Heinz Rudolf Kunze & Räuberzivil – Hier rein – da raus (2012)

FrontCover1Der Heinz Rudolf Kunze ist sicherlich immer wieder sehr kontrovers diskutiert worden. Dieses Album hat es allerdings in sich:

Räuberzivil – ein Projekt von Heinz Rudolf Kunze, das sich in den letzten Jahren verselbständigt hat. Zunächst war es nur ein akustisches Liveprogramm, das unter dem Titel „Bockwurst und Schadenfreude“ gemeinsam mit Wegbegleiter Wolfgang Stute entstand. Akustische Gitarre, später Mandoline und Violine. Puristische Musik, mit der zunächst Stücke aus dem Kunze-Repertoire und schließlich auch eigens für Räuberzivil geschriebene Songs dargeboten wurden. 2006 startete das Ganze, jetzt gibt es endlich ein Räuberzivil-Studioalbum, das viele Fans sehnlichst erwartet haben.

Zur festen Band gehören nun neben HRK himself und Wolfgang Stute auch Hajo Hoffmann (Mandoline / Violine) sowie Peter Pichl (Bass). Ein Silberling reichte nicht für die Ideenflut. Gleich zwei CDs mit 34 Titeln mussten es sein. Die Pfade des Deutschrock verlässt Kunze hier fast durchgehend. Stattdessen gibt es Liedermacher-Musik im Stil von Wader und Wecker, etwas Blues und Funk, bisweilen gar Country-Einschlag oder virtuos arrangierte Streicher. 13 Tracks sind zum Teil musikalisch untermalte Sprechtexte. Auch das passt.

„Hier rein da raus“ ist somit pures Understatement. Die Songs sind keineswegs zum schnellen Vergessen geschrieben, sondern bleiben lange im Ohr. Vor allem die nachdenklichen Texte. Satirisches wie „Nimm es nicht persönlich“ als Hommage an General Custer, Jimi Hendrix und Jesus Christus. Der rockige Mottosong „Räuberzivil“, das erzählende „Der Kartenleger“ oder die nahezu philosophische Glosse „Im nächsten Leben werd‘ ich Spielerfrau“. Ein liebevolles „Lied für Berlin“ und Kunzes ganz eigene Hommage an Lennons „Working Class Hero“ („Mach es wie ich“).

KunzeBandHand aufs Herz – ich war nie ein großer Kunze-Fan, habe hin und wieder in die Alben rein gehört, kenne die spannendsten Sachen aus den 80ern und 90ern. Das Duette-Album „Ich bin“ fand ich dann sehr ansprechend und plötzlich ist der Kunze ständig in meinem Player. Und jetzt Räuberzivil: eines seiner besten Alben der letzten Jahre, vielleicht seiner ganzen Karriere. Da will man sich zurücklehnen und zwei Stunden zuhören. Nur rein – nicht wieder raus. (Andreas Weist)

Dem schließe ich mich fast vorbehaltslos an:

CD 1 beinhaltet eine Sammlung von Kunze Liedern mit z.T. atemberaubenden Texten, CD 2 sind dann eher den Miniaturen gewidmet (dabei sind dann auch reine Sprechnummern zu hören). Eine Ausnahme ist da das 8minütige Werk „Gesichter Gesichter“ ein weiterer Höhepunkt dieses Albums.

Ein wenig hat er schon aus der Musikgeschichte geklaut, o erinnert z.B. „Als der Teufel kam“ schon verdammt nach „Smokestack Lightning“ … aber geschenkt … bei so einem famosem Album.

Dieses famose, oppulente Album hätte allerdings eines verdinet: ein besseres Cover, denn dieses Cover ist eher der Kategorie „albern“ zuzuordnen.

Booklet05ABesetzung:

Hajo Hoffmann (violin, mandolin, percussion)
Heinz Rudolf Kunze (guitar, keyboards, harmonica, banjo, jew´s harp, vocals)
Peter Pichl (bass)
Wolfgang Stute (guitar, percussion)
+
Jens Bernewitz (programming)

Booklet11A
Titel:

CD 1:
01. Das Dasein und ich (Kunze) 4.54
02. Das Pony (Kunze)
03. Sie hassen dich (Kunze)
04. Lied für Berlin (Kunze)
05. Die Waffe (Kunze)
06. Ein Wirtshaus voller Probleme (Kunze)
07. Ein und aus (Kunze)
08. Mildernde Umstände (Kunze)
09. Nimm es nicht persönlich (Kunze)
10. Mach es wie ich (Working Class Hero) (Lennon/Kunze)
11. Räuberzivil (Kunze)
12. Überall liegen Dinge (Kunze)
13. Die Gefahr (Kunze)
14. Bleib Schmerz bleib (Kunze)
15. Sisyphos TV (Kunze)
16. Der Kartenleger (Kunze)

CD 2:
17. Als der Teufel kam (Kunze) 4.21
18. Im nächsten Leben werd‘ ich Spielerfrau (Kunze) 3.20
19. Es ist Krieg (Kunze) 4.50
20. Gesichter Gesichter (Kunze) 8.03
21. Rede an die Nasen (Kunze) 2.47
22. Die grosse Liebe (Kunze/Hoffmann/Stute) 1.41
23. Redefreiheit (Kunze/Bernewitz) 0.57
24. Heinemann und der Norweger (Kunze)
25. Fenster zu! (Kunze/Hoffmann) 1.39
26. Mit den Musikern im Hotel (Kunze) 2.10
27. Putzfrau Jesus (Kunze) 2.01
28. Querflöte (Kunze/Bernewitz) 1.22
29. Schleimhaut (Kunze/Bernewitz/Pichl) 2.25
30. Sitz (Kunze) 1.17
31. Tja (Kunze/Hoffmann/Stute) 1.38
32. Tot (Kunze/Pichl) 2.19
33. Waschbär (Kunze) 2.12
34. Hört nie auf (Kunze) 3.46

CDs

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Booklet19A

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Heinz Rudolf Kunze – Draufgänger (2005)

FrontCover1Auch so ne deutsche Biographie, die es in sich hat:

Heinz Rudolf Erich Arthur Kunze (* 30. November 1956 in Espelkamp-Mittwald) ist ein deutscher Schriftsteller, Rocksänger, Liedermacher und Musicaltexter/-übersetzer. Zudem war er gelegentlich als Dozent an diversen Hochschulen aktiv. Seinen bislang größten Single-Erfolg hatte er 1985 mit Dein ist mein ganzes Herz.

