Kammerduo Dresden – Entre Bach y Flamenco (2005)

FrontCover1Ganz sicher gehören diese Aufnahmen in die allseits beleibte Rubrik „exquisit“, wobei man natürlich wissen muss, dass das Projekt Kammerduo Dresden eigentlich zu den vielfältigen Facetten des Ulrich Thiem und seinem „Bach und Blues Dresden“ gehört

Offenheit ist sein Programm, und damit auch das Ignorieren stilistischer Grenzen. Und dies seit nunmehr dreißig Jahren mit seinem Projekt „Bach und Blues“ (das in späteren Jahren immer mal wieder in „Bach und Flamenco, … Samba …, Folk … abgewandelt wurde). Diese Vielseitigkeit in den musikalischen Sprachen verbindet Ulrich Thiem mit den Konstanten Bach und Cello. Und so darf man sicher mit Fug und Recht sagen, dass in dieser Balance zwischen weiten Horizonten und der Musik Bachs als dem Zentrum das Wesen der vergangenen dreißig „Thiem-Jahre“ besteht.

Schon von Kindesbeinen an interessierte und engagierte sich der Dresdner Cellist Ulrich Thiem für die Begegnung von Kammermusik mit Blues, Gospel und Jazz. Bereits in den siebziger Jahren schrieb er Stücke, die er selbst als „KammerJAZZmusiK“ rubrizierte. So entstand 1980 die Gruppe „Bach & Bues Dresden“, in der sich bis heute klassische und Jazzmusiker treffen und zusammen Konzert-Programme aufführen, in denen beide Stile gleichwertig berücksichtigt sind.

Dabei war „Bach und Blues“ (B&B) eher eine Plattform für immer wieder variierende Aktivitäten zum Thema oder ein Musiker-Pool, aus dem heraus sich konkrete Bach-und-Blues-Konzerte rekrutierten. Viele haben seither mitgewirkt: Annette Roth (Violine), Friedrich „Friwi“ Sternberg (Klarinette/Saxophon), Jörg Naßler (Gitarre) und Andreas Böttcher (Vibraphon/Orgel). Um das künstlerische Spektrum weiter zu fassen (oder um

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Annette Roth

das mittlerweile erweiterte künstlerische Spektrum namentlich besser zu fassen), änderte Ulrich Thiem 1984 den Namen des Projektes von „Bach & Blues“ in „Zwischen Bach und Blues“ – eine Hinwendung zu noch größerer Offenheit. Diese Öffnung wurde später noch konsequenter und stilistisch weiter vollzogen. 2001, mit dem Gitarristen Alejandro Leon, entschied sich Thiem, den Titel „Zwischen Bach und Blues“ von Fall zu Fall zu modifizieren, weil, so Thiem, „zum Beispiel das Programm mit Leon mit Blues wirklich nichts zu tun hat, sondern eindeutig südamerikanisch klingt“. Zu diesem Programm „Zwischen Bach und Samba“ kamen später „Zwischen Bach und Flamenco“ und „Zwischen Bach und Tango“ hinzu, seit Mai 2004 gibt es „Zwischen Bach und Jazz“, natürlich mit dem Gitarristen Jörg Naßler, sowie „Zwischen Bach und Akkordeon“ (mit Wladimir Artimowitsch) und „Zwischen Bach und Folklore“ (mit Franziska Dillner).

Und trotz Ausweitung zu Samba, Flamenco und Tango bleibt der Blues, vor allem gefasst als stilistisch-harmonisches Strukturschema, die zweite „tragende Säule“ der Thiem’schen Musik. „Ich muss daran erinnern, dass der Begriff Blues in den 70ern und 80ern in der DDR – z. B. durch die so genannten Blues-Messen in der Berliner Samariterkirche – eine geradezu politische Dimension bekommen hatte. Ein Programm, in dem Blues angekündigt war und das noch in einer Kirche stattfand, war von vorn herein politisch interessant, brisant.“ Der Start für Uli Thiem erfolgte diesbezüglich bei Pfarrer Eppelmanns Blues-Messen schon 1979 – also in einem politisch hochbrisanten Kontext. Diese einst DDR-spezifische Brisanz wohnt heute dem hiesigen Blues nicht mehr inne – ebenso wenig wie dem Freejazz. „Bach und Blues“ ist längst eine nahezu entideologisierte Verbindung auf den Konzertpodien Deutschlands, Österreichs und der Schweiz – Ulrich Thiems Hauptauftrittsgebiete – geworden.

