Gabriel Yared & Stéphane Moucha – Das Leben der Anderen (Soundtrack) (2006)

FrontCover1Hier der Soundtrack zu einem ganz besonderen Film:

Zu Hause, im Stadion, am Telefon, in der Post – überall war die Stasi präsent. Aber nicht im Kino. Erst 15 Jahre nach ihrer Auflösung wird dieser prägende Bestandteil der DDR im Spielfilm reflektiert. Hauptmann Gerd Wiesler wird auf den Dramatiker Georg Dreymann angesetzt. Der bis dahin funktionierende Spitzel entwickelt jedoch kritisches Denken und Gefühle für seine Opfer – eine Entwicklung also, die in der Realität vorgekommen sein mag, allerdings mit hohem Seltenheitswert.

Die ersten Bilder sind erschütternd: Sie zeigen, mit welchen Methoden Wiesler Verdächtige in einem dunklen Verlies verhört. Wiesler arbeitet berechnend und präzise, während die Verhörten weinen. Die Verhörszenen werden allerdings immer wieder unterbrochen durch Bilder von Wieslers Seminaren an der Stasi-Hochschule. Hier erfahren die Studierenden (und das Kinopublikum) die Hintergründe der praktischen Arbeit. Es wird deutlich, dass Wiesler vom System der DDR überzeugt ist. Die Verhöre stehen für ihn im Dienst des Sozialismus, des großen Ganzen, an das er glaubt. In diesen Szenen und angesichts der Verwanzung einer Wohnung kommt zur Wut des Zuschauers auch Bewunderung für den Perfektionismus des Geheimdienstes, der mit CIA und Mossad als bester der Welt galt.

DasLebenDerAnderen03Als Wiesler, der bis dahin nur mit „kleinen Fischen“ zu tun hatte, auf den populären Dramatiker angesetzt wird, erfährt er erstmals, dass es nicht nur die Ideologie ist, die zählt, sondern vor allem Machtpolitik und Intrigen: Die Spitze des Staates ist karrieregeil, nicht ideologisch. Dreymann soll nicht der regelmäßigen ideologischen Prüfung unterzogen, sondern möglichst zu Fall gebracht werden, um die Karriere eines Politikers zu beflügeln. Ein Schlüsselerlebnis ist für Wiesler die Nötigung von Dreymanns Freundin, einer Künstlerin, durch den Kulturminister: Ausstellungserlaubnis gegen Sex. Der Spitzel wird kritisch gegenüber dem System und entwickelt sich zum Mittäter (nach DDR-Recht).

DasLebenDerAnderen02Durch Ulrich Mühe wird die ungewöhnliche – und untypische – Geschichte eines Stasi-Spitzels für den Zuschauer vollkommen glaubwürdig erzählt. Es ist für den Zuschauer auch in Zeiten seiner Linientreue unmöglich, den Stasi-Mann, der seine Verhörten in die Verzweiflung treibt, als grundsätzlich schlechten Menschen zu verurteilen. Als „Verräter“ seines Systems, der er wird, aber auch als Verhör-Führer wirkt er nicht unsympathisch, sondern eher als guter Mensch, der am Anfang eben für eine Ideologie kämpft, an die er glaubt.

Dies ist jedoch auch der einzige Punkt, der an dem Film kritisch betrachtet werden muss: Der Film stellt nicht eine Figur in den Vordergrund, die perfekt die Unterdrückung verkörpert, sondern den Gutmenschen Wiesler. Diese Perspektive, die eine Verharmlosung darstellt, schwächt den Film allerdings nicht entscheidend, denn das Klima der Unterdrückung ist nichtsdestotrotz allgegenwärtig.

Realitätsgetreue Dokumentationen über die Stasi gab und gibt es viele – im Fernsehen, in Büchern oder in Museen wie dem hervorragenden „Museum in der ‚Runden Ecke’“ in Leipzig. Ihr gemeinsames Problem ist ihre Reichweite. Dieser Film dagegen hat das Potenzial, eine Masse anzuziehen, und auch genau diejenigen Kinogänger, die sich zuvor von der Ostalgie ergreifen ließen.

