Adolf Gondrell – Der Münchner im Himmel + In der Elektrischen (Ludwig Thoma) (1962)

FrontCover1Für mich ein Klassiker der ganz frühen bayerischen Kleinkunst:

Der Schauspieler Adolf Gondrell (gebürtig Adolf Grell) war Kabarettist, Conferencier in vielen Film- und Theaterrollen. Bekannt wurde er durch seine Interpretation von Ludwig Thomas „Ein Münchner im Himmel“.

Adolf Gondrell (* 1. Juli 1902 in München; † 13. Januar 1954 ebenda) war der Sohn des Schauspielers Adolf Grell. Er begann seine Bühnenlaufbahn kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Bekannt wurde er in den 1920er Jahren als Conférencier in der von ihm geleiteten Bonbonniere am Münchner Platzl. Er machte sich aber auch in Berlin einen Namen als Kabarettist an der Scala, beim Kabarett der Komiker und bei Auftritten im Wintergarten. 1935 erwarb Adolf Gondrell die Künstlerkneipe Simpl im Haus Türkenstraße 57 in München und verkaufte sie 1941 an den Wiener Humoristen Theo Prosel weiter, der für ihn die Geschäfte geführt hatte. Beim Film war Gondrell seit 1933 meist in kleineren Rollen aktiv. In Es waren zwei Junggesellen verkörperte er 1935 eine der beiden Titelfiguren.

Adolf Gondrell01

Seit 1945 war er Mitglied der Münchner Kammerspiele, daneben trat er an anderen Bühnen wie der Kleinen Komödie am Max II auf. Er spielte Alfred Doolittle in Pygmalion, Puntila in Herr Puntila und sein Knecht Matti, den Bäcker in Pagnols Madame Aurelie, Dr. Lausitz in Des Teufels General und wurde besonders als Dienstmann Alois Hingerl in Ein Münchner im Himmel bekannt. Für dieses Stück hatte er Ludwig Thomas Erzählung bearbeitet. Als Synchronsprecher lieh er u. a. Fredric March (Die Abenteuer des Mark Twain) seine Stimme.

Autogrammkarte3

Adolf Gondrell starb bei einem Gasherd-Unfall, aber auch Suizid kann nicht ausgeschlossen werden. Er liegt auf dem Münchner Ostfriedhof im Stadtteil Obergiesing begraben.

Adolf Gondrell03

Nach Adolf Gondrell wurde die Straße Gondrellplatz benannt.

Der Gondrellplatz in München:
Gondrellplatz

Beide Texte dieser Singel stmmen von Ludwigh Thoma:

Ludwig Thoma (* 21. Januar 1867 in Oberammergau; † 26. August 1921 in Tegernsee) war ein deutscher Schriftsteller und Rechtsanwalt, der durch seine ebenso realistischen wie satirischen Schilderungen des bayerischen Alltags und der politischen Geschehnisse seiner Zeit populär wurde. Aufgrund der reaktionären und antisemitischen Veröffentlichungen seiner letzten Lebensjahre wird er seit einigen Jahren zunehmend kritisch betrachtet. (wikipedia)

Ludwig Thoma01

Und „Der Münchner im Himmel“ ist schon ein bemerkenswertes Glanzlicht in der Karriere des Ludwigh Thoma:

Der Münchner im Himmel ist eine humoristische Satire des bayerischen Schriftstellers Ludwig Thoma, die 1911 veröffentlicht wurde. In ihr behandelt Thoma mit einem liebevollen Augenzwinkern das Klischee des typisch bayerischen, insbesondere des Münchner Grantlers. Neben den Lausbubengeschichten zählt sie zu den bekanntesten Werken des Autors.

Die Kurzgeschichte handelt von Alois Hingerl, Dienstmann Nummer 172 auf dem Münchner Hauptbahnhof. Dieser erledigt einen Auftrag mit solch einer Hast, dass er vom Schlag getroffen zu Boden fällt und stirbt.

