Eckart Hachfeld – Museum der deutschen Seele (1968)

TitelEr war ein Tausendsassa:

Eckart Hachfeld (* 9. Oktober 1910 in Mörchingen, Kreis Forbach, Bezirk Lothringen, Reichsland Elsaß-Lothringen, Deutsches Kaiserreich; † 5. November 1994 in Berlin) war ein deutscher Schriftsteller, Texter und Drehbuchautor.

Hachfeld war Sohn des Offiziers Willibald Hachfeld und dessen Frau Anna, geb. Schwarzwäller aus Obliwitz (Pommern) in Mörchingen (Lothringen). Er besuchte das Karl-Friedrich-Gymnasium in Mannheim und studierte Rechtswissenschaften in Heidelberg (wo er Mitglied des Corps Rhenania Heidelberg wurde), Leipzig und Kiel.

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Nach dem Referendarexamen (1934) und der Promotion zum Dr. jur. (Marburg 1935) arbeitete er als Volontär und Anzeigen- und Werbeleiter beim Verlag Julius Waldkirch sowie als Direktionssekretär bei den Chemischen Fabriken Knoll AG, beide in Ludwigshafen am Rhein.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ er sich als freier Schriftsteller zunächst in Hamburg, dann in Berlin und später in Tutzing nieder, um 1973 nach Berlin zurückzukehren. Hachfelds Arbeiten galten hauptsächlich dem Kabarett, u. a. arbeitete er für die Bonbonnière in Hamburg, die Stachelschweine in Berlin, die Mausefalle in Stuttgart und als Hausautor für das Düsseldorfer Kom(m)ödchen.

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Seit 1954 veröffentlichte er eine eigene regelmäßige Kolumne in der Welt und später im Stern (Amadeus geht durchs Land). Als Drehbuchautor schrieb er Vorlagen für Filme mit Heinz Rühmann, Heinz Erhardt und Willy Millowitsch, als Songtexter wurde er besonders mit seinen Liedern für Udo Jürgens bekannt.

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Hachfeld war mit Erika Levin aus Erfurt verheiratet. Der älteste Sohn Eckart (Künstlername Volker Ludwig) ist ein bedeutender Theaterleiter und Dramatiker (Grips-Theater), der zweite, Rainer Hachfeld, Karikaturist. Der dritte Sohn Tilman Hachfeld war evangelisch-reformierter Theologe und bis zu seinem Ruhestand Pfarrer in der Französischen Kirche zu Berlin (Hugenottengemeinde). Eckart Hachfelds künstlerischer Nachlass befindet sich im Archiv der Akademie der Künste in Berlin. Ihm ist ein Stern im Walk of Fame des Kabaretts gewidmet.

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Hier einer seiner kaberettistischen Bücher:

Und das ist der Anspruch dieses Buches (98 Seiten):

„Zeige mir deine Bilder- und ich sage dir, wer du bist. Unter diesem Motto läßt Eckart Hachfeld die Kunst im deutschen Heim passiert.Sein geistreicher Kommentar ist ein ernstzunehmender Spaß, ein pointenreiches Kabarett über die beliebtesten Hausgüter der Nation.“ (Klappentext)

Klingt gut, wenngleich sich dieser pointenreiches Kabarett sich heutzutage nicht mehr so ganz erschließt.

Aber der Humor verändert sich halt im Lauf der Jahrzehnte.

Aber auch das gilt: Die gezeigten Bilder sind schon so etwas wie der kulturelle Hausschatz des deutschen Bildungsbürgertums.

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Der steht an der Autobahn München – Berlin:
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Die Rückseite des Buches:
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Sterne der Satire – Walk of Fame des Kabaretts Nr. 21 Eckart Hachfeld:
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Gerhard Bronner & Helmut Qualtinger – Was, Travnicek halten sie von Travnicek (1959)

FrontCover1Ein dreifaches Hoch auf das Wiener Kabarett in den 50er und 60er Jahren, hier vertreten durch Gerhard Bronner und Helmut Qualtinger:

1938 floh der 16-jährige Gerhard Bronner (* 23. Oktober 1922 in Wien, † 19. Jänner 2007 in Wien) über Brünn und England nach Palästina. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich als Straßensänger, Barpianist und Komponist. 1948 kehrte er nach Wien zurück und trug eigene Chansons mit Klavierbegleitung u. a. in der „Marietta-Bar“ vor.

1950 stieß er zur Gruppe Kehlmann, Merz, Qualtinger und wirkte bei deren „Reigen 51“ als Komponist, Pianist und Conférencier mit. 1952 brachte diese Gruppe ihr erstes Kabarett-Programm „Brettl vor’m Kopf“ heraus. 1953 bis 1955 war Bronner in Hamburg beim NDR.

Quelle: Kabarett-Handbuch:
Kabarett-Handbuch

Nach seiner Rückkehr pachtete er die „Marietta-Bar“ und engagierte für diese u. a. Georg Kreisler und Peter Wehle.

1956 pachtete er gemeinsam mit Kreisler das „Intime Theater“ in der Liliengasse. Dort brachte das später so genannte „namenlose Ensemble“ um Bronner-Merz-Qualtinger zwei Programme heraus. Danach folgte die Kabarett-Reihe „Spiegel vor’m G’sicht“ im Fernsehen.
1959 übernahm Bronner das „Neue Theater am Kärntnertor“ (bis 1966), wo das Kabarett-Ensemble grandiose Erfolge feierte. Gerhard Bronner schrieb Erfolge wie „Der g’schupfte Ferdl“, „Der Halbwilde“, „Der Bundesbahnblues“ oder „Der Papa wird’s scho richten“.

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1961 löste sich das Ensemble auf und Bronner engagierte den Grazer Würfel an sein Haus. In weiterer Folge spielten bei und mit Bronner damals Unbekannte wie Herwig Seeböck, Peter Lodynski, Peter Orthofer, Dolores Schmidinger, Marianne Mendt oder Lore Krainer – auch in seinen Fernsehsendungen wie „Zeitventil“ oder „Die große Glocke“.
Fürs Radio gestaltete er Sendungen wie „Schlager für Fortgeschrittene“ oder, zusammen mit Wehle, Krainer und Kurt Sobotka, den „Guglhupf“ (1978 – 1988).

Daneben brachte er immer wieder Programme mit Peter Wehle (vor allem in seiner in „Fledermaus-Bar“, später „Cabaret in der Fledermaus“ umbenannten ehemaligen „Marietta-Bar“) heraus.
Seit 1973 trat er regelmäßig mit Elfriede Ott in Chansonprogrammen auf, gab aber auch Soloprogramme. Darüber hinaus übersetzte Bronner Satiren Kishons, bearbeitete Musicals und schuf eine Wiener Fassung von „My fair Lady“. (kabarettarchiv.at)

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Helmut Qualtinger (* 8. Oktober 1928 in Wien, † 29. September 1986 in Wien) war u. a. Statist an er Staatsoper, Gasthörer am Reinhardt-Seminar, Journalist. Er begann zu schreiben und schloss sich einer Studentenbühne an.

1946 trat er im „Studio der Hochschulen“ auf, spielte danach im „Lieben Augustin“ unter der Direktion von Carl Merz (1946/47). 1947 spielte Qualtinger in der literarischen Kabarett-Revue „Die Grimasse“ wiederum im „Studio der Hochschulen“ (Regie: Michael Kehlmann), an der er auch mitschrieb.
Er trat aber nicht nur im „Studio der Hochschulen“ in der Kolingasse auf, sondern in vielen Kellertheatern oder Kleinbühnen.

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Sein erstes Theaterstück „Jugend vor den Schranken“ hatte im März 1949 in Graz Premiere und endete mit einem Tumult, was Qualtinger Graz derart vermieste, dass er die Stadt fortan mied.

Die nächste Kabarett-Revue war „Blitzlichter“, eine Zusammenarbeit von Kehlmann, Merz und Qualtinger, die im Dezember 1950 im „Kleinen Theater im Konzerthaus“ Premiere hatte.
Dieselbe Formation verstärkt um Gerhard Bronner, der Musik und Conférencen beisteuerte, brachte ebendort „Reigen 51“ – Variationen über ein Thema von Arthur Schnitzler – heraus.

1952 folgte „Brettl vor’m Kopf“, das erste der legendären Kabarett-Programme der neuen Kabarettära. Bronner schrieb u. a. „Der g’schupfte Ferdl“, Qualtinger interpretierte ihn unvergessen.
Das nächste Programm des Ensembles um Bronner/Merz/Qualtinger, verstärkt um Georg Kreisler und Peter Wehle, das sich nie einen Ensemble-Namen gab, war 1956 „Blattl vor’m Mund“.
Dieses und das nächste Programm, „Glasl vor’m Aug“, wurde im „Intimen Theater“ in der Liliengasse gespielt, dessen Direktoren Bronner und Kreisler waren. Als Darsteller wirkten u. a. Louise Martini, Kurt Jaggberg und Johann Sklenka.
Für diese Programme schrieb Bronner und kreierte Qualtinger „Der Halbwilde“ und „Bundesbahnblues“. Zusammen mit Carl Merz verfasste Qualtinger die Prosatexte der Programme, Merz übernahm die Conférencen.

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Die nächsten Programme „Spiegel vor’m Gsicht“ wurden zwischen Oktober 1958 und Juni 1959 ausschließlich im Fernsehen gespielt. Daraus ist sicher das Chanson „Der Papa wird’s scho richten“ (T&M: Gerhard Bronner) am populärsten.

Im Herbst 1959 übersiedelte die Truppe ins „Neue Theater am Kärntnertor“, dessen Direktion Bronner übernommen hatte, und spielte dort „Dachl über’m Kopf“ und „Hackl vor’m Kreuz“. Eva Pilz und Kurt Sobotka verstärkten u. a. das Ensemble.

1961 löste sich die Gruppe auf, Merz und Qualtinger schufen „Der Herr Karl“. Weitere literarische Zusammenarbeiten waren „Alles gerettet“ (1963) und „Die Hinrichtung“(1965).

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Neben und vor allem nach seiner kabarettistischen Tätigkeit spielte Qualtinger unzählige Bühnenrollen an Wiener und deutschen Theatern. Daneben wirkte er auch in Film- und Fernsehproduktionen mit.

Für seine schauspielerischen Leistungen wurde Qualtinger mehrfach ausgezeichnet. In den 1970er Jahren begann Qualtinger auch seine Lesetourneen und versuchte sich stärker als Schriftsteller. (kabarettarchiv.at)

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Und beide gemeinsam schufen die Kunstfigur des „Travnicek“.

Und das zeichnet nun den Travnicek als „Raunzer“ so aus:

Man hat versucht, ihn einer Kategorie einzuordnen und ihn dabei oft als einen Vorläufer des „Herrn Karl“ bezeichnet. Aber der Travnicek steht auf der sozialen Stufenleiter um einige Sprossen höher, als der Herr Karl und auf der intellektuellen um einige niedriger.

Das zeigt sich deutlichsten da, wo er den Institutionen und Klischeevorstellungen des österreichischen Alltags konfrontiert wird, denen er gegenüber stets die gleiche Haltung dummdreister Besserwisserei und überheblicher Primitivität einnimmt.

Der besondere Reiz dieser Perspektive ist die Entdeckung, wie oft er angesichts der irrationalen Verhältnisse der heimischen Umgebung damit recht behält. (Carl Merz)

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Und wie sich das dann anhört, kann man in diesen Sketchen hören … und ich verspreche, geboten wird ein Feuerwerk geistreicher Dialoge und auch gelegentlicher Kalauer …

Ist vermutlich nicht jedermans Sache … aber ich zumindest konnte mich köstlich amüsieren bei diesem „Travnicek“, jenem legendären missmutigem Grantlhuber.

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Besetzung:
Gerhard Bronner (Sprecher)
Helmut Qualtinger (Sprecher)

Alternative Frontcover:
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Titel:
01. Travnicek m Urlaub 3.34
02. Travnicek in der Apotheke 4.50
03. Travnicek studiert ein Plakat 3.44
04. Travnicek im Schuhgeschäft 4.07

Texte: Gerhard Bronner & Helmut Qualtinger

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Werner Finck – Der brave Soldat Schweigt (1963)

FrontCover1Er setzte ein Glanzlicht nah dem anderen in der deutschen Kabarett-Szene der Nachriegszeit.

Werner Paul Walther Finck (* 2. Mai 1902 in Görlitz; † 31. Juli 1978 in München) war ein deutscher Kabarettist, Schauspieler und Schriftsteller.

Werner Finck wurde als Sohn des Apothekers Botho Finck geboren und besuchte nach dem Gymnasium die Kunstschule in Dresden. In verschiedenen Laienspielgruppen machte er erste Theatererfahrungen. Sein erstes Engagement als Schauspieler hatte er am Theater von Bunzlau, wo er über unbedeutende Nebenrollen nicht hinauskam, aber gleichzeitig sein komisches Talent entdeckt wurde.

1928 kam Werner Finck nach Berlin, wo er mit Hans Deppe das Kabarett Die Katakombe gründete und leitete. Seine Programme waren voller (gefährlicher) Wortspiele, wie beispielsweise über die von ihm vermeintlich gepflanzte Hitler-Eiche: „Vor ein paar Monaten war sie noch ganz klein, gerade bis zu meinen Knöcheln, dann reichte sie mir bis an die Knie, und jetzt steht sie mir schon bis zum Hals.“

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden die Vorstellungen der Katakombe regelmäßig von Spitzeln der Nazis besucht. „Sie waren hellhörig und begriffen schnell. Immer, wenn besonders schallend gelacht oder stürmisch applaudiert wurde, wussten sie sofort: „Aha, da war was!“

1935 wurde er verhaftet und in das Konzentrationslager Esterwegen gebracht, wo er unter anderem Carl von Ossietzky und Julius Leber begegnete. „Am 1. Juli 1935 wurden wir auf Anordnung Görings, der damit Goebbels offensichtlich eins auswischen wollte, von einem Tag zum anderen aus dem KZ entlassen.“ Er erhielt ein Jahr Arbeitsverbot. Schon zu den Olympischen Spielen 1936 schrieb er aber wieder für das Berliner Tageblatt eine mit Wortspielen gespickte Kolumne. In der letzten Ausgabe, am 16. August 1936, war zu den Leistungen von Jesse Owens zu lesen: „Wie wird Leni alles aufgenommen haben? (…) Und plötzlich sieht sie’s negativ, wie positiv der Neger lief. Im Negativ werden wir gerächt: Ganz vorn, Meter voraus, läuft der weiße Mann, hintennach kommen die Schwarzen!“

Werner Finck 1937 im Kabarett der Komiker:
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Ab 1937 durfte er wieder im Kabarett der Komiker auftreten, dessen Leiter Willy Schaeffers jedoch 1939 persönlich bei Goebbels den Verzicht auf politische Witze erklären musste, um das Theater zu erhalten. Am 31. Januar 1939 wurde Finck aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen. Um einer neuerlichen Verhaftung zu entgehen, meldete er sich 1939 freiwillig zum Kriegsdienst und wurde zum Funker ausgebildet. Als Soldat der 23. Infanterie-Division war er in Frankreich, in der Sowjetunion und Italien und erhielt das Eiserne Kreuz 2. Klasse (EK II) und die Medaille Winterschlacht im Osten 1941/42, von Finck als „Gefrierfleischorden“ bezeichnet.