Kunze kam im Flüchtlingslager Espelkamp (Landkreis (Minden-)Lübbecke) auf die Welt. Die Wurzeln der Familie liegen in Guben (Niederlausitz) bei Frankfurt/Oder. Kunzes Vater, der als Frontoffizier bei der Waffen-SS gedient hatte, war erst 1956 aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt. Durch den Beruf der Eltern (Lehrer) in der Bundesrepublik Deutschland wurden in der Familie Kunze häufig die Koffer gepackt und die Wohnorte gewechselt. 1967 wurde Bruder Rolf-Ulrich Kunze (Historiker an der Uni Mainz) geboren.

HeinRudolfKunze01Kunze besuchte das Graf-Stauffenberg-Gymnasium in Osnabrück. Anschließend studierte er Germanistik und Philosophie. Heinz Rudolf Kunze war Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. Das Studium beendete er mit dem Ersten und Zweiten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien.

In einem Interview gab Kunze an, sich im Alter von 13 Jahren an dem Musiker Pete Townshend orientiert zu haben. Die erste Single, die er sich kaufte, war „The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore“ von den Walker Brothers.

Mitte der 1970er Jahre gewann Heinz Rudolf Kunze den 1. Preis für Kurzprosa in einem Literaturwettbewerb.

Kunze begann seine künstlerische Laufbahn am 9. November 1980: Er nahm, musikalisch begleitet von Mick Franke, teil am Pop-Nachwuchs-Festival im Stadttheater Würzburg, das die Deutsche Phono-Akademie zum dritten Mal veranstaltete. Die Jury unter Leitung von Michael Kunze (der mit Heinz Rudolf Kunze weder verwandt noch verschwägert ist) kürte ihn zu einem der Preisträger in der Sparte „Folk, Lied, Song“. Sein Titel „Bestandsaufnahme“ (Länge: 8:27 Minuten) schaffte es in voller Länge auf die gleichnamige Festival-LP (CBS 84845) und wurde damit zu Kunzes erster Schallplatten-Aufnahme. Produzent Siegfried Loch holte Kunze mit einem Fünfjahresvertrag zur Plattenfirma WEA. (Quelle: wikipedia)

FamilieKunze1969

Eine deutsche Familie: Vater Rudi Kunze, der einjährige Rolf-Ulrich, Mutter Gerda und der 13-jährige Heinz Rudolf am zweiten Advent des Jahres 1969

Es folgte eine sehr erfolgreiche Karriere … und die zauberte im Jahre 2005 ein ganz besonderes Album hervor:

„Mein Herz hängt an der Vorhaut“: Provozieren läßt sich in der Westernhagen-Zeit von solch einem Satz wohl niemand mehr. Doch dieser Einleitungsvers ist symptomatisch für das heutige Selbstverständnis von Heinz Rudolf Kunze. Aus dem wütenden Jungen ist ein reiferer, nicht minder zorniger, gelegentlich etwas frustiriert wirkender Rockpoet geworden, der die Frage offen läßt, ob er sich nun eher als „Draufgeher oder Draufgänger“ sieht. Musikalisch ist von einer Midlife-Krise wenig zu spüren: Kunze rockt los wie nie zuvor. (Stereoplay)

Hoppla! Kunze, der sich selbst gerne „die literarische Ecke meiner Plattenfirma“ nennt, geht in die vollen: Mit Gitarreneffekten wie aus dem Rock der 70er und herzhaft geprügeltem Schlagzeugeinsatz springt er uns hier gleich im ersten Stück entgegen wie frisch aus dem Jungbrunnen. Kunze, der schon immer gerne dachte, bevor er textete, führt seine frecher gewordenen Gedanken nun an der langen Leine durch Gutelaune-Rock der Extraklasse – und hat damit seine bisher mit Abstand beste CD auf die Beine gestellt.(Audio)

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Seine mulige Experimentierlust unterscheidet Heinz Rudolf Kunze von allen deutschen Songeskollegen vergleichbaren Kalibers. Auf „Draufgänger“ läßt er es stellenweise so brachial krachen, wie es seiner Vorliebe für Hardrock entspricht. Mit auf Viererbesetzung runtergestrippter Band (ohne Klavier!) (Anmerkung meinerseits: Völliger Quatsch !) schafft Kunze das Kunststück, bei aller Text-Tiefe berstend vitale Rockmusik zu produzieren. Und sein Mitstreiter Heiner Lürig legt mit kochender Gitarre stellenweise los wie Neil Young. Kunzes Texte brennen ebenso selbstbewußt wie ätzend scharf deutsche Wunden aus. Wo andere mühsam mit Worten herummüllern und Stilblüten produzieren, kann es sich Kunze leisten, fast lakonisch zu werden. Songs wie die Desperado-Story „Lebend kriegt ihr mich nicht“, „Verraten und verkauft“ oder charmante Liebesgeschichten voller punktgenauer Vocals („Finderlohn“) sind von erster Güte. Daß „Draufgänger“ bei allem Rock-Design trotzdem haufenweise ironische Zwischentöne („Held der Arbeit“) enthält, spricht für Kunze: Damit liefert er die „Anführungszeichen“ für sein AC/DC-Albumcover. (Musikexpress)

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Wohl wahr: Ein knackiges Rock-Album bei dem Texte wie Musik gleichermaßen überzeugen, mehr als überzeugen.