Dreierbande

Enrique Correa, Annette Roth + Ulrich Thiem

Dabei ist es kaum zu glauben: Nach 30 Jahren des B&B-Projektes absolviert Thiem immer noch sage und schreibe etwa 170 Konzerte pro Jahr – dahinter verbergen sich jährlich etwa 50.000 gefahrene Kilometer! Uli Thiems Projekt ist mit einigen seiner Abwandlungen auf mehreren CDs dokumentiert. Bisher sind drei Teile von „Bach und Blues“ sowie „Zwischen Bach und Samba“ und „Entre Bach y Flamenco“ erschienen. Nun ist die neue CD „Zwischen Bach und Tango“ auf dem Markt. (Dresdner Neuesten Nachrichten)

Ulrich Thiem erinnert sich an die Anfänge:

Mit sechs Jahren übte ich als Klavierschüler meiner Mutter den „Tanzbären“. Am Schluss fügte ich eines Tages einen Hit von Harry Belafonte an, den ich gerade kennengelernt hatte. Dieses selbstverständliche Nach- oder Miteinander von Klassik und nichtklassischer Musik hat mich seither stets interessiert, und nach Jahren der Beschäftigung mit Gospels und neuen Kirchenliedern begann ich in den 70er Jahren, Stücke zu schreiben, die ich später als „KammerJAZZmusiK“ bezeichnete. Ich wollte einen Musik-Stil finden, der Werke von Johann Sebastian Bach einbindet, ohne sie wesentlich zu verändern, aber insgesamt doch mehr dem Jazz angelehnt ist. 1980 entstand dabei die Gruppe BACH & BLUES DRESDEN, in der sich bis heute klassische und Jazzmusiker treffen und zusammen Konzert-Programme aufführen, in denen beide Stile gleichwertig berücksichtigt sind. (Ich muss daran erinnern, dass der Begriff „Blues“ in den 70ern und 80ern in der DDR – z. B. durch die „Blues-Messen“ in der Berliner Samariterkirche – eine geradezu politische Dimension bekommen hatte. Ein Programm, in dem Blues angekündigt war und das noch in einer Kirche stattfand, war von vorn herein politisch interessant, brisant. Insofern war „Blues“ einerseits ein inhaltsschweres Modewort, mit dem wir gern unsere Konzerte ankündigen wollten, andererseits wirklich unsere musikalische Wurzel.)

Und hier nun die Verehelichung von ‚Flamenco und Bach:

Wie gesagt: exquisite Aufnahmen und das bedeutet: zuweilen schräg, zuweilen gewöhnungsbedürftig … aber diese Ehe zwischen Flamenco und Bach ist ja auch eher ungewöhnlich … und genau das schätze ich an diesen Aufnahmen.

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Besetzung:

Kammerduo Dresden:
Annette Roth (violine)
Ulrich Thiem, Violoncello

Duo Cielo Flamenco:
Enrique Correa (guitar, vocals, palmas, percussion)
Inma Gómez (vocals)
+
Carlos el Canario (guitar)

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Titel:
01. GIGU Entra (Bach/Traditional//Thiem) 2.35
02. Tu ausencia (Thiem) 5.47
03. B AlegriaCH (Bach/Traditional/Gürtler/Thiem) 6.37
04. Mein G´müt ist mir verwirret (v.Löwen/Traditional/Thiem) 3.48
05. Güld, für Gerald Gürtler (Gürtler/Thiem) 6.22
06. El jacal de los pastores / mamezGo, für Inma Gómez (Thiem) 5.44
07. Corrique, für Enrique Correa (Thiem) 4.23
08. Inflavenciones (Bach/Thiem) 4.50
09. A mis padres (Thiem) 6.06
10. Vio Blenco (Bach/Thiem) 5.42
11. Intentalo encontrar (Traditional/Thiem) 3.32
12. Farruca-(Thiem) 3.38
13. Bourbul (Bach/Traditional/Correa/Thiem) 5.28

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