Verschiedene Autoren – Lesespaß – 15 Satiriker erzählen zu Ihrem Vergnügen (1979)

TitelJa, ja, die gute alte Satire … was wärte ich bloß ohne sie …

Zur Begriffsklärung:

Satire ist eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert, verspottet oder angeprangert werden. Typische Stilmittel der Satire sind die Übertreibung als Überhöhung oder die Untertreibung als bewusste Bagatellisierung bis ins Lächerliche oder Absurde. Üblicherweise ist Satire eine Kritik von unten (Bürgerempfinden) gegen oben (Repräsentanz der Macht), vorzugsweise in den Feldern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur.

In der älteren Bedeutung des Begriffs war Satire lediglich eine Spottdichtung, die Zustände in sprachlich überspitzter und verspottender Form thematisiert. Historische Bezeichnungen sind auch Spottschrift, Stachelschrift und Pasquill (gegen Personen gerichtete satirische Schmähschrift).

Das Wort Satire entstammt dem lateinischen satira, das wiederum aus satura lanx hervorgeht und ‚mit Früchten gefüllte Schale‘ bedeutet. Im übertragenen Sinn lässt es sich mit ‚bunt gemischtes Allerlei‘ übersetzen. In früherer Zeit wurde Satire fälschlicherweise auf Satyr zurückgeführt, daher die ältere Schreibweise Satyra (wikipedia)

Ein aktuelles Satirebuch:
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Und, wann immer ich eine Büchlein (164 Seiten) wieder dieses in die Hände bekomme, greife ich zu … meine Neugierde treibt mich dazu.

Das vorlieghende Buch ist ein Sammelband von diversen Autoren (die meisten waren mir gar nicht bekannt), das mir vorliegende Exemplar ist ein Präsent der Ganghofschen Buchhandlung Ingolstadt

Quelle: Donaukurier, 15.03.2012:
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Aber in diesem Buch finden sich auch Namen wie Werner Finck, Helmut Qualtinger, Wolfram Siebeck, Herbert Rosendorf oder Hugo Wiener … und selbst ein Theodor Fontana lässt sich nicht lumpen …

Ein amüsantes Büchlein mit einem Schwergewicht auf osteuropäische Autoren (und auch der sog. „jüdische Witz“ kommt nicht zu kurz).

Freilich, die wirklich bitterbösen satirischen Texte fehlen hier.

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Wolfgang Neuss – Das jüngste Gerücht (1964)

FrontCover1Längst überfällig in diesem Blog:

Hans Wolfgang Otto Neuß (amtl. Schreibweise) (* 3. Dezember 1923 in Breslau; † 5. Mai 1989 in Berlin) war ein deutscher Kabarettist und Schauspieler.

Wolfgang Neuss kam als Sohn von Otto und Elisabeth Neuss (geb. Gebauer) in Breslau zur Welt. Er hatte eine Schwester Eva (später verheiratete Eva de Bouyse).

Nach der Volksschule begann Neuss eine Lehre als Schlachter, ging dann aber mit 15 Jahren nach Berlin, um Clown zu werden.

Dieser Ausflug endete in der Jugendverwahranstalt des Berliner Polizeipräsidiums am Alexanderplatz.

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Während des Zweiten Weltkrieges war er zunächst beim Straßenbau im Arbeitsdienst, dann ab 1941 Soldat an der Ostfront. Er wurde mehrmals verwundet und erhielt das EK I. Seiner Schilderung nach entzog er sich weiteren Kampfeinsätzen als MG-Schütze, indem er sich selbst verstümmelte:

„Als ich siebzehn war, hab ich mir in Russland vor lauter Angst mal den Finger abgeschossen. War Krieg, und der Russe lag nur ’n paar Meter entfernt von mir. Und ich wusste: Ich bin so kurzsichtig, dass ich sowieso nicht treffe. Eine Verletzung war die letzte Chance, aus dem Kessel rauszukommen. Ich nahm also den Karabiner 98k, ließ mich in einen Wassergraben fallen, hielt auf den Zeigefinger der linken Hand und drückte ab. Die Angst trieb mich zum Fortschritt.“

Nach einer anderen Darstellung handelt es sich bei der Geschichte von dem abgeschossenen Finger um eine Legende.

Kurz vor Kriegsende entging er dem Kampfeinsatz in Ostpreußen auf einem Lazarettschiff nach Dänemark. Die erste Nachkriegszeit verbrachte er in einem Internierungslager in Flensburg.

Bereits während seiner Lazarettaufenthalte und im Lager organisierte er bunte Abende, erzählte Witze und trat als Komiker auf. Aus diesem Talent machte er einen Beruf und wurde Kabarettist. Nach ersten Auftritten (als „Hansi Neuss“ oder „Peter Pips“) kam er Ende der 1940er Jahre bei einem neunwöchigen Engagement als Conférencier im Hamburger Hansa-Theater unter dem Namen Wolfgang Neuss groß heraus.

Sein Hobby war Fußballspielen. Ab 1967 sorgten die Auftritte als „Balltreter Rixdorfer & Co“ mit u. a. Sammy Drechsel, Dieter Hildebrandt und Rudi Dutschke regelmäßig für Publikums- und Medieninteresse.

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1949 lernte er Wolfgang Müller kennen, dem er sich auf Anhieb geistesverwandt fühlte. Fortan traten die beiden als Duo („Die zwei Wolfgangs“) auf. 1950 gingen sie nach West-Berlin, wo sie ein Engagement beim Kabarett Die Bonbonniere annahmen. Im selben Jahr erhielt Neuss seine erste Filmrolle in Der Mann, der sich selber sucht (Regie: Géza von Cziffra), schrieb Stücke, spielte Theater und führte Regie im Kabarett.

Neuss pflegte auch zu Kabarettkollegen wie Eckart Hachfeld, Ursula Herking, Thierry, Dieter Hildebrandt und Wolfgang Gruner enge Kontakte. 1952 arbeitete er an zwei Programmen des Ensembles Die Stachelschweine mit.

Neuss und Müller fielen 1955 in Nebenrollen des Musicals Kiss me Kate in der Regie von Leonard Steckel auf und inszenierten sogleich als Mitternachtsshow eine Parodie auf das Musical namens Schieß mich Tell. Von da an erhielten sie ein Filmangebot nach dem anderen. Auch als Schlagersänger wurden sie bekannt (unter anderem: Schlag nach bei Shakespeare oder: Ach, das könnte schön sein …).

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Während der Vorbereitung zu den Dreharbeiten für Das Spukschloß im Spessart kam Wolfgang Müller als Flugschüler bei einem Flugzeugabsturz in der Schweiz ums Leben. Wolfgang Neuss wurde von den Dreharbeiten zu diesem Film entlassen, angeblich mit den Worten: „Jetzt brauchen wir Sie auch nicht mehr!“

Wolfgang Neuss machte alleine weiter und realisierte das mit Müller begonnene Filmprojekt Wir Kellerkinder mit Wolfgang Gruner (Erstsendung in der ARD am 26. Juni 1960). Daraufhin erfolgte ein Boykott durch deutsche Filmverleiher, und er ging mit Soloprogrammen auf Tournee durch Westdeutschland.

1962 sorgte er für einen bundesweiten Eklat, als er mit einer Zeitungs-Werbeannonce am Vortag der Ausstrahlung des letzten Teils des sechsteiligen Durbridge-Krimis Das Halstuch dem Fernsehpublikum den Mörder verriet. Die Zuschauer forderte er auf, stattdessen einen Kinobesuch zu machen und unterzeichnete mit dem Titel seines gerade fertiggestellten Filmes, Genosse Münchhausen.

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Später behauptete er allerdings, den „Halstuchmörder“ nur erraten zu haben; nach einer anderen Darstellung soll es seine Mutter von der Ehefrau des mitwirkenden Schauspielers (Dieter Borsche) erfahren haben. Die Durbridge-Krimis waren in der Frühzeit des deutschen Fernsehens „Straßenfeger“ mit Einschaltquoten von annähernd 90 Prozent (vgl. Auswirkungen). Die Presse veröffentlichte Leserbriefe verärgerter Fernsehzuschauer, es gab sogar Morddrohungen und die Bild bezeichnete Neuss wegen des Spoilers als „Vaterlandsverräter“, die Kosten der Anzeige im Westberliner Der Abend betrugen 787,15 D-Mark.

1962 heiratete Wolfgang Neuss die Schwedin Margareta Henriksson, die er seit 1958 kannte. Mit ihr, von der er sich 1967 wieder scheiden ließ, hatte er eine Tochter, Harriet (genannt Jette) Wixell, geborene Neuss. Auch Gisela Groenewold, seine langjährige Lebensgefährtin, die ihn 1969 auf eine Südamerikareise begleitete, trennte sich später von ihm, überließ ihm aber die Wohnung in Berlin-Charlottenburg.

Mitte der 1960er Jahre galt Neuss als einer der besten deutschen Kabarettisten. Eckart Hachfeld, Hans Magnus Enzensberger (Pseudonym: Andreas Thalmayr), Thierry, Jens Gerlach und Horst Tomayer schrieben Texte für seine Programme. Helene Weigel schenkte ihm ein lebenslanges Abonnement für das Berliner Ensemble. Er trat im Haus am Lützowplatz regelmäßig in der Restaurantbar Domizil im Souterrain als Mann mit der Pauke auf und erreichte damit überregional ein breites Publikum.

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Neuss machte den Ostberliner Wolf Biermann als Liedermacher mit einem gemeinsamen Programm in Westdeutschland bekannt und verhalf ihm zu seiner ersten Plattenaufnahme. Nach einem Auftritt mit Biermann in Frankfurt am Main erhielt Neuss, der während des Kalten Krieges auch mit anderen ostdeutschen Kollegen wie Gisela May und Käthe Reichel auftrat, in der DDR Einreiseverbot.

1965 sammelten West-Berliner Zeitungen Geld für den Vietnamkrieg, von dem Medikamente gekauft und Nachbildungen der Freiheitsglocke an Witwen amerikanischer Soldaten verschenkt werden sollten. Dagegen protestierte der Kabarettist mit einem Extrablatt seiner Satirezeitschrift Neuss Deutschland und sammelte seinerseits über Spenden insgesamt 11.000 DM, als die Zeitungsverleger mit einem Boykott seiner Kabarettprogramm-Ankündigungen reagierten.

Neuss war ein „Vieldreher“. Er drehte zahlreiche Filme in einem Jahr, zehn allein 1955. Insgesamt war er zwischen 1950 und 1966 in 55 Filmen und in seinem letzten 1984, Is was, Kanzler? nach einem Drehbuch von Gerhard Schmidt und Jochen Busse, zu sehen.

Wolfgang Neuss in dem Film “ Frühling In Berlin“ 1952:
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Auch die Theaterbühnen engagierten Wolfgang Neuss, beispielsweise als Thersites in Shakespeares Troilus und Cressida, als Moritatensänger in Brechts Dreigroschenoper und in der Rolle des Erich Mühsam in Tankred Dorsts Drama Toller, das unter dem Titel Rotmord von Peter Zadek 1969 für das Fernsehen verfilmt wurde.