Mehr höre sich nur mal „Lebend kriegt ihr mich nicht“ und ekstatische Solo von Heiner Lürig an … da bleibt einem der Mund offen … oder, mal etwas derber: einfach nur affengeil !

Auch nicht von schlechten Eltern ist dann „Finderlohn“ … und … und … und …

„Ich würde fast ketzerisch behaupten, das ist immer noch mein Lieblingsalbum. Ich weiß sehr genau, daß der Rest der Menschheit das anders sieht. Ich liebe es schlechthin. Es könnte schon sein, daß ich eines Tages sage, Brille oder Korrekt waren wertvoller, aber dazu brauch‘ ich noch ein paar Jahre Abstand. Es war meine Emanzipation als Gitarrist.“ (Heinz Rudolf Kunze, März 1999)

Und wenn ich mir das Geburtsjahr von diesem Kunze anschaue, denke ich mir still und leise: Talking ´bout my generation … und eine liebevoll zusammengestellte Biographie seiner frühen Jahre sowie die Texte dieses Albums habe ich einfach mal dazugepackt.

Und letzte Bemerkung: Das muss man auch erstmal verdauen … einen Vater zu haben,  der bei der Waffen-SS war. Respekt !

BackCover1
Besetzung:

Joschi Kappl (bass)
Heinz Rudolf Kunze (vocals, guitar, keyboards, slide-guitar bei 07.)
Heiner Lürig (guitar, keyboards)
Peter Miklis (drums)
+
Thomas Bauer (keyboards)

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Titel:

01. Draufgänger (Kunze/ Lürig) 4-22
02. Verlaß dich nicht drauf (Kunze/ Lürig) 3.02
03. Leichter gesagt als getan (Kunze/ Lürig) 5.50
04. Finderlohn (Kunze) 4.38
05. Lebend kriegt ihr mich nicht (Kunze/ Lürig) 7.42
06. Der einzige ehrliche Mensch auf der Welt (Kunze/ Lürig) 3.53
07. Held der Arbeit (Kunze/ Lürig) 4.24
08. Leck mich doch (Kunze) 4.21
09. Geräusche aus deinem Mund (Kunze) 4.53
10. Verraten und verkauft (Kunze)    5:38
11. Unglaublich (Kunze) 3.12

CD1

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Verschiedene Interpreten – Mauerfall – Das legendäre Konzert für Berlin ´89 (2014)

FrontCover1Das war ganz, ganz sicher ein mächtiges Zeichen in jenen Tagen des Mauerfalls:

„Ein einziges Mal in meinem Leben habe ich meinen Vater weinen sehen. Ich konnte ja selbst kaum glauben, was ich am 9. November 1989 miterleben durfte.

Aber da stand es wirklich, zuerst nur in nüchterner Laufschrift: „Die Mauer ist offen.“

Gebannt saßen wir mitten in Hessen vor der Glotze, bis nach und nach endlich die ersten Bilder aus Berlin eintrudelten. Unsere Familie, die über 28 Jahre durch 3,60 Meter hohen Beton und einem Todesstreifen getrennt war, war von einem Moment auf den nächsten wieder eins.

Wie es Politbüromitglied Günter Schabowski so nett ausdrückte: „Das tritt … nach meiner Kenntnis, ist das sofort, unverzüglich.“

Ganz Deutschland befand sich im Freudentaumel. Ein Gefühl, das sich später Geborenen kaum vermitteln lässt. Bereits drei Tage später, am 12. November 1989, organisierte der Sender Freies Berlin (SFB) das ‚Konzert Für Berlin‘. Jeder will bei diesem historischen

LindenbergCocker

Udo Lindenberg + Joe Cocker

Moment dabei sein. Entsprechend ließen sich innerhalb kürzester Zeit neben ost- und westdeutschen Stars sogar Joe Cocker und Melissa Etheridge für einen Auftritt auf der Bühne der Deutschlandhalle verpflichten. David Hasselhoff und die Scorpions hatten wohl keine Zeit. Die Prinzen gab es zum Glück noch nicht, und „Wind Of Change“, die pfeifende Geißel der Wiedervereinigung, war noch nicht geschrieben.

Schon damals sollte eine Doppel-LP des Events, durch den der Fußballkommentator Stefen Simon als Moderator führte, erscheinen. Das Unterfangen scheiterte jedoch an Lizenzstreitigkeiten. 25 Jahre später schaffen es die Aufnahmen doch noch auf die CD „Mauerfall – Das Legendäre Konzert Für Belin ’89“.

SteffenSimon

Der Moderator Steffen Simon

Da der Zwist um die Rechte bisher jedoch noch nicht beigelegt wurde, schiebt man uns zu den Feierlichkeiten eben eine Mogelpackung unter. Der Einfachheit halber unterschlägt man uns Auftritte von Marius Müller-Westernhagen, den Toten Hosen, den Puhdys, Nena und anderen.

Die Stimmen verzerren, der Bass knarzt unschön aus den Boxen, der Sound ist eine einzige Matschepampe. Der ganze Mitschnitt versprüht den Charme einer Veranstaltung in der Aula der Gabriele-von-Bülow-Oberschule, auf der Steffen Simon ein Tischtennisturnier der Reinickendorfer Füchse moderiert. Dieses seltsame Ambiente durchfluten immer wieder die historischen Momente und Gefühle der damaligen Zeit, in denen der ehemalige Lockenkopf zum Beispiel bekannt gibt, dass soeben der Schießbefehl an der Mauer aufgehoben wurde.