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Zwei Engel schleppen ihn mühevoll in den Himmel, wo er von Petrus seinen jenseitigen Namen „Engel Aloisius“, eine Harfe und eine Wolke zugeteilt bekommt, auf der er gemäß der „himmlischen Hausordnung“ künftig nach einem festen Terminplan frohlocken und Hosianna singen soll. Auf seine Frage, wann er denn endlich etwas zu trinken bekomme, antwortet Petrus dem Aloisius mit den Worten: „Sie werden Ihr Manna schon bekommen.“

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Aloisius ahnt angesichts der Aussicht auf Manna statt des von ihm geliebten Bieres Schlimmes, zugleich kommt es zu Handgreiflichkeiten mit einem himmlischen Rote-Radler-Engel, seiner verhassten Konkurrenz auf Erden. Frustriert beginnt er auf seiner Wolke zu frohlocken. Als ein vorbeifliegender „vergeistigter Engel“ seine Bitte nach „am Schmaizla“ (einer Prise Schnupftabak) mit einem verständnislosen, gelispelten „Hosianna!“ beantwortet, steigt sein Zorn, worauf Aloisius zu schimpfen und zu fluchen beginnt, was sich auch in seiner Art zu frohlocken niederschlägt. Durch sein Schimpfen, Fluchen und lautstarkes Frohlocken („Ha-ha-lä-lä-lu-u-uh – – Himmi Herrgott – Erdäpfi – Saggerament – – lu – uuu – iah!“) wird Gott auf ihn aufmerksam.

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Nach einer kurzen Begutachtung des Delinquenten samt Beratung mit Petrus kommt er nach den Worten „Aha! Ein Münchner!“ zu dem Schluss, dass Aloisius für den Himmel nicht zu gebrauchen sei. Darum erhält dieser eine andere Aufgabe: Er soll der bayerischen Regierung (im Original von Thoma der Bayerische Staatsminister des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten Anton von Wehner) die göttlichen Ratschläge übermitteln; dadurch komme der Münchner ein paar mal jede Woche nach München und die liebe Seele habe ihre Ruhe.

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Alois ist sehr froh über diesen Auftrag, nimmt den göttlichen Ratschlag an und fliegt ab. Wie gewohnt geht er mit seiner Botschaft zuerst ins Hofbräuhaus, wo er sich ein Bier nach dem anderen bestellt, darüber seinen Auftrag vergisst und dort bis zum heutigen Tage sitzt. Derweil wartet die bayerische Regierung (bzw. der bayerische Kultusminister) noch immer auf die göttlichen Ratschläge (bzw. die göttliche Eingebung).

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Das Werk Ludwig Thomas wurde erstmals 1911 als Simplicissimus-Bilderbogen herausgebracht, gezeichnet von Olaf Gulbransson. Wegen des Schlusssatzes „… und so wartet die bayerische Regierung bis heute auf die göttlichen Eingebungen“ wurde Thoma zu einer Geldstrafe verurteilt.

Die Original-Veröffentlichung im Simplicissimus aus dem Jahr 1911:Simplicimus03

Der Münchner im Himmel gehört zu den meistrezitierten Werken der bayerischen Volksliteratur; für die Schallplatte sprachen es u. a. Fritz Strassner, Karl Peukert sowie Gustl Bayrhammer. Prominent ist die Überarbeitung durch Adolf Gondrell (1902–1954). Sie inspirierte die Filmemacher Gertraud (* 1930) und Walter Reiner (1924–2016) 1962 zu einem Zeichentrickfilm/Kurzfilm, für die Tonspur wurde die Rezitation Gondrells verwendet (Musik: Karl von Feilitzsch).

Die 21. Auflage der Brockhaus Enzyklopädie weist im 12. Band einen Eintrag unter dem Stichwort „Hingerl, Alois“ auf, ohne den fiktiven Charakter der Person darzustellen (wikipedia)

Bierdeckel3

Dass der damaligen Obrigkeit ein solcher Spott nicht gefallen hat, versteht sich fast von selbst und auch der Klerus wird getobt haben.

Die -Seite ist ein amüsater Blick auf die „Fähigkeit“ des Münchners sich in Konfliktsituationen chamäleonartig zu verhalten.

Und natürlich hat der Adolf Gondrell mit seinem Vortragsstil diese Texte veredelt wie kein zweiter. Das Datum dieser Aufnahme ist mir nicht bekannt … ich vermute mal Ende der 40er Jahre.

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Besetzung:
Adolf Gondrell (Sprecher)

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Titel:
01. Der Münchner im Himmel 8.57
02. In der Elektrischen 7.06

Text: Ludwig Thoma

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Und ein ebenfalls 1963 veröffentlichter Zeichenrickfilm wurde bei uns in Bayern ebenalls Kult. Geschaffen wurde er von Walter Reiner ((1924–2016)

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Hans-Reinhard Müller – Heilige Nacht – Eine Legende (Ludwig Thoma) (1970)

FrontCover1Also, den Ludwig Thoma könnte man heute schon noch kennen:

Ludwig Thoma (* 21. Januar 1867 in Oberammergau; † 26. August 1921 in Tegernsee) war ein deutscher Schriftsteller, der durch seine ebenso realistischen wie satirischen Schilderungen des bayerischen Alltags und der politischen Geschehnisse seiner Zeit populär geworden ist.