Als Moderator im Viet Nam Diskurs von Peter Weiss in einer Inszenierung an den Münchner Kammerspielen durfte Neuss seinen eigenen Text sprechen, wobei er zu Geldspenden für den Vietkong aufrief. Als die Intendanz diese von Regisseur Peter Stein gebilligte Aktion verbot, kündigte Neuss seine Mitarbeit auf; das Stück wurde abgesetzt.

1967 bestritt Neuss mit Franz Josef Degenhardt, Hanns Dieter Hüsch und Dieter Süverkrüp, später als Quartett ’67 bezeichnet, ein gemeinsames Programm mit politischen Texten und Liedern. Es kam nur zu einem einzigen Auftritt, der vom Saarländischen Rundfunk mitgeschnitten wurde. Das Buch, das die Texte des Quartetts dokumentiert, erschien 1968; es erschien in zahlreichen Auflagen bis 1980 und hat wesentlich zur Popularität der beteiligten Künstler beigetragen.

Fußballer Neuss (links) und Kurt Weidemann nach einem Spiel in Stuttgart, auf Einladung des alternativen Buchhändlers Wendelin Niedlich (wahrscheinlich 1968):Wolfgang Neuss10

Politisch machte sich Neuss zunächst für die SPD stark, die ihn im Februar 1966 wegen seiner Zweitstimmenwerbung für die Deutsche Friedens-Union jedoch ausschloss. Nachdem ihn die Partei ein halbes Jahr später ohne weitere Formalitäten wieder aufgenommen hatte, erklärte Neuss 1968 seinen Austritt; er machte aber 1971 erneut Wahlkampf für die SPD.

Es war allgemein bekannt, dass Neuss zu dieser Zeit Drogen konsumierte (anfangs Tabletten, seit 1972 Haschisch).

Für einen Teil der deutschen Öffentlichkeit wurde er zur Feindfigur. Auf dem Höhepunkt einer unter anderem von der Bildzeitung getragenen Pressekampagne und nach einem gescheiterten Bombenattentat erklärte sich Neuss in einem Briefwechsel mit Willy Brandt[8] zum „politischen Flüchtling“ und fuhr nach Schweden. Sein Aufenthalt dort dauerte allerdings nur wenige Wochen. Nach einer Tournee durch die Bundesrepublik mit seinem Programm Neuss Testament kehrte er nach West-Berlin zurück. Dort schloss er sich der APO an und nahm an Demonstrationen, Sit-ins und anderen politischen Aktionen teil. Von 1967 bis 1969 betätigte er sich im Republikanischen Club in West-Berlin. Meist durch gleichzeitiges auf die „Pauke“ hauen, eigentlich benutzte er eine Trommel, wies er seitdem auf Missstände und Widersprüche in der Gesellschaft hin.

Ende der 1960er Jahre ging Neuss’ Erfolgslauf allmählich zu Ende. Seine Auftritte waren zwar noch ausverkauft, wurden aber nicht mehr nur in der Springerpresse, sondern auch von zuvor wohlgesinnten Kritikern verrissen.

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1969 verabschiedete er sich von der Bühne und vom Fernsehen und ging eine Zeitlang nach Chile. Abgesehen von seinem letzten Kinofilm, Chapeau Claque (1974), und einem Auftritt als „Mann mit der Pauke“ im laufenden Programm der Stachelschweine (November 1973) hörte man während der 1970er Jahre fast nichts mehr von ihm. 1976 berichtete die Presse, dass Neuss Sozialhilfe beziehe. 1979 machte er Schlagzeilen, als er in West-Berlin wegen Besitzes von 35,8 g Haschisch und mehrerer LSD-Trips zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde.

Eine erste Biografie schrieb Gaston Salvatore unter dem Titel Der Mann mit der Pauke (1974, nach Tonbandprotokollen); sein Freund und literarischer Nachlassverwalter Volker Kühn dokumentierte Leben und Werk unter dem Titel Das Wolfgang Neuss Buch (1981), später erheblich erweitert als Der totale Neuss (1997).

Anfang der 1980er Jahre feierte Neuss auf der Bühne und im Fernsehen ein Comeback, schrieb regelmäßig Kolumnen (z. B. für die TAZ und den Stern) und veröffentlichte Schallplatten und Tonbandkassetten. Ein langes Interview mit Werner Pieper im Humus-Magazin (Ausgabe 3, 1979) war der Auftakt zu zahlreichen Porträts in Rundfunk und Fernsehen (u. a. von Volker Kühn, Tilman Jens und Rüdiger Daniel), die der medienerfahrene Wolfgang Neuss geschickt zu Kabarettauftritten umfunktionierte. Bevor er gefilmt oder fotografiert wurde, pflegte Neuss beispielsweise seine Zahnprothese herauszunehmen, um den Betrachter zu schockieren.

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Eine Feier am 3. Dezember 1983 zu seinem 60. Geburtstag, ausgerichtet von der Kulturfabrik auf dem Berliner Ufa-Gelände, gab Neuss Gelegenheit zu einer 30-minütigen Conférence. Dort gibt es inzwischen einen Vortragssaal unter dem Namen Wolfgang-Neuss-Salon.[9] Ein Höhepunkt dieser Jahre war die Talkshow Leute am 5. Dezember 1983, die laut Stern zur „Show des Jahres“ wurde. Im Gespräch mit Wolfgang Menge verlas Neuss ein angeblich vom damaligen Regierenden Bürgermeister Richard von Weizsäcker an ihn gerichtetes Glückwunschtelegramm, das den Satz enthielt: „Auf deutschem Boden darf nie mehr ein Joint ausgehen!“ Bei dem anschließenden Auftritt Weizsäckers, der sich damals auf die Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten vorbereitete, empfahl Neuss dem als „Ritschie“ angesprochenen Politiker unter tosendem Beifall, seinen Bruder (gemeint war Carl Friedrich von Weizsäcker) „mal öffentlich zu umarmen“ – „Das ist der eigentliche Intellektuelle in der Familie“ –, und bezeichnete sich selbst als den aussichtsreicheren Präsidentschaftskandidaten, allerdings unter einer Bedingung: „wenn die Kinder wählen dürften … die Kinder wählen immer einen aus der Sesamstraße!“

Da prallten wohl zwei Welten aufeinander: Wolfgang Neuss und Richard von Weizäcker:
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Für sein Kabarettprogramm Neuss vom Tage im WDR erhielt er den Deutschen Kleinkunstpreis 1983; die Laudatio hielt sein Freund Hanns Dieter Hüsch.

Bei einer Hausdurchsuchung im März 1984 fand die Polizei dann 79 Gramm Haschisch und 814 LSD-Trips; trotz eines Haftbefehls blieb Neuss auf freiem Fuß. Im Juli wurde er vom Schöffengericht Moabit zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Eine von der Staatsanwaltschaft angestrengte Berufung scheiterte vor dem Landgericht Berlin am 22. November desselben Jahres. 1989 teilte das Amtsgericht Berlin mit, man habe Neuss die Freiheitsstrafe erlassen: „Der Verurteilte hat sich, soweit ersichtlich, bewährt.“

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Neuss hatte in den 1980er Jahren, als er gesundheitlich bereits schwer angeschlagen war, zudem einige TV-Auftritte in der WDR-Politsendung ZAK.

Als „zahnloser Späthippie“ (auch als „Indianerfrau“ bezeichnet), der in den letzten Lebensjahren an Krebs litt, wurde er zur lebenden Legende in West-Berlin. Er empfing zahlreiche Besucher in seiner Wohnung, die ihm der Bruder seiner einstigen Geliebten, der Rechtsanwalt Kurt Groenewold, mietfrei überlassen hatte, und unterhielt sie mit kabarettistischen Monologen. Mit einem Auftritt an seinem 65. Geburtstag am 3. Dezember 1988 verabschiedete er sich endgültig von seinem Publikum.

Am 5. Mai 1989 starb Wolfgang Neuss. Noch bis wenige Tage vor seinem Tod war ein Dokumentarfilm über ihn gedreht worden. Auf seinen Wunsch hin wurde er am 19. Mai neben seinem Film- und Kabarettpartner Wolfgang Müller auf dem Waldfriedhof Zehlendorf, Feld UII Grab 112, beerdigt. Nach Ablauf der gesetzlichen Ruhezeit wurde er auf Geheiß der Angehörigen von Wolfgang Müller in dessen Grab umgebettet.

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Zu seinem 90. Geburtstag (3. Dezember 2013) führte das Hanfmuseum in einer Sonderausstellung eine Reihe seiner Filme vor.

Das Wolfgang-Neuss-Archiv befindet sich in Berlin im Archiv der Akademie der Künste.

Am 15. September 2022 wurde an seinem ehemaligen Wohnort, Berlin-Charlottenburg, Lohmeyerstraße 6, eine Berliner Gedenktafel enthüllt.

Franz Josef Degenhardt schrieb dem Verstorbenen mit Der Trommler ein Requiem; auf Neuss bezieht sich auch das Lied Immer noch grob sinnlich. Als Neuss 1967 nach Südamerika reiste, schrieb Degenhardt das Lied Adieu Kumpanen, das er ihm widmete.

Ein weiterer Partner von Neuss beim Quartett ’67, Hanns-Dieter Hüsch, schrieb auf Wolfgang Neuss die Gedichte Nachricht I und II.

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Hier sein erste-Solo-Album:

Neuss war in jener frühen Phase einfach unglaublich: Er hat Einfälle, die ihm scheinbar davonrennen, er greift sich aus seinen Texten Worte heraus, dreht und wendet sie, manipuliert an ihnen herum und schließlich ist ihr Sinn verdreht und ihre Bedeutung umgepolt. Sein Feind war die Lethargie der Bevölkerung, das „gesunde Volksempfinden“. Ihn brachte eher das Phlegma der Menschen auf der Straße zur Weißglut. Neuss klärte auf, aber nicht mit dem erhobenen Zeige­, sondern eher mit dem gestreckten Mittelfinger. Seine Art zu informieren, Hintergründe auszuleuchten, zu analysieren und zu diskutieren war so unorthodox wie (phasenweise) brüllend komisch. Neuss war der Satiriker unter den Kabarettisten, er war ein Ausnahmesatiriker. Geschliffen in der Diktion wie in der Logik seiner Texte ­ bis heute unerreicht! (Pressetext)

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„Wolfgang Neuss, der Mann mit der Pauke, zählte zu den besten satirischen Wortakrobaten der Wirtschaftswunderrepublik.​ In der Ruinenlandschaft Berlins entwickelte sich nach dem Ende des 2.​ Weltkriegs eine Kabarettkultur, wie sie bissiger, ironischer und zynischer nicht sein konnte.​ Hier zu hören: Der typische Neuss’sche Stakkatowitz mit fast beängstigendem Tempo vorgetragen.​ Dabei lamentierte er nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern präsentierte sich mit gestrecktem Mittelfinger als Prä-68er Anarcho.​“ (Musik Express-Sounds)

Freilich muss ergänzt werden, dass viele der spöttischen Kommentare heute kaum mehr erschließen, außer man verfügt über vertiefte Kenntnisse über die damaligen tagespolitischen Ereignisse und Skandale, aber Adenauer und seine Union aber auch Willy Brandt, Herbert Wehner und ihre SPD bekommt schon ganz kräftig ihr Fett ab…und natürlich: „Die Mauer“ ist auch eines der Themen.

