheren Jahren unter dem Label ETERNA oder wie jetzt die Aufnahme von DECCA und PHILIPS, es sind immer wunderbare Interpretationen und sie zeigen auch in einer beeindruckenden Weise, wie ein Werk von einem Künstler in Laufe seines künstlerischen Werdeganges immer wieder neu entdeckt und gestaltet wird.
So kann man die frühen und die späteren Aufnahmen zwar gegenüberstellen, aber sicher nicht gegeneinander werten.
Sensibilität in der Bearbeitung von Musik und Text, harmonisches Miteinander von menschlicher Stimme und Klavierbegleitung vermitteln einen wunderbaren Kunstgenuss ohne jede Künstelei und Schnörkel.“ (Eine Kunde auf amazon)

Peter Schreier (* 29. Juli 1935 in Meißen) ist ein deutscher Opernsänger (Tenor) und Dirigent.

Aufgewachsen im sächsischen Gauernitz, wurde Peter Schreier 1943 in die Vorbereitungsklasse des Dresdner Kreuzchores aufgenommen und im Juli 1945 Mitglied des Kreuzchores. Vom Chorleiter Rudolf Mauersberger wurde er als Talent entdeckt. Bereits als Knabenalt machte Peter Schreier auf sich aufmerksam, was Tonaufnahmen aus dieser Zeit dokumentieren. Der Kreuzkantor komponierte für ihn eine Reihe von Solopartien, u. a. das Nocturno, das Vaterunser aus der Geistlichen Sommermusik, das De profundis aus dem Dresdner Requiem und mehrere Volksliedbearbeitungen.

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Nach dem Stimmbruch wechselte Schreier in das Stimmfach Tenor. Nach ersten, privaten Studien bei Fritz Polster folgte ein Gesangsstudium an der Dresdner Musikhochschule.1959 debütierte er an der Staatsoper Dresden als Erster Gefangener in Beethovens Fidelio. 1961 wurde er Ensemblemitglied und feierte erste große Erfolge in Mozart-Partien, die auch in der Folge eine zentrale Rolle in seinem Repertoire spielten. 1963 wechselte er an die Berliner Staatsoper. Sein Belmonte (in Mozarts Entführung aus dem Serail) war ein großer Erfolg; internationale Opernhäuser wurden auf ihn aufmerksam.

1966 debütierte Schreier als Junger Seemann in Tristan und Isolde bei den Bayreuther Festspielen. 1967 sang er erstmals bei den Salzburger Festspielen, wo er von nun an 25 Jahre lang gastierte. Es folgten Engagements an der Mailänder Scala, der New Yorker Met und dem Teatro Colón in Buenos Aires.

Schreier erwarb sich insbesondere als Mozartsänger internationale Geltung, aber auch die Gestaltung der Evangelistenpartien der Oratorien Johann Sebastian Bachs machte ihn weltweit bekannt. Sein Repertoire war breit gefächert; neben Oper, Lied und Oratorium, einem seiner Meisterbereiche, wirkte er auch im Operettenfach (etwa als Eisenstein in der Fledermaus). Als Sänger war Peter Schreier letztmals am 22. Dezember 2005 in Prag zu erleben. Danach beendete er seine internationale Gesangskarriere. Bereits seit 1981 arbeitete er als Honorarprofessor und leitet bis heute internationale Meisterklassen für Gesang.

Als Dirigent arbeitete er u. a. mit den Berliner Philharmonikern, den Hamburger Symphonikern, der Staatskapelle Dresden, den Wiener Symphonikern, dem Mozarteum-Orchester Salzburg, dem Gürzenich-Orchester, dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg und dem Los Angeles Philharmonic Orchestra zusammen.

Von 1984 bis 1990 war Schreier Präsident des „Kuratoriums Schauspielhaus Berlin“ (später Konzerthaus Berlin), dem auch Theo Adam angehörte. Er ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste.

Schreier lebt in Dresden-Loschwitz, ist verheiratet und hat zwei Söhne, Torsten (* 1958) und Ralf (* 1961), benannt nach dem schwedischen Tenor Torsten Ralf.

