Pankow – Kille Kille (1983)

FrontCover1Ganz sicher eine dieser DDR Kultbands, die es auch nach der „Wende“ geschafft haben, sich Gehör zu verschaffen:

Pankow – Eigenschreibweise PANKOW – ist eine 1981 in der DDR gegründete Rockband. Musikalisch werden Pankow gelegentlich mit den Rolling Stones verglichen und haben in ihrer Bandgeschichte zahlreiche Musikstile verarbeitet und Theaterprojekte realisiert. Bereits zu DDR-Zeiten eine der bekanntesten Bands des Landes, hatten ihre Stücke oft einen kritischen und provozierenden Unterton. „Ähnlich vielen Schriftstellern zählten sie zu den etablierten Größen ästhetischer Subversion“, schrieb der Journalist Christoph Dieckmann in einem 1999 im Rolling Stone erschienenen Artikel. Bei einigen ihrer Stücke traten daher Veröffentlichungsprobleme auf. So konnte ihr Erstlingswerk Paule Panke erst 1989 beim staatlichen Plattenlabel Amiga erscheinen. Das Lied Langeweile vom Album Aufruhr in den Augen durfte zeitweise im DDR-Rundfunk nicht gesendet werden. Diese Stücke wurden aber bei Pankows öffentlichen Auftritten gespielt.

Pankow gingen aus der ursprünglichen Begleitband von Veronika Fischer hervor, die ab 1977 als 4 PS weiterarbeitete.

Nach dem Weggang von Franz Bartzsch suchten die Band-Mitglieder Jäcki Reznicek, Frank Hille, Jürgen Ehle und Rainer Kirchmann einen neuen Frontmann, den sie in André Herzberg bei der Gaukler Rock Band fanden.

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Die neue Band nannte sich 1981 Pankow. Der Bandname spielt auf den Berliner Stadtbezirk Pankow an, in dem Herzberg lebte, sowie die Ähnlichkeit mit dem Wort Punk. Die Bezeichnung „Pankow“ war außerdem seit den 1950er Jahren ein westdeutscher Schmähbegriff für das DDR-Regime, dessen Mitglieder dort in Villen lebten.

Von Anfang an wurde der Band eine große Aufmerksamkeit durch die Medien zuteil. 1983 beschrieb der West-Berliner Olaf Leitner in seinem Standardwerk über die Rockszene in der DDR die Begeisterung, mit der der Held des Rockspektakels Paule Panke als neue Kultfigur angenommen wurde und Pankow damit „endlich das DDR-typische Liedhafte eliminiert zugunsten einer rauhen, vital-treibenden Rhythmik“ und prophezeite der Band den Weg „an die Spitze aller Rockbands des Landes“.

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1981 brachte Pankow Paule Panke auf die Bühne, ein mit Elementen einer Theateraufführung in Szene gesetzte Rockspektakel, das einen Tag aus dem Leben eines Lehrlings erzählt und für das als Texter fast ausschließlich Frauke Klauke alias Wolfgang Herzberg, Bruder von André Herzberg, verantwortlich zeichnet. Im Folgejahr kam es zu ersten Produktionen im Studio sowie zu einem Live-Mitschnitt von Paule Panke.

Bei Paule Panke waren Handlung und Musik nahezu gleichberechtigt. Die optische Darstellung der Handlung beschränkte sich im Wesentlichen auf den Frontmann der Band André Herzberg, der ähnlich wie Peter Gabriel in den frühen Jahren von Genesis die vorgetragenen Texte mit theatralischen Elementen visuell verstärkte. Paule Panke war das erste Rockspektakel der DDR, dessen Aufführung nicht auf Theaterbühnen und damit auf ein relativ kleines Publikum beschränkt war. So wurde Paule Panke in den Kulturhäusern und auf den Freilichtbühnen der DDR etwa 200 Mal vor rund 50.000, in anderen Quellen auch vor ca. 100.000 Jugendlichen live im Konzert gespielt.

Trotz des enormen Erfolgs bei den Live-Konzerten im ganzen Land, der mehrfachen Sendung von Paule Panke im staatlichen Radio, der finanziellen Unterstützung der Band bei den Proben durch die Generaldirektion beim Komitee für Unterhaltungskunst und einer Auszeichnung im Rahmen des 1982er Interpretenwettbewerbs der Unterhaltungskunst wurde der Band letztlich die Veröffentlichung beim staatlichen Plattenlabel Amiga verwehrt.

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1982 kam der Dokumentarfilm Einmal in der Woche schrein von Günter Jordan unter anderem wegen des Pankow-Titelstücks mit der Zeile „Immer um Erlaubnis fragen, gibt’s denn gar nichts mehr zu wagen, wer will an der Leine geh’n, ich will selber denken, selber seh’n.“ auf den Index. Er wurde erst im Oktober 1989 uraufgeführt.

Am 29. Januar 1983 trat die Band beim Festival Rock für den Frieden im Palast der Republik auf und provozierte einen Eklat, als André Herzberg von der Bühne herab und vor den Augen der Funktionäre von SED und FDJ in Wehrmachtsuniform lautstark Parallelen zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und der DDR proklamierte. Das DDR-Fernsehen unterbrach daraufhin seine Übertragung

Ein von Heiner Carow geplantes Projekt zur Verfilmung des Paule-Panke-Stoffs im Stil einer Rockoper wurde nach Vorlage des Treatments von der Abteilung HV Film beim Ministerium für Kultur gestoppt, während unter der Regie von Lew Hohmann 1983 der Dokumentarfilm Paule in Concert gedreht wurde, in dem der Alltag von Jugendlichen in der DDR von Songs aus Paule Panke begleitet wird.

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Hier und auch in den Folgejahren kommt die Ambivalenz des „kulturpolitischen Systems DDR“ zum Ausdruck. Auf der einen Seite gab es Unterstützer der Band, die sich in den offiziellen Medien und bei den zuständigen Behörden für die Band einsetzten, Texte und Aufführungen positiv rezensierten, sowie ein großes Interesse, den Stoff auch szenisch als Film oder Bühnenstück umzusetzen. Auf der anderen Seite standen Gegenspieler, wie etwa der unter ideologischen und wirtschaftlichen Prämissen agierende Chefredakteur von Amiga, René Büttner, der den von ihm und der Band bereits unterzeichneten Plattenvertrag für Paule Panke nach Intervention von nicht näher genannter Stelle zurückzog, eine Vertragsverletzung, die Pankow in den folgenden Verhandlungen mit dem künstlerischen Direktor der VEB Deutsche Schallplatten Berlin, Hansjürgen Schaefer, in eine unbefristete und vertraglich garantierte Option zur jährlichen Veröffentlichung eines Albums ummünzen konnte.

