Drosselbart – Drosselbart (1970)

FrontCover1Natürlich war es nicht Udo Lindenberg, der mit deutschsprachiger Rockmusik begonnen hat. Wird gerne erzählt, is aber Quatsch.

Hier ein weiteres Beispiel (und wahrlich kein schlechtes !) aus dem Jahr 1970:

„Drosselbart war die erste Punkband Deutschlands“, so Sängerin Jemima im Beiheft des CD-Reissues des einzigen Albums der Münchner Band (erschienen bei Long Hair Music). „Die Jungs von der Band konnten damals nur drei Akkorde, vielleicht auch vier, aber sie brannten vor Begeisterung“, schreibt sie weiter. Jemima war übrigens ein Pseudonym, da die Dame damals einen Exklusivvertrag mit der Bayrischen Staatsoper hatte, welcher ihr anderweitige musikalische Betätigungen versagte. Ihr richtiger Name lautete Mono, ein weiterer Künstlername, unter dem sie offenbar bis heute als Sängerin tätig ist. Wie denn nun ihr bürgerlicher Name lautet, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Jedenfalls handelt es sich um die Lebensgefährtin von Paul Vincent, einem bekannten Namen aus der Münchner Studiomusikerszene. Vincent war Anfang der 70er kurz bei Missus Beastly tätig, spielte dann mit Subject Esq. (zumindest half er der Band ihr einziges Album einzuspielen) und war später im Jahrzehnt in Lindenbergs Panikorchester zu finden. Mit Drosselbart hat er aber nichts zu tun. Diese kurze Episode spielte sich in der Zeit ab, als Vincent gerade in England weilte, um ein Soloalbum einzuspielen (namens „Hallelujah“).

Drosselbart02Punk gibt es also auf „Drosselbart“ zu hören. Na ja, nicht wirklich. Vor den Aufnahmen zu ihrer einzigen LP hatte die Gruppe wohl doch etwas geübt. Musikalisch bewegt sich das Album im Bereich Protoprog, bluesiger Mainstream und Folkrock. Krautig-Experimentelles oder Kosmische Klänge gibt es auf „Drosselbart“ nicht zu hören. Das Ganze klingt noch stark nach den 60er Jahren, erinnert gelegentlich an die härter rockenden, folkig-psychedelischen Bands von der amerikanischen Westküste (Iron Butterfly z.B. oder die Birds – in „Jemima“ meine ich auch ein Fragment von „Eight Miles High“ auszumachen), oder an die Musik britischer Bluesrocker wie Brian Auger und Julie Driscoll (der auch das zweite Bonusstück gewidmet ist). Progressive Elemente in dieser Musik sind das klangfüllende, wenn auch meist eher im Hintergrund stattfindende Orgelspiel Christian Trachsels, einige Einlagen an Quer- und Blockflöte von Gastmusiker Ralf Nowy (am Ende von „Vater Unser“ ist auch ein eigenartiges, näselndes Rohrblattinstrument zu vernehmen) und ein paar Einflüsse aus der Klassik (zu hören z.B. im barocken „Du bist der eine Weg“, vor allem in der Spinettbegleitung), insbesondere der opernhafte Soprangesang Jemimas. Trotzdem bietet „Drosselbart“ im Grunde eine relativ normale Sammlung von zeittypischen, krautig-holprigen Rocksongs.

Da wir gerade beim Gesang waren, noch ein paar Anmerkungen dazu. Gesungen wird in Deutsch, von Jemima und Peter Randl. Letzterer befleißigt sich meist eines eher aggressiven, agitativ-deklamierenden Stils, wie er auch für diverse deutsche Politrockbands Anfang der 70er typisch war. In den etwas arg prätentiösen Texten geht es meist um Gott, Glauben, menschliche Verfehlungen und die Ungerechtigkeiten dieser Welt. Hier eine Textprobe, aus dem Song „Liebe ist nur ein Wort“:

„Gott ist vielleicht ein Gespenst, das Du aus dem Märchenbuch kennst, der Himmel kein schöner Ort … Liebe ist nur ein Wort! … Die Hölle verliert ihren Sinn, denn wir kommen alle hin, und jeder Krieg ist Mord … Liebe ist nur ein Wort! … Sinnlos ist jedes Gebet, wenn keiner die Worte versteht, hoffungslos treiben wir fort … Liebe ist nur ein Wort!“

Na ja. Hauptsache es reimt sich. Erwähnenswert ist vielleicht noch die etwas eigenwillige Version des „Vater Unser“ in Track 7.

Krautrockkomplettisten, die sich nicht an den deutschen Texten stören können sich „Drosselbart“ durchaus zulegen. Der Proggehalt ist zwar nicht sehr hoch, doch ist das Ganze einigermaßen abwechslungsreich gemacht, auch wenn die Musik aus heutiger Sicht reichlich angestaubt klingt. .(Achim Breiling)

Drosselbart01

Tja, nix da mit „angestaubt“ … Sicherlich wird man an dieser LP besonders viel Freude haben, wenn man mit den damaligen Hörgewohnheiten großgeworden ist.

Die Musik, wie auch die Texte sind gelegentlich arg pathetisch … aber das schmällert den Hörgenuss nicht wirklich.

Kleine Nebenbermerkung: Sängerin Jemima war damals mit dem Gitarristen Paul Vincent verbandelt … und auch darüber berichtet sie in dem Booklet … Und, sie ist auch heute noch mit ihm zusammen … Bemerkenswert, wie dieses Album auch.

Inlet02

Besetzung:
Martin Honemeyer (drums)
Jemima (vocals)
Dieter Mainka (guitar)
Peter Randl (guitar, vocals)
Werner Schuler (bass, viola, vocals)
Christian Trachsel (keyboards)
+
Ralf Nowy (flute)

BackCover1

Titel:
01. Inferno – Drosselbart (Randl/Trachsel) 3.59
02. Jemima (Randl) 3.37
03. Liebe ist nur ein Wort (Randl/Maika) 4.23
04. Du bist der eine Weg (Trachsel/Palmer) 3.39
05. Engel des Todes (Randl) 4.55
06. Böse Buben (Randl) 3.22
07. Vater unser (Randl/Maika) 2.59
08. Folg mir (Randl/Maika/Trachsel) 2.37
09. Montag (Randl) 2.39
10. Nach einer langen Nacht (Randl/Maika) 3.46
11. Der Sommer (inklusive der Sturm) (Randl) 3.50
+
12. An einem Tag im August (Single A – Seite) (Randl) 3.35
13. O’Driscoll   (Single A – Seite) (Randl) 3.38

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