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Werner Finck genoss nach eigener Darstellung als Soldat die Protektion regimekritischer Offiziere, die die von Goebbels gewünschte Entlassung aus der Wehrmacht und Überstellung an die Gestapo verhinderten, er war jedoch 1942 für 9 Monate in Untersuchungshaft, und trat als Chef der Frontbühne Italien zur Truppenbetreuung in Unterhaltungsprogrammen auf.

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Sein persönliches Kriegsende hat er später so beschrieben: „Ich bin also erstmal auf Schreibstube gegangen und habe gefragt, ob noch was wäre. Und erst als man mir sagte, nein, es hätte sich erledigt, gab ich mich dem wohlverdienten Zusammenbruch hin“.

Die Zeitschrift „Wespennetz“:
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1945 kam er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Er gründete die Zeitschrift Die Fieberkurve für verletzte deutsche Kriegsgefangene und hatte im oberbayerischen Lager Aibling Auftritte vor Kriegsgefangenen. Von 1945 bis 1949 gab er zusammen mit Hans Bayer in Stuttgart Das Wespennest, die erste deutsche satirische Zeitschrift nach dem Zweiten Weltkrieg, heraus. 1946 trat Werner Finck im Schmunzelkolleg (München) auf und gründete „Die Schmunzelpartei“. Er gründete bzw. leitete die Kabaretts Nebelhorn in Zürich (1947) und Mausefalle in Stuttgart (1948), wo er erstmals seine Erinnerungen in ein Programm fasste (Kritik der reinen Unvernunft).

1950 erfolgte in der Berliner Taberna academica die Gründung der Partei Radikale Mitte, die mit Parolen wie „Gegen Kompromisslosigkeit“, „Für Aufrüstung der Toleranz“, einer Sicherheitsnadel als Parteiabzeichen und einem weißen Tischtuch als Fahne gegen den „Ernst der Zeit“ (Adenauer) der deutschen Nachkriegspolitik antrat. 1962 wurde er ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste. 1964 folgte Fincks Programm Bewältigte Befangenheit in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. In zahlreichen Spielfilmen besetzte er Nebenrollen. Sechs Jahre vor seinem Tod erschien 1972 seine Autobiografie Alter Narr – was nun? Im selben Jahr trat er in der Rolle des Gregor in Rainer Werner Fassbinders fünfteiliger Familienserie Acht Stunden sind kein Tag auf.

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Sein Leichnam wurde auf dem Waldfriedhof in München/Neuer Teil im Grab Nr. 475-UW-8 beigesetzt.

Werner Finck war ursprünglich kein politischer Kabarettist. „Ich bin ein eingefleischter Individualist. Das ist das ganze Problem.“ Erst mit der Katakombe „trat etwas in mein Leben, was ich vorher nicht gekannt hatte: Die Politik. […] Man hat seine Witze von links nach rechts verteilt. […] Man bekam Angst. […] Wenn ich damals gewußt hätte, was man heute weiß: daß das alles nur Mitläufer waren. […] Manche haben sich so gut getarnt, daß sie Gauführer wurden. […] Es gibt also Leute, die behaupten heute, ich wäre gegen die Nazis gewesen. Ich möchte also gleich betonen: Das sind Verleumdungen. Ich denke ja weiter. […] Was ich natürlich zugeben muß, ist etwas anderes: Die Nazis waren gegen mich.“

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Werner Finck ist letztlich durch die politische Situation während der Zeit des Nationalsozialismus zu dem bedeutenden Kabarettisten geworden, als der er noch heute bekannt ist. In dieser Zeit perfektionierte er in dem Wunsch, sich den Kopf nicht verbieten zu lassen, ihn aber auch nicht zu verlieren, seine Technik der nicht zu Ende gesprochenen Sätze (Anakoluthe) und Doppeldeutigkeiten und des entlarvenden Wortwörtlichnehmens. „Kommen Sie mit? Oder muss ich mitkommen?“ fragte er die Gestapo-Beamten, die sich in seinen Programmen Notizen machten.

Stern im Walk of Fame des Kabaretts in Mainz:
Stern im Walk of Fame des Kabaretts in Mainz

Bertolt Brecht widmete ihm 1947 das Gedicht Eulenspiegel überlebt den Krieg.

Auch in der Bundesrepublik sorgte er für Unwillen, zum Beispiel bei der CSU („Das christliche Bayern kann nur empört sein.“).

Werner Finck ist ein Stern im Walk of Fame des Kabaretts gewidmet. (wikipedia)

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Hier sein zweites Solo-Album:

Und es erfordert viel Konzentration, denn seine oftmals assoziativen Wortspiele – und witze (das geht schon beim Titel dieser LP los) erlauben kein oberflächliches Zuhören zumal seine Texte ganz sicher keine leichte Kost sind, handeln sie doch von seinen Erfahrungen und Eindrücken aus jener Zeit, als er quasi sich vor einer drohenden Verhaftung dazu entschloss, sich freiwillig beim deutschen Heer zu bewerben.

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Und deshalb bezieht sich dieses Album, anders als die meisten Kabarett Alben der 60er Jahre nicht auf tagespolitische Ereignisse, sondern sind ein „kabarettistischer“ Rückblick auf die Zeit der Nazi-Diktatur.

Zeitlos also und zugleich bleibt einem bei all diesem spitzfindigen Humor natürlich mehr als einmal das Lachen im Hals stecken.

Und dann noch das: Angesichts dieser Biographie kann man nur ganz ganz großen Respekt vor diesem Werner Finck haben … mich hat er seit Ende der 60er Jahre immer wieder begeistert !

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Besetzung:
Werner Finck (Sprecher)

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Titel:
01. Der brave Soldat Schweigt (Teil 1) 29.36
02. Der brave Soldat Schweigt (Teil 2) 29.42

Text: Werner Finck

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Klaus Peter Schreier war ebenfalls ein deutscher Kabarettist und Autor. Von 1957 an war er Mitautor von allen Programmen der Lach- und Schießgesellschaft.

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Wolfgang Neuss – Das jüngste Gerücht (1964)

FrontCover1Längst überfällig in diesem Blog:

Hans Wolfgang Otto Neuß (amtl. Schreibweise) (* 3. Dezember 1923 in Breslau; † 5. Mai 1989 in Berlin) war ein deutscher Kabarettist und Schauspieler.

Wolfgang Neuss kam als Sohn von Otto und Elisabeth Neuss (geb. Gebauer) in Breslau zur Welt. Er hatte eine Schwester Eva (später verheiratete Eva de Bouyse).

Nach der Volksschule begann Neuss eine Lehre als Schlachter, ging dann aber mit 15 Jahren nach Berlin, um Clown zu werden.

Dieser Ausflug endete in der Jugendverwahranstalt des Berliner Polizeipräsidiums am Alexanderplatz.

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Während des Zweiten Weltkrieges war er zunächst beim Straßenbau im Arbeitsdienst, dann ab 1941 Soldat an der Ostfront. Er wurde mehrmals verwundet und erhielt das EK I. Seiner Schilderung nach entzog er sich weiteren Kampfeinsätzen als MG-Schütze, indem er sich selbst verstümmelte:

„Als ich siebzehn war, hab ich mir in Russland vor lauter Angst mal den Finger abgeschossen. War Krieg, und der Russe lag nur ’n paar Meter entfernt von mir. Und ich wusste: Ich bin so kurzsichtig, dass ich sowieso nicht treffe. Eine Verletzung war die letzte Chance, aus dem Kessel rauszukommen. Ich nahm also den Karabiner 98k, ließ mich in einen Wassergraben fallen, hielt auf den Zeigefinger der linken Hand und drückte ab. Die Angst trieb mich zum Fortschritt.“

Nach einer anderen Darstellung handelt es sich bei der Geschichte von dem abgeschossenen Finger um eine Legende.

Kurz vor Kriegsende entging er dem Kampfeinsatz in Ostpreußen auf einem Lazarettschiff nach Dänemark. Die erste Nachkriegszeit verbrachte er in einem Internierungslager in Flensburg.

Bereits während seiner Lazarettaufenthalte und im Lager organisierte er bunte Abende, erzählte Witze und trat als Komiker auf. Aus diesem Talent machte er einen Beruf und wurde Kabarettist. Nach ersten Auftritten (als „Hansi Neuss“ oder „Peter Pips“) kam er Ende der 1940er Jahre bei einem neunwöchigen Engagement als Conférencier im Hamburger Hansa-Theater unter dem Namen Wolfgang Neuss groß heraus.

Sein Hobby war Fußballspielen. Ab 1967 sorgten die Auftritte als „Balltreter Rixdorfer & Co“ mit u. a. Sammy Drechsel, Dieter Hildebrandt und Rudi Dutschke regelmäßig für Publikums- und Medieninteresse.

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1949 lernte er Wolfgang Müller kennen, dem er sich auf Anhieb geistesverwandt fühlte. Fortan traten die beiden als Duo („Die zwei Wolfgangs“) auf. 1950 gingen sie nach West-Berlin, wo sie ein Engagement beim Kabarett Die Bonbonniere annahmen. Im selben Jahr erhielt Neuss seine erste Filmrolle in Der Mann, der sich selber sucht (Regie: Géza von Cziffra), schrieb Stücke, spielte Theater und führte Regie im Kabarett.

Neuss pflegte auch zu Kabarettkollegen wie Eckart Hachfeld, Ursula Herking, Thierry, Dieter Hildebrandt und Wolfgang Gruner enge Kontakte. 1952 arbeitete er an zwei Programmen des Ensembles Die Stachelschweine mit.

Neuss und Müller fielen 1955 in Nebenrollen des Musicals Kiss me Kate in der Regie von Leonard Steckel auf und inszenierten sogleich als Mitternachtsshow eine Parodie auf das Musical namens Schieß mich Tell. Von da an erhielten sie ein Filmangebot nach dem anderen. Auch als Schlagersänger wurden sie bekannt (unter anderem: Schlag nach bei Shakespeare oder: Ach, das könnte schön sein …).

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Während der Vorbereitung zu den Dreharbeiten für Das Spukschloß im Spessart kam Wolfgang Müller als Flugschüler bei einem Flugzeugabsturz in der Schweiz ums Leben. Wolfgang Neuss wurde von den Dreharbeiten zu diesem Film entlassen, angeblich mit den Worten: „Jetzt brauchen wir Sie auch nicht mehr!“

Wolfgang Neuss machte alleine weiter und realisierte das mit Müller begonnene Filmprojekt Wir Kellerkinder mit Wolfgang Gruner (Erstsendung in der ARD am 26. Juni 1960). Daraufhin erfolgte ein Boykott durch deutsche Filmverleiher, und er ging mit Soloprogrammen auf Tournee durch Westdeutschland.

1962 sorgte er für einen bundesweiten Eklat, als er mit einer Zeitungs-Werbeannonce am Vortag der Ausstrahlung des letzten Teils des sechsteiligen Durbridge-Krimis Das Halstuch dem Fernsehpublikum den Mörder verriet. Die Zuschauer forderte er auf, stattdessen einen Kinobesuch zu machen und unterzeichnete mit dem Titel seines gerade fertiggestellten Filmes, Genosse Münchhausen.

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Später behauptete er allerdings, den „Halstuchmörder“ nur erraten zu haben; nach einer anderen Darstellung soll es seine Mutter von der Ehefrau des mitwirkenden Schauspielers (Dieter Borsche) erfahren haben. Die Durbridge-Krimis waren in der Frühzeit des deutschen Fernsehens „Straßenfeger“ mit Einschaltquoten von annähernd 90 Prozent (vgl. Auswirkungen). Die Presse veröffentlichte Leserbriefe verärgerter Fernsehzuschauer, es gab sogar Morddrohungen und die Bild bezeichnete Neuss wegen des Spoilers als „Vaterlandsverräter“, die Kosten der Anzeige im Westberliner Der Abend betrugen 787,15 D-Mark.

1962 heiratete Wolfgang Neuss die Schwedin Margareta Henriksson, die er seit 1958 kannte. Mit ihr, von der er sich 1967 wieder scheiden ließ, hatte er eine Tochter, Harriet (genannt Jette) Wixell, geborene Neuss. Auch Gisela Groenewold, seine langjährige Lebensgefährtin, die ihn 1969 auf eine Südamerikareise begleitete, trennte sich später von ihm, überließ ihm aber die Wohnung in Berlin-Charlottenburg.

Mitte der 1960er Jahre galt Neuss als einer der besten deutschen Kabarettisten. Eckart Hachfeld, Hans Magnus Enzensberger (Pseudonym: Andreas Thalmayr), Thierry, Jens Gerlach und Horst Tomayer schrieben Texte für seine Programme. Helene Weigel schenkte ihm ein lebenslanges Abonnement für das Berliner Ensemble. Er trat im Haus am Lützowplatz regelmäßig in der Restaurantbar Domizil im Souterrain als Mann mit der Pauke auf und erreichte damit überregional ein breites Publikum.

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Neuss machte den Ostberliner Wolf Biermann als Liedermacher mit einem gemeinsamen Programm in Westdeutschland bekannt und verhalf ihm zu seiner ersten Plattenaufnahme. Nach einem Auftritt mit Biermann in Frankfurt am Main erhielt Neuss, der während des Kalten Krieges auch mit anderen ostdeutschen Kollegen wie Gisela May und Käthe Reichel auftrat, in der DDR Einreiseverbot.

1965 sammelten West-Berliner Zeitungen Geld für den Vietnamkrieg, von dem Medikamente gekauft und Nachbildungen der Freiheitsglocke an Witwen amerikanischer Soldaten verschenkt werden sollten. Dagegen protestierte der Kabarettist mit einem Extrablatt seiner Satirezeitschrift Neuss Deutschland und sammelte seinerseits über Spenden insgesamt 11.000 DM, als die Zeitungsverleger mit einem Boykott seiner Kabarettprogramm-Ankündigungen reagierten.

Neuss war ein „Vieldreher“. Er drehte zahlreiche Filme in einem Jahr, zehn allein 1955. Insgesamt war er zwischen 1950 und 1966 in 55 Filmen und in seinem letzten 1984, Is was, Kanzler? nach einem Drehbuch von Gerhard Schmidt und Jochen Busse, zu sehen.