Die Schriftstellerin Gisela Steineckert, ab 1984 Präsidentin des Komitees für Unterhaltungskunst, urteilte 1982 über Paule Panke:

„Das Werk, das sich die jungen Künstler vorgenommen haben, krankt daran, daß der Entwurf „Mensch“ zu klein geraten ist und insgesamt nicht einmal durchschimmert. […] Die Reflexionswelt dieses jungen Mannes, der mir hier an der Peripherie langgeführt wird, läßt mich kalt. Was wäre denn, wenn er „aus dem Arsch“ käme? Was wäre denn dann, wonach würde er streben, wen denn könnte seine Käsigkeit beglücken? Man muß ja noch froh sein, daß dieser chronische Miesmacher, Nörgler und Muffel nicht aktiver ist, sonst wäre er gänzlich unerträglich.“

1984 in einer Sammlung von Briefen veröffentlicht, hat sie nach dem Live-Erlebnis und dem Kennenlernen der Band diese harsche Kritik allerdings öffentlich revidiert und in der Folge das Konzept von Pankow unterstützt.

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Die Ursachen für diese Ambivalenz sind sicher auch in den Folgen und der Verunsicherung der Kulturfunktionäre nach der Biermann-Ausbürgerung und den darauf folgenden Protesten und dem Exodus von namhaften DDR-Künstlern zu sehen.

„Die sich damit auftuenden Freiräume wurden von Pankow von Anfang an zu nutzen versucht. Damit verbunden war auch der Wunsch, sich ästhetisch und inhaltlich von der damals bereits stark politisch vereinnahmten DDR-Rockmusik abzusetzen. Dabei waren Instinkt und „Bauchgefühl“ ein mindestens so ausgeprägter Antrieb wie die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung, auch innerhalb der Band.“  Jürgen Ehle)

1983 wurde mit Kille Kille unter dem Druck der Popularität der Band eine erste Zusammenstellung von Titeln veröffentlicht. André Herzberg schreibt dazu in seinem autobiographischen Roman Mosaik:

„So hatte die Band als Gegentaktik Einzellieder entwickelt, um nun doch noch eine Platte machen zu können.“ (André Herzberg)

Trotz der in kurzer Zeit vergriffenen ersten Auflage von 110.000 blieb diese Zusammenstellung von Amiga ohne konzeptionellen Zusammenhang der einzelnen Stücke für die Band und ihr Publikum, die nach den vielen Live-Konzerten auf die Veröffentlichung von Paule Panke gehofft und gewartet hatten, hinter den Erwartungen zurück.

Als es Pankow dann 1985 gelang, das ebenfalls als Konzept angelegte Rockspektakel Hans im Glück bei Amiga zu veröffentlichen, führte der Inhalt des Stücks wieder zu kontroversen Diskussionen und vielfach auch zu Ablehnung von Seiten der für Jugendkultur in der DDR zuständigen Funktionäre und Organisationen.

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Wenn bei Paule Panke noch die Fiktion des Einbringens in eine entwicklungsfähige Gesellschaft (Komm aus’m Arsch) überwog, so mehrten sich die als systemkritisch empfundenen Töne in den Texten von Frauke Klauke auf Hans im Glück. Zeilen wie die folgenden aus Hans Negativ wurden vom Publikum auch auf das sozialistische System der DDR bezogen:

„Die Luft ist vergiftet / Die Gewässer vermistet / Das Land ausgesaugt / Von Geiern beklaut
Vom Hunger geplagt / Von Krankheit zernagt / Ohne Rast, ohne Ruh’ / Geht’s dem Untergang zu
Städte veröden / Die Leute verblöden / Durch die Arbeit zerhackt / In Familien versackt
Im Konsum ertrunken / Ins Fernseh’n versunken / Ohne Rast, ohne Ruh’ / Geht’s dem Untergang zu
Alles Scheiße / Ob in Nord, Ost, Süd oder West / Immer nur Horror / Und geistige Pest“

André Herzberg beschrieb die Wirkung der Texte auf das jugendliche Publikum:

„Bei Hans im Glück waren das alles mehr oder weniger Anti-Figuren. Das Publikum ist auf den Rhythmus der Musik eingestiegen und hat dem negativen Helden zugeklatscht. Das war teilweise eine ganz bescheuerte Situation, wenn dem Spießer plötzlich dankbar zugejubelt wurde, viele mitgrölten „Alles Scheiße“ oder „Immer mit’m Arsch an der Wand entlang“ und so, als würden sich die Leute mit diesen Rollen identifizieren, was wir gar nicht beabsichtigt hatten.“

Pankow 2011 v.l.n.r. Ingo York, Jürgen Ehle, Kulle Dziuk, André Herzberg, Stefan Dohanetz:
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Nach teils heftigen Kontroversen und Diskussionen über Hans im Glück in der Öffentlichkeit, die neben den Texten auch das Konzept der Band in Frage stellten, trennten sich Pankow und ihr Texter Frauke Klauke. Fortan wurden die Texte zu den Songs von Herzberg und Ehle oder anderen Textern, wie etwa Ronald Galenza, verfasst. In Konzerten waren einzelne Songs von Paule Panke, wie Freitag oder auch der Werkstattsong weiterhin präsent. Von Stille, dem Abschlusstitel von Hans im Glück, gab es auf dem 2006er-Album Nur aus Spass ein Remake.

Das erste Pankow-Konzert im NSW fand 1984 im Quartier Latin in West-Berlin statt. Es folgte 1985 die von Bernd Reisig organisierte Tournee durch die Bundesrepublik Deutschland. Nach der Tour verließ Frank Hille die DDR und somit auch die Band. Er wurde durch Stefan Dohanetz ersetzt.

Das 1986 erschienene Album Keine Stars wurde von Teldec auch in der BRD verlegt. Das Album enthält den von Ronald Galenza getexteten Titel Er will anders sein, der das Motto großer Teile der jungen Generation in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre der DDR wurde und dessen Refrain bei Live-Auftritten von Sänger und Publikum lautstark im Chor skandiert wurde.

„Er hat außer Klagen noch mehr zu sagen / … /
Manchmal will er sowieso / Weg nach Irgendwo. /
Aber er haut nicht ab in einen andern Ort, / Er rennt nicht vor Problemen fort. /
Abzuhau’n fällt ihm nicht ein / Er will doch ganz anders sein. / … /
Er will anders sein, / Er will ganz anders sein. / Er will anders sein, / Er will ganz anders sein.“

Ende 1986 verließ Jäckie Reznicek die Band in Richtung Silly, war aber bei vielen Tourneen sowie Studioaufnahmen von Pankow, insbesondere ab 1996, wieder präsent. Für ihn kam 1987 Ingo Griese von Rockhaus.