Ich habe dieser Präsentation dann noch ein sehr feinfühliges, aber auch erschütterndes Portrait von Neuss (geschrieben von Harald Martenstein) beigefügt.

Live-Mischnitt aus dem Domizil, Haus am Lützow Platz, Berlin. 1964

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Besetzung:
Wolfgang Neuss (Sprecher)

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Titel:
01. Das jüngste Gerücht (Teil 1) 25.19
02. Das jüngste Gerücht (Teil 2) 26.16

Alle Texte: Wolfang Neuss

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Hüllentext

Dringende Sehempfehlung:

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Pardon (Zeitschrift) – Januar 1974

TitelDas Projekt “jetzt stell ich mal ein paar Reprints von der Satire-Zeitschrift in diesen blog” ist für mich ganz sicher ne Art Herzensangelegenheit. Zu sehr hat mich die Denke, die Schreibe und auch das Design dieses Heftes geprägt:

Wer mehr über die Geschichte dieser satirischen Monatszeitschrift wissen will, kann sich hier informieren.

Jetzt mal wieder ein Heft aus dem Jahr 1973 und auch dieses Heft hat seine Reize.

Pardon machte ja nicht nur Jux und Tollereien, pardon verstand sich in diesen Jahren auch als politisch und das ist auch in diesem Heft spürbar.

Damals war die sog. „Energie-Ölkrise“ eines der zentralen Themen bei uns (kommt einem irgendwie bekannt vor …) und so strotzt dieses Heft natürlich von diversen satirischen Annäherungen an dieses Thema.

Na ja ja, und dann all die Namen der Karikaturiten, die einfach legendär sind: Hans Traxler, Stano Kochan, Erich Rauschenbach, Clodwig Poth und das Frankfurter Satire Trio bestehend aus Eckhard Henscheid, F.W. Bernstein und Robert Gernhardt.

… Jeder für sich ein Schwergewicht !

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Bei einem so prallen Heft, bleibt mir gar nichts anderes übrig, als auch eine pralle Vorschau Galerie zu präsentieren:

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Das Heft im Heft: „Die Wahrheit“:
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Wenn Satire von der Realität eingeholt wird (später gab´s sowas mal wirklich):
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Das meine Herren, sollten sie stets berücksichtigen:
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Was habe ich ihn geliebt, den Chlodwig Poth:
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Fand ich damals wie heute ziemlich geschmacklos:
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Ein bemerkenswert interessantes Interview:
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Der legendäre „pardon“ Shop (der Vertrieb lief über Zweitausendeins):
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Werbung für drei Zeitschriften, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten:
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Diese regelmäßigen Rubriken waren für mich damals auch Pflichtlektüre:
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Die Rückseite des Heftes:
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Mehr von der Zeitschrift „pardon“:
Mehr

Und natürlich muss ich darauf hinweise, dass es grade im Caricatura Museum, Frankfurt eine große Ausstellung gibt:

Ausstellungsplakat

Längst ist PARDON, die vor 60 Jahren gegründete, „deutsche satirische Monatsschrift”, Legende. Die Ausstellung zeigt, warum das Frankfurter Blatt so erfolgreich war und innerhalb kürzester Zeit mit über 300.000 verkauften Exemplaren zur größten Satirezeitschrift Europas aufstieg. Gleichzeitig wird deutlich, wie prägnant sich im Heft die bewegte Geschichte der Bundesrepublik in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts spiegelt.

PARDONs Markenzeichen von Anfang an: Ein Teufel, der scheinbar freundlich seine Melone zum Gruß hebt, um dabei jedoch diebisch lachend seine Hörner zu offenbaren. Schnell entwickelte sich PARDON zum Zeitgeist-Magazin des Aufbegehrens der Jugend gegen den Muff der Adenauerzeit und seiner Autoritäten. Es eckte immer wieder an, wurde mit Prozessen überzogen, legte sich mit den meist klerikalen Sittenwächtern an und agitierte gegen die weitverbreitete Prüderie und bürgerliche Doppelmoral der frühen Bundesrepublik. Dies führte immer wieder zu Verbotsanträgen, Zensurversuchen und Verkaufsbeschränkungen.

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PARDON bezog Stellung, ergriff Partei. Das Konzept, Humor, Komik und Satire mit engagierten Texten und Reportagen zusammenzubringen, kam an. Karikaturen standen neben bissigen Polemiken, Fotomontagen neben Buchbesprechungen, ernsthafte Reportagen neben leichtfüßigen Parodien. Alles bunt gemischt, jedoch geeint in der kritischen Betrachtung der bestehenden politischen Verhältnisse.

Schnell entwickelte sich das Magazin zur ersten Adresse für junge Zeichner und aufstrebende Schreiber, war Spielweise und Karrieresprungbrett und erwies sich in seiner 20jährigen Geschichte als stilprägend für Karikaturisten und Journalisten, dessen Einfluss bis heute nachwirkt.

Alice Schwarzer

Die große Jubiläumsausstellung „Teuflische Jahre” dokumentiert auf den vier Ebenen des Museums in Originalzeichnungen, Fotos und Gerichtsakten den Werdegang des Magazins. Der Versuch des PARDON-Verlegers Hans A. Nikel, in den späten 70er Jahren die Zeitschrift New-Age-Themen zu öffnen, beschleunigte den personellen Aderlass. Wichtige Mitarbeiter setzten sich ab – ein Teil firmierte fortan selbstironisch als „Neue Frankfurter Schule” (NFS) – und gründeten 1979 „Titanic”. Mit der Ausstellung schließt sich eine Lücke, und das kreative Sammelbecken PARDON erhält endlich den Platz, den es historisch verdient. (Pressetext)

Die Website zur Ausstellung:
Website

Und ich müsste mich schon schwer täuschen, wenn ich demnächst nicht nach Frankfurt reisen würde … frei nach dem Motto: „Wenn nicht jetzt, wann dann“.

Hanns Dieter Hüsch – Live (1973)

frontcover1Und wieder mal der Hüsch, jener Großmeister des deutschen Kabaretts:

Hanns Dieter Hüsch (* 6. Mai 1925 in Moers; † 6. Dezember 2005 in Werfen) war ein deutscher Kabarettist, Schriftsteller, Kinderbuchautor, Schauspieler, Liedermacher, Synchronsprecher und Rundfunkmoderator.

Mit über 53 Jahren auf deutschsprachigen Kabarettbühnen und 70 eigenen Programmen galt er als einer der produktivsten sowie erfolgreichsten Vertreter des literarischen Kabaretts im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Er war ab 1999 Schirmherr des Kabarettpreises Das Schwarze Schaf. Johannes Rau nannte ihn den „Poeten unter den Kabarettisten“

Hanns Dieter Hüsch wuchs in den 1930er Jahren in der niederrheinischen Kreisstadt Moers als Sohn protestantischer Eltern auf. „Alles, was ich bin, ist niederrheinisch“, bekannte er später in pointierender Knappheit. Der Vater war zum Verwaltungsdirektor der Kreisverwaltung in Moers aufgestiegen; der Sohn empfand die Lebenswelt in Elternhaus, Verwandtschaft und Nachbarschaft als kleinbürgerlich und provinziell. Die „kleinen Leute“ waren Hüsch in Tonfall und Werturteilen vertraut. Lebenslang beobachtete er sie und setzte sich mit spezifischen Weltansichten des „Niederrheiners“ bewundernd wie kopfschüttelnd auseinander.

Bis zum Alter von 14 Jahren musste sich Hüsch wegen einer Missbildung seiner Füße mehreren Operationen unterziehen. Er war gezwungen, in unförmigen Filzpantoffeln herumzulaufen, da ihm keine Schuhe passten, und er konnte dadurch kaum mit anderen Kindern spielen. Als sportliche Betätigung waren ihm allenfalls Schwimmen und Radfahren möglich. „Ein schweres klinisches Erlebnis“, erinnerte er sich später, „man fühlte sich sehr schnell alleine.“ In dieser Zeit begann Hüsch erste Texte zu verfassen. Nachdem er das Abitur am Gymnasium Adolfinum in Moers abgelegt hatte, blieb ihm aufgrund seiner Erkrankung der Kriegsdienst erspart. Als Jungkabarettist bespiegelte er mit dem Lied Warum bin ich so unmuskulös seine körperlich-seelische Disposition selbstironisch.

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Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges studierte Hanns Dieter Hüsch auf Wunsch der Familie an der Universität Gießen ein Semester Medizin, dies jedoch ohne Begeisterung. Für sein Ziel, Opernregisseur zu werden, ging Hüsch stattdessen nach Mainz und studierte an der dortigen Universität Theaterwissenschaft, Literaturgeschichte und Philosophie. Hüschs Talente lagen zu dieser Zeit aber schon weniger im theoretischen als im praktisch-künstlerischen Bereich („Ich habe an der Uni keine Seminare besucht, aber ich habe meine Texte geschrieben.“). Er beteiligte sich am Mainzer Studenten-Kabarett „Die Tol(l)eranten“ und trat bereits 1949 als Chansonnier mit seinem ersten Soloprogramm Das literarische Klavier auf. Bis zu seiner letzten Tour im Jahre 2000 folgten diesem Programm mehr als 70 weitere.

In den 1950er Jahren lebte Hanns Dieter Hüsch zusammen mit seiner ersten Ehefrau Marianne Lüttgenau (auf deren Eigenarten er in seinen „Frieda“-Geschichten anspielte) und der gemeinsamen Tochter in bescheidenen Verhältnissen. Das Studium hatte er bereits aufgegeben, er bestritt den Lebensunterhalt mit künstlerischen Auftragsarbeiten oder als Nachrichtensprecher beim Süddeutschen Rundfunk. 1956 gründete er mit arche nova ein eigenes Kabarett, das bis 1961 bestand. In dieser Zeit hatte Hüsch auch in der Schweiz erfolgreiche Bühnenauftritte. Nach finanziellen Engpässen wurde er in den 1960er Jahren zu einem der wichtigsten Vertreter des literarischen Kabaretts in Deutschland. Mit seinem dem „Volk auf’s Maul“ schauenden, sprachjonglierenden Witz karikierte er Kleinbürger- und Spießertum. Aber auch das Theater zog ihn immer wieder an. 1957 bzw. 1959 schrieb er z. B. zusammen mit Rudolf Mors die Musicalparodien Freiheit in Krähwinkel und Der Weiberstreik; letztere wurde 1963 im ZDF ausgestrahlt.

Hanns Dieter Hüsch, 1974:
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In den 1960er Jahren war Hüsch im Fernsehen präsent, etwa in dem ARD-Fernsehspiel Niemandsland des Lächelns (1962). Ab Mitte der 1960er Jahre verlieh er seinen Kabarettvorträgen zunehmend politische Grundzüge. 1967 nahm er im Quartett mit Franz Josef Degenhardt, Wolfgang Neuss und Dieter Süverkrüp die Schallplatte Da habt ihr es! auf. Ein Jahr später begeisterte er während der allgemeinen Studentenunruhen (zusammen mit Degenhardt und Süverkrüp) auf den Essener Songtagen (bei denen u. a. auch Frank Zappa auftrat) und setzte hierbei auf der Bühne erstmals anstelle von Klavier oder Flügel eine Philicorda-Orgel ein, die für die kommenden dreißig Jahre sein musikalisches Kennzeichen wurde. – Kurz danach brach Hüsch die Zusammenarbeit mit der 68er-Bewegung ab, nachdem er beim Festival Chanson Folklore International auf der Burg Waldeck und in Berlin nach Störungen von der Bühne gebuht worden war als „Kitschgemüt mit Goldbrokat“, das seine poetische Kraft einem „bourgeoisen Verniedlichungstrend“ opfere. In seinem Programm Enthauptungen rechnete er verbittert mit den Erfahrungen ab. Er trat danach eine Zeit lang nur in der Schweiz auf.

