Santa Claus Orchestra – Beim Klang der Weihnachtsglocken (1959)

Ich glaube, eine Enzyklopädie der deutsch-traditonellen Weihnachtsaufnahmen ist noch nicht geschrieben worden. Und sollte sich jemand mal dieses Themas annehmen, würde der Begriff Sisyphus-Arbeit mehr als zutreffend sein.

Bei meinen Streifzügen durch deutsche Archive entdecken ich immer wieder was neues, wie hier z.B. ein „Santa Claus Orchestra“ (man beachte diesen englischen Namen – ehr noch ungewöhnliche für die damalige Zeit) spielte 4 Klassiker deutscher Weihnachtsmusik ein (und das gar nicht mal so schlecht und nachdem diese Singe erstaunlich gut erhalten ist, macht es doch Freude, zuzuhören).

Natürlich gibt es auch viel Glockengebimmel … gehört sich ja auch so.

Ansonsten weichen bei den Titeln die Angabe auf der Hülle und dem Label ab (da hat man einfach A und B Seite vertauscht), viel wichtiger ist aber, dass auch hier die Friedenssehnsucht der Menschen angesprochen wird, nicht nur emotional, sondern auch explizit textlich („Süßer die Glocken nie klingen, als zu der Weihnachtszeit:  S’ist als ob Engelein singen wieder von Frieden und Freud‘.)

Genauere Informationen über dieses Orchester gibt es natürlich nicht, aber mir scheint, es handelt sich um ein Projekt des deutschen Unterhaltungsmusikers Heinz Alisch (zumindest hat er zwei der vier Titel arrangiert). Und der war eigentlich gar kein so unbekannter:

Heinz Alisch (* 14. Mai 1917 in Spandau; † 20. Juni 1993 in Berlin) war ein deutscher Komponist.

Heinz Alisch wurde als Sohn eines Möbelhändlers geboren. Er kam zuerst auf eine Privatschule und wechselte dann auf das Kant-Gymnasium. Später wechselte er auf das Reformrealgymnasium in Hennigsdorf (Osthavelland). Bei der Pianistin Agnes Mosler-Sturm erhielt er zwischen 1931 und 1933 Klavierunterricht. 1933 besuchte er eine kaufmännische Privatschule und lernte ab April 1934 Klarinette an der Orchesterschule der staatlichen akademischen Hochschule in Berlin. Problematisch für seinen weiteren Lebensweg war, dass er als „Halbjude“ galt, da seine Mutter jüdischer Herkunft war. So konnte er in der Orchesterschule nur aufgenommen werden, weil sein Vater „Frontkämpfer“ gewesen war. Er schloss das Studium 1937 ab, spielte nun Klarinette und Saxophon. In antisemitischen Publikationen Lexikon der HeinzAlischJuden in der Musik und Judentum und Musik wurde er bereits aufgeführt. Er war bereits 1935 als „Halbjude“ aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen worden. Nach kurzer Zeit in der Wehrmacht wurde er 1940 als „wehrunwürdig“ entlassen und zur Zwangsarbeit herangezogen. Ein erneuter Antrag auf Aufnahme in die Reichsmusikkammer wurde 1941 abgelehnt.

Während er in Berlin von Gelegenheitsarbeiten lebte, studierte er das Hauptfach Saxophon an der Staatlichen Hochschule für Musik. Nur gelegentlich konnte er wegen des Berufsverbots illegal als Musiker arbeiten. 1944 und 1945 musste er abermals Zwangsarbeit bei der Organisation Todt leisten. Nach Kriegsende trat er mit Kurt Hohenberger, dem Orchester Kurt Widmann sowie mit dem RIAS Tanzorchester unter Werner Müller auf. Ab 1948 schrieb er für das Orchester Arrangements und dirigierte auch. Ab 1950 begleitete er mit seinem Orchester viele Schlagersänger, darunter Willy Schneider bei dessen Evergreen Wenn das Wasser im Rhein goldner Wein wär‘ (Februar 1950). Er entschloss sich 1960, freischaffender Künstler zu werden und komponierte nun Filmmusiken und Lieder, die zu berühmten Schlagern wurden, wie Rote Korallen und Eine Rose aus Santa Monica. Er begleitete mit seinem Orchester Künstler wie Peter Alexander, Esther Ofarim und Robert Stolz. 1972, nach dem Tod seiner Frau, gab er den Musikerberuf auf. Er verstarb in seiner Berliner Wohnung und wurde anonym auf dem Städtischen Friedhof Berlin-Zehlendorf beigesetzt. (Quelle: wikipedia)

Für mich immer aufs neue erschreckend, wie der Nationalsozialismus seine blutige Spur auch durch die deutsche Unterhaltungsmusik gezogen hat.

Weihnachten im II. Weltkrieg

Besetzung:
Das Santa Claus Orchestra
mit
Chorgeleitung und Glocken

BackCover1
Titel:
01. O du fröhliche, o du selige (Traditional) 2.49
02. O Tannenbaum (Traditional) 2.23
03. Stille Nacht, heilige Nacht (Gruber/Mohr) 3.09
04. Süsser die Glocken nie klingen (Traditional) 2.23

LabelA1.jpg

*
**