DasLebenDerAnderen04Ausnahmslos jeder Kinofilm, der die DDR im Rückblick thematisierte, malte ein rosarotes Bild der Ostalgie. Die ersten beiden Filme hatten noch einen gewissen Wert: „Sonnenallee“ (1999) zeigt, dass im Osten eben nicht alles schlechter war als im Westen, wie viele Wessis in ihrer Sanierermentalität (Stichwort: „Buschzulage“) glaubten. „Helden wie wir“ hingegen ist schon wegen seiner satirischen Anspielungen auf Christa Wolf bedeutend und kann außerdem als Versuch gesehen werden, den Mauerfall zu entmythisieren.

Seitdem herrschte Stillstand. Filme wie „Good Bye Lenin“ oder „NVA“ sind unterhaltsam und erfolgreich – mehr aber auch nicht. Die ostalgische Idee des „menschlichen Ostens“ wurde einfach immer wieder neu variiert. Dies kann man als Indikator der Intensität der Verletzung der DDR-Bürger durch den Westen werten – oder aber als simple Methode, mit alten Rezepten Geld zu verdienen, denn die meisten dieser Ostalgie-Filme waren Kassenschlager. Wenn dann noch beliebte Privatsender Sendungen wie „Die große DDR-Show“ produzieren, ist es höchste Zeit, ein massentaugliches Gegenmittel zu entwickeln. „Unterschätzen Sie die Stasi nicht“, heißt es in „Das Leben der Anderen“.

DasLebenDerAnderen05Der Film besitzt die Stärke, die DDR nicht als Ganzes zu verteufeln. Viele Aussagen der Ostalgie-Filme lässt er unangetastet, stellt sie aber in den Hintergrund des Unterdrückungssystems. Ein effizienteres Gegenmittel gegen die Ostalgie-Überdosis als „Das Leben der Anderen“ ist schwer vorstellbar.  (Tobias Vetter)

Das Leben der Anderen wirft einen beklemmenden Blick auf die repressiven Machenschaften des Ministeriums für Staatsichersicherheit in der DDR Mitte der 80er Jahre. Am fiktiven Beispiel eines systemkritischen Dramatikers zeigt Florian Henckel von Donnersmarck in seinem Spielfilmdebüt die unmenschlichen Abhör- und Foltermethoden der Stasi, thematisiert zugleich aber auch Macht und Ohnmacht des Systems. Das elfmal für den Deutschen Filmpreis (unter anderem auch für die Musik) nominierte Drama wird musikalisch von Gabriel Yared und Stéphane Moucha begleitet, lässt aber auch eine Reihe von DDR-Songs der Zeit zu Gehör kommen, wobei die Spanne von versteckt systemkritischen Stücken der Band Karat und Silly über Easy Listening-Jazz bis hin zu trivialen Ostschlagern eines Frank Schöbel reicht.

DasLebenDerAnderen06Die eigentliche Originalmusik kommentiert die Handlung mit einem zurückhaltenden, die bedrückende Atmosphäre der Handlung unterstreichenden Vertonungsansatz. Elegische Streicheradagios und rhythmisch durchdrungene Spannungssequenzen stehen im Mittelpunkt der Komposition, die mit den Prager Philharmonikern aufgenommen wurde. Sie trägt deutlich die Handschrift Yareds, ist nur einen Steinwurf von seinen üblichen Arbeiten entfernt. Erfreulich ist aber trotzdem, wie gut er zusammen mit Moucha Das Leben der Anderen durchkomponiert hat und auf handelsübliche Suspense-Klischees verzichtet. Da gibt es kaum Leerlauf. Selbst die Spannungssequenzen sind mit ihren Streicherostinati (z.B. im eröffnenden „Die unsichtbare Front“) und Einwürfen der Holzbläser nicht nur geschickt instrumentiert, sondern durchaus markant gestaltet. Gerade mit mehrmaligem Hören kristallisieren sich eine Reihe schöner melodischer Einfälle heraus, überzeugen die wiederkehrenden Soli von Gitarre, Klavier und Klarinette. Kern- und Angelstück bildet allerdings die klassizistische „Sonate vom Guten Menschen“, eine Klavieretüde, die der Dichter spielt und für den abhörenden Stasi-Offizier zum entscheidenden persönlichen Wendepunkt wird, fortan dem observierten Künstler zu helfen.