Während Tamara Danz, Heinz Rudolf Kunze, Udo Lindenberg und Konstantin Wecker den Background-Chor zu „With A Little Help From My Friends“ liefern, lässt Joe Cocker seine Hände munter im Takt der Mauerspechte schlackern. BAP geben zu reichlich Feedback und Mikrofonfiepen ihren damals noch gar nicht so alten Klassiker „Verdamp Lang Her“ und vergessen vor lauter Euphorie das finale Gitarren-Solo. Nina Hagen erdolcht „My Way“, und Melissa Etheridge bedankt sich feierlich und wünscht uns für die Zukunft Alles Gute: „As an American, I am very proud to be here at this time in history. But as a human being I wish you both – east and west – freedom und Freiheit – jetzt und für immer!“

HelmutLehnert

Der damalige SFB Musikchef: Helmut Lehnert

Über die Chronologie des Abends setzt sich „Mauerfall – Das Legendäre Konzert Für Berlin ’89“ hinweg. Das wirkt spätestens in dem Moment skurril, wenn Udo Lindenbergs erster Auftritt nach seiner Krankheit angesagt wird, nachdem er vorher bereits „Horizont“ zum Besten gab. Mit einem „Hallöchen, Freunde, Hallöchen“ betritt er die Bühne. Hatte ihn während „Hör mich“ von den Zöllnern eine Mittelohrentzündung erwischt? Angesichts des Beitrags der Ost-Berliner wäre dies verständlich.

Die nachdenklichen Stimmen kamen ausgerechnet von den befreiten Ost-Rockern. Andre Herzberg, Sänger der Band Pankow, stand der kritiklosen Begeisterung des Tages mit gemischten Gefühlen gegenüber: „Ich wollte so ein Stück Souveränität zurück haben. Ich wollte nicht, dass der Osten zum Westen geht, sondern der Westen zum Osten kommt und sich da freut, und der Osten selber die Freude der eigenen Mündigkeit ausdrückt.“ War wohl nichts.

Vor Deutschland lag in den nächsten Jahrzehnten ein langer Kater und ein zögerliches Zusammenwachsen, die neuen Bundesländer bluteten währenddessen langsam aus. Besonders hart traf es Silly, die nach der Wiedervereinigung den Weg ihres Landes gingen und erst in den letzten Jahren wieder auf die Beine kamen. Passend singt die inzwischen verstorbene Tamara Danz zum Abschluss des Albums: „Alles wird besser, aber nichts wird gut.“ (Sven Kabelitz)

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Auch meine Erinnerung an jene Tage verbinde ich stark mit meinem Vater. Er war ein stramm konservativ-katholischer Mann, der als Heimatvertriebener mir immer wieder gebetsmühlenartig prophezeite, dass es bei der „Teilung“ auf Dauer nicht bleiben werde.  Ich hatte für diese Prophezeiung nur ein müdes, mildes Lächeln übrig.

Ich hätte ihm die Freude, dass er recht behalten hatte, sehr, sehr gerne gegönnt, leider verstarb er dann schon 1986 …

Es mag ja sein, dass die Aufnahmen  nicht optimal waren, aber das spielt hier eigentlich so gar keine Rolle … bedenkt man unter welcher Hektik dieses gigantische Konzert vorbereitet wurde. Im Begleitheft wird darüber ausführlich berichtet.

Der Silly Gitarrist erinnert sich:

»Das ganze Land war auf den Beinen. Die Grenzübergänge, durch die wir mit unserer Anlage mussten, waren total überfüllt. Wir hatten Probleme, pünktlich in die Deutschlandhalle zu kommen«, erinnert sich Uwe Hassbecker. »Alles kehrte sich von unten nach oben. Die Tage der Maueröffnung waren das Beeindruckendste, was ich erlebt habe.« Fast klingt es, als könne der Silly-Gitarrist auch heute noch nicht fassen, dass damals die Mauer fiel. »Schon die Zeit zuvor war aufregend! Jeden Tag passierte etwas Neues! Es geschahen Dinge, die wir uns im Traum nicht hätten vorstellen können. Wir waren wie im Ausnahmezustand.«

Die Veranstaltung wurde vom Sender Freies Berlin (SFB) auf die Beine gestellt, der Eintritt war frei. »Die Organisation war mit heißer Nadel genäht. Es war alles total chaotisch, keiner wusste, wer wann dran war. Während des Tages strömten 50.000 Leute durch die Halle, es fühlte sich an wie auf ‘nem Bahnhof. Es war immer rappelvoll, die Leute wechselten ständig, die ganze Stadt war auf den Beinen.«

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Und ja, es ist ein pathetisches Konzert gewesen, aber wann verdammt noch mal, war diese Haltung jemals gerechtfertigter in den vergangenen Jahrzehnten, als bei so einem Konzert.

Und ich erwisch mich mit meinen feuchten Augen … aber hier hören wir einfach einen kleinen Ausschnitt von deutschen Klassikern der Rockmusik (Musik verbindet halt) und natürlich ist dieses „With A Little Help From My Friends“ (man stelle sich vor, dass bei den background vocals selbst ein Konstantin Wecker mit von der Partie war !) eine Hymne, die einfach nur passend war.

Und Udo Lindenberg nuschelt auf seine ganz eigene Art und stellt dabei u.a. folgendes fest:

„Dass wir jetzt so zusammen sind, verdanken wir ja wohl den Demonstranten und der Demokratie-Bewegung in der DDR.“

