Dieter + Ben Süverkrüp – Süverkrüp singt Graßhoffs Bellman (1996)

FrontCover1Den Dieter Süverkrüp kennt doch schon so einige in Deutschland, so ist das nichts. Dennoch vermute ich mal, diese Aufnahme eher unbekannt ist und von daher bedauerlicherweise in Vergessenheit geraten ist.  Und dass ist schade, denn:

„Carl Michael Bellman (1740-95), der Dichter der Schweden, ist leider in Deutschland nie so gewürdigt worden wie er es verdient hätte. Die Ursache dafür, liegt sicher in der begrenzten Kenntnis der schwedischen Sprache Ein französischer oder englischer Bellman wäre längst bei uns aufgenommen und vielfach interpretiert worden. Nicht umsonst wird Bellman, von Kennern und Liebhabern seiner Schriften, der nordische Villon genannt. Fritz Graßhoff , bekannter Maler und Schriftsteller, hat nach jahrelangen Studien in Schweden, 1995 die erste komplette singbare Übertragung des Bellman´schen Epistolars als Buch vorgelegt. Das Buch, Bellman auf Deutsch „ Fredmans Episteln“, liebevoll ausgestattet mit vielen, vielen Vignetten und umfangreichen Informationen zu Bellman, bildet die Grundlage zur vorliegenden CD. Dieter Süverkrüp, Interpret der CD, beschreibt das so; „Die graßhoffschen Übersetzungen, schon als Gedichte vorzüglich, verhalten sich, wenn sie auf ihre Melodien treffen, wie ein guter Wein, der Luft bekommt: Sie entfalten erst die volle Blume. Text und Musik schäkern, treiben Spott miteinander, streiten und versöhnen sich, es entsteht ein amüsantes semantisches Rankenwerk, beinahe wie zwischen Fredman und Ulla Winblad. Die Musik, übernommen aus französischem Singspiel, europäischem Liedergut oder zurechtgebogen bis zur Unerkennbarkeit ihres Ursprungs – querbeet von Händel bis Mozart, von Vivaldi bis Pergolesi und ahnungsvoll weiter, Bellman nahm Sie und verband sie mit seinen Texten zu einer fugenlosen Einheit …….und Dieter Süverkrüp hat den Figuren des Carl Michael Bellman Leben eingehaucht. Überschäumende Lebensfreude, Selbstmitleid, Liebe, Trauer und Suff, all die menschlichen Hoch´s und Tief´s zwischen Lustwiese und Leichengondel, all das wird lebendig und greifbar.“ (Werbetext)

Und jetzt weiter im Text:

Carl Michael Bellman (1740-1795)

Bellmann

Carl Michael Bellman, Gemälde von Per Krafft d.Ä., 1779

Heute würde man ihn einen Singer-Songwriter nennen – Bellman ist im eigentlichen Sinn der Urvater des Liedermachers. Beheimatet im Stockholm Gustavs III., ist er musikalisch ein Freund Mozarts und Händels, und benutzt deren Melodien, genauso wie damals aktuelle «Hits» der Opéra comique mit großer Freiheit für seine eigenen Lieder.
Bellman selbst versteht sich jedoch hauptsächlich als Dichter. In seinen Liedern bildet er auf eine unvergleichliche Art die Menschen und Ereignisse seiner Umgebung ab; und diese Menschen waren das
der Wein, der Branntwein, das Bier…bunte Volk, das sich durch die branntweingeschwängerte Luft der Stockholmer Tavernen und Bordelle bewegte. Vier Themen dominieren seine Lieder:

die Liebe,
der Tod, der im damaligen Stockholm ein hartes Regime führte,
und, dazu vermeintlich fast im Gegensatz, einige der schönsten Naturschilderungen des nordischen Rokoko.

Aus dieser unnachahmlichen Mischung, die mit viel Humor in eine Dichtung von allerhöchster sprachlicher Qualität gegossen wird (in Schweden wird er in einem Atemzug mit Shakespeare genannt!), entsteht die Faszination und die ungebrochene Aktualität, die von seinen Liedern heute noch ausgeht. Das wirklich Besondere an Bellman ist dabei, daß sich die Begeisterung für seine Lieder quer durch alle sozialen und alle Altersschichten zieht.

Die Schwierigkeit bei der Interpretation seiner Lieder besteht zum einen darin, dass Bellman nur rudimentäres Notenmaterial hinterlassen hat (allein und mit seinen Musikerfreunden hat er das Meiste improvisiert), und zum anderen in der Gratwanderung zwischen den teilweise derb-fröhlichen Texten und dem äußerst anspruchsvollen Rokoko-Gesang.

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Das Ensemble Pratum Musicum hat versucht, einige dieser Kleinode aus der «Welt der allzu schweren Getränke und der allzu leichten Liebschaften» (Felix Niedner) in einem Gewand wiederauferstehen zu lassen, wie sie damals geklungen haben könnten: mit improvisatorisch angelegten Arrangements im Stil der Zeit und der Begleitung einer originalen Cister (Bellmans eigenem Instrument).

Und jetzt zu Fritz Graßhoff:

Fritz Graßhoff (nach seiner Auswanderung auch: Fritz Grasshoff, * 9. Dezember 1913 in Quedlinburg; † 9. Februar 1997 in Hudson, Kanada) war ein deutscher Zeichner, Maler, Schriftsteller und Schlagertexter.