1987 kam es unter der Regie von Gert Hof zur erfolgreichen Uraufführung von Paule Panke als Rockmusical im Theater der Stadt Schwedt. Dabei traten die Musiker von Pankow auch als Schauspieler auf: André Herzberg als Paule Panke, Rainer Kirchmann als Operettenbuffo, Jürgen Ehle als Mann mit Mundharmonika, Ingo Griese und Stefan Dohanetz als Lehrlinge. Nach sieben Vorstellungen wurde die Aufführung aus „politisch-ideologischen Gründen“ gestoppt.

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Im Juni 1987 stand Pankow als erste DDR-Rockband beim Provinssirock-Festival in Seinäjoki neben internationalen Acts wie Bob Geldof, Iggy Pop, Elvis Costello und Hüsker Dü auf der Bühne. Darauf folgte bis Mitte Juli eine Tour mit der niederländischen Band Gruppo Sportivo.

Mit dem Einsetzen von Perestroika und Glasnost in der Sowjetunion ab Mitte der 1980er Jahre waren die Funktionäre der SED bemüht, ihr Land vor ähnlichen Entwicklungen abzuschirmen. Das in dieser zeitgeschichtlichen Phase 1988 erschienene Album Aufruhr in den Augen mit Texten solcher Songs wie Langeweile oder Gib mir’n Zeichen sowie der provozierende Auftritt von Pankow in westdeutschen Medien zogen Kreise bis in das ZK der SED. Zeilen wie diese:

„Dasselbe Land zu lange gesehn’ / Dieselbe Sprache zu lange gehört.
Zu lange gewartet, zu lange gehofft / Zu lange die alten Männer verehrt.
Ich bin rum gerannt, / Zu viel rum gerannt. / Zu viel rum gerannt. / Und ist doch nichts passiert“ (Textauszug Langeweile)

„Komm ich hol dich raus, raus, raus / Dann geh’n wir hier weg.
Gib mir ’n Zeichen, / Die andern brauchen es nicht zu sehn. / Gib mir ’n Zeichen.“
(
Textauszug Gib mir’n Zeichen)

führten zu einer heftigen Replik im Zentralorgan der SED.

Die Kritik der DDR-Oberen konnte zu diesem Zeitpunkt Produktion und Vertrieb des Albums sowie die Aufführung im Rundfunk und bei Konzerten der Band nicht mehr verhindern. Bezeichnend für die sich bereits ändernden Zeiten war die 1989 folgende Tournee mit der Big Band des Stabes der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland durch die DDR, auf der trotz aller Widerstände die Titel des Albums einem breiten Publikum zu Gehör gebracht wurden.

Im September 1989 gehörten die Musiker von Pankow zu den Unterzeichnern der Resolution von Rockmusikern und Liedermachern, die notwendige Veränderungen in der DDR unter Einbeziehung basisdemokratischer Organisationen wie dem Neuen Forum forderten. Am 15. Oktober beteiligte sich Pankow am „Konzert gegen Gewalt“ vor etwa 2000 Besuchern in der Ost-Berliner Erlöserkirche, auf dem zahlreiche neue Resolutionen zur Situation im Land verlesen wurden.

Mit der politischen Wende in der DDR und dem damit verbundenen Zusammenbruch des kulturpolitischen Rahmens, der neben Einschränkungen und Kontrolle durch die staatlichen Organe für die etablierten Künstler auch eine finanzielle Sicherheit brachte, eröffneten sich ab 1990 neue Möglichkeiten aber auch Notwendigkeiten für Bands und Musiker, auf dem internationalen Musikmarkt Präsenz zu zeigen. So waren die Musiker von Pankow in den folgenden Jahren in einer Vielzahl weiterer Projekte und Bands aktiv. André Herzberg verließ 1990 die Band, um eigene Projekte zu realisieren. Im selben Jahr kam Jens Jensen für Ingo Griese in die Band.

1989/90 tourte der US-amerikanische Musiker Ben Vaughn mit Pankow als Begleitband durch die DDR. Eines der Konzerte wurde im ost- und westdeutschen Fernsehen übertragen. Ebenfalls 1990 trat Pankow zusammen mit Rio Reiser in Berlin auf.

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem damit verbundenen offenen Zugang zu Medien außerhalb Deutschlands rückte Pankow so auch kurzzeitig in den Fokus der angelsächsischen Publizistik. Der US-amerikanische Historiker Timothy W. Ryback, bekannt durch sein 1990 erschienenes Werk Rock around the bloc: a history of rock music in Eastern Europe and the Soviet Union, charakterisiert Pankow neben Silly als eine der beiden angesehensten und professionellsten Gruppen der Ostberliner Rockmusik-Szene, „originally showed the influence of the Rolling Stones, but has developed into a dynamic band that combines the energy of the Clash with the innovation of the Talking Heads“.

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Am 13. Dezember 1991 fand in der mit über 4.000 Besuchern ausverkauften Halle, dem nunmehrigen Motorwerk, in Berlin-Weißensee das 10-Jahre-Pankow-Konzert statt. Pankow spielte in der Besetzung Ehle, Herzberg, Kirchmann, Dohanetz und Reznicek. Als Gastmusiker traten Frank Hille, Heiner Witte von Engerling, Volker Schlott und die Big Band des Stabes der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland auf. Das Konzert wurde live im Rundfunk bei DT64 übertragen. Vom Konzert erschienen 1992 der Videomitschnitt 10 Jahre Pankow. Ebenfalls unter dem Titel 10 Jahre Pankow veröffentlichte Amiga in der Reihe Rock aus Deutschland Ost 1991 eine Best-of-Kompilation.

Mit Barbara Thalheim wurde von Dezember 1991 bis Januar 1992 das Album Ende der Märchen eingespielt, produziert und 1992 veröffentlicht.

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1994 komponierte und spielte Pankow für die Theaterinszenierung von Clockwork Orange, einem Rockmusical nach Anthony Burgess, an der Landesbühne Sachsen-Anhalt in Eisleben. Im selben Jahr erschien das Album Vierer Pack, eingespielt in der Besetzung Ehle, Kirchmann, Dohanetz, Jensen. Mitwirkende Gäste waren Blanche Elliz, Paul Brady, Jens Streifling, Jean Pacalet und Jäcki Reznicek. Ende 1994 folgte die Herzberg-Pankow-Tour, von Pankow und der Herzberg-Band gemeinsam bestritten.