DasLebenDerAnderen07Damit wird die Musik zwar nicht gleich zum großen Wurf. Von einer stimmungsvollen, atmosphärisch dichten Vertonung kann man aber schon sprechen, auch wenn die thematische Verarbeitung zwangsläufig ihre Grenzen hat und der Repertoirewert aufgrund einer Reihe ähnlich akzentuierter Yared-Musiken eher eingeschränkt ist. Trotzdem stellt Das Leben der Anderen ein seltenes wie gutes Beispiel für einen überaus effektvollen Musikeinsatz in einem Deutschen Film dar. Da geben selbst die Songs einen spannenden Einblick in die letzten DDR-Jahre. Und das macht die CD dann unterm Strich doch lohnenswert. (mr/filmmusik2000.de)

Alternative FrontCover

Alternative Frontcover

Und noch natürlich ein paar Informationen zu den Komponisten dieses Swirklich intensiven Soundtracks:

Gabriel YaredGabriel Yared (* 7. Oktober 1949 in Beirut) ist ein libanesischer Komponist. Bekanntheit erlangte er vor allem durch seine Arbeit an über 90 Kompositionen für Film und Fernsehen.

Der musikalische Autodidakt begann früh selbst Stücke zu komponieren und übernahm mit 14 Jahren den Platz seines verstorbenen Mentors als Organist an der Universität Saint Joseph in Beirut.

Nach einem Aufenthalt in Brasilien ließ sich Yared in den 1970er Jahren in Frankreich nieder, wo er sich einen Namen als Orchester-Dirigent machte und als Filmkomponist zu arbeiten begann. 1997 wurde er für die musikalische Untermalung zu Anthony Minghellas Spielfilm Der englische Patient mit dem Oscar ausgezeichnet.

Stéphane Moucha (* 1968 in Most, Tschechoslowakei) ist ein französischer Musiker und Komponist.

Stéphane MouchaStéphane Moucha wurde 1968 in der Tschechoslowakei geboren. Noch während des Prager Frühlings flohen seine Eltern aus dem Land und fanden Asyl in Frankreich. Im Alter von fünf Jahren erlernte er die Violine. Er studierte Komposition, Orchestrierung und Harmonik am Conservatoire de Paris. Anschließend fand er Arbeit bei dem französischen Komponisten Gabriel Yared.

Sein Debüt als Filmkomponist gab Moucha 1996 mit dem von Véra Caïs inszenierten Fantasyfilm Allzu laute Einsamkeit. Seit dem Jahr 2000 ist er regelmäßig als Filmkomponist beschäftigt. Insbesondere für die Musik an den beiden deutschen Filme Das Leben der Anderen und Die Fremde erlangte Moucha internationale Bekanntheit. Mit Yared erhielt er jeweils eine Nominierung bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises 2006 mit für die Beste Filmmusik und bei der Verleihung des Europäischen Filmpreises für die Beste Filmmusik. Mit Max Richter gewann er 2010 für Die Fremde gemeinsam mit Richter den Preis der deutschen Filmkritik. (Quelle: wikipedia)

Dieser Soundtrack ist gerade wegen seinem unglaublichen Stil Misch-Masch faszinierend und zugleich verstörend … genau wie dieser großartige Film !

Begleitmaterialien

Die Begleitmaterialien

DasLebenDerAnderen08Besetzung:
The City of Prague Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Adam Klemens
+
Jaromir Klepac (piano)
Jaroslav Novak (guitar)
+
diverse DDR Musiker, Bands und Combos (siehe Titelliste)

BackCoverTitel:
01. Die unsichtbare Front (Yared/Moucha) 2.43
02. HGW XX/7 (Yared/Moucha) 5.34
03. Ernst Ludwig Petrowsky: Gral (Petrowsky) 2.38
04. Ernst Ludwig Petrowsky: E.W. als Gruß (Petrowsky) 2.33
05. Linienstraße (Yared/Moucha) 2.51
06. Der Verrat (Yared/Moucha) 2.06
07. Angelika Mann: Champus-Lied (Gertz/Bartzsch) 3.30
08. 4PS: Ich würde, wenn ich wüßte, daß ich könnte (Demmler/Bartzsch) 4.00
09. Das Leben der Anderen (Yared/Moucha) 5.14
10. Die Sonate vom guten Menschen (Yared/Moucha) 1.40
11. Frank Schöbel: Wie ein Stern (Lietz/Schmiedecke) 6.20
12. IM „Martha“ (Yared/Moucha) 4.23
13. Pankow: Rock’n Roll im Stadtpark (Ehle) 3.24
14. Bayon: Stell dich mitten in den Regen (Borchert/Theusner) 5.17
15. Gesichter der Liebe (Yared/Moucha) 3.32
16. Georg Dreyman, der Dichter (Yared/Moucha) 1.28
17. Hansi Biebl: Es gibt Momente (Demmler/Biebl) 5.07
18. Karat: Albatros (Kaiser/Swillms) 8.12
19. Silly: Tausend Augen (Karma/Silly) 4.32