Wolfgang Neuss in dem Film “ Frühling In Berlin“ 1952:
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Auch die Theaterbühnen engagierten Wolfgang Neuss, beispielsweise als Thersites in Shakespeares Troilus und Cressida, als Moritatensänger in Brechts Dreigroschenoper und in der Rolle des Erich Mühsam in Tankred Dorsts Drama Toller, das unter dem Titel Rotmord von Peter Zadek 1969 für das Fernsehen verfilmt wurde.

Als Moderator im Viet Nam Diskurs von Peter Weiss in einer Inszenierung an den Münchner Kammerspielen durfte Neuss seinen eigenen Text sprechen, wobei er zu Geldspenden für den Vietkong aufrief. Als die Intendanz diese von Regisseur Peter Stein gebilligte Aktion verbot, kündigte Neuss seine Mitarbeit auf; das Stück wurde abgesetzt.

1967 bestritt Neuss mit Franz Josef Degenhardt, Hanns Dieter Hüsch und Dieter Süverkrüp, später als Quartett ’67 bezeichnet, ein gemeinsames Programm mit politischen Texten und Liedern. Es kam nur zu einem einzigen Auftritt, der vom Saarländischen Rundfunk mitgeschnitten wurde. Das Buch, das die Texte des Quartetts dokumentiert, erschien 1968; es erschien in zahlreichen Auflagen bis 1980 und hat wesentlich zur Popularität der beteiligten Künstler beigetragen.

Fußballer Neuss (links) und Kurt Weidemann nach einem Spiel in Stuttgart, auf Einladung des alternativen Buchhändlers Wendelin Niedlich (wahrscheinlich 1968):Wolfgang Neuss10

Politisch machte sich Neuss zunächst für die SPD stark, die ihn im Februar 1966 wegen seiner Zweitstimmenwerbung für die Deutsche Friedens-Union jedoch ausschloss. Nachdem ihn die Partei ein halbes Jahr später ohne weitere Formalitäten wieder aufgenommen hatte, erklärte Neuss 1968 seinen Austritt; er machte aber 1971 erneut Wahlkampf für die SPD.

Es war allgemein bekannt, dass Neuss zu dieser Zeit Drogen konsumierte (anfangs Tabletten, seit 1972 Haschisch).

Für einen Teil der deutschen Öffentlichkeit wurde er zur Feindfigur. Auf dem Höhepunkt einer unter anderem von der Bildzeitung getragenen Pressekampagne und nach einem gescheiterten Bombenattentat erklärte sich Neuss in einem Briefwechsel mit Willy Brandt[8] zum „politischen Flüchtling“ und fuhr nach Schweden. Sein Aufenthalt dort dauerte allerdings nur wenige Wochen. Nach einer Tournee durch die Bundesrepublik mit seinem Programm Neuss Testament kehrte er nach West-Berlin zurück. Dort schloss er sich der APO an und nahm an Demonstrationen, Sit-ins und anderen politischen Aktionen teil. Von 1967 bis 1969 betätigte er sich im Republikanischen Club in West-Berlin. Meist durch gleichzeitiges auf die „Pauke“ hauen, eigentlich benutzte er eine Trommel, wies er seitdem auf Missstände und Widersprüche in der Gesellschaft hin.

Ende der 1960er Jahre ging Neuss’ Erfolgslauf allmählich zu Ende. Seine Auftritte waren zwar noch ausverkauft, wurden aber nicht mehr nur in der Springerpresse, sondern auch von zuvor wohlgesinnten Kritikern verrissen.

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1969 verabschiedete er sich von der Bühne und vom Fernsehen und ging eine Zeitlang nach Chile. Abgesehen von seinem letzten Kinofilm, Chapeau Claque (1974), und einem Auftritt als „Mann mit der Pauke“ im laufenden Programm der Stachelschweine (November 1973) hörte man während der 1970er Jahre fast nichts mehr von ihm. 1976 berichtete die Presse, dass Neuss Sozialhilfe beziehe. 1979 machte er Schlagzeilen, als er in West-Berlin wegen Besitzes von 35,8 g Haschisch und mehrerer LSD-Trips zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde.

Eine erste Biografie schrieb Gaston Salvatore unter dem Titel Der Mann mit der Pauke (1974, nach Tonbandprotokollen); sein Freund und literarischer Nachlassverwalter Volker Kühn dokumentierte Leben und Werk unter dem Titel Das Wolfgang Neuss Buch (1981), später erheblich erweitert als Der totale Neuss (1997).

Anfang der 1980er Jahre feierte Neuss auf der Bühne und im Fernsehen ein Comeback, schrieb regelmäßig Kolumnen (z. B. für die TAZ und den Stern) und veröffentlichte Schallplatten und Tonbandkassetten. Ein langes Interview mit Werner Pieper im Humus-Magazin (Ausgabe 3, 1979) war der Auftakt zu zahlreichen Porträts in Rundfunk und Fernsehen (u. a. von Volker Kühn, Tilman Jens und Rüdiger Daniel), die der medienerfahrene Wolfgang Neuss geschickt zu Kabarettauftritten umfunktionierte. Bevor er gefilmt oder fotografiert wurde, pflegte Neuss beispielsweise seine Zahnprothese herauszunehmen, um den Betrachter zu schockieren.

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Eine Feier am 3. Dezember 1983 zu seinem 60. Geburtstag, ausgerichtet von der Kulturfabrik auf dem Berliner Ufa-Gelände, gab Neuss Gelegenheit zu einer 30-minütigen Conférence. Dort gibt es inzwischen einen Vortragssaal unter dem Namen Wolfgang-Neuss-Salon.[9] Ein Höhepunkt dieser Jahre war die Talkshow Leute am 5. Dezember 1983, die laut Stern zur „Show des Jahres“ wurde. Im Gespräch mit Wolfgang Menge verlas Neuss ein angeblich vom damaligen Regierenden Bürgermeister Richard von Weizsäcker an ihn gerichtetes Glückwunschtelegramm, das den Satz enthielt: „Auf deutschem Boden darf nie mehr ein Joint ausgehen!“ Bei dem anschließenden Auftritt Weizsäckers, der sich damals auf die Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten vorbereitete, empfahl Neuss dem als „Ritschie“ angesprochenen Politiker unter tosendem Beifall, seinen Bruder (gemeint war Carl Friedrich von Weizsäcker) „mal öffentlich zu umarmen“ – „Das ist der eigentliche Intellektuelle in der Familie“ –, und bezeichnete sich selbst als den aussichtsreicheren Präsidentschaftskandidaten, allerdings unter einer Bedingung: „wenn die Kinder wählen dürften … die Kinder wählen immer einen aus der Sesamstraße!“

Da prallten wohl zwei Welten aufeinander: Wolfgang Neuss und Richard von Weizäcker:
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Für sein Kabarettprogramm Neuss vom Tage im WDR erhielt er den Deutschen Kleinkunstpreis 1983; die Laudatio hielt sein Freund Hanns Dieter Hüsch.

Bei einer Hausdurchsuchung im März 1984 fand die Polizei dann 79 Gramm Haschisch und 814 LSD-Trips; trotz eines Haftbefehls blieb Neuss auf freiem Fuß. Im Juli wurde er vom Schöffengericht Moabit zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Eine von der Staatsanwaltschaft angestrengte Berufung scheiterte vor dem Landgericht Berlin am 22. November desselben Jahres. 1989 teilte das Amtsgericht Berlin mit, man habe Neuss die Freiheitsstrafe erlassen: „Der Verurteilte hat sich, soweit ersichtlich, bewährt.“

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Neuss hatte in den 1980er Jahren, als er gesundheitlich bereits schwer angeschlagen war, zudem einige TV-Auftritte in der WDR-Politsendung ZAK.

Als „zahnloser Späthippie“ (auch als „Indianerfrau“ bezeichnet), der in den letzten Lebensjahren an Krebs litt, wurde er zur lebenden Legende in West-Berlin. Er empfing zahlreiche Besucher in seiner Wohnung, die ihm der Bruder seiner einstigen Geliebten, der Rechtsanwalt Kurt Groenewold, mietfrei überlassen hatte, und unterhielt sie mit kabarettistischen Monologen. Mit einem Auftritt an seinem 65. Geburtstag am 3. Dezember 1988 verabschiedete er sich endgültig von seinem Publikum.

Am 5. Mai 1989 starb Wolfgang Neuss. Noch bis wenige Tage vor seinem Tod war ein Dokumentarfilm über ihn gedreht worden. Auf seinen Wunsch hin wurde er am 19. Mai neben seinem Film- und Kabarettpartner Wolfgang Müller auf dem Waldfriedhof Zehlendorf, Feld UII Grab 112, beerdigt. Nach Ablauf der gesetzlichen Ruhezeit wurde er auf Geheiß der Angehörigen von Wolfgang Müller in dessen Grab umgebettet.

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Zu seinem 90. Geburtstag (3. Dezember 2013) führte das Hanfmuseum in einer Sonderausstellung eine Reihe seiner Filme vor.

Das Wolfgang-Neuss-Archiv befindet sich in Berlin im Archiv der Akademie der Künste.

Am 15. September 2022 wurde an seinem ehemaligen Wohnort, Berlin-Charlottenburg, Lohmeyerstraße 6, eine Berliner Gedenktafel enthüllt.

Franz Josef Degenhardt schrieb dem Verstorbenen mit Der Trommler ein Requiem; auf Neuss bezieht sich auch das Lied Immer noch grob sinnlich. Als Neuss 1967 nach Südamerika reiste, schrieb Degenhardt das Lied Adieu Kumpanen, das er ihm widmete.

Ein weiterer Partner von Neuss beim Quartett ’67, Hanns-Dieter Hüsch, schrieb auf Wolfgang Neuss die Gedichte Nachricht I und II.

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Hier sein erste-Solo-Album:

Neuss war in jener frühen Phase einfach unglaublich: Er hat Einfälle, die ihm scheinbar davonrennen, er greift sich aus seinen Texten Worte heraus, dreht und wendet sie, manipuliert an ihnen herum und schließlich ist ihr Sinn verdreht und ihre Bedeutung umgepolt. Sein Feind war die Lethargie der Bevölkerung, das „gesunde Volksempfinden“. Ihn brachte eher das Phlegma der Menschen auf der Straße zur Weißglut. Neuss klärte auf, aber nicht mit dem erhobenen Zeige­, sondern eher mit dem gestreckten Mittelfinger. Seine Art zu informieren, Hintergründe auszuleuchten, zu analysieren und zu diskutieren war so unorthodox wie (phasenweise) brüllend komisch. Neuss war der Satiriker unter den Kabarettisten, er war ein Ausnahmesatiriker. Geschliffen in der Diktion wie in der Logik seiner Texte ­ bis heute unerreicht! (Pressetext)

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„Wolfgang Neuss, der Mann mit der Pauke, zählte zu den besten satirischen Wortakrobaten der Wirtschaftswunderrepublik.​ In der Ruinenlandschaft Berlins entwickelte sich nach dem Ende des 2.​ Weltkriegs eine Kabarettkultur, wie sie bissiger, ironischer und zynischer nicht sein konnte.​ Hier zu hören: Der typische Neuss’sche Stakkatowitz mit fast beängstigendem Tempo vorgetragen.​ Dabei lamentierte er nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern präsentierte sich mit gestrecktem Mittelfinger als Prä-68er Anarcho.​“ (Musik Express-Sounds)

Freilich muss ergänzt werden, dass viele der spöttischen Kommentare heute kaum mehr erschließen, außer man verfügt über vertiefte Kenntnisse über die damaligen tagespolitischen Ereignisse und Skandale, aber Adenauer und seine Union aber auch Willy Brandt, Herbert Wehner und ihre SPD bekommt schon ganz kräftig ihr Fett ab…und natürlich: „Die Mauer“ ist auch eines der Themen.

Ich habe dieser Präsentation dann noch ein sehr feinfühliges, aber auch erschütterndes Portrait von Neuss (geschrieben von Harald Martenstein) beigefügt.

Live-Mischnitt aus dem Domizil, Haus am Lützow Platz, Berlin. 1964

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Besetzung:
Wolfgang Neuss (Sprecher)

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Titel:
01. Das jüngste Gerücht (Teil 1) 25.19
02. Das jüngste Gerücht (Teil 2) 26.16

Alle Texte: Wolfang Neuss

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Hüllentext

Dringende Sehempfehlung:

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Die Stachelschweine – 10 Jahre Stachelschweine (1959)

FrontCover1Was wäre ich nur ohne Kabarett ?

Die Stachelschweine ist der Name eines Berliner Kabaretts, das im Herbst 1949 in dem Künstler- und Studentenlokal Badewanne unweit der Berliner Gedächtniskirche als Schauspielerkollektiv gegründet wurde. Der Name ist angelehnt an eine Zeitschrift der 1920er Jahre, Das Stachelschwein, deren Herausgeber der Schriftsteller und Kabarettist Hans Reimann war.

Zu den Gründern des Kabaretts gehörten die Schauspieler Rolf Ulrich, Alexander Welbat, Klaus Becker und Joachim Teege. Zu ersten Auftritten kam es noch unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft Junger Künstler (A J K) während des Blockade-Winters (1948/49) für die Berliner Bezirksämter. Im August 1949 fanden Auftritte in der Badewanne statt. Danach bildete Alexander Welbat und Rolf Ulrich ein erweitertes Ensemble, und am Sonnabend, dem 29. Oktober 1949 fand dort die Premiere des ersten Programms statt.

Die Texte stammten von Rolf Ulrich und Thierry (Dieter Koch), der auch den Namen Die Stachelschweine vorschlug. Unter der Regie von Alexander Welbat spielten Traudel Dombach, Dorle Hintze, Ilse Marggraf, Horst Gabriel, Günter Pfitzmann, Rolf Ulrich und Alexander Welbat. Die Musik stammte von Theo Goldberg, das Bühnenbild von Gerhard Rose und die Technik betreute Ronald Rochow. Das erste Programm wurde noch ohne einen eigenen Titel gestartet, erst später wurde es „Alles irrsinnig komisch“ benannt. Wöchentliche Spieltage nach der Premiere waren der Dienstag und der Freitag, gelegentlich kam auch der Mittwoch dazu. Das Programm wurde bis Ende des Jahres 1949 gespielt.

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Der Übergang zum zweiten Programm „per-speck-tiefen“ gestaltete sich fließend. Dies betraf die Texte und die Mitwirkenden. So kamen im Januar 1950 Inge Wolffberg und Heinz Mey zum Ensemble. Als es im Februar 1950 zu Differenzen mit dem ebenfalls in der Badewanne spielenden „Malerkabarett“ kam, bot die Direktion der Femina-Betriebe, die die Badewanne betrieb, den Stachelschweinen das Restaurant Burgkeller am Kurfürstendamm als Spielort an, der dann nach umfangreicher Einrichtung mit dem dritten Programm Ende März 1950 eröffnet wurde. Im vierten Programm stieß Jo Herbst als Schauspieler und Texter und Christiane Maybach als Schauspielerin zum Ensemble.