Am ersten Mai 1996 erschien bei Grauzone das Album Paparazzia als letzte Produktion von Pankow als „Vierer Pack“ Kirchmann, Jensen, Dohanetz und Ehle.

1996 kehrte Herzberg zurück, für Rainer Kirchmann kam Kulle Dziuk und für Jens Jensen kam Jäcki Reznicek. So stand Ende 1996 Pankow in der Besetzung Herzberg, Ehle, Dohanetz, Reznicek, Dziuk wieder auf der Bühne. Die Single Am Rande vom Wahnsinn war erschienen, das Album gleichen Namens folgte im Frühjahr 1997. Die Konzerte zur Wiedervereinigung der Band fanden Ende 1996 im Tränenpalast in Berlin statt. Erstmals wurde während der bis zu zweieinhalb Stunden dauernden Konzerte auch ein Teil der Pankow-Songs unplugged aufgeführt.

Noch 1996 spielte die Band den Song Hurra für das bei Gringo Records 1997 erschienene Die-Ärzte-Tributealbum GötterDÄmmerung ein.

Im Brecht-Jahr 1998 gab es unter dem Titel Kille Kille, Bertolt zusätzlich zu den regulären Konzerten eine Tournee mit einem Programm, das ausschließlich an Theaterbühnen aufgeführt wurde. Wichtige Stationen waren die langjährige Wirkungsstätte von Brecht, das Berliner Ensemble, sowie Brechts Geburtsstadt Augsburg.

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Das vorerst letzte Konzert von Pankow fand am 23. Dezember 1998 im Berliner Prater statt. Im März 1999 trat die Band dann noch ein letztes Mal mit Kille Kille, Bertolt und anlässlich der Kurt-Weill-Festspiele in Weills Geburtsstadt Dessau auf.

Die Musiker verfolgten daraufhin bis Anfang 2004 eigene Projekte.

Im Jahr 2004 kam es zu einer kurzen Wiedervereinigung und Konzerttournee durch den Ostteil Deutschlands mit Konzerten unter anderem in Berlin und Leipzig. Im Mai 2006 erschien beim Label Buschfunk mit Nur aus Spass nach langer Zeit wieder ein neues Studioalbum. Von August bis Oktober 2006 gab es eine Jubiläumstournee zum 25. Geburtstag der Band. Am 28. März 2009 beendeten Pankow ihre – wie Herzberg sagte, vorläufig letzte – Tour (Januar bis März 2009) mit dem Abschlusskonzert im Berliner Postbahnhof.

Die im März 2009 gestartete Wiederaufführung des Rockspektakels Hans im Glück – gemeinsam mit Schauspielern der Berliner Volksbühne und Supervision durch Frank Castorf – wurde im April 2009 im Prater fortgesetzt.

Am 3. November 2011 starteten Pankow mit ihrem Album Neuer Tag in Pankow die Tour zum 30-jährigen Bühnenjubiläum in der Besetzung Herzberg, Ehle, Dohanetz, Dziuk sowie Ingo York als Gastmusiker am Bass.

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In den Folgejahren gab die Band immer wieder einzelne Konzerte, beteiligte sich an dem Musikprojekt Ost-Rock Klassik und startete 2014 eine Tour mit mehreren Konzerten in Ostdeutschland und der Tschechischen Republik. So traten Pankow im November 2014 beim Konzert für die Preisträger des Memory of Nations Awards an der Seite von John Cale, Gábor Presser, Marián Varga und Pražský výběr im Nationaltheater Prag auf.

Am 12. November 2016 begann im Berliner Frannz-Club die Aufruhr in den Augen reloaded – Tour. Dabei spielten Pankow die Songs des gleichnamigen Albums von 1988 in einer unplugged Version. Als Gäste begleiteten Pankow Wolfram Boddi Bodag von Engerling an den Keyboards und André Drechsler an Bass und Gitarre.

2018 traten Pankow in Jekaterinburg im Rahmen der Ural Music Night auf, einem multikulturellen Festival, welches in einer Nacht auf nahezu einhundert Bühnen unter Beteiligung von etwa 2000 Musikern aus 26 Ländern stattfand.

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Im November 2019 war Pankow in der Besetzung Herzberg, Ehle, Dohanetz, Dziuk und Drechsler

„wieder auf der Strasse, wieder unterwegs.“
(Textauszug Wieder auf der Strasse)

Dabei wurde in den Konzerten durch die Songs und den Vortrag des Frontmanns André Herzberg die Chronik der vergangenen fast 40 Jahre des Bestehens der Band nachgezeichnet. Es gelang der Band dabei beeindruckend, mit der Musik und den Texten ihre Protagonisten und das Publikum in einen erlebbaren Bezug zu gesellschaftlichen Auf- und Umbrüchen auf eine Zeitreise zu schicken. Neben einigen neu arrangierten Songs war der eindringliche Vortrag des Kunert / Pannach Songs The Day they took the Wall away 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ein Höhepunkt des Konzerts. Das Abschlusskonzert der Tour fand am 30. November 2019 im Kesselhaus der Berliner Kulturbrauerei statt. (wikipedia)

Und 2023 wollten sie es wieder mal wissen … im November gab es 3 Konzerte (Leipzig, Dresden, Berlin)

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Kille Kille ist das erste Album der Band Pankow und 1983 auf Amiga erschienen.

Nachdem die Veröffentlichung des Rockspektakels Paule Panke an den als wenig systemkonform empfundenen Texten gescheitert war, wurde mit Kille Kille 1983 unter dem Druck der Popularität der Band eine erste Zusammenstellung von Titeln veröffentlicht.

André Herzberg schreibt dazu in seinem autobiographischen Roman Mosaik:

„So hatte die Band als Gegentaktik Einzellieder entwickelt, um nun doch noch eine Platte machen zu können.“

Trotz der in kurzer Zeit vergriffenen ersten Auflage von 110.000 blieb diese Zusammenstellung von Amiga ohne konzeptionellen Zusammenhang der einzelnen Stücke für die Band und ihr Publikum, die nach den vielen Live-Konzerten auf die Veröffentlichung von Paule Panke gehofft und gewartet hatten, hinter den Erwartungen zurück.

Das Album enthält Songs aus verschiedenen Zeitabschnitten, so mit Inge Pawelczik die Neuauflage des Songs Rockermädchen aus den Zeiten von Herzberg bei der Gaukler Rock Band, mit dem Werkstattsong eine Auskopplung aus Paule Panke und mit Die wundersame Geschichte von Gabi einen der größten Hits von Pankow, der in der Dokumentation Leben in Wittstock von Volker Koepp 1984 in Szene gesetzt wurde, indem eine Jugendliche aus Wittstock auf den Pankow-Titel ihren Traum vom Fliegen erzählt.