Mehr über diesen Schriftsteller kann man dann z.B. hier finden.

Aber in Vergessenheit geraten ist wohl der Sprecher dieser klassischen Weihnachtgeschichte aus er Feder von Ludwig Thoma, der Schauspieler und Regisseur Hans-Reinhard Müller:

Hans-Reinhard Müller, (* 15. Januar 1922 in Nürnberg; † 5. März 1989 in Bad Feilnbach) war ein deutscher Theaterintendant, Regisseur, Schauspieler, Hörspielsprecher und Fernsehmoderator.

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1938 stand Hans-Reinhard Müller an den Münchner Kammerspielen als Statist erstmals auf einer Bühne. Ab 1941 nahm er Schauspielunterricht bei Friedrich Kayssler in Berlin und erhielt bald ein Engagement am Stadttheater Klagenfurt. Nach seiner Einberufung zum Kriegsdienst, nach schwerer Kriegsverwundung und Gefangenschaft studierte er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an der Ludwigs-Maximilians-Universität München Philosophie, Germanistik und Geschichte und trat am ersten Theater der Jugend, das es in München gab, wieder auf. 1946 bis 1948 wurde er von Erich Engel an die Münchner Kammerspiele verpflichtet und debütierte in dessen Regie von Shakespeare’s Sturm als Ferdinand.

Nach Engels Weggang wechselte Müller 1948 als Schauspieler an das Bayerische Staatsschauspiel, wo ihn Kurt Horwitz, bis 1933 einer der wichtigsten Schauspieler an den Münchner Kammerspielen, mit seinem Antritt als Intendant zum Regisseur (1952), zu seinem persönlichen Mitarbeiter (1953), zum stellvertretenden Intendanten und zum Leiter der Verwaltung (1954) machte. 1957 wurde Müller zum Koordinator der drei Bayerischen Staatstheater ernannt. Nach dem Intendantenwechsel zu Helmut Henrichs 1958 blieb er weiterhin stellvertretender Intendant und Leiter der Verwaltung.

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Ab 1955 trat Müller in Fernsehspielen des Bayerischen Rundfunks auf und begann ab 1959 auch Fernsehregien zu übernehmen, wobei er 1960 mit So ist es – ist es so? mit Horst Tappert den Preis der Deutschen Fernsehkritik erhielt. Deutschlandweit wurde Müller erstmals bekannt mit der Moderation der in der ARD ausgestrahlten Unterhaltungssendung Samstagnachmittag zu Hause (1958–1967). Schon ab 1950 arbeitete er bis zu seinem Tod in über 200 Hörspielen als Sprecher und Regisseur.

1960 wurde Müller zum Intendanten des Mehrspartentheaters Freiburg in Freiburg im Breisgau berufen und begann verstärkt als Theaterregisseur in München, Zürich, Essen und Freiburg zu arbeiten. Zu Müllers Inszenierungen in Freiburg zählten unter anderem die Uraufführung des Schauspiels Die Abendgesellschaft (1961) von Maria Matray und Answald Krüger und die deutsche Erstaufführung des Stücks Andacht zum Kreuz (1962) von Calderón de la Barca. Als Intendant widmete er sich besonders der Nachwuchsförderung und ermöglichte in Freiburg herausragende Gastspiele, z. B. mehrfach von Jean-Pierre Ponnelle und Giorgio Strehler. Nach einer Budgetkürzung des Freiburger Stadtrates legte er sein Amt 1969 nieder.

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Als Direktor der renommierten Schauspielschule Otto-Falckenberg kehrte er anschließend nach München zurück. 1971 ließ der Münchner Kulturreferent Herbert Hohenemser (1956–1976) zur Neubesetzung der Intendanz der Münchner Kammerspiele eine einmalige basisdemokratische Intendantenwahl durchführen, bei der alle Angestellten des Theaters gleichermaßen stimmberechtigt waren. Das Verfahren schreckte manche prominente Interessenten ab. Müller trat bei Vorstellungsrunden im Schauspielhaus vor der Belegschaft gegen mehrere von den Medien favorisierte Mitbewerber wie Ivan Nagel an und wurde als Nachfolger von August Everding zum Intendanten der Münchner Kammerspiele gewählt. Von der Presse wurde er nach seiner Wahl stark abgelehnt und als „Verlegenheitslösung“ gesehen, während der „konservative Treibsand“ Münchens seine Wahl begrüßte.