András Schiff (* 21. Dezember 1953 in Budapest) ist ein österreichischer und britischer Pianist und Dirigent ungarischer Herkunft.

András Schiff, Zeitgenosse von Zoltán Kocsis und Dezső Ránki, war Sohn eines Gynäkologen und wuchs als Einzelkind in einer musikalisch interessierten Familie auf. Schiff begann mit fünf Jahren Klavier zu spielen. Er lernte zunächst bei Elisabeth Vadász und nahm mit 14 Jahren sein Studium an der Franz-Liszt-Musikakademie in Budapest auf, unter anderem bei Ferenc Rados, Pál Kadosa und György Kurtág. Er verbrachte mehrfach seine Sommerferien in England bei Verwandten. Dort schloss er Freundschaft mit dem rund 40 Jahre älteren Dirigenten und Cembalisten George Malcolm (1917–1997), mit dem er zusammen musizierte und der in ihm Verständnis für die Musik Bachs weckte. Schiff erhielt 1987 die österreichische Staatsbürgerschaft und 2001 die britische Staatsbürgerschaft. 2014 wurde er geadelt und in den englischen Ritterstand erhoben („Knight Bachelor“ mit dem Prädikat „Sir“).

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András Schiff

Schiff tritt international auf, sowohl als Solist als auch zusammen mit bekannten Orchestern, beispielsweise dem Chicago Symphony Orchestra, den Wiener Philharmonikern und den Berliner Philharmonikern. Schiff ist seit 1999 Gründer und Dirigent des international auftretenden Kammerorchesters Cappella Andrea Barca.

Von 1989 bis 1998 leitete Schiff das Mondsee-Festival in der Nähe von Salzburg. Gemeinsam mit Heinz Holliger gründete er 1995 die „Ittinger Pfingstkonzerte“ in der Kartause Ittingen.

Im Jahr 2000 sagte Schiff seine Teilnahme bei der Schubertiade in Feldkirch ab und drückte so seinen Protest gegen die Beteiligung der rechtsgerichteten FPÖ an der österreichischen Bundesregierung aus. Gegen das ungarische Mediengesetz und die Einmischung der Politik in die Kultur unter der Orbán-Regierung verfasste Schiff im Januar 2011 mit mehreren Künstlern eine Resolution. In Interviews teilte er mit, dass er nicht mehr in Ungarn konzertieren werde, weil er dort Persona non grata sei und er von antisemitischer Hetze persönlich bedroht werde. Er sei „sehr verärgert“ über Ungarn und ärgere sich auch über das Verhalten der jüdischen Gemeinde in Ungarn, die nicht öffentlich gegen diese Entwicklungen Stellung beziehe.

Schiff ist mit der Violinistin Yuuko Shiokawa verheiratet. Er hat Wohnsitze in London und Florenz (Quelle: wikipedia)

Und auch wenn diese Musik doch eher fremd ist, sie hat durchaus rührende und verzaubernde Momente.

Mein Exemplar stammt von so einer Billig-Edition einer früheren Decca-Aufnahme … was den Genuss der Aufnahme allerdings natürlich in keinster Weise nicht stört …

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Originalcover

Besetzung:
András Schiff (piano)
Peter Schreier (tenor vocals)

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Titel:
01. Gute Nacht 5.26
02. Die Wetterfahne 1.49
03. Gefrorne Tränen 2.24
04. Erstarrung 2.37
05. Der Lindenbaum 5.00
06. Wasserflut 4.12
07. Auf dem Flusse 3.27
08. Rückblick 2.09
09. Irrlicht 2.51
10. Rast 3.19
11. Frühlingstraum 4.01
12. Einsamkeit 2.54
13. Die Post 2.16
14. Der greise Kopf 3.07
15. Die Krähe 1.26
16. Letzte Hoffnung 2.20
17. Im Dorfe 2.54
18. Der stürmische Morgen 0.57
19. Täuschung 1.34
20. Der Wegweiser 4.35
21. Das Wirtshaus 4.51
22. Mut! 1.36
23. Die Nebensonnen 2.46
24. Der Leiermann 3.19

Musik: Franz Schubert
Text: Wilhelm Müller

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