CD1

*
**

DasLebenDerAnderen01

Die armselige Sexualität des Gerd Wiesler

Verschiedene Interpreten – Beat-Party (1977)

FrontCover1Ich vermute mal, dass auch in der DDR Sampler sehr willkommen waren, boten sie denn, wie auch in der alten Bundesrepublik die Möglichkeit, sich über unterschiedliche Interpreten einen ersten Eindruck zu verschaffen, um dann – bei Bearf- sich mit bestimmten Interpreten näher zu beschäftigen.

Hier ist so ein Sampler aus dem Jahr 1977, bei dem mich erstmal der Titel ein wenig irritierte, da der Begriff „Beat-Musik“ hier im Westen damals schon längst ein Auslaufmodell war, denn … der Punk stand ja schon heftig kopfend vor der Tür.

Sei´s drum … geboten wir ein aktueller Querschnitt von den damaligen DDR-Bands, von denen so etliche bis heute einen klangvollen Namen haben (Karat, Puhdys, Lift).

Und dann gibt es noch etliche Combos, die zumindest mir eher weniger bis gar nichts sagen: Die Band Skalden stammte ja eigentlich aus Polen, aber sie hatten auch diverse Aufnahmen in deutsch produziert. Oder “ Ingrid Pollow & Gruppe Toast“ und „Gruppe Fonograf“ (die stammte wiederum aus Ungarn) – Der Song „Mädchen in der ersten Reihe“ ist ganz schön pfiffig mit passenden Puszta-Klängen.

Skalden.jpg

Skalden

Es gibt also so einiges zu entdecken und dabei ist auch ein gewisses schmunzeln ob der z.T. trolligen Lieder („Kein Schlaflied). „Ticke Tom“ klingt ein wenig wie Simon & Garfunkel

Aber natürlich bleibt meine Favorit bei diesem Album der Song „Alt wie ein Baum“, eine weitere Puhdys-Hymne, die längst den Test der Zeit bravorös bestanden hat. Ein Hauch von französischem Chansons erklingt dann bei „Ein guter Tag“.

Also … ein weites Feld, das sich hier auftut …

 

BackCover1

Titel:
01. Skalden: Frühling (Wszysto Kwitnie Wkolo) (Zielinski/Bobrowski/Branoner) 2.55
02. Gruppe Wir: Gartenparty (Ziegler/Brandenstein) 3.00
03. Gruppe Kreis: Du machst mich müd‘ (Fritzsch/Gertz) 3.45
04. Gruppe Hungaria: Der Platz neben mir (Az Utolto Sorban) (Fenyö) 2.55
05. Veronika Fischer & Band:  Nein, Doktor, nein     3:27
06. Puhdys: Alt wie ein Baum (Puhdys/Lasch) 2.45
07. Gruppe Fonograf: Mädchen in der ersten Reihe (Az Elsö Sorban Ült) (Mòricz/Bròdy/Branoner) 2.30
08. Maryla Rodowicz: Kein Schlaflied (Piosenkaprzeciw Zapsypiami)     2:45
09. Gjon Delhusa: Ticke Tom (Delhusa/Gertz) 3.20
10. Angelika Mann & Reinhard Lakomy-Ensemble: Sieben Zwerge (Delhusa/Gertz) 2.45
11. Rote Gitarren: Ein guter Tag (Mam Dobry Dzien) (Krajewski/Patuszynski/Branoner) 2.50
12. Gruppe Elefant: Drei Mädchen und eine Band     2:55
13. Gruppe Lift: Wasser und Wein (Heubach/Demmler) 3.40
14. Gruppe Expreß:  Wenn Musikanten heimwärts fahren (Lemke/Görke/Demmler) 3.00
15. Karat: So ’ne Kleine (Swillms/Branoner) 3.10
16. Ingrid Pollow & Gruppe „Toast“: Nobody Knows (Traditional) 3.17

labelb1

*
**

GruppeExpress.jpg

Gruppe Expreß