Unter diesen schwierigen Voraussetzungen begann Müller 1973 seine Intendanz an einem von zeittypischen politischen Skandalen erschütterten Haus, von dessen altem Ruhm, mit einem zuletzt „fragwürdig boulevardesken“ Spielplan und einem zerrissenen Ensemble, nicht mehr viel übrig war. Zudem präsentierte er, Falckenbergs Tradition wieder aufgreifend, literarisch anspruchsvolle Texte und in München noch unbekannte Autoren (Sternheim, Lasker-Schüler, O’Casey, Valle-Inclán, Wedekind, Feydeau, Witkiewicz) mit Regisseuren, die im bundesdeutschen Theater noch wenig bekannt waren: Johannes Schaaf, Klaus Emmerich, Benno Besson oder Adolf Dresen. Das konservative München war von Müller enttäuscht und kehrte den Kammerspielen den Rücken, die lokale Presse war ablehnend, die überregionale Kritik teils anerkennend. Die Wende kam 1975 mit Der Arzt am Scheideweg von George Bernard Shaw in der umstrittenen Inszenierung von Rudolf Noelte, die zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde.

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Aber erst mit dem Engagement von Dieter Dorn als Oberspielleiter, den er schon seit 1972 gewinnen wollte, von Ernst Wendt als Chefdramaturg und Regisseur sowie mit dem Hausregisseur Harald Clemen gelang Müller 1976 der Durchbruch. Die ästhetisch ganz gegensätzlichen Inszenierungsstile insbesondere von Dorn und Wendt machten die Kammerspiele mit zum Teil aufsehenerregenden Aufführungen wieder zu einem der interessantesten deutschsprachigen Sprechtheater dieser Zeit, was sich auch in mehreren Einladungen zum Berliner Theatertreffen niederschlug: Dorn mit Minna von Barnhelm von Gotthold Ephraim Lessing 1977, mit Groß und Klein von Botho Strauß 1979 und Wendt, der 1980 mit dem Deutschen Kritikerpreis ausgezeichnet wurde, mit Lovely Rita von Thomas Brasch 1979 und mit Goethes Torquato Tasso 1982, wie auch Robert Wilson mit Die goldenen Fenster 1983.

Während seiner Intendantenzeit inszenierte Müller an den Kammerspielen Stücke von Ibsen, Hofmannsthal, Raimund, D. L. Coburn, Widmer und Sternheim und trat als Schauspieler in Inszenierungen von Sternheim, Wedekind, Witkiewicz, Lorca (Regie: Wendt), Strauß (Regie: Dorn), Ibsen und Büchner (Regie: Dorn) auf. Mit dem Erreichen des Pensionsalters legte Müller 1983 die Intendanz nieder und wirkte maßgeblich daran mit, das Dieter Dorn zu seinem Nachfolger als Intendant der Münchner Kammerspiele gewählt wurde.

Nach seiner Intendantenzeit arbeitete Müller hauptsächlich als Schauspieler. Große Bekanntheit erlangte er 1984 und 1988 mit der Hauptrolle Anton Wiesinger in der Fernsehserie Die Wiesingers (Regie: Bernd Fischerauer) und als Dr. Juckenack in dem Film Das schreckliche Mädchen (Regie: Michael Verhoeven), der ein Jahr nach Müllers Tod 1990 in die Kinos kam, zahlreiche deutsche und internationale Auszeichnungen erhielt und der 1991 für den Oscar in der Kategorie bester fremdsprachiger Film nominiert war. (wikipedia)

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Ludwig Thomas „Heilige Nacht“ ist ein Klassiker bayerischer Literatur. Der Schriftsteller verlegte die Weihnachtslegende nach dem Lukasevangelium in das verschneite bayerische Oberland und erzählt sie in Versform und Dialekt. (Bayerischer Rundfunk)

Heilige Nacht ist der Titel eines Versepos des bayerischen Schriftstellers Ludwig Thoma, das 1917 veröffentlicht wurde. Es erzählt die Weihnachtsgeschichte nach dem Lukasevangelium in bairischem Dialekt.

