Chris Karrer – Chris Karrer (1980)

FrontCover1Er war schon eine unverzichtbare Größe in der Geschichte des Kraut-Rocks:

Christoph Karrer (* 20. Januar 1947 in Kempten (Allgäu); † 2. Januar 2024) war ein deutscher Multiinstrumentalist und Komponist. Er war Gründungsmitglied von Amon Düül und bekannt für seine Zusammenarbeit mit Embryo und Ernst Fuchs. Er spielte Gitarre, Oud, Violine und Saxophon.

Karrer begann mit zwölf Jahren, Banjo und Sopransaxophon zu spielen. Nachdem er auf dem Internat in Marktoberdorf sein Abitur abgelegt hatte, studierte er zunächst Malerei an der Kunsthochschule in München.

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Im Jahr 1967 gründete er mit Peter Leopold, Dieter Serfas und anderen die Band Amon Düül. Mit seiner Band Amon Düül II trat Karrer 1970 im Beat-Club auf. Nach der Auflösung der Düüls brachte er das Soloalbum Chris Karrer (1980) heraus, das beim Publikum nicht zog und daher ein Jahrzehnt lang keinen Nachfolger hatte. Über gemeinsame Tournee-Erfahrungen mit Embryo in Marokko erfand er sich neu als Sufismus-inspirierter Weltmusiker, lernte die Kurzhalslaute Oud spielen.

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Drei Alben gingen daraus hervor: Dervish Kiss (1994), Sufisticated (1996) und The Mask (1997). Sein letztes Soloalbum Grandezza Mora (1999) hingegen widmete sich einer anderen langjährigen Vorliebe des Musikers, nämlich den Klangfarben der Flamenco-Gitarre.

Karrer starb Anfang Januar 2024 im Alter von 76 Jahren an den Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion. (wikipedia)

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Mit dem Gitarristen Chris Karrer stirbt ein Pionier der deutschen Rockmusik, der einst auch mit „Amon Düül II“ neuen Tönen den Weg ebnete.

Dienstagfrüh starb der im Allgäu aufgewachsene Münchner Multiinstrumentalist Chris Karrer infolge einer Corona-Erkrankung. Mit 76 Jahren ist damit eine der wichtigsten Persönlichkeiten der deutschen Rockkultur gestorben. In einem Nachkriegsdeutschland nämlich, in welchem deutsche Popmusiker entweder ihre anglo-amerikanischen Vorbilder kopiert hatten oder sich einer reaktionären Schlagerkultur hingaben, experimentierte Karrer bereits mit neuen musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten, die von der englischen Presse dann dem sogenannten Krautrock zugerechnet wurden.

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Besonders nett war das freilich nicht. „Wir nannten die Musik der Engländer schließlich auch nicht Tommi-Rock“, kritisierte Karrer. Mit dem Kraut im Krautrock war nämlich nicht das gemeint, was in den einschlägigen Szenen damals geraucht wurde, sondern eben die Deutschen, die von englischen Soldaten abfällig als „Krauts“ beschimpft wurden.

Doch die Musik, die Karrer sowohl mit Amon Düül II als auch mit Embryo entfaltete, suchte ja gerade nach einer neuen Identität, die sich auch von einer immer noch nationalsozialistisch vergifteten Deutschtümelei im Nachkriegsdeutschland distanzierte.

Christian Burchard von Embryo hatte Karrer darum auch mal als den „Ur-Ethno“ bezeichnet, weil dieser schon 1969 auf dem ersten Album „Phallus Dei“ der von ihm mitbegründeten Rockband Amon Düül II den indischen Gesang nachgeahmt habe.

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„Wir sind die Geburtshelfer für vieles gewesen. Aber davon kann man nicht leben“, hatte Chris Karrer einmal in einem Interview mit dem Musikjournalisten Christoph Wagner für die taz gesagt. Gleichwohl nämlich finanziell erfolgreichere Musiker wie Blixa Bargeld von den Einstürzenden Neubauten oder der Dirigent und Komponist Eberhard Schoener schon mal kundtaten, dass sie die Musik von Amon Düül II inspiriert habe, hatte die weltweit gefeierte Band um Chris Karrer verhältnismäßig wenig am eigenen Erfolg verdient. Einmal mehr bestätigte sich hier wohl, was die Sonic-Youth-Bassistin Kim Gordon einmal über die Pioniere in der Musikgeschichte gesagt hatte. Demnach würden nämlich nicht diejenigen, die einen neuen Stil auf den Weg gebracht hätten, an diesem verdienen, sondern erst deren Nachfolger, die einen bereits abgesteckten Weg nur noch festigen müssten. (Dirk Wagner)

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Hier sein erstes Solo-Album das noch stärker von der Rockmusik („Blue Fuzz“ – eine feine Instrumentnummer !) geprägt war, als seine späteren Solo-Werke.