„Und sie denkt an die Sekunden nach den Erdkundestunden. / Da hatte sie schon dieselbe Methode. / Als der Globus heimlich rollte / Und sie flog wohin sie wollte. / So klein ist Blankerode. / Vater streckt sie die Zunge raus, / Und Carola die kann ihr jetzt mal, / Und Peter, ha Peter, sogar Peter ist ihr auch ganz egal. / Und sie fliegt! / Und sie fliegt! / Ja, sie fliegt!“
(Textauszug Die wundersame Geschichte von Gabi)

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Und nachdem diese LP die erste ist, die ich von Pankow gehört habe, konnte sie nicht hinter meinen Erwartungen zurück liegen …

Knackiger, witziger und zuweilen rotzfrecher Rock, dem man immer wieder mal anhört, dass die Band die diversen Spielarten der Rockmusik studiert hat.

Und wenn ein Album mit skurill-sanften Tönen beginnt, dann ahnt man bereits, dass es so nicht bleibt („Komm, Karlineken, komm (Wir woll’n zu Pankow gehn“)

Die Paralellen zu den Rolling Stones kann ich allerdings so nicht hören, macht aber nix … Pamnkow haben genügend eigenen Iddeen gehabt, um dieses Album nun wirklich abwechslungsreich zu gestalten … auch wenn es vermutlich nur ihr Gesellenstück war … auch wenn „Das Lied von der See’nsucht“ einer Hammersong war und ist !

Mit der Band werde ich mich weiter beschäftigen …

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Besetzung:
Jürgen Ehle (guitar, vocals)
André Herzberg (vocals)
Frank Hille (drums)
Rainer Kirchmann (keyboards, vocals)
Hans-Jürgen Resnicek (bass)

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Titel:
01. Komm, Karlineken, komm (Wir woll’n zu Pankow gehn) (Traditional/Ascher) 1.38
02. Rock ‚N‘ Roll im Stadtpark (Ehle) 3.25
03. Das Mädchen und die Motte Lotte (Ehle/Zschoche) 5.07
04. Ilse Bilse (Ehle/Zschoche) 3.15
05. Die wundersame Geschichte von Gabi (Ehle/Herzberg) 5.23
06. Das Lied von der See’nsucht (Ehle/Zschoche) 5.46
07. Ich bin lieb (Ehle/Herzberg/Hille/Kirchmann/Resnicek/Demmler) 3.20
08. Werkstattsong (Ehle/Klauke) 4.37
09. Inge Pawelczik (Ehle/Herzberg/Hille/Kirchmann/Resnicek/Klauke) 5.27

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Ein herzliches Dankeschön an den Herrn Ärmel für den Tipp !

Die offizielle Website:
Website

Gabriel Yared & Stéphane Moucha – Das Leben der Anderen (Soundtrack) (2006)

FrontCover1Hier der Soundtrack zu einem ganz besonderen Film:

Zu Hause, im Stadion, am Telefon, in der Post – überall war die Stasi präsent. Aber nicht im Kino. Erst 15 Jahre nach ihrer Auflösung wird dieser prägende Bestandteil der DDR im Spielfilm reflektiert. Hauptmann Gerd Wiesler wird auf den Dramatiker Georg Dreymann angesetzt. Der bis dahin funktionierende Spitzel entwickelt jedoch kritisches Denken und Gefühle für seine Opfer – eine Entwicklung also, die in der Realität vorgekommen sein mag, allerdings mit hohem Seltenheitswert.

Die ersten Bilder sind erschütternd: Sie zeigen, mit welchen Methoden Wiesler Verdächtige in einem dunklen Verlies verhört. Wiesler arbeitet berechnend und präzise, während die Verhörten weinen. Die Verhörszenen werden allerdings immer wieder unterbrochen durch Bilder von Wieslers Seminaren an der Stasi-Hochschule. Hier erfahren die Studierenden (und das Kinopublikum) die Hintergründe der praktischen Arbeit. Es wird deutlich, dass Wiesler vom System der DDR überzeugt ist. Die Verhöre stehen für ihn im Dienst des Sozialismus, des großen Ganzen, an das er glaubt. In diesen Szenen und angesichts der Verwanzung einer Wohnung kommt zur Wut des Zuschauers auch Bewunderung für den Perfektionismus des Geheimdienstes, der mit CIA und Mossad als bester der Welt galt.

DasLebenDerAnderen03Als Wiesler, der bis dahin nur mit „kleinen Fischen“ zu tun hatte, auf den populären Dramatiker angesetzt wird, erfährt er erstmals, dass es nicht nur die Ideologie ist, die zählt, sondern vor allem Machtpolitik und Intrigen: Die Spitze des Staates ist karrieregeil, nicht ideologisch. Dreymann soll nicht der regelmäßigen ideologischen Prüfung unterzogen, sondern möglichst zu Fall gebracht werden, um die Karriere eines Politikers zu beflügeln. Ein Schlüsselerlebnis ist für Wiesler die Nötigung von Dreymanns Freundin, einer Künstlerin, durch den Kulturminister: Ausstellungserlaubnis gegen Sex. Der Spitzel wird kritisch gegenüber dem System und entwickelt sich zum Mittäter (nach DDR-Recht).

DasLebenDerAnderen02Durch Ulrich Mühe wird die ungewöhnliche – und untypische – Geschichte eines Stasi-Spitzels für den Zuschauer vollkommen glaubwürdig erzählt. Es ist für den Zuschauer auch in Zeiten seiner Linientreue unmöglich, den Stasi-Mann, der seine Verhörten in die Verzweiflung treibt, als grundsätzlich schlechten Menschen zu verurteilen. Als „Verräter“ seines Systems, der er wird, aber auch als Verhör-Führer wirkt er nicht unsympathisch, sondern eher als guter Mensch, der am Anfang eben für eine Ideologie kämpft, an die er glaubt.

Dies ist jedoch auch der einzige Punkt, der an dem Film kritisch betrachtet werden muss: Der Film stellt nicht eine Figur in den Vordergrund, die perfekt die Unterdrückung verkörpert, sondern den Gutmenschen Wiesler. Diese Perspektive, die eine Verharmlosung darstellt, schwächt den Film allerdings nicht entscheidend, denn das Klima der Unterdrückung ist nichtsdestotrotz allgegenwärtig.

Realitätsgetreue Dokumentationen über die Stasi gab und gibt es viele – im Fernsehen, in Büchern oder in Museen wie dem hervorragenden „Museum in der ‚Runden Ecke’“ in Leipzig. Ihr gemeinsames Problem ist ihre Reichweite. Dieser Film dagegen hat das Potenzial, eine Masse anzuziehen, und auch genau diejenigen Kinogänger, die sich zuvor von der Ostalgie ergreifen ließen.

