Christina Ida Hitzfeld -Wandel von Werbung – Werbung im Sprachwandel (Dissertation) (2010)

TitelVorweg: mich interessiert Sprache sehr – mich interessieren auch die sprachlichen wie graphischen Strategien der Werbeindustrie, will die Mechanismen der Werbeindustrie besser verstehen, will mich wohl so dem manupulativen Teil dieser Werbe-Strategien entgegenstellen, wissend dass ich eine gewisse Anfälligkeit für diese Strategien habe (meine Frau weiss davon ein Lied zu singen *ggg*).

Und als mir neulich diese Dissertation mit dem Titel „Wandel von Werbung – Werbung im Sprachwandel“ in die Hände fiel, erregte das natürlich auf der Stelle meine Aufmerksamkeit.

Hier erstmal die Kurzfassung dieser Dissertation:

„Das Wort Werbung löste Anfang des 20. Jahrhunderts in vielen Bereichen das der Reklame ab. Die Arbeit zeichnet im ersten Teil die Entwicklung und Geschichte des Begriffs Werbung nach und versucht eine Abgrenzung zu den Begriffen und Bedeutungen von Reklame und Propaganda. Weiter wird erörtert, ob es sich bei Werbesprache um eine Sondersprache oder um „instrumentalisierte Sonderform von Alltagssprache“ handelt.

Der zweite Teil der Arbeit widmet sich anhand eines systematisch erfassten Datenkorpus der Frage, ob sich die artifizielle Werbesprache selbst innerhalb der letzten fünfzig Jahre verändert hat und wie dieser diachrone Sprachwandel, der im einzelnen auch Rückschlüsse auf die Allgemeinsprache und ihren Wandel zulässt, sich sichtbar machen lässt. Mit einem Raster aus vornehmlich rhetorischen Stilmitteln werden Veränderungen der Werbesprache im Nachrichtenmagazin „Spiegel“ erfasst und besprochen.“

Eigentlich wird diese Kurzfassung dieser Arbeit nicht gerecht, denn hier hat die Autorin sich den Luxus geleistet, das Thema wirklich akribisch aufzuarbeiten. Allein um das  Kapitel „Werbesprache im Forschungsüberblick“ zu arbeiten, stürzte sie sich in eine Flut von bereits vorhordenen Forschungsergebnissen …

Spiegel01_1947Das setting ihrer Untersuchung stellt sich wie folgt dar:

„Um die aufgestellten Bedingungen der systematischen Auswahl und der Überprüfbarkeit der Sammlung zu erfüllen sowie dem Anspruch gerecht zu werden, am Ende einen repräsentativen Querschnitt durch 50 Jahre deutsche Werbegeschichte zu erhalten, wurde die Auswahl der aufgenommenen Anzeigen wie folgt begrenzt:
Eingang in das vorliegende Korpus fanden alle Spiegel Anzeigen jeweils aus Heft Nr.50 der folgenden Jahre: 1947, 1950, 1955, 1960, 1965, 1970, 1975, 1980, 1985, 1990, 1995, 2000 und 2005. Da das seitdem wöchentlich erscheinende Politmagazin „Der Spiegel“ 1947 zum ersten Mal publiziert wurde, findet sich hier die einzige Ausnahme der sonst in fünf Jahres Schritten erfolgten Auswahl. Der Spiegel wurde als Medium aus den gleichen Gründen ausgewählt, die REICH-RANICKI anführt.

„Warum aus dem „Spiegel“? Ich weiß, so weit bin ich in der Branche doch bewandert, daß im „Spiegel“ die Anzeigen viel Geld kosten. Daher, so dachte ich mir, sind sie von Firmen aufgegeben, die viel Geld haben. Und diese Firmen, die über viel Geld verfügen, haben auch die besten Werbetexter. Also habe ich mir gesagt: „Das lohnt sich malanzuschauen“.

Heft Nr. 50 wurde gewählt, da in der Vorweihnachtszeit mit besonders vielen Produktanzeigen zu rechnen ist und sich durch die jährliche Wiederholung der Anzeigen einzelner Firmen auch Vergleichsmöglichkeiten der Anzeigen innerhalb einer Produktart, ja sogar ein und desselben Produkts, ergeben.
Bewusst wurde der Untersuchungszeitraum erst mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges angesetzt, da das Jahr 1945 eine tiefe Zäsur, auch in Bezug auf die deutsche Sprache, brachte. Die sprachliche „Stunde Null“ hat es zwar wohl so nicht gegeben, dennoch beginnt für Deutschland mit der Nachkriegszeit wieder die freie Marktwirtschaft in einem demokratischen Staat, was Nebeneffekte wie das Neuerwachen des ganzen Wirtschaftszweiges Konsumwerbung mit sich bringt.“ (Seite 55)

Beispiel01Anzeigenbeispiel 1947

Wie gesagt: die Materialfülle ist erdrückend (auch wenn ich bestimmte Kommentierungen der Autorin, z.B. hinsichtlich der psychoanalytischen Kritik an Werbung nicht teile) und diese Materialfülle ist beeindruckend.

Und wenn dann Christina Ida Hitzfeld in die Tiefen der Sprache einsteigt, kann einem schon schwindlig werden … siehe dieser Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis:

Beispiel06

Das nenn ich Akribie !

Ein wenig amüsant wird es, als die Autorin in einem Exkurs das Gespräch mit dem profiliertem Werbetexter Samuel Christ sucht:

Beispiel07

Und weiter:

Beispiel08

Wenn sich „Witz und Doppelsinn … schwer, wenn nicht überhaupt nicht, mit rhetorischen Mitteln (zu) fassen oder beschreiben“ sind, dann stößt die Autorin mit diesem Satz an die Grenzen ihrer Dissertation (und ich sehe vor mir den akademischen Elfenbeinturm).

AnzeigenSamuelChrist
Anzeigen mit Texten von Samuel Christ

Ungeachtet dessen: Wer sich für dieses Thema interessiert wird hier mehr als gut bedient und Anregungen zum weiterdenken gibt es mehr als genug.

Und hier noch ein paar Illustrationen aus der Dissertation, bevor´s dann zur Präsentation geht:

Beispiel02

Beispiel03

Beispiel04

Beispiel05

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