Aufgrund von Differenzen über die szenische Umsetzung von Texten zwischen Rolf Ulrich (Text) und Alexander Welbat (Regie) brach das Ensemble Ende 1950 nach der Premiere des siebenten Programms auseinander. Die Gruppe um Rolf Ulrich, zu dem sich Klaus Becker, Joachim Teege, Inge Wolffberg, Jo Herbst und Ronald Rochow gesellten, arbeitete im Burgkeller weiter, während die Gruppe um Alexander Welbat in die Badewanne zurückkehrte und dort noch sechs Monate weiterspielte. Ein Besitzerwechsel der Badewanne beendete im Sommer 1951 die Kabarettauftritte dieser Gruppe, die danach auseinanderfiel.

Aus dem Programm „Hundstags-Reprisen'“ (August 1950):
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Das von der Gruppe um Rolf Ulrich im Burgkeller erstellte achte Programm „Das Brettl hoch“, Premiere am 7. April 1951, verstärkt auch durch die aktive Teilnahme von Klaus Becker (Musik) und Joachim Teege (Regie), beides Gründer des Kabaretts, und dem vom Kabarett „Die Fliegenpilze“ dazu engagierten Wolfgang Gruner, bildete einen neuen personellen wie inhaltlichen Anfang. Bald nach der Premiere wurde jedoch überraschenderweise die Ruine des Burgkellers Ende Mai 1951 von der Baupolizei wegen Einsturzgefahr geschlossen. Das Ensemble suchte und fand durch den Regisseur Christoph Groszer ein neues Domizil in der Rankestraße 9, die „Ewige Lampe“. Wieder war es nötig, zuerst das Restaurant bühnentechnisch einzurichten. Am 12. Juni 1951 wurde es mit der Premiere des neunten Programms „Biennalitäten“ eröffnet. Seit Oktober 1951 gehörte auch Achim Strietzel zum Ensemble. In den Programmen „Festland Berlin“ und „Zwischen Nylon und Chemnitz“ zum Jahreswechsel 1952/1953 führte Wolfgang Neuss Regie und spielte auch im letzteren im Ensemble mit. Er veränderte die Besetzung, aber auch, in Zusammenarbeit mit Jo Herbst, den Stil des Kabaretts entscheidend in Richtung Gegenwarts- und Gesellschaftskritik. Neu ins Ensemble kam für drei Programme Edith Hancke, die danach durch Ingeborg Wellmann ersetzt wurde.

Programmheft „Ach, du liebe Freiheit !“, 1953:
Programmheft 1953

Der außerordentliche Erfolg dieser Programme veranlasste den Veranstalter Kurt Tuntsch, dem Ensemble einen Wechsel mit dem laufenden Programm „Zwischen Nylon und Chemnitz“ in sein Kabarett „Nürnberger Trichter“ anzubieten. Kurt Tuntsch hatte mit Filmgroßveranstaltungen in der Berliner Waldbühne („Das Wetter wird nach Wunsch, versichert uns Direktor Tuntsch’“), großen, auch finanziellen Erfolg. Dieses Angebot wurde angenommen, und ab 1. Februar 1953 spielten die Stachelschweine im Nürnberger Trichter. Am 4. Mai 1953 kam es dort unter der Regie von Wolfgang Spier zur Premiere eines neuen, des 17. Programms „Sind Se schon bedient“. Doch schon am 31. Mai endete dieses Abenteuer durch Zahlungsunfähigkeit des Herrn Tuntsch. Nach einem schnell angesetzten Gastspiel in Hamburg und München kehrten die Stachelschweine in ihr Domizil Ewige Lampe zurück. Dort fand dann am 18. August 1953 die Premiere des 18. Programms „Ach, Du liebe Freiheit“ anlässlich der Berliner Festwochen statt. Danach blieb die Ewige Lampe für die nächsten zwölf Jahre das feste Domizil des Kabaretts.

Aus dem Programm „Die Maurer“ (Jahr unbekannt):
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Am 12. Juni 1955 wurde das Kollektiv in eine GmbH umgewandelt. Zu den neun Gesellschaftern gehörten: Die Gründer Rolf Ulrich und Klaus Becker, die Schauspieler Günter Pfitzmann, Inge Wolffberg, Jo Herbst, Wolfgang Gruner und Achim Strietzel, sowie der Regisseur Dietmar Behnke und der Technische Leiter Ronald Rochow. Zu Geschäftsführern wurden Rolf Ulrich und Dietmar Behnke bestellt. Behnke legte das Amt 1963 nieder. Die Gesellschaft bestellte daraufhin Ronald Rochow zum Geschäftsführer.

Am 18. März 1957 wurde auf Vorschlag der Akademie der Künste der „Preis Junge Generation – Jubiläumsstiftung 1848–1948“ für das Gebiet der Darstellenden Kunst an das Ensemble der Stachelschweine vergeben. Auf Veranlassung der Akademie-Mitglieder wurde der an Einzelpersonen gebundene Preis diesmal jedoch an das aktuelle künstlerische Ensemble vergeben. Den Preis erhielten: Rolf Ulrich, Inge Wolffberg, Ingeborg Wellmann, Wolfgang Gruner, Günter Pfitzmann, Achim Strietzel, Jo Herbst und Klaus Becker.

Wolfgang Gruner, Achim Strietzel, Inge Wolffberg und Rolf Ulrich, Düsseldorf 1956:
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Im Jahr 1965 fand das Ensemble eine größere Wirkungsmöglichkeit im neu gebauten Europa-Center im Zentrum von West-Berlin. Dort wurde am 17. April 1965 der Neubau des eigenen Kabaretts am Karsamstag mit einer Festveranstaltung eröffnet. Die erste Premiere im neuen Haus fand am 9. Juni 1965 unter dem Titel „…und vor zwanzig Jahren war alles vorbei“ statt. In diesem Programm spielte auch Günter Pfitzmann nach längerer Pause wieder im Ensemble mit. Regie führte Rudolf Schündler, dem der außerordentliche Erfolg des Programms und die Änderung der Spielweise hauptsächlich zuzuschreiben ist. Die bekannten Kabarettformen „black-out“ oder „Sketch“ wurden zum satirischen „Zeittheater“, aus dem „Quodlibet“ wurde die „musikalische Revue“.

Bundesweit bekannt wurden „Die Stachelschweine“, wie auch die Kollegen von der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, durch zahlreiche Tourneen und Fernsehübertragungen in den 1960er Jahren. Besonders erfolgreich war die gemeinsame Fernseh-Live-Sendung unter dem Titel: „Berlin ist einen Freiplatz wert – Ein Platz an der Sonne“, die fünfmal vom NDR in Verbindung mit dem SFB produziert wurde.

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Die Mitglieder des Kabaretts machten auch im Hörfunk, Fernsehen und Film eigene Karrieren. Wolfgang Gruner trat häufig in der ZDF-Sendung „Der große Preis“ auf, Achim Strietzel wurde durch seine Stimmenimitation des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt populär und Günter Pfitzmann und Joachim Teege konnten eine umfangreiche Schauspielerlaufbahn vorweisen.

Es war bewährte Tradition des Kabaretts, die Zusammensetzung des Ensembles und den künstlerischen Stab behutsam, aber ständig auszuwechseln. Dadurch war es möglich, alle Spielarten des Kabaretts zu praktizieren und sich gleichzeitig dem wechselnden Zeitgeschmack des Publikums anzupassen. Zu den Mitwirkenden der sechziger Jahre gehörten Edith Elsholtz, Beate Hasenau, Ingrid van Bergen, Sonja Wilken, Pia Trajun und Edeltraut Elsner, sowie Joachim Röcker, Jochen Schröder, Wilfried Herbst und Reinhold Brandes. Zwanzig Jahre nach der Gründung waren schließlich fast alle früheren Ensemblemitglieder ausgeschieden. Lediglich Wolfgang Gruner und der Künstlerische Leiter und Haupttexter Rolf Ulrich setzten die Arbeit mit wechselnden Darstellern fort.

Diese personellen Veränderungen hatten auch Auswirkungen auf die „Die Stachelschweine GmbH“. Von den ursprünglich neun Gesellschaftern schieden sieben aus. Zu den weiter bestehenden Anteilen von Wolfgang Gruner und Rolf Ulrich trat Rechtsanwalt Horst Sandner 1968 als neuer Gesellschafter in die Gesellschaft ein.

Aus dem Programm „Bis hierhin und wie weiter“ (Jahr unbekannt):
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Die Folgen der 68er-Bewegung in der Bundesrepublik wurden vom Kabarett in seinen Programmen nur minimal reflektiert. Während Wolfgang Neuss sich völlig vom Kabarett abwandte, und die Lach- und Schießgesellschaft sich 1972 auf Vorschlag von Dieter Hildebrandt auflöste, arbeiteten Rolf Ulrich und Wolfgang Gruner mit neuen, jungen Schauspielern weiter: Andrea Brix, Ursula Herwig, Axel Lutter und Sylvester Berger.

Thematisch beschränkte man sich mehr und mehr auf lokale „West“-Berliner Themen. Dies führte dazu, dass sich die kritische Öffentlichkeit vom Kabarett trennte. Stammgäste blieben dem Hause fern, und die Presse wurde nicht mehr zu den Premieren eingeladen. Kritiker, die das Kabarett jahrelang begleitet hatten, warfen der Leitung vor, sich mit den politischen Repräsentanten der Parteien zu verbrüdern, was nicht unbedingt zu den Aufgaben der Kabarettisten gehören konnte. So schwand auch die Sympathie für das Ensemble, und die Rundfunkanstalten verzichteten auf die Ausstrahlung der Programme im Fernsehen.

Udo Jürgens zur Gast bei den Stachelschweinen, 1972:
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Als im Jahre 1989 die Mauer fiel, wurde dieses Ereignis eher als „Event“ begangen. Man traf sich mit dem Ost-Berliner Kabarett „Die Distel“ zu gemeinsamen Auftritten in beiden Teilen der Stadt. Da die jüngere Generation der Besucher sich ohnehin mehr für Solo-Kabarettisten begeisterte, reduzierten sich die Zuschauer auf die Berlin-Touristen. Dieser Strom von ständig wechselnden Zuschauern sorgte für das Überleben des Kabaretts auch nach dem Tode von Wolfgang Gruner und Rolf Ulrich. (2002 bzw. 2005)

In der Stachelschweine GmbH gingen ihre Geschäftsanteile an die Witwen Eva Gruner und Marie-Luise Ulrich (Andrea Brix) über. Zum Jahreswechsel 2003/2004 übernahm Charlotte Reeck, die bereits seit 1997 als Geschäftsführerin tätig war, einen Geschäftsanteil und wurde damit zur Geschäftsführenden Gesellschafterin der GmbH bestellt. Die inzwischen verstorbene Eva Gruner hatte 2008 ihren Geschäftsanteil an die Gesellschaft zurückgegeben.

Zum und nach dem 55. Jahrestag des Kabaretts im Jahr 2004 bildete sich unter der Regie von Herbert Olschok ein neues Ensemble, in dem Birgit Edenharter und Detlef Neuhaus die führenden Positionen einnahmen. Im Programm zum 60. Jahrestag der Stachelschweine im Jahre 2009 traten beide gemeinsam mit Kristin Wolf, Holger Güttersberger und Moritz Tittel auf. Matthias Kitter, der von Oktober 2012 bis einschließlich Dezember 2013 Künstlerischer Leiter der Stachelschweine war, führte insgesamt sechs Mal Regie im Kabarett-Theater im Europa-Center.

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2019, zum 70. Jahrestag, übernahm der Kabarettist Frank Lüdecke die künstlerische Leitung und seine Frau und Managerin Caroline Lüdecke fungiert als Geschäftsführerin.

Das durch die Währungsreform 1948 eingeleitete Wirtschaftswunder hatte auch ein gestiegenes Unterhaltungsbedürfnis der Bevölkerung zur Folge. Firmen und Privatleute, Parteien und Stadtverwaltungen boten in dieser fernsehlosen Zeit in steigender Anzahl Matineen, Nachmittags- und Abendveranstaltungen an. Davon profitierten auch die Stachelschweine, die einzeln oder als Ensemble engagiert wurden. Besonders an Sonn- und Feiertagen häuften sich die Auftritte, die „Tingeleien“ genannt wurden. Man ging „tingeln“ und erzielte damit den erwünschten Nebenverdienst.

Da das Kabarett für die ersten acht Programme auf das Eintrittsgeld verzichtete und lediglich im Burgkeller einen symbolischen Knopf verlangte, war die Versuchung groß, sich auch durch Tourneen zusätzliche Einnahmen zu verschaffen. Man ließ sich Anfang 1951 gleich nach der Teilung der Ensembles zu einer Westdeutschland-Tournee überreden, die jedoch organisatorisch und finanziell danebenging. Mit Erfolg gekrönt war aber ein dreimonatiges Gastspiel im September desselben Jahres in der „Bonbonniere“ in Hamburg (Leitung Helmut Stoldt), das von einem Teil des Ensembles durchgeführt wurde. Der in Berlin verbliebene Teil, ergänzt durch neue Mitglieder, spielte dort parallel weiter.

Caroline und Frank Lüdecke

Auch eine Gastspielreise im Jahr 1952 war nach dieser Konzeption aufgebaut. Sie führte in die Hamburger und Stuttgarter Mausefalle (Werner Finck), ins „Kommödchen“ in Düsseldorf (Kay und Lore Lorentz) und in „Die Kleine Freiheit“ in München (Trude Kolman). Nachdem Ende Mai 1953 der „Nürnberger Trichter“ (Direktion Kurt Tuntsch) durch Konkurs in Berlin schließen musste, ging das Ensemble in bester Besetzung auf eine sich aus dieser Situation ergebende Gastspielreise nach Hamburg und München. Danach wurde die Kleine Freiheit in München immer wieder zum Ort des jährlichen Sommergastspiels. In den folgenden Jahren fanden auch wieder Tourneen durch Westdeutschland und das deutschsprachige Ausland statt, die von einer Gastspieldirektion (Düsseldorfer Konzert- und Gastspieldirektion Dieter Dickers) organisiert wurden. Erst der Umzug in das neu errichtete Europa-Center im Jahre 1965 ermöglichte es dem Ensemble, auf monatelange Tourneen verzichten zu können und den Publikumsansturm, der nach dem Bau der Mauer in Berlin einsetzte, in seinem eigenen Domizil (300 Plätze) zu bewältigen.