DasLebenDerAnderen04Ausnahmslos jeder Kinofilm, der die DDR im Rückblick thematisierte, malte ein rosarotes Bild der Ostalgie. Die ersten beiden Filme hatten noch einen gewissen Wert: „Sonnenallee“ (1999) zeigt, dass im Osten eben nicht alles schlechter war als im Westen, wie viele Wessis in ihrer Sanierermentalität (Stichwort: „Buschzulage“) glaubten. „Helden wie wir“ hingegen ist schon wegen seiner satirischen Anspielungen auf Christa Wolf bedeutend und kann außerdem als Versuch gesehen werden, den Mauerfall zu entmythisieren.

Seitdem herrschte Stillstand. Filme wie „Good Bye Lenin“ oder „NVA“ sind unterhaltsam und erfolgreich – mehr aber auch nicht. Die ostalgische Idee des „menschlichen Ostens“ wurde einfach immer wieder neu variiert. Dies kann man als Indikator der Intensität der Verletzung der DDR-Bürger durch den Westen werten – oder aber als simple Methode, mit alten Rezepten Geld zu verdienen, denn die meisten dieser Ostalgie-Filme waren Kassenschlager. Wenn dann noch beliebte Privatsender Sendungen wie „Die große DDR-Show“ produzieren, ist es höchste Zeit, ein massentaugliches Gegenmittel zu entwickeln. „Unterschätzen Sie die Stasi nicht“, heißt es in „Das Leben der Anderen“.

DasLebenDerAnderen05Der Film besitzt die Stärke, die DDR nicht als Ganzes zu verteufeln. Viele Aussagen der Ostalgie-Filme lässt er unangetastet, stellt sie aber in den Hintergrund des Unterdrückungssystems. Ein effizienteres Gegenmittel gegen die Ostalgie-Überdosis als „Das Leben der Anderen“ ist schwer vorstellbar.  (Tobias Vetter)

Das Leben der Anderen wirft einen beklemmenden Blick auf die repressiven Machenschaften des Ministeriums für Staatsichersicherheit in der DDR Mitte der 80er Jahre. Am fiktiven Beispiel eines systemkritischen Dramatikers zeigt Florian Henckel von Donnersmarck in seinem Spielfilmdebüt die unmenschlichen Abhör- und Foltermethoden der Stasi, thematisiert zugleich aber auch Macht und Ohnmacht des Systems. Das elfmal für den Deutschen Filmpreis (unter anderem auch für die Musik) nominierte Drama wird musikalisch von Gabriel Yared und Stéphane Moucha begleitet, lässt aber auch eine Reihe von DDR-Songs der Zeit zu Gehör kommen, wobei die Spanne von versteckt systemkritischen Stücken der Band Karat und Silly über Easy Listening-Jazz bis hin zu trivialen Ostschlagern eines Frank Schöbel reicht.

DasLebenDerAnderen06Die eigentliche Originalmusik kommentiert die Handlung mit einem zurückhaltenden, die bedrückende Atmosphäre der Handlung unterstreichenden Vertonungsansatz. Elegische Streicheradagios und rhythmisch durchdrungene Spannungssequenzen stehen im Mittelpunkt der Komposition, die mit den Prager Philharmonikern aufgenommen wurde. Sie trägt deutlich die Handschrift Yareds, ist nur einen Steinwurf von seinen üblichen Arbeiten entfernt. Erfreulich ist aber trotzdem, wie gut er zusammen mit Moucha Das Leben der Anderen durchkomponiert hat und auf handelsübliche Suspense-Klischees verzichtet. Da gibt es kaum Leerlauf. Selbst die Spannungssequenzen sind mit ihren Streicherostinati (z.B. im eröffnenden „Die unsichtbare Front“) und Einwürfen der Holzbläser nicht nur geschickt instrumentiert, sondern durchaus markant gestaltet. Gerade mit mehrmaligem Hören kristallisieren sich eine Reihe schöner melodischer Einfälle heraus, überzeugen die wiederkehrenden Soli von Gitarre, Klavier und Klarinette. Kern- und Angelstück bildet allerdings die klassizistische „Sonate vom Guten Menschen“, eine Klavieretüde, die der Dichter spielt und für den abhörenden Stasi-Offizier zum entscheidenden persönlichen Wendepunkt wird, fortan dem observierten Künstler zu helfen.

DasLebenDerAnderen07Damit wird die Musik zwar nicht gleich zum großen Wurf. Von einer stimmungsvollen, atmosphärisch dichten Vertonung kann man aber schon sprechen, auch wenn die thematische Verarbeitung zwangsläufig ihre Grenzen hat und der Repertoirewert aufgrund einer Reihe ähnlich akzentuierter Yared-Musiken eher eingeschränkt ist. Trotzdem stellt Das Leben der Anderen ein seltenes wie gutes Beispiel für einen überaus effektvollen Musikeinsatz in einem Deutschen Film dar. Da geben selbst die Songs einen spannenden Einblick in die letzten DDR-Jahre. Und das macht die CD dann unterm Strich doch lohnenswert. (mr/filmmusik2000.de)

Alternative FrontCover

Alternative Frontcover

Und noch natürlich ein paar Informationen zu den Komponisten dieses Swirklich intensiven Soundtracks:

Gabriel YaredGabriel Yared (* 7. Oktober 1949 in Beirut) ist ein libanesischer Komponist. Bekanntheit erlangte er vor allem durch seine Arbeit an über 90 Kompositionen für Film und Fernsehen.

Der musikalische Autodidakt begann früh selbst Stücke zu komponieren und übernahm mit 14 Jahren den Platz seines verstorbenen Mentors als Organist an der Universität Saint Joseph in Beirut.

Nach einem Aufenthalt in Brasilien ließ sich Yared in den 1970er Jahren in Frankreich nieder, wo er sich einen Namen als Orchester-Dirigent machte und als Filmkomponist zu arbeiten begann. 1997 wurde er für die musikalische Untermalung zu Anthony Minghellas Spielfilm Der englische Patient mit dem Oscar ausgezeichnet.

Stéphane Moucha (* 1968 in Most, Tschechoslowakei) ist ein französischer Musiker und Komponist.

Stéphane MouchaStéphane Moucha wurde 1968 in der Tschechoslowakei geboren. Noch während des Prager Frühlings flohen seine Eltern aus dem Land und fanden Asyl in Frankreich. Im Alter von fünf Jahren erlernte er die Violine. Er studierte Komposition, Orchestrierung und Harmonik am Conservatoire de Paris. Anschließend fand er Arbeit bei dem französischen Komponisten Gabriel Yared.