Ludwig Thoma überführt in der „Heiligen Nacht“ die klassische Weihnachtsgeschichte in den bayerisch-bäuerlichen Alltag. Die schwangere Maria stapft bis zur totalen Erschöpfung durch das verschneite Bayern und wird auf der Suche nach einer Herberge immer wieder abgewiesen.

Dabei kommt insbesondere der Unterschied zwischen Armut und Reichtum zur Geltung, der sowohl in der biblischen Geschichte, als auch im bayerischen Alltag vorhanden ist.

Die Originalausgabe:
Originalausgabe1

Bertl Schultes berichtete von der Entstehungsgeschichte, dass Thoma mit seinem Jäger bei großer Kälte in den Tegernseer Bergen im Advent 1915 auf der Jagd war. Der Jäger hörte Thoma vor sich hin sagen: „Im Wald is so staad, alle Weg san verwaht“ – zwei Verse der Dichtung, die der Schriftsteller in der folgenden Zeit bis März 1916 in der Bauernstube seines Landhauses „Auf der Tuftn“ in Rottach verfasste. Einem Freund schrieb Thoma später: „Es ließ sich mühelos und von Herzen herunter dichten und war angeregt vom Schnee und stillen, sternenhellen Winternächten“. Auch ist die Erzählung geprägt von Thomas Kindheit in den Forsthäusern Vorderriß und Oberammergau. Der Schriftsteller berichtete von einem geplanten Krippenspiel: „Wir wollten ein Krippenspiel machen: [Ignatius Taschner] die Bilder, ich den Text. Dazu Musik von Max Reger – das wäre was geworden!“

Den ersten Teil der „Heiligen Nacht“ sandte Thoma kurz vor Weihnachten 1915 den beiden Töchtern seines bereits 1913 verstorbenen Freundes Ignatius Taschner zu. Er schrieb dazu, er habe „diese Verse […] im Andenken an Euren lieben Vater [Ignatius Taschner]“ gemacht. Den zweiten Teil der Erzählung schickte Thoma den Taschner-Töchtern am 26. Dezember des Folgejahres.

Im Jahr 1917 veröffentlichte der Münchner Albert Langen Verlag die „Heilige Nacht“, illustriert von Wilhelm Schulz.

Beispielseite aus der Originalausgabe:
Originalausgabe2

Die „Heilige Nacht“ ist in einem bairischen Dialekt verfasst, den Thoma wohl „Lenggrieser Dialekt“ nannte. Dies ist ungewöhnlich, da der seit 1908 am Tegernsee lebende Autor keinen Bezug zu Lenggries hatte. Auffällig sind einzelne eher Tiroler Dialektwörter, wie z. B. „Enk“ für „Euch“ und „Klumsn“ für den Spalt zwischen zwei Holzbrettern. (wikipedia)

Hüllentext2

In der Tat, diese Mundartvariante der Weihnachtsgeschichte entwickelt einen ganz eigenen „Zauber“ und das hängt schon auch sehr stark damit zusammen, dass Hans-Reinhard Müller eine wirklich angenehme Stimme hat und sein bayerischer Dialekt sich auf angenehmste Weise ins Ohr schleicht.

Und die „sozialkritichen“ Töne/Zwischentöne von Ludwig Thoms sind schon auch bemerkenswert.

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Besetzung: 
Hans-Reinhard Müller (Sprecher)
+
eine unbekannte Gruppen von Volksmusikanten

Ludwig Thoma:
Beispiel42

Titel:
01. Weihnachtliche Volksmusik (1) (unbekannt) 1.07
02. Heilige Nacht – Eine Legende (Teil 1)
03. Weihnachtliche Volksmusik (2) (unbekannt)
04. Heilige Nacht – Eine Legende (Teil 2)
05.Weihnachtliche Volksmusik (3) (unbekannt)

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Hüllentext1

Mehr von Ludwig Thoma:
Mehr

 

Willi Rösner – Heilige Nacht – Eine Weihnachtslegende von Ludwig Thoma (1956)

FrontCover1Ludwig Thoma – Die „Heilige Nacht“ am Tegernsee

„Jetzt, Leuteln, jetzt loost’s amal zua!
Mei Gsangl is wohl a weng alt,
Es is aba dennascht schö gnua.
I moan, daß ’s enk allesamm gfallt.“

So beginnt eine der bekanntesten bayerischen Weihnachtsgeschichten: Die „Heilige Nacht“ von Ludwig Thoma aus dem Jahr 1917. Der Schriftsteller, der zu dieser Zeit bereits neun Jahre „Auf der Tuften“ in Tegernsee lebt, beschreibt die Geschichte von Maria und Joseph auf eine ganz eigene, eben eine bayerische Art:

„Es war selm in Nazareth hint
A Mo, der si Joseph hat gnennt;
So brav, wia ma net oft oan findt
Und wia ma’s net glei a so kennt.