Daneben kam es aber auch zu Auftritten für private Interessenten (für den „Kaufhauskönig“ Helmut Horten), für politische Einrichtungen (EWG Brüssel) oder zu Spezialauftritten auf Kreuzfahrtschiffen (MS Bremen). Den Höhepunkt dieser Entwicklung bildete das vom Berliner Senat (Regierender Bürgermeister Klaus Schütz) im Jahre 1970 unterstützte fast dreiwöchige Gastspiel in Israel (Tel-Aviv, Jerusalem, Haifa und in zwei Kibbuzim). Die Stachelschweine waren das erste deutsche Künstler-Ensemble, das nach Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik Deutschland dort gastierten durfte. Das ZDF produzierte darüber einen 45-minütigen Fernsehfilm. Auf der internationalen Ebene schloss sich 1985 ein Gastspiel in New York und 1987 in Los Angeles an.

Das einjährige Bestehen des Kabaretts wurde mit der Premiere des fünften Programms „Hundstags-Reprisen“ am 4. August 1950 im Burgkeller begangen. Das dreijährige Bestehen fand am 18. Dezember 1952 anlässlich der Premiere des Programms „Zwischen Nylon und Chemnitz“ bereits in der Ewigen Lampe statt. Das fünfte Jubiläum entwickelte sich, wenn auch ein Jahr verspätet, am 22. Oktober 1955 zu einer Großveranstaltung im Berliner Sportpalast mit 7000 Besuchern. Dort traf man sich mit dem Publikum und den Gratulanten auch zum zehnjährigen Bestehen zu drei ausverkauften Veranstaltungen vom 30. Oktober bis 1. November 1959. Zum letzten Mal diente der Sportpalast als Spielort am 30. und 31. Oktober 1964 für das 15. Jubiläum.

Zum 20. Jahrestag luden die Stachelschweine am 19. Oktober 1969 tausend Gäste in die Kongresshalle ein, und sie feierten als Empfang des Regierenden Bürgermeister von Berlin Klaus Schütz das 25-jährige Bestehen am 3. November 1974 im Palace Hotel im Europa-Center. Das 40. Jubiläum fand am 8. Oktober 1989 als Dampferfahrt mit dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper statt. „50 Jahre Stachelschweine“ wurde als Festveranstaltung im eigenen Kabarett begangen. Ehemalige Mitglieder und Freunde feierten mit den gegenwärtigen Kollegen und ihren Angehörigen und Anhängern. Zum 55. Jahrestag wurde ein Sonderprogramm produziert: Unter dem Titel „Besetzt“ hatte es am 13. März 2005 Premiere. In diesem Programm wurden alte, erfolgreiche Szenen in neuer Besetzung leicht verändert wiederaufgeführt. Zum 60. Jahrestag im Jahre 2009 fand die Premiere 67. Programms mit dem Titel „ Völlig verspielt “ statt.

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Schon im Herbst 1963 wurde der Neon-Reklame-Schriftzug „Ewige Lampe“ durch „Die Stachelschweine “ ersetzt. Nach dem Umzug im Frühjahr 1965 in das Europa-Center beschlossen die Stachelschweine, das ehemalige Domizil „Ewige Lampe“ unter dem neuen Namen „Rankestraße 9 – kleines haus der stachelschweine“ weiterzuführen. Die erste Premiere fand dort am 6. Dezember 1965 unter dem Titel „schlecht ist auch folgendes…“ statt. Unter der Regie von Dietmar Behnke spielten Edith Elsholtz, Herbert Baneth, Siegfried Dornbusch und Axel Scholz. Die Kritik äußerte sich zurückhaltend, und auch das Publikum akzeptierte die Verdoppelung der Stachelschweine nur begrenzt. Das Experiment wurde abgebrochen.

Das aktuelle Ensemble:
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Das Haus diente danach als Gastspielbühne für Wolfgang Neuss, der nach seiner Rückkehr aus Schweden dort am 20. Juni 1966 sein zweites Kabarett-Programm „Testamentseröffnung – Die Villon-Show“ diesmal in „strenger Form ohne Musik“ wieder aufnahm. 1967 folgte Hannelore Kaub mit ihrem Kabarett „Das Bügelbrett“ mit dem Programm: „Das Kabarett ist tot – Es lebe das Cabaret!“. Danach wurde es zur Probebühne für die letzte gemeinsame Fernseh-Sendung mit der Lach- und Schießgesellschaft „Ein Platz an der Sonne 1967“. In den folgenden Jahren diente es als Werkstatt für die immer aufwendiger werdenden Bühnenbilder der Stachelschweine im Europa-Center. Schließlich wurde in Zusammenarbeit mit der Berliner-Kindl-Brauerei das Haus wieder als Restaurant eingerichtet. Wolfgang Gruner fiel der Name „Zur Kneipe“ ein, und er erfand auch zur Eröffnung am 5. Mai 1970 eine Neufassung der Währung von 1872: Es wurde in Fennich, Sechser, Groschen und Thaler bezahlt. (wikipedia)

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„In Amerika haben sie jetzt auch Fernsehen im Zuchthaus – Strafverschärfung !“

Und 1959 existierte dieses Ensemble bereits 10 Jahre, Grund genug, dieses kleine Jubiläum zu feiern (Hüllentext):

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Natürlich ist dieses Programm einerseits „Asbach uralt“ und man braucht schon ein paar vertiefte Kenntnisse des damaligen politischen Geschehens (Stichwort: Kalter Krieg). Und bei den Goebbels Zitaten in „Freiheit – nein Freiheit“ kann man nur frösteln.

Andererseits gibt es Themen, die dann wieder ziemlich aktuell sind wie der Auf- und Abrüstungswahn oder „De Gleichberechtigung“.

Für mich sind solche Tondokumente weiterhin ein Spiegel des jeweiligen zeitgeschichtlichen Geschehens. Für mich sogar unverzichtbar für ein besseres Verständnis dieser alten Zeiten und die Stachelscheine waren ausgesprochen spitzzüngige Chronisten … zuweilen rotzfrech und respektlos, so wie Kabarett halt sein muss !

Einer meiner Lieblingspointen: „In Amerika gibt es jetzt Fernsehen im Zuchthaus – Strafverschärfung !“

Oder: „Frage: Wann nehmen Politiker endlich Vernunft an ? . Antwort: Gar nicht, Politiker dürfen nichts annehmen.“

Und wenn jetzt einer der Meinung ist, dieser Beitrag sei eine Liebeserklärung an Die Stachelschweine. dann antworte ich ganz einfach mal mit JA und zwar mit ganz großer Leidenschaft !!!

Und als kleine Zugabe habe ich noch ein kurzes Radioportrait über dieses Ensemble beigefügt.

Mitschnitt vom 22. Dezember 1959 aus der „Ewigen Lampe“, Berlin

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Besetzung:
Edith Elzholz – Inge Wolffberg – Wolfgang Gruner – Jo Herbst – Joachim Rücker – Achim Strietzel
+
Klaus Becker (piano)

Regie: Dietmar Behnke
Musik: Klaus Becker (unter Verwendung von bekannter Melodien von Porter, Jary, Lincke und volkstümlicher Melodien)

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Titel:
01. Es ist viel zu spät (Ulrich) 4.30
02. Teilt euch den Siegerkranz (Thierry) 6.08
03. Wenn Gleichberechtigung – dann radikal (Angeloff) 3.01
04. Am Wattenmeer (Ulrich) 3.33
05. Kleben und kleben assen (Alex/Grunert) 5.21
06. „Freiheit“?? Nein – Freiheit!!! (Thierry) 12.15
+
07. Stichtag: 30. Oktober 1949 Erste Vorstellung des Kabaretts (WDR) (30.10.2019) 4.16

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Und es gibt sie immer noch; die aktuelle Website:
Website

Hanns Dieter Hüsch – Live (1973)

frontcover1Und wieder mal der Hüsch, jener Großmeister des deutschen Kabaretts:

Hanns Dieter Hüsch (* 6. Mai 1925 in Moers; † 6. Dezember 2005 in Werfen) war ein deutscher Kabarettist, Schriftsteller, Kinderbuchautor, Schauspieler, Liedermacher, Synchronsprecher und Rundfunkmoderator.

Mit über 53 Jahren auf deutschsprachigen Kabarettbühnen und 70 eigenen Programmen galt er als einer der produktivsten sowie erfolgreichsten Vertreter des literarischen Kabaretts im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Er war ab 1999 Schirmherr des Kabarettpreises Das Schwarze Schaf. Johannes Rau nannte ihn den „Poeten unter den Kabarettisten“

Hanns Dieter Hüsch wuchs in den 1930er Jahren in der niederrheinischen Kreisstadt Moers als Sohn protestantischer Eltern auf. „Alles, was ich bin, ist niederrheinisch“, bekannte er später in pointierender Knappheit. Der Vater war zum Verwaltungsdirektor der Kreisverwaltung in Moers aufgestiegen; der Sohn empfand die Lebenswelt in Elternhaus, Verwandtschaft und Nachbarschaft als kleinbürgerlich und provinziell. Die „kleinen Leute“ waren Hüsch in Tonfall und Werturteilen vertraut. Lebenslang beobachtete er sie und setzte sich mit spezifischen Weltansichten des „Niederrheiners“ bewundernd wie kopfschüttelnd auseinander.

Bis zum Alter von 14 Jahren musste sich Hüsch wegen einer Missbildung seiner Füße mehreren Operationen unterziehen. Er war gezwungen, in unförmigen Filzpantoffeln herumzulaufen, da ihm keine Schuhe passten, und er konnte dadurch kaum mit anderen Kindern spielen. Als sportliche Betätigung waren ihm allenfalls Schwimmen und Radfahren möglich. „Ein schweres klinisches Erlebnis“, erinnerte er sich später, „man fühlte sich sehr schnell alleine.“ In dieser Zeit begann Hüsch erste Texte zu verfassen. Nachdem er das Abitur am Gymnasium Adolfinum in Moers abgelegt hatte, blieb ihm aufgrund seiner Erkrankung der Kriegsdienst erspart. Als Jungkabarettist bespiegelte er mit dem Lied Warum bin ich so unmuskulös seine körperlich-seelische Disposition selbstironisch.

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Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges studierte Hanns Dieter Hüsch auf Wunsch der Familie an der Universität Gießen ein Semester Medizin, dies jedoch ohne Begeisterung. Für sein Ziel, Opernregisseur zu werden, ging Hüsch stattdessen nach Mainz und studierte an der dortigen Universität Theaterwissenschaft, Literaturgeschichte und Philosophie. Hüschs Talente lagen zu dieser Zeit aber schon weniger im theoretischen als im praktisch-künstlerischen Bereich („Ich habe an der Uni keine Seminare besucht, aber ich habe meine Texte geschrieben.“). Er beteiligte sich am Mainzer Studenten-Kabarett „Die Tol(l)eranten“ und trat bereits 1949 als Chansonnier mit seinem ersten Soloprogramm Das literarische Klavier auf. Bis zu seiner letzten Tour im Jahre 2000 folgten diesem Programm mehr als 70 weitere.

In den 1950er Jahren lebte Hanns Dieter Hüsch zusammen mit seiner ersten Ehefrau Marianne Lüttgenau (auf deren Eigenarten er in seinen „Frieda“-Geschichten anspielte) und der gemeinsamen Tochter in bescheidenen Verhältnissen. Das Studium hatte er bereits aufgegeben, er bestritt den Lebensunterhalt mit künstlerischen Auftragsarbeiten oder als Nachrichtensprecher beim Süddeutschen Rundfunk. 1956 gründete er mit arche nova ein eigenes Kabarett, das bis 1961 bestand. In dieser Zeit hatte Hüsch auch in der Schweiz erfolgreiche Bühnenauftritte. Nach finanziellen Engpässen wurde er in den 1960er Jahren zu einem der wichtigsten Vertreter des literarischen Kabaretts in Deutschland. Mit seinem dem „Volk auf’s Maul“ schauenden, sprachjonglierenden Witz karikierte er Kleinbürger- und Spießertum. Aber auch das Theater zog ihn immer wieder an. 1957 bzw. 1959 schrieb er z. B. zusammen mit Rudolf Mors die Musicalparodien Freiheit in Krähwinkel und Der Weiberstreik; letztere wurde 1963 im ZDF ausgestrahlt.

Hanns Dieter Hüsch, 1974:
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In den 1960er Jahren war Hüsch im Fernsehen präsent, etwa in dem ARD-Fernsehspiel Niemandsland des Lächelns (1962). Ab Mitte der 1960er Jahre verlieh er seinen Kabarettvorträgen zunehmend politische Grundzüge. 1967 nahm er im Quartett mit Franz Josef Degenhardt, Wolfgang Neuss und Dieter Süverkrüp die Schallplatte Da habt ihr es! auf. Ein Jahr später begeisterte er während der allgemeinen Studentenunruhen (zusammen mit Degenhardt und Süverkrüp) auf den Essener Songtagen (bei denen u. a. auch Frank Zappa auftrat) und setzte hierbei auf der Bühne erstmals anstelle von Klavier oder Flügel eine Philicorda-Orgel ein, die für die kommenden dreißig Jahre sein musikalisches Kennzeichen wurde. – Kurz danach brach Hüsch die Zusammenarbeit mit der 68er-Bewegung ab, nachdem er beim Festival Chanson Folklore International auf der Burg Waldeck und in Berlin nach Störungen von der Bühne gebuht worden war als „Kitschgemüt mit Goldbrokat“, das seine poetische Kraft einem „bourgeoisen Verniedlichungstrend“ opfere. In seinem Programm Enthauptungen rechnete er verbittert mit den Erfahrungen ab. Er trat danach eine Zeit lang nur in der Schweiz auf.

Ende der 1960er Jahre wurde Hüsch verstärkt für das ZDF tätig: zum einen in der Rolle eines Reiseleiters mit Sinn für Groteskes, zum anderen als prägender Off-Sprecher in knapp 400 Laurel-und-Hardy-Filmen und anderen Streifen der Väter der Klamotte (z. B. Die kleinen Strolche und Pat & Patachon). Bei bisweilen mehr als 200 Szenen am Tag und bis zu fünf verschiedenen Stimmen auf einer Textseite gehörte dies, wie Hüsch einmal sagte, zu den anstrengendsten Arbeiten seines künstlerischen Lebens.

In den 1970er Jahren gelang ihm mit dem Programm Hüsch – Live 1973 der Durchbruch auf den deutschsprachigen Kleinkunstbühnen. Bis 1976 vergrößerte sich die Zahl seiner Zuhörer von Tournee zu Tournee und führte im Verlauf der 1970er Jahre zu weiteren festen husch03TV- und Radio-Engagements, wie etwa dem Gesellschaftsabend des Saarländischen Rundfunks – nicht nur die älteste Kabarettsendung in der ARD, als Besonderheit auch die einzige Parallele im Hörfunk und im Fernsehen – oder der Unterhaltung am Wochenende beim Westdeutschen Rundfunk. Daran schloss sich Hüschs großer Fernseherfolg als Familienvater in der ARD-Serie Goldener Sonntag (1976–1978) an. Ebenfalls in die Endphase der 1970er Jahre fiel die Erfindung seiner Kunstfigur Hagenbuch, jenes nörgelnden Träumers und spießigen Angebers, der in den 1980ern zu einer Lieblingsfigur des Hüsch-Publikums wurde.

