Oberton-Chor Düsseldorf – Rise My Soul (1988)

FrontCover1Mit der sog. Obertonmusik bin ich bisher eigentlich so gar nicht in Berührung gekommen. Das hat sich jetzt geändert:

Und weil der Begriff der Obertonmusik noch nicht sooo verbreitet ist, hier eine Einführung:

Obertongesang ist eine Gesangstechnik, die aus dem Klangspektrum der Stimme einzelne Obertöne so herausfiltert, dass sie als getrennte Töne wahrgenommen werden und der Höreindruck einer Mehrstimmigkeit entsteht[1]. Man spricht dann von Obertongesang, wenn den Obertönen eine eigenständige musikalische Funktion zukommt, zu unterscheiden von Gesangtechniken, die lediglich die Klangfarbe der Stimme mit Obertönen anreichern.

Die Gesangskunst wurde im okzidentalen Kulturkreis vor allem in der New-Age-Szene der 1980er Jahre populär. In den 1960ern hatten Komponisten wie La Monte Young und Karlheinz Stockhausen Obertongesang in die Avantgardemusik eingeführt. Obertongesang ist ebenfalls Bestandteil im Barbershopgesang. Obertöne werden dort mit drei verschiedenen Techniken erzeugt.

Die westliche Obertonmusik ist also recht jung. Während einige Künstler ihre Techniken vor allem aus Stimmexperimenten und Vokaltechniken zu einer neuen Kunstform entwickelten, lassen sich viele jüngere Obertonsänger auch von den asiatischen Kehlgesangtechniken inspirieren. Trotzdem ist ein Obertonsänger klanglich meist leicht von einem asiatischen Kehlsänger zu unterscheiden.

Obertonsänger nutzen als Grundton die „normale“ weiche Stimme. Dadurch ist ein fließender Übergang von Vokalen und Sprache zu Obertongesang möglich. Für viele Obertonmusiker sind daraus entstehende neuartige Klangfarben die Grundlage ihres künstlerischen Ausdrucks. Andere entwickeln eine hohe Virtuosität in polyphoner Singweise, indem sie zwei unabhängige Melodien gleichzeitig mit Grund- und Oberton singen. Es existieren Singkreise, die mit Obertönen in Gruppen improvisieren (chanten, tönen, Obertonchor). Der Obertongesang gehört der freien Musikszene an und entwickelt sich stetig weiter. Inzwischen wurden die ungewöhnlichen Klangeffekte auch für die Filmmusik entdeckt und finden sogar Interesse in der E-Musik. Jüngere Anwendungen in der Musiktherapie zeigen Potenziale des Obertongesangs im Heilwesen auf.

GrafiObertonmusik

Grafik: Obertonmusik

In Tuwa, der Mongolei und weiteren Ländern Zentralasiens rund um das Altaigebirge wird Obertongesang in verschiedenen Formen des Kehlgesangs gepflegt. Weitere Bezeichnungen sind Kehlkopfgesang, Khoomei (Khöömei, Khöömii), tuwinisch: Хөөмей (für „Kehle“), mongolisch Хөөмий, chakassisch: Chay. Ähnliche Obertongesänge kennt man als umngqokolo von den Xhosafrauen in Südafrika und von den Dani in Papua-Neuguinea, allerdings erinnert dieser Kehlgesang eher an den westlichen Obertongesang, das Joiken der Sami oder gar an alpenländisches Jodeln.

Kehlgesang unterscheidet sich von westlichem Obertongesang sowohl musikalisch durch seine ethnische Tradition wie auch technisch durch besondere Arten den Grundton zu erzeugen. Beim Kehlgesang werden unter anderem Teile des Kehlkopfs verengt (Xorekteer). Man diskutiert eine Verengung der Taschenfalten (falsche Stimmlippen) bzw. einen aryepiglottischen Sphinkter (Bildung einer Verengung der aryepiglottischen Falten mit der Epiglottis), die jeweils einen Resonanzraum im Kehlkopf hervorrufen, der den Oberton gegenüber dem Grundton verstärkt.

 

Eine spezielle Kunst der Kehlsänger sowohl in Zentralasien als auch bei den Kehlsängerinnen der Xhosa ist der Gebrauch von Untertongesangstechniken, die man in Tuwa Kargyraa (Untertongesang) nennt. In der Regel wird der erste Unterton der Grundstimme, die erste Subharmonische, als Grundton verwendet. Dadurch wird das Obertonspektrum des Sängers bzw. der Sängerin stark erweitert.

Der Begriff Kehlgesang wird oft synonym für zentralasiatischen Obertongesang verwendet. Das führt gelegentlich zu Verwechslungen, weil der Begriff auch für Gesangsstile Verwendung findet, die nicht zum Obertongesang zählen. Es gibt beispielsweise Untertongesangsarten, die als Kehlgesang bezeichnet werden. Die Tieftongesänge der tibetischen Lamas sowie der Samen in Lappland (Joik) seien in dem Zusammenhang erwähnt, bei denen die Obertöne nicht gezielt als musikalische Struktur verwendet werden. Auch die Kehlgesänge der Inuit und der sardischen „cantu a tenores“ sind in engeren Sinne kein Obertongesang. Aber die Klassifizierung ist oft schwierig, weil ein westlich ungeschultes Ohr die Absichten fremder Musikkulturen möglicherweise nicht erkennt. Einige Autoren möchten zum Beispiel die Dominanz der 10. Harmonischen in tibetischen Gesängen als Obertongesang bezeichnet wissen. (Quelle: wikipedia)

Soweit die Theorie.