Ende der 1960er Jahre wurde Hüsch verstärkt für das ZDF tätig: zum einen in der Rolle eines Reiseleiters mit Sinn für Groteskes, zum anderen als prägender Off-Sprecher in knapp 400 Laurel-und-Hardy-Filmen und anderen Streifen der Väter der Klamotte (z. B. Die kleinen Strolche und Pat & Patachon). Bei bisweilen mehr als 200 Szenen am Tag und bis zu fünf verschiedenen Stimmen auf einer Textseite gehörte dies, wie Hüsch einmal sagte, zu den anstrengendsten Arbeiten seines künstlerischen Lebens.

In den 1970er Jahren gelang ihm mit dem Programm Hüsch – Live 1973 der Durchbruch auf den deutschsprachigen Kleinkunstbühnen. Bis 1976 vergrößerte sich die Zahl seiner Zuhörer von Tournee zu Tournee und führte im Verlauf der 1970er Jahre zu weiteren festen husch03TV- und Radio-Engagements, wie etwa dem Gesellschaftsabend des Saarländischen Rundfunks – nicht nur die älteste Kabarettsendung in der ARD, als Besonderheit auch die einzige Parallele im Hörfunk und im Fernsehen – oder der Unterhaltung am Wochenende beim Westdeutschen Rundfunk. Daran schloss sich Hüschs großer Fernseherfolg als Familienvater in der ARD-Serie Goldener Sonntag (1976–1978) an. Ebenfalls in die Endphase der 1970er Jahre fiel die Erfindung seiner Kunstfigur Hagenbuch, jenes nörgelnden Träumers und spießigen Angebers, der in den 1980ern zu einer Lieblingsfigur des Hüsch-Publikums wurde.

In den 1980er Jahren veröffentlichte Hanns Dieter Hüsch zahlreiche Bücher und Schallplattenaufnahmen; er brachte jährlich mindestens ein neues Programm auf die Bühne. Im Jahre 1986 inszenierte er für das Westfälische Landestheater in Castrop-Rauxel Ein wunderlicher Kerl nach Wilhelm Busch (gesendet u. a. im ZDF Theaterkanal). Im Alter von 60 Jahren stellte er als jahrelanger Kettenraucher den Zigarettenkonsum ein.

Nach dem Tod seiner Frau Marianne verließ Hüsch 1988 nach 40 Jahren seine Wahlheimat Mainz und zog nach Köln („Ich wollte nicht nach Moers, in meine Kinderstadt, weil ich dachte, du fängst dann deinen Lebensabend an.“). Er ließ ab von neuen Programmen und führte seine Bühnenauftritte in Form von Lesungen fort. Der stets für christliche Toleranz eintretende Hüsch engagierte sich öffentlich z. B. auf Evangelischen Kirchentagen. Er lernte seine zweite Frau Christiane Rasche-Hüsch kennen (er nannte sie scherzhaft „die Chrise“). Das Paar heiratete 1991. In den folgenden Jahren schrieb er weiterhin Lebensphilosophisch-Besinnliches mit Akzenten vom Niederrhein. Von einer schweren Krebserkrankung wieder genesen, gab er im Jahre 2000 als dienstältester deutscher Kabarettist mit Wir sehen uns wieder seine Abschiedstournee. Kurz bevor sich Hanns Dieter Hüsch seinen letzten künstlerischen Lebenstraum erfüllen und in einer Inszenierung von Shakespeares König Lear am Staatsschauspiel Dresden in der Titelrolle auftreten konnte, erlitt er im November 2001 einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Er war danach nicht mehr in der Lage aufzutreten oder seine schriftstellerische Arbeit fortzuführen.

Unter dem Titel Kabarett auf eigene Faust veröffentlichte Jürgen Kessler vom Deutschen Kabarettarchiv ein umfangreiches Kompendium zu Hanns Dieter Hüschs mehr als 50 Bühnenjahren, das in vielen Bildern Hüschs Cabaretüden (so der Titel eines Buches aus den 60er Jahren) zwischen 1947 und 1997 Revue passieren lässt. Hanns Dieter Hüschs künstlerisches Vermächtnis erschien in Buchform im Oktober 2003 unter dem Titel Zugabe. 2004 wurde eine DVD-Box mit sieben Kabarettprogrammen aus drei Jahrzehnten veröffentlicht. Zu seinem 80. Geburtstag im Mai 2005 erfuhr der Künstler nochmals verschiedene Ehrungen, darunter eine große TV-Hommage mit vielen Weggefährten. Dazu übertrugen verschiedene Radiosender live entweder Die lange Hanns-Dieter-Hüsch-Nacht (Dauer: zehn Stunden) aus Jena oder aber die Gala Streng Öffentlich – Der Don Quijote vom Niederrhein aus der Stadthalle Rheinberg, unter anderem mit Dieter Nuhr, Konstantin Wecker, Erwin Grosche, Dieter Süverkrüp, Helmut Ruge und Günter Gall als Gästen.

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Im Mai 2005 erschien eine weitere Doppel-CD aus der Reihe Gesellschaftsabend mit den wichtigsten Liedern und Texten aus vier Jahrzehnten und eine Hörbuch-CD von Hanns Dieter Hüsch mit Texten aus seinem Buch Zugabe, vorgetragen von den Kabarettistenkollegen Elke Heidenreich und Dieter Hildebrandt. Im Herbst 2005 kamen dann Neuauflagen alter Hüsch-Bücher (u. a. Frieda auf Erden) heraus sowie die DVD Und sie bewegt mich doch mit einer Aufzeichnung des gleichnamigen Bühnenprogramms aus dem Jahre 1985.

Der Künstler lebte die letzten Jahre zusammen mit seiner Frau Christiane in Werfen im Windecker Ländchen. Seine letzte Ruhe fand Hüsch in einem Ehrengrab auf dem Hülsdonker Zentralfriedhof seiner Geburtsstadt Moers.

Hüsch war nicht der Typ Kabarettist, der sich in erster Linie mit tagespolitischen Fragen auseinandersetzte, sondern der sich eher als „literarischer Entertainer“ und als „philosophischer Clown“ begriff. Dies stellte ihn u. a. in eine Tradition mit Heinrich Heine. In seinen Texten behandelte er mit besonderer Vorliebe alltägliche Kuriositäten, in denen Hüsch zudem moralisch-politische Dimensionen aufdeckte. Als Zeitzeuge des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus trat er mit Nachdruck für die Anliegen der Friedensbewegung und gegen Neonazismus auf. Er sensibilisierte für non-konformistische Denkungsarten („Ich sing’ für die Ver-rückten, die seitlich Umgeknickten…“). In seiner Dankesrede zur Verleihung des Ludwig-Börne-Preises würdigte Henryk M. Broder 2007 Hüschs tolerante Sicht der Dinge. – Das Magazin SPIEGEL ONLINE beschrieb 2008 in der Rubrik ‚einestages‘ Hüschs Qualitäten als „Der Mann, der den Jazz in Worte fasste“.

Hüsch stieß auch auf Kritiker, wie etwa den Schriftsteller Eckhard Henscheid, für den husch06Hüsch „der Allerunausstehlichste“ war. Hüsch selbst nannte Henscheids 1986 erstmals veröffentlichten Verriss seiner Arbeit und Person, der für viel Wirbel sorgte, einen „verbrecherischen Scheißartikel“. – Ein Zwischenfall 1991 bei der Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises: Hüsch sollte den Preis an den Kabarett-Kollegen Georg Schramm überreichen. Dieser belustigte sich über die Situation und griff zu dem Etikett „Vorlese-Opa“; etliche Zuhörer reagierten mit Buh-Rufen. Hüsch blieb souverän und sagte, bevor er dem Kollegen die Glocke überreichte: „Wenn er sie denn will: aus meinen Händen.“ Schramm nahm den Preis entgegen; er relativierte siebzehn Jahre später in einem Statement auf Hüschs Webseite seine Bemerkung.

Für seine Arbeit erhielt Hüsch viele Preise und Auszeichnungen, darunter gleich zweimal, 1972 und 1982, den Deutschen Kleinkunstpreis, 1984 den Ehrenring der Stadt Mainz, 1985 den Ehrenring der Stadt Moers, die Morenhovener Lupe und den Rheinlandtaler 1990 sowie den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen (1994), das Bundesverdienstkreuz, den Kasseler Literaturpreis, das ‚Cornichon‘ der Oltner Kabarett-Tage, die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Moers, die Ehrenbürgerwürde der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, die Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz, den Kabarett-Oscar für sein Lebenswerk, den Großen Kulturpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland 1996 und den Wilhelmshavener Knurrhahn für sein Lebenswerk (2000).

Im Jahr 2000 wurde Hüsch für sein Lebenswerk mit dem Predigtpreis des Verlags für die Deutsche Wirtschaft (Bonn) ausgezeichnet.

Vom 28. April bis 28. Mai 2005 war die Ausstellung Wir sind wieder wer. Aber wer? 100 Jahre deutsches Kabarett – Kabarett im kalten Krieg (1946–1966) mit einem Sonderteil Hüsch in Mainz im Foyer des Mainzer Rathauses zu sehen; vom 6. Mai bis zum 25. September 2005 residierte Das schwarze Schaf vom Niederrhein (so der Ausstellungstitel) in einer großen Ausstellung im Grafschafter Museum im Moerser Schloss.

Ein Stern für sein Lebenswerk wurde Hüsch auf dem „Walk of Fame“ in Mainz gewidmet.

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Noch Kabarettisten der Gegenwart zeigen sich von Hüsch beeinflusst oder sind wie beispielsweise Jürgen Becker erst durch ihn zu kabarettistischer Betätigung inspiriert worden. Max Moor ist gar der Meinung: „Kabarett ohne den Einfluss von Hüsch? Unvorstellbar!“ Der von Hüsch begründete Kabarettpreis Das schwarze Schaf fördert zudem fortgesetzt den literarischen Kabarett-Nachwuchs und geht inzwischen auch auf Tournee. Außerdem covern Populärkünstler von Blumfeld bis Reinhard Mey bis heute immer wieder Lieder des später hauptsächlich als Wortkabarettisten wahrgenommenen Künstlers. Auch sonst ist Hüsch bis heute in den Medien präsent; Bücher, Bild- und Tonträger erscheinen weiterhin bzw. werden neu veröffentlicht, im Januar 2016 war er sogar noch einmal Coverboy der Radioprogrammzeitschrift Dampf-Radio.