Und ja, das ist jetzt schon verdamp lang her …

Booklet06A

Titel:
01. Moderation 0.32
02. Joe Cocker: With A Little Help From My Friends (Lennon/McCartney) 8.46
03. Moderation 0.38
04. BAP: Verdamp lang her (Heuser/Niedecken) 7.47
05. Udo Lindenberg: Horizont (Lindenberg/Reszat/Applegate/Thatcher) 4.37
06. Die Zöllner: Hör mich (Zöllner) 4.52
07. Moderation (mit Udo Lindenberg) 2.55
08. Udo Lindenberg: Sonderzug nach Pankow (Mack/Warren/Lindenberg) 1.33
09. Udo Lindenberg: Wir wollen doch einfach nur zusammen sein (Mädchen aus Ost-Berlin) (Lindenberg) 2.31
10. Heinz Rudolf Kunze: Die offene See (Kunze) 4.55
11. Moderation 0.09
12. Nina Hagen: My Way (Francois/Revaux/Anka/Hagen/Niessen) 4.59
13. Moderation 0.30
14. Pannach und Kunert: Der Tag an dem die Mauer fiel (Kunnert/Pannach) 3.41
15. Moderation 1.08
16. Melissa Etheridge: Testify (Etheridge/McCormick) 4.35
17. Konstantin Wecker: Die weiße Rose (Wecker) 3.10
18. Moderation  0.11
19. Pankow: Gib mir’n Zeichen (Ehle/Herzberg) 4.28
20. Moderation (mit Tamara Danz ) 1.17
21. Silly: Alles wird besser (Danz/Hassbecker/Karma) 6.00

CD1

 

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Tagesschau

Heinz Rudolf Kunze – Eine Form von Gewalt (1982)

FrontCover1Ich hab´s schon mal früher geschrieben: Mit dem Heinz Rudolf Kunze bin ich nie so recht warm geworden … Bei diesem Album ist das allerdings ein wenig anders:

Eine Form von Gewalt ist ein frühes Werk des Musikers Heinz Rudolf Kunze, es kam im Jahr 1982 heraus. Kunze legte mit dem Vorgängeralbum ein Werk vor, welches einen starken Bezug zu deutschen Liedermachern aufwies. Auf diesem Album wurde Kunze rockiger und subtil massenkompatibler. Aber dennoch lag er mit dem Album noch weit entfernt von eingängigen Werken wie Dein Ist Mein Ganzes Herz. So gesehen, bietet Kunze hier eher Musik für ein intellektuelles Publikum an. Solche Ware ist in der Regel kommerziell weniger erfolgreich, wird aber von so genannten Fachleuten oft hoch gelobt. So war es auch mit diesem Album. Kunze erhielt für das Album sogar den deutschen Schallplattenpreis. Dass dieser Preis jedoch nur geringen Gegenwert besitzt, machen die eher mäßigen Verkäufe klar.

Was man feststellen konnte, war ein gewisser musikalischer Wandel bei Kunze. Im Gegensatz zum ersten Album war Eine Form von Gewalt fast schon rockig angelegt. Textlich ließ Kunze nichts anbrennen, wieder schuf er sehr anspruchsvolle Texte. Dabei waren die Texte zwar oft etwas kryptisch, dennoch kam die ätzende Kritik gut zur Geltung. Kunze drischt dabei auf Politik und Gesellschaft ein, macht auch keinen Halt vor harter Kritik am vermeintlichen Kleinbürger- bis Spießertum. Das kam vielleicht nicht bei jedem gut an.

Single.jpg

Die Single zur LP

„Die Kommen Immer Wieder“ eröffnet mit heftig erhobenem Zeigefinger und warnt vor einigen Lichtgestalten der Weltpolitik. Ein guter Text, sehr kritisch über die Führer berichtet. Musikalisch liegt das im rockigen Bereich, mit Anleihen in der Neuen Deutschen Welle. „Folgen Sie Mir Weiter“ ist eine Führung durch das Irrenhaus der Gesellschaft. Textlich ist das wieder interessant, musikalisch getragener und nachdenklicher. „Keine Reaktion“ beginnt geheimnisvoll, danach wird die dunkle Note musikalisch durch harte Töne verschärft. Auch hier passt die Textur gut. „Nicht Einverstanden“ zeigt den klassischen Singer Songwriter Kunze. Der Song wird vom Piano getragen, dazu gibt es Sprechgesang von Kunze, in dem er mitteilt, dass er mit dem Gang der Dinge nicht einverstanden ist. „Kinderlied“ wirkt fast schon wie ein Kontrapunkt zum bisherigen Geschehen.

„Der Präsident“ gibt textlich wieder eine Breitseite gegen die korrupte Politik. Musikalisch tendiert der Song Richtung Neue Deutsche Welle mit schönen schrägen Parts. „Regen In Berlin“ ist wieder im Stil einer Pianoballade gehalten. „Das Ultimatum“ beschreibt die Rücknahme der Schöpfungsgeschichte in sieben Tagen. Mit der folkigen Akustikgitarre liefert Kunze auch hier wieder einen stimmigen Song ab. „Lamm Gottes“ beginnt verhalten, wird aber im weiteren Verlauf schön rockig. „Nachts Um Halb Drei“ beendet das Album als relaxter Gitarrenrock. Ein guter Abschluss, wieder mit beißender Kritik – dieses mal an selbstverliebten Machern.

Heinz-Rudolf Kunze01

Fazit So ziemlich alles, was Heinz Rudolf Kunze vor 1985 machte, bereitete dem breiten Publikum eher etwas Probleme. Eine Form Von Gewalt macht da kaum eine Ausnahme. Kunze verwirrte mit guten, aber für viele Hörer wohl auch schwer entschlüsselbaren Texten. Das wertet dieses Album für mich jedoch nicht ab. Ganz im Gegenteil: Kunze spielt textlich in einer oberen Liga, stellt aber auch hohe Ansprüche an den Zuhörer. Wer sich darauf einlässt, wird mit gutem Material belohnt. Auch musikalisch kann das durchaus überzeugen. Ein gutes Album aus der Frühphase des Heinz Rudolf Kunze. Wer gut gemachte deutschsprachige Rockmusik mag, sollte mal reinhören. (Quelle: MPa/rezensator.de)

Die Musik spricht mich doch tatsächlich immer wiedermal an (z.B. bei „Das Ultimatum“, „Lamm Gottes“ oder auch bei „Keine Reaktion“) – auch wenn die Musik von Mick Franke und Heinz Rudolf Kunze stammt, so hatte der Organist Hendrik Schaper an diesen erfreulichen Klängen schon auch einen entscheidenden Anteil.