ChristianBollmann

Christian Bollmann

Und zu den bedeutenden deutschen Obertonmusikern gehört ganz sicher auch Christian Bollmann:

Christian Bollmann (* 19. Februar 1949 in Hof) ist ein deutscher Obertonsänger, Chorleiter und Trompeter. Der studierte Jazzmusiker gehört zu den Wegbereitern des Obertongesanges in Deutschland.

Nach ersten Tourneen und Plattenproduktion mit eigenen Songs im Duo Midnight Circus (mit Torsten Schmid) studierte er Trompete bei Manfred Schoof und Musiktheater bei Mauricio Kagel an der Hochschule für Musik Köln. Im Rahmen der an das Studium anschließenden Lehr- und Workshop-Tätigkeiten kam es seit 1983 zur Zusammenarbeit mit Komponisten und Musikerpersönlichkeiten wie John Cage, Roberto Laneri, Stephanie Wolff, Michael Mantler und Keith Tippett.

Bereits 1969 entdeckte er bei einer Aufführung von Karlheinz Stockhausens Komposition Stimmung das Phänomen des Obertongesangs. Als Schüler von Michael Vetter kam Bollmann dazu, die Stimme experimentell als universelles persönliches Instrument in den Vordergrund zu stellen. Dabei arbeitet er auch mit exotischen Musikinstrumenten und Loop- und Echo-Technologie. Seit 20 Jahren leitet er den von ihm gegründeten Obertonchor Düsseldorf.

Neben der Realisation eigener Projekte (auch mit dem Multiinstrumentalisten Michael Reimann und der indischen Sängerin Aruna Sayeeram) arbeitete er auch mit Joachim Ernst Berendt zusammen. 1994 gründete er Lichthaus-Musik als Verlag und Label. Er beschäftigte sich auch mit Klangmassagen und technischen Möglichkeiten, solche auch über Lautsprecher zu vermitteln. (Quelle: wikipedia)

Booklet01A.jpg

Hier eine seiner frühen Aufnahmen (die damals als LP und CD von der Network Medien Cooperative – Vertrieb: Zweitausendeins – veröffentlicht wurde), über die er folgendes zu berichten weiß:

Die vorliegenden Aufnahmen sind das Ergebnis vierjähriger Arbeit mit dem Ensemble des “Oberton-Chor Düsseldorf”. Alle Kompositionen entstanden in der Zeit zwischen 1985 und 1988 und wurden in zahlreichen Konzerten in Deutschland, Holland und der Schweiz durch ihre Aufführungen vertieft und – ich möchte fast sagen – “energetisch aufgeladen.” Unsere Musik bezieht sich in ihrer unmittelbaren Verbindung und Ausrichtung auf den Urgrund der Harmonie, auf “Harmonikale Gesetzmäßigkeiten” die in der Obertonreihe enthalten sind, – und auf die “Musik der Sphären”.

Auf der Insel Hombroich/Neuss fanden wir einen Ort, der durch seine meditative Atmosphäre und durch die naturbezogene, akustisch ausgerichtete und künstlerische Architektur einen optimalen Raum bietet, in dem sich unsere Musik voll entfalten kann. In der digitalen Aufnahmetechnik haben wir schließlich das geeignete Medium gefunden, unsere Musik zu konservieren und einem breiten Publikum in seiner Feinheit und Fülle zugänglich zu machen. Die Aufnahmen sind rein akustisch; keine versteckten Flöten oder Synthesizer. Unser Dank gilt besonders: Museum Insel Hombroich, Kiti Kemr, Pedro, K.H. Müller, A.Schmetz, R. Laneri, S. Wolff, M. Vetter, D. Hykes, J.E. Berendt, der Lebensschule, H. Siedler, M. Schmidt, Raphael und allen anderen, die dieses Projekt ermutigend unterstützt haben. (Christian Bollmann)

LPBackCover1

Und auch wenn mir der esoterische Hokuspokus, der um diese Art von Musik gemacht wird, auf den Keks geht, unbestreitbar ist aber auch, dass diese Musik wirklich ihre ganz eigene Sprache hat. Klar, irgendwie gewöhnungsbedürftig, dann aber unglaublich intensiv und beeindruckend …

BackCover1

Besetzung:

Rose Schnell – Jörn Raeck, – Johanne Braun – Klaus Rahrbach – Sabine Schilling – Mario Domig – Christiane Hagen – Christian Bollmann

Booklet03A
Titel:
01. Anrufung 4.20
02. Confirmation 4.45
03. Die Versuchung Jesu Christi 7.18
04. Requiem 10.25
05. Wazifa Prayer 12.21
06. Mundstück 6.44

Musik: Christian Bollmann

LabelLP+CD

*
**