Längst wurden auch Gebäude und andere Orte im öffentlichen Raum nach dem Kabarettisten benannt. So wurde zu seinen Ehren das Bildungszentrum in Moers, das die Bibliothek, die Volkshochschule, das Stadtarchiv und das Kulturbüro beherbergt, in Hanns-Dieter-Hüsch-Bildungszentrum umbenannt. Am 6. Mai 2007 wurde in der Moerser Altstadt an der Ecke Friedrichstraße/Pfefferstraße der Hanns-Dieter-Hüsch-Platz eingeweiht. Auf dem Platz erinnern fünf Granittafeln mit Karikaturen und Versen – rundherum in den Granit gemeißelt – und eine Hinweistafel an Hüsch. Seit 2006 existiert auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz der Hanns-Dieter-Hüsch-Weg und verbindet dort den Ackermannweg und den Anselm-Franz-von-Bentzel-Weg. Die zusammengehörende Hauptschule Uedem-Weeze trägt seit Anfang des Schuljahres 2009 den Namen Hanns-Dieter-Hüsch-Verbundschule.(Quelle: wikipedia)

Hanns Dieter Hüsch vor dem „Unterhaus“, Mainz:
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Als Einstieg in die wunderbare Welt des Hanns Dieter Hüsch eignet sich dieses Doppelabum ganz besonders, denn sie ist als Querschnitt seiner Arbeiteten der ersten 25 Jahren konzipiert.

Entstanden ist sie bereits im April 1970 ind zwar in  der legendären Kabarettbühne „Unterhaus“, Mainz. Dieses Abum war wohl eines der erfolgreichsten Alben von Hüsch und das nichtg zu unrecht.

Der „literarischer Entertainer“ und als „philosophischer Clown“ entfacht hier ein Feuerwerk auf höchstem Niveau …  Esprit und durchgeknallter Humor geben sie hier die Hand … Und ein Höhepunkt jagd den anderen … ich weiss gar nicht, wo ich da anfangen soll … aber ich versuch´s mal … „Frieda und der Wilde Westen“, „Geistige Leute“ sowie „Nachfeier“ sind schon ganz besondere Kracher …

Livemitschnitt aus dem Unterhaus, Mainz

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Besetzung:
Hanns Dieter Hüsch (Sprecher, organ)

booklet

Titel:
01. Hüsch über Hüsch 4.42
02. Tucholsky 2.47
03. Wie ich die Frieda kennenlernte 4.35
04. Ich schäm‘ mich so 4.36
05. Von Windeln verweht 3.20
06. Die großen leeren Plätze 3.18
07. Ich möcht‘ ein Clown sein 1.46
08. Geistige Leute 10.02
09. Und Samstags zu Beethoven 3.50
10. Belmondo 6.08
11. Holland & Norderney 4.39
12. Frieda und der Wilde Westen 8.40
13. Radio-Vorschau 3.29
14. Humanistisches Gymnasium 4.29
15. Silvester 10.52
16. Die Prüfung  3.04
17. Hausmusik 4.58
18. Nachfeier 9.34
19. Sinn des Lebens 5.05

Musik + Texte: Hanns Dieter Hüsch

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Diese Präsentation ist nur möglich, weil ich schon vor Jahren immer wieder Post aus Lummerland bekommen habe:

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Mehr von Hanns Dieter Hüsch:
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Wolfgang Ecke – Heinrich Lübke … redet für Deutschland (1974)

FrontCover1Bald wird man weder Heinrich Lübke noch die satirische Monatszeitschrift „pardon“ noch kennen. Von daher ist dies wieder mal ein Beitrag explizit für die reifere Jugend (West), denn damals war das uns schon ein wichtiges Thema:

Heinrich Lübke ist ein CDU-Politiker und von 1959 bis 1969 der zweite Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Der Vermessungs- und Kulturingenieur gerät zur Zeit des Nationalsozialismus zunächst in Konflikt mit dem Regime, arbeitet aber später in einem Architekturbüro im Auftrag des Generalbauinspektors Albert Speer. Nach 1945 tritt Lübke der CDU bei, wird 1953 Bundesernährungsminister und 1959 schließlich Bundespräsident. In seiner Amtszeit setzt Lübke sich stark für Entwicklungshilfe und die Bildung einer Großen Koalition ein. (Quelle: /www.hdg.de)

Damals, in den 60er Jahren standen zwei Themen im Zusammenhang mit Kübke ganz besonders im Vordergrund:

Hat er tatsächlich auch Baupläne für KZ-Baracken entworfen ? (Antwort: ja, zumindest gemäß den Recherchen der „Zeit„)

Und: Eignet sich ein Mann zum Bundespräsidenten, der ob seiner schlichten und teilweise tolpatischen Redebeiträge dafür sorgte, dass ganz Deutschland über ihn lachte )Neue Revue, 1967).

Neue Revue 1967„Seine politischen Akzente wurden vor allem in der zweiten Amtszeit von seinen rhetorischen Missgriffen überschattet. Wie sich später herausstellte, litt er damals bereits an rasch fortschreitender Zerebralsklerose, welche die Versprecher begünstigte. Zudem ignorierte Lübke gerne vorhandene Redemanuskripte und versuchte frei zu sprechen.
Lübke während eines Besuchs im schwäbischen Kirchheim, ca. 1965

Zu einer modernen Sage entwickelte sich „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger“, womit Lübke bei einem Staatsbesuch 1962 in Liberia eine Rede begonnen haben soll, ohne dass es dafür irgendeinen Beleg gibt, wie auch „Equal goes it loose“:

„Als Englands Königin am Rhein Staatsbesuch machte, kleidete Lübke die Mitteilung an seinen Gast, das Konzert im Schloß Brühl werde sogleich beginnen (so berichtete die Bonner Fama), in den Satz: ‚Equal goes it loose‘ — eine eigene Übersetzung von: Gleich geht es los.“

Der damalige Spiegel-Mitarbeiter Hermann L. Gremliza offenbarte 2006, dass dieses Zitat, wie viele andere auch, eine Erfindung der Spiegel-Redaktion war:

„In Wahrheit ist das angebliche Lübke-Zitat ‚Equal goes it loose‘ […] eine Erfindung des Bonner Spiegel-Korrespondenten Ernst Goyke, genannt Ego […]. Auch alle anderen Beiträge zum »Lübke-Englisch« haben in der Woche nach Egos Story Redakteure des Spiegel unter falschen Absendern für die Leserbrief-Seiten des Magazins verfaßt.“

Belegt ist, dass Lübke in Tananarive, der Hauptstadt Madagaskars, den Präsidenten Philibert Tsiranana und seine Frau Justine mit den Worten „Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Tananarive“ grüßte. Ein starkes Echo fanden diese echten und vermeintlichen Fehlleistungen in der deutschen Kabarett-Szene. Aufgrund des dem Bundespräsidenten entgegenschlagenden Spotts entschied der Bayerische Rundfunk, die Vorstellungen der Münchner Lach- und Schießgesellschaft nicht weiterhin live zu übertragen.

Original-Ausgabe aus dem Jahr 1966:
OriginalFront+BackCover1966

Ausschnitte von Lübke-Reden wurden Mitte 1966 von der Zeitschrift pardon auf der außerordentlich erfolgreichen Langspielplatte Heinrich Lübke redet für Deutschland verarbeitet. Dazu gehört die Szene in Helmstedt, als Lübke die Bewohner anreden wollte und sich nicht an den Ortsnamen erinnern konnte; Zuschauer riefen ihm diesen zu.“ (Quelle: wikipedia)

Hier nun die bereits erwähnte Scheibe: ursprünglich 1966 als „pardon“ LP Nr. 1 veröffentlicht.

1974 gab es dann eine weitere Auflage, diesmal als LP des Zweitausendeins Versandhandles (die liegt mir vor) und später gab´s dann noch eine weitere Auflage als CD.

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Es ist eine wirklich gelungene, aber auch hämische Collage von etlichen Schnitzerm und Versprechern, die sich Heinrich Klübke damals geleistet hat, und ja, er war für uns eine Lachnummer … ein unfreiwilliger Komiker, der an Peinlichkeit kaum zu überbieten war.

Und was waren wir froh, dass wir dann mit Gustav Heinemann endlich einen Bundespräsidenen hatten, der doch eine ganz andere Sprache pflegte („Ich liebe nicht Deutschland, ich liebe meine Frau“)

Heutzutage muss man das Phänomen Lübke schon ein wenig anderes betrachten.

„Dem Bundespräsidenten a. D. verblieb keine Aufgabe, und neue Pflichten konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr übernehmen. Seine Absicht, von Zeit zu Zeit in Berlin zu wohnen, ließ sich nicht verwirklichen, und ebenso wenig konnte Lübke, der über eine Privatbibliothek von etwa 5.000 Büchern verfügte, seinen wissenschaftlichen Hobbys nachgehen: Vergleichende Sprachwissenschaften und Mikrobiologie.

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Seine Parteifreunde ignorierten ihn, wenn sie ihn nicht gar mieden. Sein Nachfolger im Amt des Bundespräsidenten, Gustav Heinemann, hielt jedoch Kontakt zu ihm. Reisen nach Teneriffa im Herbst 1969 sowie zu Weihnachten 1970 und 1971 brachten keine Besserung seines Befindens. Eine fortschreitende Zerebralsklerose machte sich immer stärker bemerkbar, führte zu ernsthaften Sprechstörungen und zeitweise auftretendem Gedächtnisverlust. Im Nachhinein zeigte sich, dass diese Krankheit schon einige Jahre zuvor begonnen hatte und so manchen Versprecher des Bundespräsidenten in den letzten Jahren seiner Amtszeit erklärte. Im November 1971 besuchte der Altbundespräsident zum letzten Mal seinen Geburtsort Enkhausen.

Am 30. März 1972 erforderten akute Magenblutungen eine rasche Operation Lübkes. Dabei stellte sich heraus, dass er an einem weit fortgeschrittenen Magenkrebs litt, die Metastasen hatten bereits das Gehirn erreicht. Nach zwei weiteren Blutstürzen starb Heinrich Lübke am 6. April 1972 im Alter von 77 Jahren in Bonn“ (Quelle: wikipedia)

Heinrich und Wilhelmine Lübke:
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Und so sind wohl auch diese Kommentare notwendig:

Sicher kann Herr Lübke nichts dafür, dass er wie Viele im Alter geistig verwirrt ist, das ist eher tragisch und traurig, aber dass der Deutsche Bundestag einen geistig verwirrten, alten Mann, der eher ein Pflegefall war und nur noch eingeschränkt bis gar nicht mehr geschäftsfähig war, zum Bundespräsidenten wählt, ist der eigentliche Skandal, alle haben es gewusst nach seiner ersten Amtszeit, aber er wurde für eine zweite Amtszeit gewählt…. (Capote Truman)

Heinrich Lübke war, als er Bundespräsident wurde, bereits ein schwerkranker und bedauernswerter Mensch, der vom greisen Adenauer ins Amt gedrängt wurde, als dieser erkannt hatte, dass der von ihm angestrebte Posten doch nur wenig Einflussmöglichkeiten bot. Rut Brandt schreibt in ihrer Biographie, dass das Ehepaar Lübke außergewöhnlich liebenswürdig gewesen ist. Wilhelmine Lübke, über die seinerzeit viel gespottet wurde, war eine hochintelligente Dame. Bei den Verhandlungen für die Ostverträge hatte Wilhelmine Lübke für Willy Brandt gedolmetscht, ob der Brisanz der geheimen Inhalte wurde kein Dolmetscher hinzugezogen. Frau Lübke sprach u.a. perfekt russisch. Anzumerken bleibt vielleicht noch, dass die damalige Bundesrepublik, wo der Bundespräsident in der Villa Hammerschmidt residierte und der Bundeskanzler seinen Amtssitz im Palais Schaumburg hatte, etwas bescheidener, dafür wesentlich sympathischer gewesen ist, als heute, wo die Pfarrerstochter im gigantischen Kanzleramt und Hochwürden Gauck im Schloss Bellevue ihre Amtssitze haben. (Etienne Faible)

Unabhängig von dieser notwendigen Korrektur (Lübke war wohl mit diesem Amt völlig überfordert) damaliger Einschätzung, zeigt diese LP aber auch noch eins: Die Respektlosigkeit gegenüber verordneten Autoritäten und Respektspersonen nahm in den 60er Jahren erkennbar ab … und das war gut so !

