Karl Riss – Der Schalk in der Richterrobe (1969)

TitelDer Johann Baptist Cantler (1822 – 1919) war wohl ein rechter Kauz, ein schräger Vogel, vielleicht auch ein eigensinniger Grantler, wie er im Buche steht …  kurz und knapp: Er war ein Unikum.

Johann Baptist Cantler wurde am 24. Mai 1822 in Neustadt an der Saale geboren, studierte in Würzburg Rechts- und Staatswissenschaften und wird im Jahre 1867 an das Landgericht Erding als Richter angestellt. Dort agiert er bis 1895, wird im gleichen Jahr Ehrenbürger von Erding und stirbt im Jahre 1919.

Cantler war ein eigensinniger Richter, wie viele Anekdoten belegen, und ein begnadeter Künstler. Neben dem hier veröffentlichten Werk hinterließ er zahlreiche Figuren auf diversen Aktendeckeln, die nicht immer Anklang bei der damaligen juristischen Gemeinde fanden. (Quelle: napoleon-online.de)

Und gelegentlich erinnert man sich noch seiner, wie z.B. die „Süddeutsche Zeitung“ im Jahr 2015:

Von Amts wegen hintersinnig:

 

Recht sprechen kann sachlich und trocken ablaufen. Oder mit so viel Feinsinn und Witz, dass Richter zu heimlichen Stars werden
Von 

In recht aufgeheizter Stimmung hatten zwei Fans des TSV 1860 einem Anhänger des FC Bayern die Fankluft vom Leib gezerrt und sie mutwillig zerrissen. Daraufhin verdonnerte eine Münchner Amtsrichterin die Halbstarken zu einer 15-monatigen Haftstrafe. Überdies stellte die Richterin die Löwenfans auf eine harte Probe: Das Urteil sah eine Haftverschonung für den Fall vor, dass sie ihrem Opfer die Kleidung ersetzen, und zwar im FC-Bayern-Fanshop. Die Angeklagten schluckten schwer, ergriffen aber die Gelegenheit beim Schopf. Der FC-Bayern-Fanshop erschien ihnen allemal erträglicher als der Gang in eine Zelle.

Immer wieder bringt die bayerische Justiz Köpfe hervor, die Recht und Gesetz weitaus origineller auslegen als jene, über die Ludwig Thoma einst spottete, sie seien Juristen und auch sonst von mäßigem Verstand. Zu den findigsten bayerischen Rechtsgelehrten zählte der Erdinger Amtsrichter Johann Baptist Cantler. Kleinen Sündern gegenüber verhielt er sich verständnisvoll, den vorgesetzten Dienststellen begegnete er auf humorvolle Weise respektlos und mit sarkastischem Witz, wie sein Biograf Peter Leuschner über ihn geurteilt hat.

Einmal stand ein Wilderer vor Gericht, der Staatsanwalt forderte fünf Monate Gefängnis. Der Angeklagte tobte und warf Cantler, der ungerührt blieb, das Götz-Zitat an den Kopf. Den prüfenden Beamten des Landgerichts missfiel Cantlers Nachsicht, sie monierten, im Urteil fehle der Wortlaut der Beschimpfungen. Cantler antwortete auf einem Briefbogen: „Gehorsamst zurück an das königliche Landgericht München. Ihr könnt mich alle miteinander kreuzweise am Arsch lecken.“ Erst auf der nächsten Seite fuhr er fort: „Sagte der Angeklagte Egidius Heuwieser, als ihn der unterfertigte Richter fragte, was er zu dem Strafantrag der Anklage zu sagen hat.“

Ein andermal tat ein Knecht, der zwei Ochsen entführt hatte, vor Gericht so treuherzig, dass ihn die beiden Schöffen für unschuldig hielten. Sie überstimmten den skeptischen Cantler, der den Angeklagten damit freisprechen musste. Verärgert verkündete er folgendes Urteil: „Der Angeklagte wird von der Anklage des Diebstahls von zwei Ochsen“ – an dieser Stelle verbeugte er sich in Richtung der Schöffen – „freigesprochen!“ (Hans Kratzer)

Und auch im Jahr 1969 erinnerte man sich an ihn und zwar weil dieser kauzige Richter mit einer „schlichten Gedenktafel“ gewürdigt wurde.

Und anlässlich dieser Würdigung veröffentlichte man ein kleines Bändchen (erschienen in „Zwischen Sempt und Isen – Heimatblätter des Erdinger Landkreises“ und zwar als Folge 13).

Autor der Broschüre war Karl Riss, Erding, Amtsgerichtsdirektor i.R.

Es mag ja sein, dass sich die damalige Festgemeinde köstlich amüsiert hat … aber liest man sich seine „kauzigen“ Urteile durch … fällt schon auf, dass er seinen Spott oftmals über die „kleinen Leute“ (die sich ja damals so gar nicht wheren konnten) schüttet.

Von daher: einerseits schon eine interessant-amüsante Lektüre, andererseits … handelt es sich bei dem Cantler halt um einen von der damaligen Obrigkeit … die kaum angreifbar war und so ihren Spott treiben konnte.

Der Cantler war übrigens nie verheiratet … warum wundert mich das nicht ?

Beispiel01
Beispiel02

Beispiel03

Beispiel04

 

Beispiel05

„Letzter Besuch“

 

 

Beispiel06

„Das Nasenfach“

 

 

Beispiel07

„Heitere Festversammlung: Cantlerfeier am 25. Oktober 1969 in Erding“ (man beachte den hohen Frauenanteil)

Beispiel08

 

 

Beispiel09

„Hier war Cantlers Amtssitz und Wohnung: Erdinger Rathaus um 1900“

 

 

Beispiel10

Das königlich bayerische Telefon

 

Beispiel11

*
**

Beispiel13