Sein Debüt als Filmkomponist gab Moucha 1996 mit dem von Véra Caïs inszenierten Fantasyfilm Allzu laute Einsamkeit. Seit dem Jahr 2000 ist er regelmäßig als Filmkomponist beschäftigt. Insbesondere für die Musik an den beiden deutschen Filme Das Leben der Anderen und Die Fremde erlangte Moucha internationale Bekanntheit. Mit Yared erhielt er jeweils eine Nominierung bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises 2006 mit für die Beste Filmmusik und bei der Verleihung des Europäischen Filmpreises für die Beste Filmmusik. Mit Max Richter gewann er 2010 für Die Fremde gemeinsam mit Richter den Preis der deutschen Filmkritik. (Quelle: wikipedia)

Dieser Soundtrack ist gerade wegen seinem unglaublichen Stil Misch-Masch faszinierend und zugleich verstörend … genau wie dieser großartige Film !

Begleitmaterialien

Die Begleitmaterialien

DasLebenDerAnderen08Besetzung:
The City of Prague Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Adam Klemens
+
Jaromir Klepac (piano)
Jaroslav Novak (guitar)
+
diverse DDR Musiker, Bands und Combos (siehe Titelliste)

BackCoverTitel:
01. Die unsichtbare Front (Yared/Moucha) 2.43
02. HGW XX/7 (Yared/Moucha) 5.34
03. Ernst Ludwig Petrowsky: Gral (Petrowsky) 2.38
04. Ernst Ludwig Petrowsky: E.W. als Gruß (Petrowsky) 2.33
05. Linienstraße (Yared/Moucha) 2.51
06. Der Verrat (Yared/Moucha) 2.06
07. Angelika Mann: Champus-Lied (Gertz/Bartzsch) 3.30
08. 4PS: Ich würde, wenn ich wüßte, daß ich könnte (Demmler/Bartzsch) 4.00
09. Das Leben der Anderen (Yared/Moucha) 5.14
10. Die Sonate vom guten Menschen (Yared/Moucha) 1.40
11. Frank Schöbel: Wie ein Stern (Lietz/Schmiedecke) 6.20
12. IM „Martha“ (Yared/Moucha) 4.23
13. Pankow: Rock’n Roll im Stadtpark (Ehle) 3.24
14. Bayon: Stell dich mitten in den Regen (Borchert/Theusner) 5.17
15. Gesichter der Liebe (Yared/Moucha) 3.32
16. Georg Dreyman, der Dichter (Yared/Moucha) 1.28
17. Hansi Biebl: Es gibt Momente (Demmler/Biebl) 5.07
18. Karat: Albatros (Kaiser/Swillms) 8.12
19. Silly: Tausend Augen (Karma/Silly) 4.32

CD1

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DasLebenDerAnderen01

Die armselige Sexualität des Gerd Wiesler

Verschiedene Interpreten – Mauerfall – Das legendäre Konzert für Berlin ´89 (2014)

FrontCover1Das war ganz, ganz sicher ein mächtiges Zeichen in jenen Tagen des Mauerfalls:

„Ein einziges Mal in meinem Leben habe ich meinen Vater weinen sehen. Ich konnte ja selbst kaum glauben, was ich am 9. November 1989 miterleben durfte.

Aber da stand es wirklich, zuerst nur in nüchterner Laufschrift: „Die Mauer ist offen.“

Gebannt saßen wir mitten in Hessen vor der Glotze, bis nach und nach endlich die ersten Bilder aus Berlin eintrudelten. Unsere Familie, die über 28 Jahre durch 3,60 Meter hohen Beton und einem Todesstreifen getrennt war, war von einem Moment auf den nächsten wieder eins.

Wie es Politbüromitglied Günter Schabowski so nett ausdrückte: „Das tritt … nach meiner Kenntnis, ist das sofort, unverzüglich.“

Ganz Deutschland befand sich im Freudentaumel. Ein Gefühl, das sich später Geborenen kaum vermitteln lässt. Bereits drei Tage später, am 12. November 1989, organisierte der Sender Freies Berlin (SFB) das ‚Konzert Für Berlin‘. Jeder will bei diesem historischen

LindenbergCocker

Udo Lindenberg + Joe Cocker

Moment dabei sein. Entsprechend ließen sich innerhalb kürzester Zeit neben ost- und westdeutschen Stars sogar Joe Cocker und Melissa Etheridge für einen Auftritt auf der Bühne der Deutschlandhalle verpflichten. David Hasselhoff und die Scorpions hatten wohl keine Zeit. Die Prinzen gab es zum Glück noch nicht, und „Wind Of Change“, die pfeifende Geißel der Wiedervereinigung, war noch nicht geschrieben.

Schon damals sollte eine Doppel-LP des Events, durch den der Fußballkommentator Stefen Simon als Moderator führte, erscheinen. Das Unterfangen scheiterte jedoch an Lizenzstreitigkeiten. 25 Jahre später schaffen es die Aufnahmen doch noch auf die CD „Mauerfall – Das Legendäre Konzert Für Belin ’89“.

SteffenSimon

Der Moderator Steffen Simon

Da der Zwist um die Rechte bisher jedoch noch nicht beigelegt wurde, schiebt man uns zu den Feierlichkeiten eben eine Mogelpackung unter. Der Einfachheit halber unterschlägt man uns Auftritte von Marius Müller-Westernhagen, den Toten Hosen, den Puhdys, Nena und anderen.

Die Stimmen verzerren, der Bass knarzt unschön aus den Boxen, der Sound ist eine einzige Matschepampe. Der ganze Mitschnitt versprüht den Charme einer Veranstaltung in der Aula der Gabriele-von-Bülow-Oberschule, auf der Steffen Simon ein Tischtennisturnier der Reinickendorfer Füchse moderiert. Dieses seltsame Ambiente durchfluten immer wieder die historischen Momente und Gefühle der damaligen Zeit, in denen der ehemalige Lockenkopf zum Beispiel bekannt gibt, dass soeben der Schießbefehl an der Mauer aufgehoben wurde.