Aber: Seine Prognose hinsichtlich der Wiedervereinigung war zutreffend !

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Besetzung + Mitarbeit:

Gesang:
Der Chor der Redakteure & Sekretärinnen

Texte:
Bundeszentrale Für Politische Bildung, Carlo Schmid, Heinrich Lübke, Johannes Hermanns, Rudolf Augstein, Wolf D. Rogosky

Musik:
Das Pardon Studio Sextett
(Die Nationalhymne ist eine Originalaufnahme aus Kandahar)

Lieder und Melodien von:
Max von Schenckendorf, H. F. Maßmann, Martin Rinkart, Johann Wolfgang von Goethe, Wolf D. Rogosky, Heinrich Werner, Carl Maria von Weber, Franz Schubert, Joseph Haydn, Karl Groos

Sprecher:
Christine Davism Fred C. Siebeck, Gert Keller, Heinrich Lübke, Werner Simon

Produktion und Regie:
Wolfgang Ecke

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Titel:
01. Heinrich Lübke … redet für Deutschland (Teil 1) 19.43
02. Heinrich Lübke … redet für Deutschland (Teil 2) 17.29

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Aus: „Der Spiegel“, 1967:
Spiegel 1967

Pardon (Zeitschrift) – Juni 1975

TitelDas Projekt “jetzt stell ich mal ein paar Reprints von der Satire-Zeitschrift in diesen blog” ist für mich ganz sicher ne Art Herzensangelegenheit. Zu sehr hat mich die Denke, die Schreibe und auch das Design dieses Heftes geprägt:

Wer mehr über die Geschichte dieser satirischen Monatszeitschrift wissen will, kann sich hier informieren.

Jetzt mal wieder ein Heft aus dem Jahr 1973 und ein Heft das mir ganz besonders gut gefällt (ja, auch heute noch).

Pardon machte ja nicht nur Jux und Tollereien, pardon verstand sich in diesen Jahren auch als politisch und das ist auch in diesem Heft spürbar.

Und ein weiteres mal ist Helmut Schmidt der Star auf dem Cover.

Und dann gibt´s dann noch u.a. folgenden Themen:

  • Jane Fonda und der Faschismus
  • Die Tusche-Gurus (ein Bericht über die US-Underground-Comic-Szene)
  • Eine Satire über Casanova
  • Ein Interview mit Erich Fromm

Und dann mag ich noch auf die regelmässige Beilage „Die Wahrheit“ hinweisen, die Hochgenuss für Freunde der spitzen Feder.

Udo Lindenerg´s Wotan Wahnwitz LP war die Platte des Monats und es fällt erneut auf, dass diese Zeitschrift damals auch künstlerisch so einiges drauf hatte (siehe die „Kalenderblätter“).

Ach, das gäb es noch soviel zu schreiben …

Da fällt mir gerade ein … als ich dieses Heft damals käuflich erworben haben, war dies ein ganz besonderer Monat für mich: ich wurde 20 Jahre alt und war frisch und total verliebt … in meine zukünftige Ehefrau und Mutter meiner beiden Töchter.

Als Appetitanreger eine kleine Vorschau in Bildern:

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Vielleicht helfen diese Tipps heute ja auch noch …:

Vielleicht helfen diese Tipps heute ja auch noch ...

Beispiel05
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Beispiel04
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Beispiel06
Beispiel08
Beispiel09

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Härte im Fußball ist …

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Kalenderblätter waren damals fester Bestandteil der pardon-Hefte:

Kalenderblätter waren damals fester Bestandteil der pardon-Hefte

Beispiel13
Beispiel14

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Mehr pardon:
mehrPardon

Eulenspiegel – Januar 2015

TitelMan mag es kaum glauben, das Satiremagazin „Eulenspiegel“ hatte seine Ursprünge bereits im Jahre 1848, eingestellt wurde dieses Magazin dann wieder 1853, um 1928 wieder ans Tageslicht zurückzukehren, 1933 (wen wundert´s) war dann wieder Schluss.

Und dann ab 1954 gab´s ihn wieder und das bis heute !

Der Eulenspiegel ist ein monatlich erscheinendes Humor- und Satiremagazin mit einer Auflage von 110.000 Exemplaren. Es wird von der Eulenspiegel GmbH in Berlin herausgegeben.

Die Zeitschrift ging aus dem Satireblatt Frischer Wind hervor, das seit dem 15. April 1946 unter sowjetischer Presselizenz erschien. Chefredakteur des Frischen Wind war zunächst Lex Ende, danach Walter Heynowski. Am 1. Mai 1954 nahm die nun im Vierfarbdruck hergestellte Zeitschrift den Titel Eulenspiegel an, nachdem 1950 die unabhängige, in der Nachkriegszeit sehr erfolgreiche Zeitschrift Ulenspiegel eingestellt worden war. Obwohl sie seit Februar 1957 der Abteilung Presselenkung des ZK der SED unterstellt war, wurden manche Ausgaben aufgrund ihrer politischen Brisanz und satirischer Kritik an Versorgungsmängeln in der DDR vor dem Vertrieb vernichtet. Nach der Veröffentlichung einer Ulbricht-Karikatur 1957 wurde der Chefredakteur Heinz H. Schmidt entlassen. Mit dem Machtantritt Erich Honeckers, so die Einschätzung der langjährigen Eulenspiegel-Autorin und -filmkritikerin Renate Holland-Moritz, verringerten sich die verbliebenen Freiheiten; es kam zu einer „Flucht in die Humoreske“.

Das Blatt erschien bis 1972 im ebenfalls 1954 gegründeten Eulenspiegel-Verlag, der danach zu einem eigenständigen Buchverlag wurde. Der Eulenspiegel war die einzige Satirezeitschrift der DDR. Häufig überstieg die Nachfrage die Auflage, die infolge des Papiermangels auf 500.000 Stück limitiert war.

Nach der Wende erwarb die zu diesem Zweck gegründete Eulenspiegel GmbH das Blatt. Aufgrund ökonomischer Erwägungen wechselte das Blatt im August 1991 (mit der Heftnummer 29/91) von einer wöchentlichen zur monatlichen Erscheinungsweise. Die Auflage sank Mitte der 1990er Jahre auf 130.000 und lag 2012 bei 120.000 Stück, wobei 80 Prozent der Hefte im Osten Deutschlands verkauft werden. Die beiden Besitzer, Hartmut Berlin und Jürgen Nowak, der 1986 vom Neuen Deutschland zum Eulenspiegel kam, wechselten sich anfangs regelmäßig als Chefredakteur ab. Der Satiriker Bernd Zeller, der 1999 als Nachfolger von Jürgen Nowak vorgesehen war, wurde aufgrund eines kritischen Interviews mit der Berliner Zeitung entlassen. Die bislang im Franz-Mehring-Platz 1 ansässige Redaktion zog im Januar 2000 in die Gubener Straße 47. Im März 2000 wechselte Jürgen Nowak von der Redaktion in die Verlagsleitung. Im Juli 2009 löste Mathias Wedel Hartmut Berlin als Chefredakteur ab.

Besonders in den 1990er Jahren war der Eulenspiegel bekannt für satirische Aktionen, die meist von den damaligen Redakteuren Georg Behrend und André Mielke durchgeführt wurden. So nahmen sie für die Mai-Ausgabe 1993 unter dem Vorwand, ein Panoptikum für die „Köpfe der Wende“ zu eröffnen, einigen Prominenten Gipsabdrücke ihrer Gesichter ab. Zu den Opfern zählten etwa Lutz Rathenow, Gunther Emmerlich, Konrad Weiß, Sabine Bergmann-Pohl und Rainer Eppelmann. Für das Juni-Heft 1995 reisten Mielke und Behrend zusammen mit Martin Sonneborn, der damals Eulenspiegel-Praktikant war, in einem als Castor-Transporter ausgewiesenen LKW durch Deutschland.

In den 1990er Jahren nahmen DDR-Reminiszenzen einen großen Raum ein. Zunächst gelegentlich, zwischen November 1996 und Mai 1999 sogar alle zwei Monate, erschien eine Doppelseite des sogenannten „West-ND“, eine Parodie auf die Tageszeitung Neues Deutschland, die sich an die Leser der „fünfzig neuen Bezirke der DDR (ehemals BRD)“ richtete. Als die Einstellung dieser Reihe im Oktober 1999 angekündigt wurde, wünschten mehrere Leserbriefeschreiber im November- und Dezemberheft – mit Erfolg – eine Fortsetzung. Dem 50. Jahrestag der DDR-Gründung widmete das Oktoberheft 1999 vier[20], das Novemberheft einen weiteren Beitrag. „Zu Ehren des 3. Oktober 2000“ bewarb der Eulenspiegel ab dem Heft 10/2000 eine 32-seitige Sonderausgabe der ND-Parodie.

Im Frühjahr 1998 hatte die Lausitzer Rundschau als einzige Zeitung die Anzeige Die „Vereinigte Rechte“ sucht Mitstreiter veröffentlicht. Zunächst rief ein Eulenspiegelredakteur, der sich als Mitglied der „Kameradschaft Wotan“ ausgab, die Lausitzer Rundschau an, und bedankte sich für den Abdruck. Anschließend schlüpfte er in die Rolle eines fiktiven Sympathisanten und telefonierte mit Mario H. Meurer, dem Bundesvorsitzenden der Vereinigten Rechten, sowie einem weiteren Funktionär. Mario H. Meurer, der die Telefonate mitgeschnitten und der Staatsanwaltschaft Stuttgart überreicht hatte, warf in seinem Brief vom 30. April 1998 dem Eulenspiegel unter anderem Volksverhetzung vor.Das Verfahren wurde eingestellt; die am gleichen Tag eingereichte Beschwerde beim Deutschen Presserat hatte allerdings Erfolg.

DiverseEulenspiegelAusgabenFranziska van Almsick, die schwanger auf dem Titelbild 4/94 abgebildet worden war, verklagte den Eulenspiegel. Eine außergerichtliche Einigung wurde erreicht; das entsprechende Heft darf allerdings seit dem 27. April 1994 nicht verkauft werden. Im März 1996 verklagte Bärbel Bohley das Satiremagazin, das eine „miese Porno-Montage mit Kanzler Kohl“ auf seinem Titelblatt abgedruckt hatte, auf 100.000 DM Schadensersatz. Die satirische Darstellung, die ein größeres Echo sowohl in den Medien als auch bei Politikern hervorrief und vom Deutschen Presserat gerügt wurde, spielte auf das Treffen ehemaliger DDR-Bürgerrechtler mit dem Kanzler in Berlin an. Aufgrund eines Vergleiches vor dem Landgericht Hamburg zahlte der Eulenspiegel schließlich 20.000 DM an Bohley. In den folgenden Heftnummern wurde diese Affäre mehrfach ironisch aufgegriffen. Der katholische Journalist Matthias Drobinski erwirkte im Juli 2013 eine einstweilige Verfügung gegen den Eulenspiegel, weil er in einem Artikel mit Homosexualität in Verbindung gebracht wurde. Alle Hefte der August-Ausgabe mussten aus dem Handel genommen werden und dürfen nur noch in einer zensierten Version verkauft werden.