In den 1980er Jahren veröffentlichte Hanns Dieter Hüsch zahlreiche Bücher und Schallplattenaufnahmen; er brachte jährlich mindestens ein neues Programm auf die Bühne. Im Jahre 1986 inszenierte er für das Westfälische Landestheater in Castrop-Rauxel Ein wunderlicher Kerl nach Wilhelm Busch (gesendet u. a. im ZDF Theaterkanal). Im Alter von 60 Jahren stellte er als jahrelanger Kettenraucher den Zigarettenkonsum ein.

Nach dem Tod seiner Frau Marianne verließ Hüsch 1988 nach 40 Jahren seine Wahlheimat Mainz und zog nach Köln („Ich wollte nicht nach Moers, in meine Kinderstadt, weil ich dachte, du fängst dann deinen Lebensabend an.“). Er ließ ab von neuen Programmen und führte seine Bühnenauftritte in Form von Lesungen fort. Der stets für christliche Toleranz eintretende Hüsch engagierte sich öffentlich z. B. auf Evangelischen Kirchentagen. Er lernte seine zweite Frau Christiane Rasche-Hüsch kennen (er nannte sie scherzhaft „die Chrise“). Das Paar heiratete 1991. In den folgenden Jahren schrieb er weiterhin Lebensphilosophisch-Besinnliches mit Akzenten vom Niederrhein. Von einer schweren Krebserkrankung wieder genesen, gab er im Jahre 2000 als dienstältester deutscher Kabarettist mit Wir sehen uns wieder seine Abschiedstournee. Kurz bevor sich Hanns Dieter Hüsch seinen letzten künstlerischen Lebenstraum erfüllen und in einer Inszenierung von Shakespeares König Lear am Staatsschauspiel Dresden in der Titelrolle auftreten konnte, erlitt er im November 2001 einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Er war danach nicht mehr in der Lage aufzutreten oder seine schriftstellerische Arbeit fortzuführen.

Unter dem Titel Kabarett auf eigene Faust veröffentlichte Jürgen Kessler vom Deutschen Kabarettarchiv ein umfangreiches Kompendium zu Hanns Dieter Hüschs mehr als 50 Bühnenjahren, das in vielen Bildern Hüschs Cabaretüden (so der Titel eines Buches aus den 60er Jahren) zwischen 1947 und 1997 Revue passieren lässt. Hanns Dieter Hüschs künstlerisches Vermächtnis erschien in Buchform im Oktober 2003 unter dem Titel Zugabe. 2004 wurde eine DVD-Box mit sieben Kabarettprogrammen aus drei Jahrzehnten veröffentlicht. Zu seinem 80. Geburtstag im Mai 2005 erfuhr der Künstler nochmals verschiedene Ehrungen, darunter eine große TV-Hommage mit vielen Weggefährten. Dazu übertrugen verschiedene Radiosender live entweder Die lange Hanns-Dieter-Hüsch-Nacht (Dauer: zehn Stunden) aus Jena oder aber die Gala Streng Öffentlich – Der Don Quijote vom Niederrhein aus der Stadthalle Rheinberg, unter anderem mit Dieter Nuhr, Konstantin Wecker, Erwin Grosche, Dieter Süverkrüp, Helmut Ruge und Günter Gall als Gästen.

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Im Mai 2005 erschien eine weitere Doppel-CD aus der Reihe Gesellschaftsabend mit den wichtigsten Liedern und Texten aus vier Jahrzehnten und eine Hörbuch-CD von Hanns Dieter Hüsch mit Texten aus seinem Buch Zugabe, vorgetragen von den Kabarettistenkollegen Elke Heidenreich und Dieter Hildebrandt. Im Herbst 2005 kamen dann Neuauflagen alter Hüsch-Bücher (u. a. Frieda auf Erden) heraus sowie die DVD Und sie bewegt mich doch mit einer Aufzeichnung des gleichnamigen Bühnenprogramms aus dem Jahre 1985.

Der Künstler lebte die letzten Jahre zusammen mit seiner Frau Christiane in Werfen im Windecker Ländchen. Seine letzte Ruhe fand Hüsch in einem Ehrengrab auf dem Hülsdonker Zentralfriedhof seiner Geburtsstadt Moers.

Hüsch war nicht der Typ Kabarettist, der sich in erster Linie mit tagespolitischen Fragen auseinandersetzte, sondern der sich eher als „literarischer Entertainer“ und als „philosophischer Clown“ begriff. Dies stellte ihn u. a. in eine Tradition mit Heinrich Heine. In seinen Texten behandelte er mit besonderer Vorliebe alltägliche Kuriositäten, in denen Hüsch zudem moralisch-politische Dimensionen aufdeckte. Als Zeitzeuge des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus trat er mit Nachdruck für die Anliegen der Friedensbewegung und gegen Neonazismus auf. Er sensibilisierte für non-konformistische Denkungsarten („Ich sing’ für die Ver-rückten, die seitlich Umgeknickten…“). In seiner Dankesrede zur Verleihung des Ludwig-Börne-Preises würdigte Henryk M. Broder 2007 Hüschs tolerante Sicht der Dinge. – Das Magazin SPIEGEL ONLINE beschrieb 2008 in der Rubrik ‚einestages‘ Hüschs Qualitäten als „Der Mann, der den Jazz in Worte fasste“.

Hüsch stieß auch auf Kritiker, wie etwa den Schriftsteller Eckhard Henscheid, für den husch06Hüsch „der Allerunausstehlichste“ war. Hüsch selbst nannte Henscheids 1986 erstmals veröffentlichten Verriss seiner Arbeit und Person, der für viel Wirbel sorgte, einen „verbrecherischen Scheißartikel“. – Ein Zwischenfall 1991 bei der Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises: Hüsch sollte den Preis an den Kabarett-Kollegen Georg Schramm überreichen. Dieser belustigte sich über die Situation und griff zu dem Etikett „Vorlese-Opa“; etliche Zuhörer reagierten mit Buh-Rufen. Hüsch blieb souverän und sagte, bevor er dem Kollegen die Glocke überreichte: „Wenn er sie denn will: aus meinen Händen.“ Schramm nahm den Preis entgegen; er relativierte siebzehn Jahre später in einem Statement auf Hüschs Webseite seine Bemerkung.

Für seine Arbeit erhielt Hüsch viele Preise und Auszeichnungen, darunter gleich zweimal, 1972 und 1982, den Deutschen Kleinkunstpreis, 1984 den Ehrenring der Stadt Mainz, 1985 den Ehrenring der Stadt Moers, die Morenhovener Lupe und den Rheinlandtaler 1990 sowie den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen (1994), das Bundesverdienstkreuz, den Kasseler Literaturpreis, das ‚Cornichon‘ der Oltner Kabarett-Tage, die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Moers, die Ehrenbürgerwürde der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, die Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz, den Kabarett-Oscar für sein Lebenswerk, den Großen Kulturpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland 1996 und den Wilhelmshavener Knurrhahn für sein Lebenswerk (2000).

Im Jahr 2000 wurde Hüsch für sein Lebenswerk mit dem Predigtpreis des Verlags für die Deutsche Wirtschaft (Bonn) ausgezeichnet.

Vom 28. April bis 28. Mai 2005 war die Ausstellung Wir sind wieder wer. Aber wer? 100 Jahre deutsches Kabarett – Kabarett im kalten Krieg (1946–1966) mit einem Sonderteil Hüsch in Mainz im Foyer des Mainzer Rathauses zu sehen; vom 6. Mai bis zum 25. September 2005 residierte Das schwarze Schaf vom Niederrhein (so der Ausstellungstitel) in einer großen Ausstellung im Grafschafter Museum im Moerser Schloss.

Ein Stern für sein Lebenswerk wurde Hüsch auf dem „Walk of Fame“ in Mainz gewidmet.

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Noch Kabarettisten der Gegenwart zeigen sich von Hüsch beeinflusst oder sind wie beispielsweise Jürgen Becker erst durch ihn zu kabarettistischer Betätigung inspiriert worden. Max Moor ist gar der Meinung: „Kabarett ohne den Einfluss von Hüsch? Unvorstellbar!“ Der von Hüsch begründete Kabarettpreis Das schwarze Schaf fördert zudem fortgesetzt den literarischen Kabarett-Nachwuchs und geht inzwischen auch auf Tournee. Außerdem covern Populärkünstler von Blumfeld bis Reinhard Mey bis heute immer wieder Lieder des später hauptsächlich als Wortkabarettisten wahrgenommenen Künstlers. Auch sonst ist Hüsch bis heute in den Medien präsent; Bücher, Bild- und Tonträger erscheinen weiterhin bzw. werden neu veröffentlicht, im Januar 2016 war er sogar noch einmal Coverboy der Radioprogrammzeitschrift Dampf-Radio.

Längst wurden auch Gebäude und andere Orte im öffentlichen Raum nach dem Kabarettisten benannt. So wurde zu seinen Ehren das Bildungszentrum in Moers, das die Bibliothek, die Volkshochschule, das Stadtarchiv und das Kulturbüro beherbergt, in Hanns-Dieter-Hüsch-Bildungszentrum umbenannt. Am 6. Mai 2007 wurde in der Moerser Altstadt an der Ecke Friedrichstraße/Pfefferstraße der Hanns-Dieter-Hüsch-Platz eingeweiht. Auf dem Platz erinnern fünf Granittafeln mit Karikaturen und Versen – rundherum in den Granit gemeißelt – und eine Hinweistafel an Hüsch. Seit 2006 existiert auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz der Hanns-Dieter-Hüsch-Weg und verbindet dort den Ackermannweg und den Anselm-Franz-von-Bentzel-Weg. Die zusammengehörende Hauptschule Uedem-Weeze trägt seit Anfang des Schuljahres 2009 den Namen Hanns-Dieter-Hüsch-Verbundschule.(Quelle: wikipedia)

Hanns Dieter Hüsch vor dem „Unterhaus“, Mainz:
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Als Einstieg in die wunderbare Welt des Hanns Dieter Hüsch eignet sich dieses Doppelabum ganz besonders, denn sie ist als Querschnitt seiner Arbeiteten der ersten 25 Jahren konzipiert.

Entstanden ist sie bereits im April 1970 ind zwar in  der legendären Kabarettbühne „Unterhaus“, Mainz. Dieses Abum war wohl eines der erfolgreichsten Alben von Hüsch und das nichtg zu unrecht.

Der „literarischer Entertainer“ und als „philosophischer Clown“ entfacht hier ein Feuerwerk auf höchstem Niveau …  Esprit und durchgeknallter Humor geben sie hier die Hand … Und ein Höhepunkt jagd den anderen … ich weiss gar nicht, wo ich da anfangen soll … aber ich versuch´s mal … „Frieda und der Wilde Westen“, „Geistige Leute“ sowie „Nachfeier“ sind schon ganz besondere Kracher …

Livemitschnitt aus dem Unterhaus, Mainz

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Besetzung:
Hanns Dieter Hüsch (Sprecher, organ)

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Titel:
01. Hüsch über Hüsch 4.42
02. Tucholsky 2.47
03. Wie ich die Frieda kennenlernte 4.35
04. Ich schäm‘ mich so 4.36
05. Von Windeln verweht 3.20
06. Die großen leeren Plätze 3.18
07. Ich möcht‘ ein Clown sein 1.46
08. Geistige Leute 10.02
09. Und Samstags zu Beethoven 3.50
10. Belmondo 6.08
11. Holland & Norderney 4.39
12. Frieda und der Wilde Westen 8.40
13. Radio-Vorschau 3.29
14. Humanistisches Gymnasium 4.29
15. Silvester 10.52
16. Die Prüfung  3.04
17. Hausmusik 4.58
18. Nachfeier 9.34
19. Sinn des Lebens 5.05

Musik + Texte: Hanns Dieter Hüsch

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Diese Präsentation ist nur möglich, weil ich schon vor Jahren immer wieder Post aus Lummerland bekommen habe:

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Mehr von Hanns Dieter Hüsch:
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Verschiedene Interpreten – Notizen aus der Republik (Zum 60. Jahrestag des Kieler Matrosenaufstandes) (1978)

FrontCover1Und jetzt wird es durch und durch sozialdemokratisch … oder zumindest so, wie sich die Sozis in den 70er Jahren gerne präsentiert haben:

Und die hatten in dem Landesverband Schleswig-Holstein eine kleine Mitgliederzeitschrift und die nannten sie „Wir“.

Und genau diese Mitgliederzeitschrift wa veranwortlic für diese ganz sicher seltene Scheibe:

„Notizen aus der Republik“ ist eine Schallplatte, die aus einer Veranstaltung zum 60. Jahrestag des Kieler Matrosenaufstandes‎ entstanden ist.

Am 17. November 1978 lud die Mitgliederzeitschrift der SPD Schleswig-Holstein Liedermacher, Kabarettisten und Politiker in die Kieler Ostseehalle, um an einen Jahrestag zu erinnern, der bei „Sozialisten gemischte Gefühle“ (Festredner Hans Koschnick) hervorruft.

60 Jahre nach dem Kieler Matrosenaufstand, der dem Kaiserreich ein Ende machte und der 1. deutschen Republik den Weg bereitete, wollten wir Sozialdemokraten den Kampf der Matrosen um Frieden, Brot und Freiheit ins Gedächtnis rufen und zugleich ein paar Schlaglichter auf jenen deutschen Ungeist werfen, der sich über alle Revolutionen, über die Diktatur bis in die 2. Republik des Jahres 1978 hinübergerettet hat: Duckmäusertum, Intoleranz und nationale Überheblichkeit.

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Aus der Überzeugung, dass der – unbestritten – freiheitlichste Staat auf deutschem Boden noch lange nicht den Idealen der Aufständischen von 1918 – und übrigens auch nicht denen des Grundgesetzes – in seiner konkreten Verfassungswirklichkeit entspricht, haben wir bewusst jene Künstler und Publizisten zu unserem Fest geladen, die von der CDU, der konservativen Presse und zuweilen auch von eigenen Zeitgenossen mit dem Prädikat „vaterlandsloser Geselle“ dekoriert werden.