Während Tamara Danz, Heinz Rudolf Kunze, Udo Lindenberg und Konstantin Wecker den Background-Chor zu „With A Little Help From My Friends“ liefern, lässt Joe Cocker seine Hände munter im Takt der Mauerspechte schlackern. BAP geben zu reichlich Feedback und Mikrofonfiepen ihren damals noch gar nicht so alten Klassiker „Verdamp Lang Her“ und vergessen vor lauter Euphorie das finale Gitarren-Solo. Nina Hagen erdolcht „My Way“, und Melissa Etheridge bedankt sich feierlich und wünscht uns für die Zukunft Alles Gute: „As an American, I am very proud to be here at this time in history. But as a human being I wish you both – east and west – freedom und Freiheit – jetzt und für immer!“

HelmutLehnert

Der damalige SFB Musikchef: Helmut Lehnert

Über die Chronologie des Abends setzt sich „Mauerfall – Das Legendäre Konzert Für Berlin ’89“ hinweg. Das wirkt spätestens in dem Moment skurril, wenn Udo Lindenbergs erster Auftritt nach seiner Krankheit angesagt wird, nachdem er vorher bereits „Horizont“ zum Besten gab. Mit einem „Hallöchen, Freunde, Hallöchen“ betritt er die Bühne. Hatte ihn während „Hör mich“ von den Zöllnern eine Mittelohrentzündung erwischt? Angesichts des Beitrags der Ost-Berliner wäre dies verständlich.

Die nachdenklichen Stimmen kamen ausgerechnet von den befreiten Ost-Rockern. Andre Herzberg, Sänger der Band Pankow, stand der kritiklosen Begeisterung des Tages mit gemischten Gefühlen gegenüber: „Ich wollte so ein Stück Souveränität zurück haben. Ich wollte nicht, dass der Osten zum Westen geht, sondern der Westen zum Osten kommt und sich da freut, und der Osten selber die Freude der eigenen Mündigkeit ausdrückt.“ War wohl nichts.

Vor Deutschland lag in den nächsten Jahrzehnten ein langer Kater und ein zögerliches Zusammenwachsen, die neuen Bundesländer bluteten währenddessen langsam aus. Besonders hart traf es Silly, die nach der Wiedervereinigung den Weg ihres Landes gingen und erst in den letzten Jahren wieder auf die Beine kamen. Passend singt die inzwischen verstorbene Tamara Danz zum Abschluss des Albums: „Alles wird besser, aber nichts wird gut.“ (Sven Kabelitz)

Live01

Auch meine Erinnerung an jene Tage verbinde ich stark mit meinem Vater. Er war ein stramm konservativ-katholischer Mann, der als Heimatvertriebener mir immer wieder gebetsmühlenartig prophezeite, dass es bei der „Teilung“ auf Dauer nicht bleiben werde.  Ich hatte für diese Prophezeiung nur ein müdes, mildes Lächeln übrig.

Ich hätte ihm die Freude, dass er recht behalten hatte, sehr, sehr gerne gegönnt, leider verstarb er dann schon 1986 …

Es mag ja sein, dass die Aufnahmen  nicht optimal waren, aber das spielt hier eigentlich so gar keine Rolle … bedenkt man unter welcher Hektik dieses gigantische Konzert vorbereitet wurde. Im Begleitheft wird darüber ausführlich berichtet.

Der Silly Gitarrist erinnert sich:

»Das ganze Land war auf den Beinen. Die Grenzübergänge, durch die wir mit unserer Anlage mussten, waren total überfüllt. Wir hatten Probleme, pünktlich in die Deutschlandhalle zu kommen«, erinnert sich Uwe Hassbecker. »Alles kehrte sich von unten nach oben. Die Tage der Maueröffnung waren das Beeindruckendste, was ich erlebt habe.« Fast klingt es, als könne der Silly-Gitarrist auch heute noch nicht fassen, dass damals die Mauer fiel. »Schon die Zeit zuvor war aufregend! Jeden Tag passierte etwas Neues! Es geschahen Dinge, die wir uns im Traum nicht hätten vorstellen können. Wir waren wie im Ausnahmezustand.«

Die Veranstaltung wurde vom Sender Freies Berlin (SFB) auf die Beine gestellt, der Eintritt war frei. »Die Organisation war mit heißer Nadel genäht. Es war alles total chaotisch, keiner wusste, wer wann dran war. Während des Tages strömten 50.000 Leute durch die Halle, es fühlte sich an wie auf ‘nem Bahnhof. Es war immer rappelvoll, die Leute wechselten ständig, die ganze Stadt war auf den Beinen.«

Tray1

Und ja, es ist ein pathetisches Konzert gewesen, aber wann verdammt noch mal, war diese Haltung jemals gerechtfertigter in den vergangenen Jahrzehnten, als bei so einem Konzert.

Und ich erwisch mich mit meinen feuchten Augen … aber hier hören wir einfach einen kleinen Ausschnitt von deutschen Klassikern der Rockmusik (Musik verbindet halt) und natürlich ist dieses „With A Little Help From My Friends“ (man stelle sich vor, dass bei den background vocals selbst ein Konstantin Wecker mit von der Partie war !) eine Hymne, die einfach nur passend war.

Und Udo Lindenberg nuschelt auf seine ganz eigene Art und stellt dabei u.a. folgendes fest:

„Dass wir jetzt so zusammen sind, verdanken wir ja wohl den Demonstranten und der Demokratie-Bewegung in der DDR.“

Und ja, das ist jetzt schon verdamp lang her …

Booklet06A

Titel:
01. Moderation 0.32
02. Joe Cocker: With A Little Help From My Friends (Lennon/McCartney) 8.46
03. Moderation 0.38
04. BAP: Verdamp lang her (Heuser/Niedecken) 7.47
05. Udo Lindenberg: Horizont (Lindenberg/Reszat/Applegate/Thatcher) 4.37
06. Die Zöllner: Hör mich (Zöllner) 4.52
07. Moderation (mit Udo Lindenberg) 2.55
08. Udo Lindenberg: Sonderzug nach Pankow (Mack/Warren/Lindenberg) 1.33
09. Udo Lindenberg: Wir wollen doch einfach nur zusammen sein (Mädchen aus Ost-Berlin) (Lindenberg) 2.31
10. Heinz Rudolf Kunze: Die offene See (Kunze) 4.55
11. Moderation 0.09
12. Nina Hagen: My Way (Francois/Revaux/Anka/Hagen/Niessen) 4.59
13. Moderation 0.30
14. Pannach und Kunert: Der Tag an dem die Mauer fiel (Kunnert/Pannach) 3.41
15. Moderation 1.08
16. Melissa Etheridge: Testify (Etheridge/McCormick) 4.35
17. Konstantin Wecker: Die weiße Rose (Wecker) 3.10
18. Moderation  0.11
19. Pankow: Gib mir’n Zeichen (Ehle/Herzberg) 4.28
20. Moderation (mit Tamara Danz ) 1.17
21. Silly: Alles wird besser (Danz/Hassbecker/Karma) 6.00

CD1

 

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Tagesschau