Einer der langjährigen Hauptautoren des Eulenspiegels war Johannes Conrad. Sein Stil prägte den Eulenspiegel über Jahrzehnte. Er wurde auch der „Woody Allen des DDR-Humors“ genannt. Seine „Funzel“-Kolumnen waren beim breiten Publikum beliebt und auch in Satirekreisen sehr bekannt. Weitere bekannte Autoren waren Otto Häuser, Lothar Kusche, C. U. Wiesner, Jochen Petersdorf, Wolfgang Mocker und Hansgeorg Stengel. Aktuelle Autoren sind unter anderem Ernst Röhl, Utz Bamberg, Matti Friedrich, Matthias Biskupek, Renate Holland-Moritz, Peter Köhler, Frauke Baldrich-Brümmer, Rainer Röske, Carlo Dippold, Guido Pauly, Erik Wenk, Michael Kaiser, Felice von Senkbeil, Robert Niemann, Atze Svoboda, Anke Behrend, Andreas Koristka und Henning Beermann.

Zu den bedeutendsten Zeichnern gehörten Heinz Jankofsky, Henry Büttner, Louis Rauwolf, Manfred Bofinger, Erich Schmitt und Heinz Behling. Folgende Zeichner sind aktuell regelmäßig mit Cartoons und Zeichnungen vertreten: BECK, Harm Bengen, Lo Blickensdorf, Peter Butschkow, Arno Funke, Burkhard Fritsche, Gerhard Glück, Barbara Henniger, Frank Hoppmann, Rudi Hurzlmeier, Katz und Goldt, Kriki, Peter Muzeniek, Oliver Ottitsch, Ari Plikat, Bernd Pohlenz, André Poloczek, Andreas Prüstel, Erich Rauschenbach, Horst Schrade, Reiner Schwalme, Guido Sieber, Klaus Stuttmann, Peter Thulke, Freimut Wössner und Martin Zak.

Neben drei Sammelbänden, die die Jahre 1954 bis 1969, 1970 bis 1979, und 1980 bis 1990 zusammenfassen, erschienen in den letzten 15 Jahren unregelmäßig Sonderausgaben, zum Beispiel die oben genannte Parodie auf das Neue Deutschland, ein Rätselheft oder ein Sonderheft zur Fußball-WM 2006. (Quelle: wikipedia)

Und wie quicklebendig diese Sairezeitschrift auch heute noch ist, zeigt z.B. ein Blick in das Heft vom Januar 2015:

Beispiel02Beispiel03Beispiel04Beispiel01Beispiel06Beispiel07Beispiel05Beispiel08Beispiel09Beispiel10Beispiel11

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Christiane Rösinger – Liebe wird oft überbewertet (2012)

FrontCover1Dass ist so ein Hörbuch, bei dem ich ständig einerseits  … andererseits murmeln musste:

Christiane Rösinger war Gründerin, Sängerin und Texterin der Berliner Bands Lassie Singers und Britta. In den 90er Jahren war sie eine der Betreiberinnen der legendären Flittchenbar am Berliner Ostbahnhof. Neben ihrer Arbeit als Musikerin schreibt sie Kolumnen und andere Beiträge für verschiedene Zeitungen und Magazine, darunter taz, Tagesspiegel, Berliner Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung. Im Jahr 2008 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, „Das schöne Leben“. Seit 2008 schreibt und spricht sie die wöchentliche Kolumne „Aus dem Leben der Lo-fi-Boheme für den österreichischen Radiosender fm4. (Selbstdarstellung)

Oder:

Christiane Rösinger wuchs in Hügelsheim bei Rastatt auf und zog 1985 nach West-Berlin, wo sie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft studierte und als Hilfskraft am Peter-Szondi-Institut arbeitete. Dort bewegte sie sich Mitte der 1980er Jahre im Umfeld des Fischbüros. 1988 gründete sie zusammen mit Almut Klotz und Funny van Dannen die Band Lassie Singers, die sich 1998 auflöste. 1998 gründete sie ebenfalls mit Almut Klotz das Label Flittchen Records. Seit 1998 ist Christiane Rösinger der Kopf der Band Britta, die sie zusammen mit Britta Neander und Julie Miess gründete. Daneben schreibt sie für verschiedene Zeitungen (u. a. taz, Tagesspiegel, Berliner Zeitung, „Berliner Seiten“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung) vor allem über Themen, die mit Popmusik und Popkultur in Verbindung stehen.

LassieSingers

Die Lassie Singers

Im März 2008 erschien ihr erstes Buch, „Das schöne Leben“, in dem sie in kurzen autobiografischen Texten vom Leben auf dem Dorf und vom Leben in der Stadt erzählt. Seit August 2008 schreibt sie eine wöchentliche Kolumne für den österreichischen Radiosender fm4. Im Oktober 2010 veröffentlichte Rösinger ihr erstes Soloalbum „Songs Of L. And Hate“, auf dem Andreas Spechtl von Ja, Panik für die Arrangements verantwortlich zeichnet. Diesem folgte 2017 „Lieder ohne Leiden“, auf dem sie abermals mit Spechtl zusammenarbeitet (Instrumentierung und Gesang). Ihre Tochter singt dabei im Background. Thematisch dreht sich das Album um das Altern, was der Song „Joy Of Ageing“ bündelt. Dort reihen sich zudem collagenartig Zitate von Bertolt Brecht, The Smiths oder der Münchener Band Schwermut Forest.

In den 1990er Jahren betrieb Rösinger die wöchentliche Veranstaltungsreihe Flittchenbar in der Maria am Ostbahnhof. Seit Dezember 2010 veranstaltet sie diese musikalische Themen-Gala monatlich im Kreuzberger Südblock. 2016 war sie bei dem Fussical „Der Spielmacher“ im HAU Berlin beteiligt. Für das Stück „Feminista Baby“ – Premiere 2017 im Deutschen Theater – schrieb sie die Musik und spielte auch mit. Im Herbst 2019 hatte ihr erstes Musical Stadt unter Einfluss Premiere im Hebbel am Ufer. Für das wohnungspolitische Musical schrieb sie den Text und die Songs, führte Regie und spielte selbst mit. (wikipedia)

Britta

Britta

Die Aversion gegen die traute Zweisamkeit hat bei Christiane Rösinger eine lange Tradition. Klar, dass da „Die Pärchenlüge“, ein Titel der Lassie Singers aus dem Jahr 1991, auf dem Hörbuch nicht fehlen darf:

„Pärchen stinken, Pärchen lügen, Pärchen winken und fahren nach Rügen, Cocktails trinken, Kartoffelchips essen, Händchen halten und die Freunde vergessen. Pärchen verpisst Euch, keiner vermisst Euch.“

Christiane Rösinger ist eine Berliner Institution, sie steht für die Ausgeh- und Subkulturboheme der 80er- und 90er-Jahre, als Kreuzberg und Mitte noch keine easyJet und Schicki-Micki-Viertel waren, sondern kreative Spielplätze. Jeder konnte machen, was er wollte, auch singen, ohne singen zu können. Die Lassie Singers, die sich Ende der 90er-Jahre auflösten, werden heute noch von vielen verehrt, vor allem wegen ihrer sarkastisch-ironisch-melancholischen Texte:

Booklet02A„Überflüssige Liebeslieder, falsch und schlecht und laut, tun so als wäre das Leben auf der Sehnsuchtsebene aufgebaut. Und das stimmt nicht. Das ist ganz falsch. Denn Liebe wird oft überbewertet …“

Es ist dann fast ein wenig zu selbstreferenziell, wenn Christiane Rösinger im Jahr 2012 ihr zweites Buch „Liebe wird oft überbewertet“ nennt. Und entlarvend: Eigentlich ist mit diesem Titel und der „Pärchenlüge“ schon alles gesagt zum Thema Liebe in westlichen Industriegesellschaften. Die 200 Seiten Text hätte es da gar nicht mehr gebraucht. Als Paarforscherin und Kritikerin zieht sie darin gegen die vorherrschende Beziehungsnorm zu Felde:

„Eines steht aber ohne Zweifel fest: Das Pärchentum bringt immer die schlechtesten Eigenschaften des Einzelnen nach oben und produziert deshalb am laufenden Band unglückliche Paare, die wie geprügelte Hunde nebeneinander durchs Leben schleichen. Trauerumflorte Gestalten, die man nur in wenigen Augenblicken, wenn der Partner nicht da ist, kurz und heimlich aufatmen sieht. – Ihr lacht, aber es ist sehr traurig.“

Ihr Buch ist unterhaltsam – aber streckenweise gleicht es auch einer akademischen Fleißaufgabe, wenn sie den Mythos der Paarbeziehung dekonstruiert, vom Anbeginn der Menschheit bis heute:

Booklet02B„Wir müssen weiter im Schweinsgalopp durch die Wissenschaften, wir müssen noch ein bisschen die Naturwissenschaften abhandeln und dann wird’s auch ein bisschen menschlicher.“

Das Hörbuch, ein Mitschnitt einer Lesung von der lit.COLOGNE im März diesen Jahres, ist der Textfassung überlegen, weil deutlich kurzweiliger. Zum einen wegen der Songs, die Christiane Rösinger einstreut. Und wegen der Art, wie sie Auszüge aus dem Buch liest und kommentiert:

„Ja, es tut mir leid, ich merke, hier ist so eine Betroffenheit, es ist schon hart, wenn einem alle Illusionen genommen werden. Aber einer muss es machen, es tut mir leid, das bin halt ich. Als Paarkritikerin kriegt man nicht viel Beifall.

ChristianeRösinger01Auch die nächste Geschichte ist nicht gerade lustig, aber es ist halt so. Ihr könnt Euch ja am Wochenende noch mal so eine romantische Komödie ankucken. Die nächste Geschichte heißt Pärchen in Hotels.“

Und die ist natürlich wieder zutiefst deprimierend. Mit ihrer Kernthese hat Christiane Rösinger ja nicht unrecht: Wer alleine lebt, wird bemitleidet, von denen, die zu zweit leben, auch wenn deren Liebe schon lange Vergangenheit ist.