So erlebten 6000 Zuschauer in der Kieler Ostseehalle „Notizen aus der Republik“ als eine bunte Revue kritischer Anmerkungen zur deutschen Geschichte, wie zur Gegenwart, in der der Kommunist Wolf Biermann (dessen Mitwirkung auf dieser Schallplatte aus rechtlichen Gründen leider nicht möglich war) ebenso seinen Platz hatte, wie der „Grüne“ Knut Kiesewetter, der ehemalige USPD-Vorsitzende von Kiel, Lothar Popp, der Lästerlyriker Hans Scheibner, die Frauenmusikgruppe „Schneewittchen“, der Kabarettist Dieter Hildebrandt, der Atomkritiker Robert Jungk oder ‚Kuddl Schnööf‘ alias Jochen Steffen. (Hüllentext von Bernd Michels)

Eintrittskarte

Über Dieter Hildebrandt brauche ich eigentlich kein Wort verlieren, aber auch der Jocen Steffen sollund darf nicht in Vergessenheit geraten:

Karl Joachim Jürgen Steffen (* 19. September 1922 in Kiel; † 27. September 1987 ebenda) war ein deutscher Politiker der SPD Schleswig-Holstein. Unter anderem war er von 1965 bis 1975 Landesvorsitzender seiner Partei. Über seine politische Tätigkeit hinaus erlangte er Bekanntheit als Kabarettist mit seiner Figur Kuddl Schnööf.

Jochen Steffen01 (1965)Jochen Steffen studierte ab 1946 an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel die Fächer Literaturwissenschaft, Philosophie, Psychologie und Soziologie. Nach sieben Semestern beendete er sein Studium ohne Abschluss. Trotzdem beschäftigte ihn Michael Freund als seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter am Seminar für Wissenschaft und Geschichte der Politik. Durch diese Tätigkeit war Jochen Steffen ein Kollege von Gerhard Stoltenberg, seinem späteren politischen Gegner. Danach arbeitete Steffen als Redakteur in der SPD-Presse, etwa für das Wochenblatt Flensburger Presse, die Kieler Volkszeitung und andere.

Seit Herbst 1974 zählte Steffen zum Beratergremium des neu gegründeten Magazins Technologie und Politik, dessen Herausgeber Freimut Duve war.

Jochen Steffen wurde 1954 zum Landesvorsitzenden der Jungsozialisten gewählt. Von 1958 bis 1977 war er Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtages. 1965 wählte der Landesparteitag ihn zum Vorsitzenden der SPD in Schleswig-Holstein.

In der Zeit von 1966 bis 1973 war Steffen als Oppositionsführer im Landtag tätig und trat zweimal erfolglos als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten an (1967 und 1971). Im Wahlkampf 1970/71 wurde die schleswig-holsteinische SPD von der „Wählerinitiative Nord“ (Siegfried Lenz, Günter Grass, Eberhard Jäckel) unterstützt. Nach der Wahlniederlage 1971 gegen Gerhard Stoltenberg (CDU) zog sich Jochen Steffen schrittweise aus der Politik zurück. Während des Wahlkampfes gab es eine bundesweite Kampagne gegen Steffen. Besonders die Springer Medien kolportierten seitenlange Angriffe gegen ihn.

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Der „rote Jochen“ – so genannt nicht nur wegen seiner Haarfarbe, wie er augenzwinkernd sagte, sondern wegen seines „linken“ politischen Standorts – brach mit der Wachstumsideologie und trat gegen Kernkraftwerke und für Naturschutz ein. 1973 legte er den Vorsitz der SPD-Fraktion im Kieler Landtag nieder. Als sein Nachfolger wurde Klaus Matthiesen gewählt.

1975 trat Steffen vom Vorsitz des SPD-Landesverbandes zurück und verließ auch die Grundwertekommission der SPD. 1977 verzichtete er auf sein Landtagsmandat und den Sitz im SPD-Bundesvorstand. 1980 verließ er die Partei aus Enttäuschung über den seiner Meinung nach zu kapitalismusfreundlichen Kurs der Partei.

Nach seiner Tätigkeit als Politiker wirkte Jochen Steffen als Kabarettist. Er lebte bis zu seinem Tod in Kiel-Holtenau.

Jochen Steffen alias Kuddl Schnööf hielt kabarettistische Vorträge im Kieler Missingsch. Häufig wurde er mit der Figur des Adolf Tegtmeier verglichen, unterschied sich von dieser vordergründig eher unpolitischen Figur jedoch durch sein starkes politisches und kritisches Bewusstsein. Heute dürfte der Kabarettistenname Kuddl Schnööf fast bekannter sein als der Politikername Jochen Steffen. (wikipedia)

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Und auch über den Hans Scheibner hätte ich eigentlich mal zu berichten, und der Knut Kiesewetter schwenkte schon damals das grüne Fähnchen und Schneewittchen … ,ein Gott … war damals wohl notwendig.

Hans Scheibner

Ach ja … weiter Exemplare meines sozialdemokratischen Hausschatzes werden hier noch folgen … dann: damals war ich noch Mitglied in der SPD (allerdings gehörte ich noch zu den wild gewordenen Jusos jener Jahre).

Hier aber nun ein Sprung in jene Zeit, als diese SPD – zumindest auf solchen Veranstaltungen – sich gemäßigt progressiv darstellte.

Ausschnitte aus einer öffentlichen Veranstaltung der Zeitschrift „wir“ zum 60. Jahrestag des Matrosenaufstandes am 17. November 1978 in der Kieler Ostseehalle

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Titel:
01. Hans Scheibner: Deutschland, meine Kneipe (Scheibner/Sarluis) 2.47
02. Jochen Steffen: Kuddl Schnööf über Sozialdemokraten und die Revolution 1918 (Steffen) 16.17
03. Schneewittchen: Der Mann, das ist ein Lustobjekt (Domdey/Güssefeld) 4.15
04. Hans Scheibner: Das Lied von der Mittelmäßigkeit (Scheibner/Sarluis) 2.12
05. Knut Kiesewetter: Bin ich schon konservativ? (Kiesewetter) 3.06
06. Dieter Hildebrandt: Solo zur „Gesinnungslage der Nation“ (Hildebrandt) 15.37
07. Schneewittchen: Nehmen Sie’s wie ein Mann, Madame (Domdey/Güssefeld) 4.28
08. Knut Kiesewetter: Die Macht im Staat haben immer noch die gleichen… (Kiesewetter) 5.33

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Eine alte Postkarte aus dem Jahr 1918 (man klicke auf diese Postkarte für mehr Informationen):
Postkarte1918

Hagen Rether – Liebe (1) (2005)

FrontCover1Und weiter geht´s mit Hagen Rether …

Hagen Rether (* 8. Oktober 1969 in Bukarest, Rumänien) ist ein deutscher Kabarettist.

Rether verbrachte seine frühen Kinderjahre als Sohn deutschstämmiger siebenbürgischer Eltern im rumänischen Bukarest und in Hermannstadt. 1973 siedelte seine Familie nach Deutschland über und zog nach Freiburg im Breisgau. Rether, der seit seinem achten Lebensjahr Klavier spielt, lebt heute in Essen, wo er Anfang der 1990er Jahre erst ein Studium an der Folkwang-Hochschule absolvierte und anschließend eine Ausbildung zum Heilpraktiker begann, die er aus Zeitmangel nicht abschloss.

Seit 2002 ist Hagen Rether Mitglied des globalisierungskritischen Netzwerks attac. Er ist außerdem Mitglied in der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sowie des Vereins „Integrative Kulturarbeit e.V.“, der soziokulturelle Projekte an Schulen in den sozialen Brennpunkten des Ruhrgebiets organisiert. Zudem unterstützt er Medica mondiale, für welche er mittels Ständen bei seinen Auftritten wirbt.

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Bevor er mit einem eigenen Programm auf Tournee ging, war Rether von 1996 bis 2005 als Pianist im Programm von Ludger Stratmann tätig.

Mit seinem Soloprogramm „Liebe“, das er stets aktualisiert und variiert, bietet er seit 2003 scharfzüngiges, vornehmlich politisches Kabarett. Er behandelt in seinem Programm zwar auch tagespolitische Themen, legt seinen Schwerpunkt jedoch eher auf gesellschaftspolitische Themen wie Religion, Massenmedien, Kapitalismus, Konsumismus und Globalisierung.

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Zu wichtigen Bereichen für seine thematischen Auseinandersetzungen zählen unter anderem die katholische Kirche, deren Skandale und die Institution des Papsttums sowie die komplexen politischen Verwicklungen der Großmächte, insbesondere die der USA. Er hinterfragt jedoch auch die Vereinnahmung von Vertretern vorgeblich linker Politik durch die Macht des Kapitals („Vorzeigelinker“) und andere Widersprüchlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens. Auch die Parodie (beispielsweise von Jürgen Rüttgers und Herbert Grönemeyer) spielt in seinem Werk eine Rolle. Personen der Zeitgeschichte und des aktuellen politischen Geschehens werden als Objekte seiner Satiren aufs Korn genommen, Massentierhaltung, Fleisch- und Milchkonsum werden von dem bekennenden Veganer heftig kritisiert. Zudem thematisierte er in den letzten Jahren häufiger die wachsende Islamfeindlichkeit, die er in der deutschen Gesellschaft, in der Politik und in den Medien beobachtet.

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Markanter Bestandteil seiner Auftritte ist ein schwarzer Konzertflügel, den er bei seinen Bühnenauftritten meist parallel zu seinem Vortrag ebenso „gelangweilt“ wie akribisch reinigt und im weiteren Verlauf sowohl für musikalische Einlagen als auch zur Begleitung seiner sprachlichen Darbietung verwendet – oder aber auch völlig ungespielt lässt. Er sitzt dabei meist nicht auf einem Klavierhocker, sondern auf einem Bürostuhl mit Armlehnen. Als Requisiten für seine Auftritte dienen, neben dem obligatorischen Glas Wasser mit Wasserflasche, einem Putzlappen und einer Sprayflasche mit Reinigungsmittel, häufig auch ein Baseballschläger und einige Bananen, von denen er während seiner Vorstellungen hin und wieder eine oder mehrere verzehrt.

Hagen Rether ist regelmäßig zu Gast in Kabarettsendungen wie den Mitternachtsspitzen (WDR), Neues aus der Anstalt (ZDF) und dem Satire Gipfel (Das Erste). (wikipedia)

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Hagen Rether, wurde am 8. Oktober 1969 in Bukarest geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Freiburg, wo er mit acht Jahren mit dem Klavier Spielen begann. Zum Studium zog es ihn an die Folkwang-Musikhochschule nach Essen. Seit 1996 ist er bundesweit knapp zweitausend Mal mit dem Essener Kabarettisten Doktor Stratmann aufgetreten.

Er leidet am bürgerlichen Leben wie auch an den weltpolitischen Zuständen. Pianist und Kabarettist Hagen Rether zeigt in seinem Soloprogramm „Liebe“ was gut und weh tut.

Friede, Freude, Pustekuchen. Der Mann am Klavier macht sich – in mehreren Rollen – Luft in ätzenden Wortkaskaden. Stets tagesaktuell. Dann spielt er etwas Bach und schlachtet mehrere Popikonen, flüstert und schreit, singt, grunzt und jodelt, schwadroniert Kultur- und Kapitalismuskritisches, schleicht und rast im Wechsel über die Schmerzgrenze des Publikums.

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Es purzeln Kategorien und Genre-Regeln: Was ist das nur? Ein blasphemischer Liederabend? Dadaistisches Improtheater? Slam-Poetry? Zeitgeist-Satire? Klaviercomedy oder Polit-Kabarett? Jedenfalls dies: unverschämt. Rether schwankt virtuos zwischen Albernheit und tiefer Tragik, Größenwahn und Verlegenheit, Flirt und Attacke – sein Publikum zwischen Liebe, Lachtränen und stummem Entsetzen. Bittersüß! (Süddeutsche Zeitung)

Hier sein Debüt-Album, auch diese gehört in die Kategorie brilliant, wenngleich man natürlich merkt, dass das Album 2005 entstanden ist.

So spielen z.B. ein Herr Möllemann, ein Herr Kohl und ein Herr Stoiber eine wichtige Rolle.

Aber so gesehen, sind all die Aufnahmen von Hagen Rether auch ein zeithistorisches Archiv für all jene Themen der jeweiligen Zeit … aufschlussreich und trotz all dem bitterbösen, schwarzen Humor … amüsant !

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Besetzung:
Hagen Rether (vocals, piano)

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Titel:
01. Liebe 3.29
02. Alice 7.17
03. Bärbel 3.34
04. Barbara 4.35
05. Karin 6.07
06. Angela 5.15
07. Diana 2.42
08. Hannelore 4.20
09. Mortadella 4.22
10. Pisa 7.38
11. Johanna Paula 9.51
12. Humana Ikea 3.04
13. Viagra 4.10
14. Finca 8.15

Musik und Texte: Hagen Rether

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Mehr von Hagen Rether:
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Die offizielle Website:
Website

Sandra Wiest – Braucht’s des – Gerhard Polt zum 70sten (2012)

TitelGestern wurde er 80 Jahre alt:

Gerhard Polt (* 7. Mai 1942 in München) ist ein deutscher Kabarettist, Autor, Fernseh- und Filmschauspieler.

Verleihung des Ehrenpreises des ZMF 2015 durch Gernot Erler (MdB)
ZMF 2015, Gerhard Polt liest Peter und der Wolf begleitet von der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg

Schon wenige Monate nach Gerhard Polts Geburt zog seine Mutter mit ihrem Sohn während des Zweiten Weltkriegs in den katholischen Wallfahrtsort Altötting, um der zunehmenden Gefahr durch Bombenangriffe in München zu entgehen.

Sein Vater Richard, Rechtsanwalt und während des Kriegs Major, verbrachte einen Teil der Kriegsjahre in Wien. Nach der Rückkehr des Vaters aus der Kriegsgefangenschaft nach München bezog die Familie 1951 wieder ein gemeinsames Zuhause in der Stadt. 1957 erfolgte erneut ein Umzug Polts mit seiner Mutter innerhalb Münchens in die Amalienstraße in der Maxvorstadt. Dieser Straße widmete er Jahre später sein erstes Hörspiel Als wenn man ein Dachs wär’ in seinem Bau.

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Auf das Abitur folgten das Studium der Politikwissenschaft an der Hochschule für Politik München und Geschichte an der Universität München, anschließend das Studium der Skandinavistik und des Altgermanischen von 1962 bis 1968 in Göteborg. Polt spricht fließend Schwedisch und trat mit einem schwedischsprachigen Bühnenprogramm u. a. vor König Carl XVI. Gustaf auf.

Nach seiner Rückkehr nach München arbeitete Polt als Übersetzer, Lehrer und Dolmetscher. Heute lebt Polt in Neuhaus (Gemeinde Schliersee). Er ist seit 1971 verheiratet und hat einen Sohn.

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Polt begann seine Karriere mit einer Hörspielproduktion des Hessischen Rundfunks, Als wenn man ein Dachs wär’ in seinem Bau. Darin spielte er die Rollen von mehr als 30 verschiedenen Personen, die durch Maßnahmen der Stadtsanierung aus ihrer angestammten Umgebung, der Münchner Amalienstraße, vertrieben werden. Seinen ersten Bühnenauftritt hatte Polt 1975 mit dem kabarettistischen Programm der Kleinen Nachtrevue in der Münchner Kleinen Freiheit. Es folgten große Publikumserfolge an den Münchner Kammerspielen (u. a. Diridari und Tschurangrati), die er mit dem Regisseur Hanns Christian Müller realisierte und in denen u. a. auch Dieter Hildebrandt, Otto Grünmandl und Gisela Schneeberger mitwirkten.