Fritz Graßhoff verbrachte seine Jugend in Quedlinburg, wo sein Vater (früher Seemann) als Kohlenhändler lebte. Das derbe Milieu hinterließ später viele Spuren in seinen Balladen und Songs. 1933 machte er sein Abitur und begann zunächst eine Lehre als Kirchenmaler; später war er journalistisch tätig. 1938 kam er zum Militär und geriet im Krieg nach Russland und zum Schluss in englische Gefangenschaft.

Fritz Graßhoff, 1984

Fritz Graßhoff, 1984

Von 1946 bis 1967 lebte er in Celle. In dieser Zeit reiste er viel nach Griechenland und lebte zeitweise auch in Schweden. Gleich bei seiner ersten Ausstellung (1954 in Hannover) erfolgten Ankäufe von der Kunsthalle Hamburg und dem Lehmbruck-Museum Duisburg. Parallel dazu verlief seine schriftstellerische Tätigkeit. Sein Geld verdiente er hauptsächlich mit Schlagertexten (er schrieb z. B. diverse Hits für Lale Andersen und Freddy Quinn, aber auch den Evergreen Nimm mich mit Kapitän, auf die Reise für Hans Albers), während er neben seinen oft derben Songs und Balladen (vertont von Musikern wie Heinz Gietz, Lotar Olias, Siegfried Strohbach, Wolfgang „Schobert“ Schulz von Schobert und Black oder James Last, damals noch Hans Last) auch ernsthafte Lyrik schrieb sowie Texte des schwedischen Nationaldichters Carl Michael Bellman und aus der römischen und griechischen Antike übersetzte. Zeitweise war Graßhoff einer der meistrezitierten deutschen Schriftsteller – namhafte Interpreten wie René Deltgen, Gustav Knuth, Inge Meysel oder Heinz Reincke machten seine Werke durch mehrere Schallplattenproduktionen populär. Auch Graßhoffs eigene Lesungen, z. T. als Jazz- und Lyrik-Events mit Schlagzeugbegleitung von einem Lastwagen herunter gesprochen, hatten einigen Zulauf.

Graßhoff hielt sich vom Literaturbetrieb fern; er litt darunter, dass er hauptsächlich nach seinen Schlagertexten bewertet wurde, und als sein biographischer Roman Der blaue Heinrich 1980 kaum Beachtung fand, wanderte er, enttäuscht von den deutschen Verhältnissen aus Zwingenberg an der Bergstraße nach Kanada aus, wo er die letzten 14 Jahre seines Lebens in seinem Haus am Ottawa-River verbrachte. Inzwischen hat Graßhoff, vor allem durch seine späte Lyrik (Von der Wichtigkeit der Dinge) und eine Neubewertung seines Romans Der blaue Heinrich einen anerkannten Platz in der Literatur gefunden, was sich in zahlreichen Essays in Literaturzeitschriften widerspiegelt. (Quelle: wikipedia)

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Entstanden ist wahrlich keine leichte Kost, sondern eher ein Album, in das man sich anfangs ein wenig hineinwinden muss … enn sperrig ist es schon … dann aber entfaltet sich die ganze Brillianz dieser Aufnahme und ein ganz großes Kompliment an Ben Süverkrüp der sich diesem „europäischem Liedergut“ angenommen hat und daraus faszinierende Interpretationen dieses Melodien aus lang vergangenen Jahrhunderten gemacht hat.

Dieses Album kann man gar nicht genug über den grünen Klee loben … und das vorbildlich gestaltete Begleitheft ist dann das Sahnehäubchen !

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Dieter + Ben Süverkrüp, 1996

Besetzung:
Reinhold Cieslik (clarinet)
Solita Cornelis (flute)
Birgit Engelhardt (flute)
Bernd Frietsch (bassoon)
Wilfried Gödde (violin)
Fritz-Ludwig Hauck (bass)
Hans Rolf Hauck  (cello)
Markus Hötzel (trombone)
Gerhard Hüttel (clarinet)
Jochen Ille (drums)
Viktor Khodyko (viola)
Guido Marggrander (drums)
Winfried Mattern (clarinet)
Harald Paul (violin)
Ben Süverkrüp (keyboards, cembalo)
Dieter Süverkrüp (vocals, guitar)
Uwe Zaiser (trumpet)
Stefan Zillmann (clarinet)

Booklet06ATitel:
01. Liebwerte Brüder (Epistel 9)
02. Prost, prost! Bei Tag und Nacht (Epistel 1)
03. Sterne verschwinden (Epistel 21)
04. Kerl, Du bist alt (Epistel 27)
05. Mutter, wer hat dich (Epistel 23)
06. Kulkus, alter Pintenbruder (Epistel 60)
07. Nun stimm deine Geige (Epistel 2)
08. Mollberg, hab acht (Epistel 37)
09. Zupft, ihr Orpheusknecht (Epistel 14)
10. Sturm und Wogen schlafen ein (Epistel 39)
11. Alles in Ordnung (Epistel 57)
12. Movitz, mich trifft der Hammer (Epistel 52)
13. Liebste, an dieser Quelle (Epistel 82)

Texte: Carl Michael Bellman + Fritz Graßhoff
Musik: europäisches Liedgut (Bearbeitung: Ben Süverkrüp)

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Briefmarke

Übrigens: bei meinen Nachforschungen über diesen Carl Michael Bellman konnte ich
feststellen, dass er diversen deutschen Liedermachern interpretiert wurde. Von
daher ist es gut möglich dass unser dieser kauzige Liedermacher des 18. Jahrhunderts
hier noch öfters über den Weg läuft.