Beeindruckend natürlich, dass Karrer hier mit diversen Instrumenten zu gänzen weiß … besonders sein Saxophon-Spiel lässt immer wieder aufhorchen.

Und stilistisch es schon sehr variabel … fast popig sein „Dreamin‘ Of An Anthill“ (mein Gott, dieses Saxophon-Solo !) … dass sich dann aber noch gewaltig wandelt (mein Gott, dieses Violin-Solo).

Laid-Back (Jazz) Rock bei  „Killer Of Boredom“ und ein wenig momentaler/skurril dann bei „Cooking Blood“.

Der stilistischen Vielfalt waren keine Grenzen gesetzt !

Und „Amplified“ könnte glatt an die MC 5 erinnern …

Von daher: starker Tobak, ganz sicher nicht massentauglich und gerade deshalb ein sehr sympathisches Album !

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Besetzung:
Gerard Carbonel (bass)
Curt Cress (drums, percussion)
Jörg Evers (guitar, bass, background vocals)
Chris Karrer (vocals, guitar, saxophone, violin)
George Mehl (keyboards)

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Titel:
01. Blue Fuzz (Karrer/Mehl/Evers) 4.04
02. Dreamin‘ Of An Anthill (Karrer/Mehl) 4.41
03. Devils’s Bride (Karrer/Mehl) 4.36
04. Killer Of Boredom (Karrer/Mehl) 4.12
05. Cooking Blood (Karrer/Mehl) 4.10
06. Settled In The Universe (Karrer/Mehl) 3.34
07. Psychonaut Beams (Karrer/Mehl) 3.52
08. Music Planet (Karrer/Mehl) 3.20
09. Amplified (Evers) 3.38

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Für mich waren und sind Amon Düül die Band des sogenannten Krautrock (ein Begriff, den kein Musiker je selbst verwendete) mit der schönsten Musik.
Chris war, neben vielem anderen, ein echter Rockgitarrist – kein wannabe, er hat auch niemanden direkt imitiert – absolut original, viel zu laut genug, manchmal fast bedrohlich. Also alles, was richtige Rockmusik ausmacht.
Ich mag alle Amon-Düül-Platten: Die wilden Get-togethers am Anfang noch mit Dieter Serfas, die Songs der frühen 70er („Der Wind am Ende einer Straße“ mit Jimmy Jackson, die wunderbare Version von Ornette Coleman’s „Lonely Woman“), die slicken Steely-Dan-artigen Tracks mit Stefan Zauner (der dann Münchner Freiheit wurde), den fast leblosen Synthierock der späten 70er, der die Atmosphäre im Schwabing meiner Kindheit perfekt illustriert (das kann nur verstehen, wer für Pommes im Barbarella-Kino-Imbiss anstand, während Amanda Lear im Radio lief), die vitalen Besetzungen der 90er mit Jan Kahlert – und vieles vieles mehr!
Zusammen mit Embryo habe ich oft mit Chris gespielt. Er war extrem liebenswürdig, etwas menschenscheu, sehr konzentriert – und hat mich auf seiner Geige spielen lassen, die ausgestattet war mit einem originalen DeArmond-Pickup, den er nach dem Konzert sorgsam in einem Dopeschächtelchen verstaute.
Außerdem hatte er denselben DDR-Verstärker wie ich – das mit Rock Made In Germany war schon ernst gemeint. Nur durfte sein Germany so aussehen wie die kleine Boutique in der Kurfüstenstraße, die auch nur die kennen, die ihre Zeit nicht auf leeren Superevents verplempern.
Danke Chris – Du hast München und den Rest der Welt mit Deinem violetten Glamour reicher gemacht! (Titus Waldenfels)

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