Und bei „Nachts um halb drei “ geht dann mal tatsächlich die Post ab !

Und die Texte sind eigentlich durchgehend sehr reflektiert und regen an … für eigenes Denke und besinnen … so mag ich das auch !

Von daher … reinhören könnte sich lohnen.

BackCover.jpg

Besetzung:
Joschi Kappl (bass)
Mick Franke (guitar)
Heinz Rudolf Kunze (vocals, guitar, keyboards)
Joachim Luhrmann (drums, percussion)
Hendrik Schaper (keyboards, glockenspiel, synthesizer)

Booklet02A.jpg

Titel:
01. Die kommen immer wieder (Kunze/Schaper) 3.55
02. Folgen sie mir weiter (Kunze/Franke) 4.57
03. Keine Reaktion (Kunze/Franke) 5.25
04. Nicht einverstanden (Kunze/Franke) 5.22
05. Kinderlied für Alice Miller (Kunze/Franke) 4.28
06. Der Präsident (Kunze/Franke) 4.31
07. Regen in Berlin (Kunze/Franke) 3.13
08. Das Ultimatum (Kunze/Franke) 5.31
09. Lamm Gottes (Kunze/Franke) 4.16
10. Nachts um halb drei (Kunze/Franke) 3.46

LabelB1

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Ich habe Hitler gesehn
Er schrie Shalom und spielte Holocaust I’m Libanon
Ich habe Stalin gesehn
Er hassst Gewalt und leitet eine Nervenheilstalt
Die kommen immer wieder
Dies sind alle noch da
Die kommen alle immer schlimmer wieder
Die sind ganz ganz nah
Ich habe Jesus gesehn
Mit Brandgesicht als Napalmsäugling ohne Augenlicht
Ich habe Marx geseh
Er mag den Papst und der mag ihn (er gibt ihm Heroin)
Die kommen immer wieder
Dies sind alle noch da
Die kommen alle immer schlimmer wieder
Die sind ganz ganz nah
Ich habe Shakespeare gesehn
Er führt Regie als Hamlet sehn sie Reza Pahlevi
Ich habe Einstein gesehn
Er singt The Show Must Go On und wohnt I’m Pentagon
Die kommen immer wieder
Dies sind alle noch da
Die kommen alle immer schlimmer wieder
Die sind ganz ganz nah
Ich habe Mozart gesehn
Er spielt jetzt Punk und hat ein Konto auf’ner Schweizer Bank
Ich hab Kopernikus gesehn
Er ist Entsorgungsspezialist weil er für Fortschritt ist
Die kommen immer wieder
Dies sind alle noch da
Die kommen alle immer schlimmer wieder
Die sind ganz ganz nah
Mich hab ich nicht gesehn
Mag sein dass ich bei so viel Prominenz nich noetig bin
Nicht mein Gesicht gesehn
Es schwimmen viel zu viele nass geerbte Tränen drin
Dich hab ich nicht gesehn
Euch hab ich nicht gesehn ja sagt mal worauf wartet ihr
Uns hab ich nicht gesehn
Uns hab ich nicht gesehn ja sagt mal worauf warten wir

Band für Afrika – Nackt im Wind (1985)

FrontCover1Diese Aktion hat damals für ganz viel Furore gesorgt:

Die Band für Afrika war ein Gemeinschaftsprojekt verschiedener deutscher Künstler, mit dem Ziel Spendengelder für Afrika zu sammeln. Vorbild dafür war das britische Projekt Band Aid, das Bob Geldof und Midge Ure 1984 in England organisierten.

Das Projekt wurde im Jahr 1985 initiiert. Der Text des Liedes Nackt im Wind stammt von Wolfgang Niedecken (BAP). Im Januar 1985 wurde in den Studios der FSM ein Videoclip für die Fernsehsendung Formel Eins aufgenommen. Alle beteiligten Künstler und Plattenfirmen verzichteten auf ihre Gage. Der Song erreichte Platz drei der Hitparade.

Band für Afrika trat am 13. Juli 1985 anlässlich des Live-Aid-Konzerts in Köln live auf, der Titel Nackt im Wind wurde weltweit übertragen. Außerdem wurde noch Deserteure von Wolf Maahn gemeinsam gesungen, was 1987 anlässlich der damals letzten Rockpalast-Nacht in der ARD gesendet wurde.

Nackt im Wind ist der Name eines 1985 von Herbert Grönemeyer und Wolfgang Niedecken geschriebenen Liedes. Es entstand für das Projekt Band für Afrika, das zum Ziel hatte, nach dem Vorbild des Band-Aid-Projektes um Bob Geldof (1984) ein vergleichbares deutsches Musikprojekt zu initiieren, um Geld für die Opfer der Hungersnot in Äthiopien 1984–1985 zu sammeln.

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Alternatives Frontcover

Um zu vermeiden, dass zu viel des eingenommenen Geldes durch die GEMA an einzelne Künstler gezahlt werden müsse (wodurch die für Spenden zur Verfügung stehende Summe gesunken wäre), kam der Song mit seinen Autoren unter dem Namen „Band für Afrika“ heraus. Tatsächlich hatten jedoch Herbert Grönemeyer (Musik) und Wolfgang Niedecken (Text) das Lied konzipiert. Niedecken hatte den Text ursprünglich für BAP geschrieben, als die Anfrage kam, ob er sich an dem Projekt beteiligen wolle. Er fand den Text passend und bot ihn bei einem Treffen in Frankfurt am Main an. Grönemeyer schrieb dann die Musik dazu.