Einem größeren Publikum wurde Polt durch seine zwölfteilige Sketchreihe Fast wia im richtigen Leben bekannt. Seine Partnerin in diesen vom Bayerischen Rundfunk produzierten und 1979 erstmals ausgestrahlten Sendungen war Gisela Schneeberger. Es folgten (ebenfalls in Zusammenarbeit mit Hanns-Christian Müller) Kinofilme wie Kehraus, Man spricht deutsh und Germanikus.

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1979 wurde ein Manuskript Polts für die Sendung Einwürfe aus der Kulisse von Redakteuren des ZDF um einige kritische Stellen über Friedrich Zimmermann („Old Schwurhand“) gekürzt.[6] Polt revanchierte sich ein Jahr später bei der Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises, die vom ZDF übertragen wurde. Da ihm erneut verboten worden war, Zimmermann zu erwähnen, hielt er in der ihm als Preisträger eingeräumten Zeit keine Ansprache. Stattdessen schlug er, unterbrochen von kurzen Pausen, scheinbar die Minuten tot, indem er z. B. darüber sprach, dass er nichts sagen würde („I sag ja nix, gell?“ – „also, aus mir ist nix herauszubringen… i bin ja net bled“), und deutete an, dass er sonst in einen Rechtsstreit mit einer „Rechtsabteilung“ kommen könne, den er sich finanziell nicht leisten könne; mit Hinweis auf eine auf der Bühne laufende Sanduhr wies er zudem immer wieder auf das Vergehen seiner angeblich zehnminütigen Rede- bzw. Bühnenzeit hin und empfahl u. a. dem Fernsehpublikum, auf die Zeit zu achten, falls nämlich nur ein Ausschnitt – z. B. nur acht Minuten – seiner Bühnenzeit gesendet würde und damit ja ein (herausgeschnittener) Teil fehlen würde; tatsächlich ging Polt nach etwa acht Minuten von der Bühne.

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Ebenfalls 1980 trat er als Gast in der ersten Folge des Scheibenwischers auf und nahm dort erneut Bezug auf die Auseinandersetzung mit dem ZDF. Er sprach über Satire im Fernsehen und zitierte den Programmdirektor mit der Aussage, „die Satire soll die Wirklichkeit nicht überzogen widerspiegeln“.

In seinen Rollen spielt Polt oft den engstirnigen und wenig reflektierenden Bürger, der mit großer Selbstverständlichkeit seine Meinung kundtut. Dabei bedient er sich auch gern bestimmter Klischees: die Intoleranz der Deutschen („Toleranz ist kein deutscher Begriff“), die deutsche Fremdenfeindlichkeit („der Asiate schmutzt nicht“). Aber auch Intellektuelle, Neureiche, Beamte oder Politiker werden von ihm pointiert dargestellt.

Viele seiner Bühnenauftritte absolvierte Polt zusammen mit der Biermösl Blosn.

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1990 wirkte er zusammen mit der Biermösl Blosn an dem Toten-Hosen-Album Auf dem Kreuzzug ins Glück mit. Am Ende des Jahres 2005 tourte er mit den Toten Hosen und der Biermösl Blosn durch verschiedene Theater und Opernhäuser und spielte unter der Regie von Hanns Christian Müller das Programm Abvent. Anlässlich seines 70. Geburtstages zeigte das Literaturhaus München vom 2. März bis 15. Juli 2012 eine Ausstellung mit dem Titel Braucht’s des?! – Gerhard Polt zum 70sten (Kuratorin: Sandra Wiest).

Seit 2016 engagiert sich Polt in München für die Gründung eines „Haus des Humors“ in einem denkmalgeschützten Gebäude auf dem Gelände des ehemaligen Viehhofs.

Er ist einer der 28 Erstunterzeichner des „Offenen Briefs an Kanzler Olaf Scholz“ vom 29. April 2022 in der Zeitschrift Emma, der sich gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine aus Sorge vor einem Dritten Weltkrieg im Kontext des Ukraine-Konfikts ausspricht. (wikipedia)

Gerhard Polt erhielt 2021 den Bayerischen Verdienstorden:
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Und rückwärtsgewandt wie dieser blog nun mal ist, präsentiere ich nun sehr gerne eine kleine Festschrift zu seinem 70.Geburtstag … entstanden ist sie im Zusammenhang mit der damaligen Geburtstagausstellung im rührigen „Literaturhaus München“:

Das Literaturhaus München präsentiert: Gerhard Polt und sein unvollendetes Werk, kommentiert von ihm selbst.
Das Resultat: Ein Nachruf zu Lebzeiten, frei nach Gerhard Polt:

»Ein Mensch, der lebt, verdient keine Biografie«

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Gezeigt werden größtenteils unbekannte Fotografien und Exponate aus dem Privatbesitz Gerhard Polts, dazu zahlreiche Filmraritäten und eigens konzipierte Videokommentare. Die Ausstellung ist eine Begegnung mit dem Übersetzer, Lehrer, Dolmetscher und Autor, Kabarettisten, Schauspieler, Sprachkünstler und Philosophen und vor allem mit dem Zeitgenossen Gerhard Polt.

Die Kuratorin Sandra Wiest ist Kulturwissenschaftlerin und arbeitet unter anderem als Fernsehjournalistin für den Bayerischen Rundfunk. (Pressetext)

Und hier eben diese kleine Broschüre (20 Seiten) mit diversen Köstlichkeiten aus Gerhard Polt´s Privatschatulle (=Privat-Archiv).

Noch heute ein Vergnügen er besonderen Art !

Ois guade, Gerhard Polt !

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So ging´s 1976 los:
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Auch hinter der Bühne trieb er seinen Schabernack:
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Die Rückseite der Broschüre:
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Pressestimmen zur damaligen Ausstellungen:

»Denn, so spricht Polt: ›Ein Mensch, der lebt, verdient keine Biografie.‹ Und so gibt es einige skurrile Exponate, die den ganz besonderen Humor des Jubilars schön illustrieren, vor allem aber sind es die Sketche, die verzaubern. Fast wie auf der richtigen Bühne fühlt man sich zeitweise am Bootssteg in der Ausstellung, und es gibt keineswegs nur eine Best-Of-Sammlung zu sehen, aus der legendären Fernsehserie ›Fast wie im richtigen Leben‹ etwa. Sondern eine Reihe weniger bekannter Szenen. Und nicht zuletzt hat es die Kuratorin geschafft, Polt zu exklusiven Videobotschaften an die Ausstellungsbesucher zu überreden. Allein deshalb kann man sagen, was einen eventuellen Besuch des Literaturhauses angeht: Ja, des braucht’s!« (Franz Kotteder, SZ-Extra, 1.3.2012)

Das Ausstellungsplakat:
Ausstellungsplakat

»›Besser eine Ausstellung als wenn man ausgestopft wird‹, sagte Polt schlicht am Donnerstag in München. Die Schau mit dem Titel ›Braucht’s des?‹ präsentiert die zahlreichen Stationen in Polts Leben – von der Kindheit als evangelisch getaufter Bub im katholischsten aller bayerischen Orte: Altötting bis hin zu seinem neuesten Werk: einer filmischen Abhandlung über die Freuden des Bootsverleihs. Der Bootsverleih sei eine ›radikale Gegenwelt‹, sagte Polt. ›Ich kenn kaum was, was den Menschen mehr erregen kann.‹ (AZ, 1.3.2012)

»›Bootsverleiher‹, das wär’s gewesen. Gerhard Polts Traum, mehr Berufung als Beruf. Aber es hat nicht sollen sein. ›Zwei Mal gescheitert‹, sagt er, ›erst als Ministrant in Altötting, später als Bootsverleiher am Schliersee.‹ Deshalb ist auch das optische Konzept der Ausstellung zum 70. Geburtstag den der begnadete Kabarettist im kommenden Mai feiert, so ungewöhnlich wie der ganze Mensch.« (Passauer Neue Presse, 3.3.2012)

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Mehr von Gerhard Polt:
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Die offizielle Website:
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Hagen Rether – Liebe 3 (2010)

FrontCover1Im September 2021 schrieb ein treuer Leser dies blogs, ich könne gerne weitere „Liebesorgien“ präsentieren.

Das greife ich nun gerne mal wieder auf:

Hagen Rether (* 8. Oktober 1969 in Bukarest) ist ein deutscher Kabarettist.

Rether verbrachte seine frühen Kinderjahre als Sohn deutschstämmiger siebenbürgischer Eltern im rumänischen Bukarest und Hermannstadt. 1973 siedelte seine Familie nach Deutschland über und zog nach Freiburg im Breisgau. Rether, der seit seinem achten Lebensjahr Klavier spielt, lebt heute in Essen, wo er Anfang der 1990er Jahre erst ein Studium an der Folkwang-Hochschule absolvierte und anschließend eine Ausbildung zum Heilpraktiker, die er allerdings aus Zeitmangel nie abschloss.

Seit 2002 ist Hagen Rether Mitglied des globalisierungskritischen Netzwerks attac. Er ist außerdem Mitglied in der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, sowie des Vereins „Integrative Kulturarbeit e.V.“, ein Verein, der soziokulturelle Projekte an Schulen in den sozialen Brennpunkten des Ruhrgebiets organisiert. Zudem unterstützt er Medica mondiale, für welche er mittels Ständen bei seinen Auftritten wirbt.

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Bevor er mit einem eigenen Programm auf Tournee ging, war Rether von 1996 bis 2005 als Pianist im Programm von Ludger Stratmann tätig.

Mit seinem Soloprogramm „Liebe“, das er stets aktualisiert und variiert, bietet er seit 2003 scharfzüngiges, vornehmlich politisches Kabarett. Er behandelt in seinem Programm zwar auch tagespolitische Themen, legt seinen Schwerpunkt jedoch eher auf gesellschaftspolitische Themen wie Religion, Massenmedien, Kapitalismus, Konsumismus und Globalisierung.

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Zu wichtigen Bereichen für seine thematischen Auseinandersetzungen zählen unter anderem die katholische Kirche, deren Skandale und die Institution des Papsttums sowie die komplexen politischen Verwicklungen der Großmächte, insbesondere die der USA. Er hinterfragt jedoch auch die Vereinnahmung von Vertretern vorgeblich linker Politik durch die Macht des Kapitals („Vorzeigelinker“) und andere Widersprüchlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens. Auch die Parodie (beispielsweise von Jürgen Rüttgers und Herbert Grönemeyer) spielt in seinem Werk eine Rolle. Personen der Zeitgeschichte und des aktuellen politischen Geschehens werden als Objekte seiner Satiren aufs Korn genommen, Massentierhaltung, Fleisch- und Milchkonsum werden von dem bekennenden Veganer heftig kritisiert. Zudem thematisierte er in den letzten Jahren häufiger die wachsende Islamfeindlichkeit, die er in der deutschen Gesellschaft, in der Politik und in den Medien beobachtet.

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Markanter Bestandteil seiner Auftritte ist ein schwarzer Konzertflügel, den er bei seinen Bühnenauftritten meist parallel zu seinem Vortrag ebenso „gelangweilt“ wie akribisch reinigt und im weiteren Verlauf sowohl für musikalische Einlagen als auch zur Begleitung seiner sprachlichen Darbietung verwendet – oder aber auch völlig ungespielt lässt. Er sitzt dabei meist nicht auf einem Klavierhocker, sondern auf einem Bürostuhl mit Armlehnen. Als Requisiten für seine Auftritte dienen, neben dem obligatorischen Glas Wasser mit Wasserflasche, einem Putzlappen und einer Sprayflasche mit Reinigungsmittel, häufig auch ein Baseballschläger und ein paar Bananen, von denen er hin und wieder ein Exemplar bedächtig von der Schale befreit und genussvoll verzehrt.

Hagen Rether war und ist regelmäßiger Gast in Kabarettsendungen wie den Mitternachtsspitzen (WDR), Neues aus der Anstalt (ZDF) und dem Satire Gipfel (Das Erste). (Quelle: wikipedia)

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Hier sein viertes Album bzw. Programm … nach „Liebe eins“ und „Liebe zwei“ nun halt „Liebe drei“.

Hagen Rether spielt seit 1999 sein Solo-Programm – am liebsten in großen, ausverkauften Theatern, weil er Trost und Anerkennung sucht. Er besitzt kein Parteibuch und kein Haustier, jedoch einen Blutspenderausweis und ein Navi. Seine Hobbies sind Schwimmen, Lesen und Musikhören. Er hofft, dass die Hoffnung zuletzt stirbt, und glaubt an Heilung. Sein Programm heißt immer LIEBE und ist immer im Wandel. Er bemüht sich, die Welt besser zu verlassen als er sie vorgefunden hat, was natürlich misslingen muss.

Hagen Rether gehört zu den Spitzenkräften des politischen Kabaretts, dafür wurde er mit allen entscheidenden Preisen ausgezeichnet. Er spricht leise und wenig, also wenig verglichen mit anderen Künstlern seiner Branche. Das heißt jedoch nicht, dass er weniger zu sagen hätte. (Pressetext)

Hagen Rether wütend wie nie. Wer will es ihm verdenken. In einer Zeit, in der ganze Völker von Politik und Medien nur noch an der Nase herum geführt werden.

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In meinen Augen wieder ein sehr gutes Programm von einem Mann, der es wie kein anderer versteht, seine gesellschaftliche Kritik in feinste Ironie und intelligente Wortfolgen zu packen.

In Zeiten von Cindy aus Marzahn und Mario Barth sorgen Leute wie Hagen Rether für den nötigen Gegenpol. (Legolas)

Auch bei diesem Programm nimmt er kein Blatt vor denn Mund

Natürlich beziehen sich seine Texte auf die damaligen politischen Ereignisse, sind von daher nicht brandaktuell … siehe z.B. Roland Koch … aber dienen auf hervorragende Weise dazu, sich einem Geschichtsunterricht der anderen Art hinzugeben.

Und seine Reflektionen z.B. zu „linker“ und „rechter“ Gewalt … sind leider brandaktuell.

BackCover

Besetzung:
Hagen Rether (Sprecher, piano)

Inlet

Titel:
01. Steinweh 4.03
02. Schokolade 4.32
03. Bart 3.07
04. Pop 8.12
05. Splitter 6.45
06. Watschenbäume 8.42
07. Licht 5.54
08. Lustig 3.49
09. Den Haag 7.49
10. Schnapsmohn 7.35
11. Wir sind die Guten 13.21
12. So nett 3.49

Texte und Musik: Hagen Rether
außer bei 12.: Text: William Shakespeare

CD1*
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Mehr von Hagen Rether:
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Die offizielle Website:
Website