„Vielleicht sind einige unter Euch, die sagen: Was will die eigentlich, Singles sind doch total akzeptiert! In unserer Gesellschaft kann doch jeder leben, wie er will. Wenn es jetzt so wäre, warum gibt es dann so wahnsinnig viele Beziehungsratgeber, die uns allen zeigen wollen, wie man den Weg zum Paar findet? Es ist eine Pärchen zentrierte Weltsicht. Und Singles sind natürlich überhaupt keine akzeptierte Erscheinung. Und ich habe mich in das Herz der Finsternis begeben und habe ungefähr 100 Beziehungsratgeber gelesen. Und durchgearbeitet.“

Eine enorme Leistung, um die man sie nicht beneidet, aus der sie dann aber doch wieder Hoffnung schöpfen kann. Denn letztlich ist alles Mühen umsonst, das ist ein wenig überraschendes Fazit dieser schönen, bunten und manchmal auch wahrhaftigen Leseshow: Dauerhafte Zweisamkeit ist eine Illusion. Liebe und unerfüllte Sehnsucht sind nur dazu da, überwunden und verarbeitet zu werden – im besten Fall zu Stücken, wie denen von Christiane Rösinger.

ChristianeRösinger02„Bist Du einmal einsam und allein, gewöhn Dich dran, es wird bald immer so sein. Und bist Du mal verzagt und findest keine ruh, dann kommt bestimmt ein Unglück noch mit dazu.

Und triffst Du einen Menschen, der Dich versteht, der Dir gefällt, dann wart’s nur ab, wie lang er wirklich zu Dir hält.

Es ist alles so sinnlos, das hält ja gar kein Mensch mehr aus, da muss man sich doch einfach hinlegen, oder man steht erst gar nicht auf.

Sinnlos, sinnlos, so sinnlos. Sinnlos, ohne Sinn. “

Applaus

„Vielen Dank!“ (Georg Gruber)

Tja: einerseits ein geistreiches Unterfangen, das viel Quellenstudium vorausgesetzt haben muss, ein Unterfangen, bei dem so manch wahres enthält …

andererseits irgendwie zu verbissen, bemüht, zuweilen ein wenig verbiestert und spröde vorgetragen, aber vielleicht ist das auch ne Frage der Mentalität … vielleicht rührt meine Skepsis auch daher, dass für mich die Liebe eben kein überflüssiger Quatsch istdass ich vielleicht auch einen dieser „hoffnunglosen Romantiker“ bin …

Empfehlen mag ich das Hörbuch dennoch, einerseits weil es dennoch irgendwie anregend ist, andererseits weil die musikalischen Zwischenspiele schon sehr interessant und zuweilen auch noch pfiffig sind … einerseits  … andererseits …

WahreLiebe

So muss wohl wahre Liebe aussehen.

Besetzung:
Claudia Fierke (guitar, vocals)
Stefan Pabst (drums, percusion, melodica)
Christiane Rösinger (vocals)
Andreas Spechtl (piano)

Booklet01ATitel:
01. Begrüßung (Rösinger)  0.59
02. Paarideologie – Das Paar als Lebensform (Rösinger) 3.27
03. Die Pärchenlüge (Rösinger/Hermann/Fitzner/Weiß/Klotz) 2.30
04. Knut und die RZB (Rösinger) 3.21
05. Psychologische Liebestheorien (Rösinger) 5.14
06. Ich muss immer an Dich denken (Rösinger/Spechtl) 2.13
07. Liebe als Chemie (Rösinger) 3.55
08. Mein zukünftiger Ex-Freund (Rösinger/Klotz/Hermann/Fitzner) 4.16
09. Petra der Trauerschwan oder Ich glaub, ich hab ein Faible für Idioten (Rösinger) 7.36
10. Ich glaub ich hab ein Faible für Idioten (Rösinger) 3.38
11. Der Mythos von der Liebe – wer ist schuld (Rösinger) 6.18
12. I’m Sticking With You (Reed) 2.15
13. Die Liebe macht Menschen zu Idioten (Rösinger) 6.35
14. L**** (Rösinger/Miess/Wagner/Neander) 2.48
15. Dekonstruktion berühmter Liebespaare (Rösinger) 7.13
16. Pärchen in Hotels (Rösinger) 4.51
17. Fragen (Rösinger/Miess/Wagner/Neander) 3.54
18. Ein Singlebuch kommt selten allein (Rösinger) 9.43
19. Die Liebe wird oft überbewertet (Rösinger) 3.33
20. Sinnlos (Rösinger/Spechtl) 3.43

CD1

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Bruno Jonas – Bis hierher und weiter (2008)

FrontCover1So muss Satire sein: bitterböse und treffend …

„Wenn einer weiß, dass er nichts wissen kann, und trotzdem so tut, als könnte er was wissen, dann ist er wahrscheinlich ein Depp – oder ein Berater.“ Bruno Jonas

Bruno Jonas schlüpft in die Rolle des Unternehmensberaters Hubert Unwirsch, der nie um einen Rat verlegen ist und über vielfältige Kontakte verfügt. Während der Wartezeit auf dem Flughafen kommt er zu verblüffenden Erkenntnissen über Korruption, Untreue, Politik, Theologie und Betriebswirtschaftslehre und ihm wird klar, dass es nicht so weiter gehen wird, wie er sich das vorgestellt hat.

„Jonas bleibt Jonas: immer gleich hellwach, gedankenflink und präsent.“ SZ (02.05.2007)

Oder:
„Wenn einer weiß, dass er nichts wissen kann, und trotzdem so tut, als könnte er was wissen, dann ist er wahrscheinlich ein Depp – oder ein Berater.“ Bruno Jonas

Bis hierher – aber an weiter ist für Hubert Unwirsch momentan nicht zu denken. Denn der Unternehmensberater, sitzt nicht nur am Flughafen fest, gegen ihn wird auch wegen Untreue und Korruption ermittelt. Die Wartezeit nutzt er zur Reflexion über die ethischen Grundsätze deutscher Wirtschaftsbosse und hemmungsloses Profitstreben als zeitgemäße Überlebensstrategie.
Mit abgründigem Humor und rhetorischer Spitzfindigkeit offenbart Bruno Jonas die verblüffenden Erkenntnisse und die ganz persönliche Weltsicht eines überzeugten Kapitalisten.

„Ein Juwel.“ — Münchner Merkur

„Bruno Jonas ist mit diesem Parforceritt ein satirisches Kabinettstück gelungen.“ — Passauer Neue Presse

Auch wenn dieses Programm schon etliche Jahre auf dem Buckel hat … es ist erschreckend alktuell und mehr als einmal bleibt einem das Lachen im Hals stecken … aber so ist das halt bei Satire und Kabarett, die so richtig voll den Nerv trifft !

BrunoJonas

Besetzung:
Bruno Jonas (Sprecher)

Booklet1Titel:

CD 1:
01. Frau Schellnhuber 3.45
02. Globalisierung 2.13
03. Brauseköpfe 6.32
04. Key-Konzept 4.54
05. Standortfragen 3.37
06. China 3.24
07. Solidarität 1.50
08. Absacker 4.17
09. Munich Consulting Company 4.24
10. Publishing 2.41
11. Theologing 7.50
12. Networking 5.00
13. Der Event 9.05
14. Neid 2.29
15. Kuhlke 2.52
16. Kölbl, Wesendonk u.a.4.05
17. Trudilein 3.01

CD 2:
01. Trudilein und Harald 2.00
02. Verpfiffen 5.15
03. Der Strohmaier 4.16
04. Strategie und Täuschung 6.19
05. Die Kölbl 5.48
06. Consulting und Philosophie 7.46
07. Sicherheit und Terror 4.43
08. Untergangsmelodien 3.54
09. Glaube und Hoffnung 3.00
10. In der Irre 2.41
11.  … Unser tägliches Bild heute 5.52
12. Trudilein fährt mit 2.15

Text: Bruno Jonas

CD1A

  • (demnächst)
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Fliegende Blätter (Zeitschrift) – Heft Nr. 4 (1865)

TitelDa ist mir neulich eine feine Sammlung der alten Zeitschrift „Fliegende Blätter“ ins Haus geflattert (ein herzliches Dankeschön an den Spender, der anonym bleiben möchte):

Fliegende Blätter war der Name einer humoristischen, reich illustrierten deutschen Wochenschrift. Die Fliegenden Blätter erschienen von 1845 bis 1928 beim Verlag Braun & Schneider, München. Sie wurden 1929 mit der Zeitschrift Meggendorfer-Blätter vereinigt und erschienen bis 1944 unter dem Titel Fliegende Blätter und Meggendorfer-Blätter beim Verlag J. F. Schreiber, München und Eßlingen a. N. Die künstlerische und drucktechnische Güte der Zeitschrift war berühmt.

Zudem war Fliegende Blätter die Bezeichnung von Aphorismen des Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi, die 1817 im Taschenbuch Minerva publiziert wurden.

Kaspar Braun zeigte sich vor allem für die Illustrationen verantwortlich, während sich Friedrich Schneider vor allem um die Texte kümmerte. Neben Karikaturen wurden Gedichte und Erzählungen in den Fliegenden Blättern veröffentlicht, etwa Die Gedichte des schwäbischen Schulmeisters Gottlieb Biedermaier und seines Freundes Horatius Treuherz (seit 1855) von Adolf Kußmaul.

Die einzelnen Ausgaben bestanden aus je acht, lange Zeit undatierten, Seiten und erschienen in einem wöchentlichen Turnus.

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Weitere Ausgaben

Einer Meldung in der Leipziger Zeitung zufolge hatten die Fliegenden Blätter im März 1847 eine Auflage von 15.000 Exemplaren.

Allgemeine Wertschätzung erfuhren die Fliegenden Blätter für ihre zielsichere, satirische Charakterisierung des deutschen Bürgertums. Beliebte Serienfiguren aus der Zeitschrift waren seit 1845 die beiden Typen Biedermann und Bummelmaier (aus ihren Namen entstand der Begriff Biedermeier). Daneben gab es beispielsweise die Abenteuer des fiktiven Barons Eisele und seines Hofmeisters Dr. Beisele zu lesen.

Die Illustrationen in den Fliegenden Blättern stammten von namhaften Künstlern wie Heinrich von Arx, Ferdinand Barth, Wilhelm Busch, Gustav Adolf Closs, Eugen Croissant, Karl Elleder, Josef Nikolaus Geis, Eugen Horstig, Hans Kaufmann, Kaspar Kögler, Franz Kreuzer, Adolf Oberländer, Franz Graf von Pocci, Carl Reinhardt, Emil Reinicke, René Reinicke, Franziska Schlopsnies, Carl Spitzweg, Hermann Stockmann, Gustav Traub, Hermann Vogel und vielen anderen. (Quelle: wikipedia)

Die „Fliegenden Blätter waren also eine der ganz frühen satirischen Zeitschriften in Deutschland … und nachdem für mich Satire lebensnotwendig ist, freue ich mich sehr, mit diesem Heft (Nr. 4, 1865) die Präsentationsreihe zu eröffnen.

Dieses Heft enthält einen „Bericht“ über das närrische Treiben von tanzwütigen Frauen und Männern (noch heute ein amüsanter Spaß !) sowie diverse Spottgedichte, vornehmlich auf die Obrigkeit .. .Jawohl, so gehört sich das auch !

Und auch all die Illustrationen sind mit „spitzer Feder“ gezeichnet … und  für dieses völlig veraltete Malstil kann – zumindest – ich mich auch heute noch erwärmen (Ich mag ja auch all die alten Sherlock Holmes Illustrationen).

Von daher ein kleines Heft (8 Seiten) für den Liebhaber deutscher Satirekunst.

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Ziemlich avantgardistisch für das Jahr 1986, würde ich mal sagen

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Demnächst in diesem Theater:

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Der komplette Jahresband aus dem Jahr 1845