Niedecken äußerte sich später kritisch zu seinem Text:

„Ich denke, dass man die eine oder andere Zeile überarbeiten müsste. Damals war der Text sehr stark festgemacht an den Sünden unserer Ahnen. Man kann aber auch nicht alles auf die Kolonialzeit zurückführen, was an Problemen vorhanden ist. Das ist der Kardinalfehler dieses Textes. Wenn ich ihn heute noch mal neu schreiben würde, würde ich wahrscheinlich ganz anders herangehen!“

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An den Aufnahmen beteiligten sich Künstler, die zu dieser Zeit eine besondere Popularität in Deutschland genossen. Hierzu zählten Alphaville, BAP, Ina Deter, Extrabreit, Geier Sturzflug, Herbert Grönemeyer, Gitte Haenning, Hans Hartz, Heinz Rudolf Kunze, George Kranz, Klaus Lage, Udo Lindenberg, Wolf Maahn, Peter Maffay, Ulla Meinecke, Marius Müller-Westernhagen, Münchener Freiheit, Nena, Rheingold, Rodgau Monotones, Spider Murphy Gang, Spliff, Trio und Juliane Werding.

Um dem Zweck der Platte zu dienen, verzichteten alle Beteiligten auf ihre Gagen und Tantiemen. Die Initiatoren gingen sogar noch einen Schritt weiter, indem sie durch einen besonderen Aufdruck auf der Schallplattenhülle auch den Handel in die Pflicht nahmen:

„Die Künstler legen Wert auf die Feststellung, daß wirklich niemand außer den Spendenempfängern an dieser Schallplatte profitiert. Komponist, Texter, Musiker, Produzent, Schallplattenfirma und Verlag verzichten auf jeglichen Verdienst und führen mindestens 2,00 DM pro Single (plus nachträglich anfallende GEMA-Lizenzen) als Spende auf die o.a. Konten ab. Der Schallplattenhandel wird gebeten, diesem Beispiel zu folgen.“

Nackt im Wind wurde am 21. Januar 1985 als Single und Maxi-Single veröffentlicht, die jeweils die gesungene und eine Instrumentalversion des Liedes enthielten, und erreichte akzeptable bis gute Platzierungen in den Hitlisten in Österreich (Platz 18), der Schweiz (Platz 21) und Deutschland (Platz 3). (Quelle: wikipedia)

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Da sitzen sie … alle auf einen Haufen

Wie sähe es aus, wenn Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer, Marius Müller-Westernhagen und Peter Maffay zusammen einen Song machen würden? Vor allem, wenn sie dabei von BAP, Klaus Lage, Nena, der Münchner Freiheit und Trio begleitet werden? kann man sich gar nicht vorstellen?

Gab es aber! Initiert von Herbert Grönemeyer fanden sich 1985 über 30 deutsche Popmusikerinnen zusammen, um nach Bob Geldofs Vorbild ein Hilfsprojekt für Afrika einzusingen. komponiert von Grönemeyer und getextet von Wolfgang Niedecken erreichte „Nackt im Wind“ der Band für Afrika immerhin Platz 3 in den Charts. schwer vorstellbar, dass sich diese Musiker heute noch einmal zusammen finden würden, aber damals scheint es zumindest laut beobachtung des Zeit-Journalisten Tom R. Schulz geklappt zu haben:

„Selbst Nena, die gelangweilt wie eine unterbeschäftigte Verkäuferin in der Sportabteilung eines Warenhauses in die Pedalen eines Hometrainers trat, wenn es nichts für sie zu singen gab, oder Peter Maffay, der schweren Schritts im Cowboyanzug umherstapfte, fügten sich in die Gemeinschaft ein.“

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Gitte beim „Live-Aid“ Konzert in Köln, 1985

Ein solches Starensemble der deutschen Popmusik kann nur von einem angekündigt werden: Ingolf Lück präsentierte die Band für Afrika in der „Formel eins“-Show:

Das Highlight ist aber die Live-Version zum Live Aid-event ’85. der britische Moderator von Radio One schaltet stilecht zum Kölner Dom, wo die beiden Türme erst langsam verschwinden und auf die Bühne geschnitten wird. dort kündigt eine Moderatorin an, dass die 30 Musiker gestern nacht lange zusammen gesessen hätten, um eine Erklärung zu formulieren, die Udo Lindenberg vorträgt, „wir wollen das heute mal ein bisschen konkreter und nicht nur ein paar fromme Sprüche und deswegen steht das hier auf dem Zettel.“:

Als Ergänzung habe ich eine Interview mit Wolfgang Niedecken aus dem Jahr 2010 beigefügt, in dem er u.a. auch über dieses Projekt berichtet.

Ach ja … musikalisch finde ich „Nackt im Wind“ eher dürftig … aber was soll´s… wenn die Einnahmen tatsächlich ein wenig geholfen haben … dann soll´s mir recht sein.

Besetzung;
Alphaville – BAP – Extrabreit – Geier Sturzflug – George Kranz – Gitte Hænning – Hans Hartz – Heinz Rudolf Kunze – Herbert Grönemeyer – Ina Deter – Juliane Werding – Klaus Lage – Marius Müller-Westernhagen – Münchener Freiheit – Nena – Peter Maffay – Rheingold – Rodgau Monotones – Spider Murphy Gang – Spliff – Stefan Waggershausen
Trio – Udo Lindenberg – Ulla Meinecke – Uwe Fahrenkrog-Petersen – Wolf Maahn – Richard Wester

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Titel:
01- Nackt im Wind (Grönemeyer/Niedecken) 5.11
02. Nackt im Wind (Instrumental Version) (Grönemeyer) 4.10
+
03. 03 – Interviw mit Wolfgang Niedecken – Gesellschaftspolitik, unbequeme Wege und Solidarität (2010) 23.57

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Heinz Rudolf Kunze – Ausnahmezustand (1984)

FrontCover1Von dem war hier noch nie die Rede … dies gilt es nachzuholen, wenngleich ich nie mit ihm so recht warm geworden bin.

Heinz Rudolf Erich Arthur Kunze (* 30. November 1956 in Espelkamp-Mittwald) ist ein deutscher Rocksänger, Schriftsteller, Liedermacher und Musicaltexter/-übersetzer. Zudem war er gelegentlich als Dozent an diversen Hochschulen aktiv. Seinen bislang größten Single-Erfolg hatte er 1985 mit Dein ist mein ganzes Herz.

Kunzes Familie stammt aus dem heute polnischen Teil von Guben (Niederlausitz) und Berlin. Heinz Rudolf wurde im Flüchtlingslager Espelkamp bei Minden (Westfalen) geboren, wo sein Vater Rudi Kunze (1925–2001), der Frontoffizier bei der Waffen-SS gewesen und erst 1956 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war, Arbeit bei der Lagerleitung gefunden hatte. Der berufliche Werdegang des Vaters als Lehrer brachte in den Folgejahren einen häufigen Wechsel des Wohnortes mit sich; Familie Kunze wohnte zuerst in Lengerich (Westfalen), dann in Alte Piccardie an der niederländischen Grenze, später in Bad Grund (Harz). Ende 1963 wurde sie in Osnabrück heimisch. Dort nahm der Vater eine Tätigkeit als Hochschulassistent an der Pädagogischen Hochschule bei der Sozialpädagogin Prof. Dr. Elisabeth Siegel (1901–2002) an. Die Mutter Gerda Kunze (1926–2010) war Grundschullehrerin, der Historiker Rolf-Ulrich Kunze (* 1968) ist Kunzes Bruder.

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Heinz Rudolf Kunze besuchte das Graf-Stauffenberg-Gymnasium in Osnabrück. Anschließend studierte er Germanistik sowie Philosophie und war Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. Das Studium beendete er mit dem Ersten und Zweiten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien.

In einem Interview gab Kunze an, sich im Alter von 13 Jahren an dem Musiker Pete Townshend orientiert zu haben. Die erste Single, die er sich kaufte, war The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore von den Walker Brothers.

Mitte der 1970er Jahre gewann Heinz Rudolf Kunze den 1. Preis für Kurzprosa in einem Literaturwettbewerb.

Kunze begann seine künstlerische Laufbahn am 9. November 1980: Er nahm, musikalisch begleitet von Mick Franke, teil am Pop-Nachwuchs-Festival im Stadttheater Würzburg, das die Deutsche Phono-Akademie zum dritten Mal veranstaltete. Die Jury unter Leitung von Michael Kunze (der mit Heinz Rudolf Kunze weder verwandt noch verschwägert ist) kürte ihn zu einem der Preisträger in der Sparte „Folk, Lied, Song“. Sein Titel „Bestandsaufnahme“ (Länge: 8:27 Minuten) schaffte es in voller Länge auf die gleichnamige Festival-LP (CBS 84845) und wurde damit zu Kunzes erster Schallplatten-Aufnahme. Produzent Siegfried Loch holte Kunze mit einem Fünfjahresvertrag zur Plattenfirma WEA.

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Interview mit dem „Musik Express“

Das Debütalbum Reine Nervensache (1981) wurde wohlwollend aufgenommen und schon das nachfolgende Album Eine Form von Gewalt 1982 mit dem Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet. Kurz danach begann Kunze parallel erste journalistische Arbeiten: Für den Spiegel verfasste er ein Randy-Newman-Essay und moderierte für den NDR sowie den SFB eigene Radiosendungen. Im NDR wurde seine mehrteilige David-Bowie-Analyse „Der Favorit“ ausgestrahlt. Das Phänomen Kunze wurde wohl auch durch den Aufwind für deutschsprachige Texte Anfang der 1980er Jahre im Zuge der Neuen Deutschen Welle erklärbar. Kunze wurde zunächst als Liedermacher mit philosophischem Hintergrund in der Tradition von Bob Dylan, oder auch Singer/Songwriter nach amerikanischer Tradition vom damaligen Management

Konzertplakat1983

Konzertplakat, 1983

und dem Publikum eingeordnet. Zu dem Zeitpunkt entstand auch die Bezeichnung „Niedermacher“ um Kunzes Text- und Musikkunst zu umschreiben. Dass er als intellektueller Rock-Poet in den Musikcharts Erfolg haben würde, hatten viele Weggefährten nicht erwartet.

Ein erster kommerzieller Erfolg gelang Kunze bereits 1984 zuerst mit der Single „Sicherheitsdienst“ und wenig später mit der deutschen Version des Kinks-Klassikers „Lola“. „Ausnahmezustand“ (1984) markiert das letzte Album von Kunze als Liedermacher, Singer/Songwriter (Quelle: wikipedia)

Keine Frage, der Album ist ambitioniert … z.T. sehr eindringlich … die Texte allesamt hörenswert … dennoch … warm werde ich ihm auch heute nicht … die Musik ist mir zu spröde … affektiert …

Da hilft es auch nichts, dass er ne deutsche Fassung des Kinks Klassiker „Lola“ vorlegt.

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Besetzung:
Thomas Bauer (synthesizer, saxophone)
Mick Franke (guitar, synthesizer, percussion, vocals)
Joshi Kappl (bass)
Rudolph Kunze (vocals, keyboards, guitar, synthesizer, percussion)
Peter Miklis (drums, percussion)
+
Mickie Stickdorn (drums bei 09.)

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Titel:
01. Der Anruf (Kunze/Franke) 3.03
02. Ein Mann muss tun was ein Man tun muss ein Mann tun was ein man tun muss? (Kunze/Franke) 3.43
03. Meine Wünsche (Kunze) 4.33
04. Liebe im Akkord (Kunze/Franke) 3.04
05. Maikäfer flieg (Traditional/Kunze) 3.35
06. Einfach nur vorhanden sein (Kunze) 2.37
07. Lola (Kunze/Davies) 4.05
08. Der letzte Dreck (Kunze) 3.54
09. Abstand (Kunze/Franke) 4.11
10. Dein vorletzter Wille (Kunze) 4.12
11. Glaubt keinem Sänger (Kunze) 3.41
12. Ruf mal wieder an (Kunze) 3.14

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Single

Lola – Die Single