[…]

Z‘ Palästina waar’s a weng hoaß.
Da kunnt oana ’s Bier net ganz g’rat’n,
So moant ma. Dös hätt no koa G’fahr,
Denn drei und vier Maß san koa Schad’n,
Weil’s selbigs Mal billiga war.“

Längst gelten die Gesänge der „Heiligen Nacht“ als Volksweisen und gehören zum weihnachtlichen Repertoire vieler Volksmusik-Ensembles:

„Im Wald is so staad,
Alle Weg san vawaht,
Alle Weg san vaschniebn,
Is koa Steigl net bliebn.“

Ludwig Thomas „Heilige Nacht“ geht dabei mit der Realität großzügig um. Die Geschichte von Maria und Joseph spielt in einem verschneiten Land mit Bergen und Almhütten, welches eher den Tegernseer Bergen ähnelt, als dem „echten“ Heiligen Land:

„Beim Tagwer’n, es war no ganz fruah,
Schaugt da Joseph außi in Schnee.
»Maria, jetzt genga ma zua,
Z’erscht trink‘ ma no insern Kaffee.“

Doch genau wie in der „echten“ Weihnachtsgeschichte sind es nicht die abweisenden Bewohner Bethlehems, die den Heiland zuerst erblicken. In der bayerischen Erzählung ist es ein einfacher Hüterbub, der die Reisenden Maria und Joseph in einen Stall führt und ihnen so ein Nachtquartier bietet:

„Guat Nacht jetzt und schlaft’s ma recht guat
Und laßt’s enk nix kümmern mitnand.
I woaß an mir selba, wia’s tuat,
Und ’s Armsei‘, dös is ma bekannt.

[…]

Oes Hüata, kemmt’s allesamm her!
Es schlagt enk de heiligste Stund,
Ja, Gott in da Höh sei de Ehr!
Und Frieden den Menschen herunt!“

(Quelle: tegernsee-schliersee.de)

So ganz kann man sich das gar nicht vorstellen … da tobt der I. Weltkrieg und dann schreibt der Ludwig Thoma diese bayerische Weihnachtsgeschichte … aber es war halt so.

Hier eine Lesung mit Willi Rösner:

Willy Rösner (* 19. Mai 1893 in Rosenheim; † 2. Oktober 1966 in München) war ein deutscher Schauspieler.

WilliRösnerRösner besuchte nach der Realschule mit Abitur von 1912 bis 1914 die Münchner Schauspielschule Otto König und trat erstmals 1913 als Stauffacher in Wilhelm Tell am Münchner Volkstheater in Erscheinung. Dort erhielt er alsbald ein Engagement, doch der Einsatz im Ersten Weltkrieg unterbrach zunächst seine Theaterlaufbahn.

1919 bis 1921 spielte er in Augsburg, 1921/22 in Altona, 1922/23 in Krefeld, 1923/23 in Aussig und von 1924 bis 1933 am Deutschen Landestheater in Prag. Danach arbeitete er 1933/34 wieder am Volkstheater in München und 1941 bis 1944 gehörte er zum Ensemble des Deutschen Volkstheaters in Wien unter Walter Bruno Iltz, von 1946 bis 1950 agierte er für das Bayerische Staatsschauspiel in München. Seit 1926 wirkte er auch für den Rundfunk.

Im Kino wurde Willy Rösners Domäne der in Bayern spielende Heimatfilm, wo er immer wieder kaltherzige, berechnende Landmänner verkörperte, die durch ihren Egoismus dem Glück anderer im Wege stehen. Im Historienfilm Ludwig II. – Glanz und Elend eines Königs um den von O. W. Fischer dargestellten Märchenkönig bildete er als Ministerratsvorsitzender Johann von Lutz dessen Gegenspieler. Er ist auf dem Friedhof in Rosenheim bestattet. (Quelle: wikipedia)

Der Text wird im gepeflegten boarischen Dialekt (alles andere hätte ja auch bei einer bayerischen Weihnachtsgeschichte keinen Sinn gemacht) vorgetragen … unterbrochen von Ziterh- und Hackbrettklängen sowie lieblichem Chorgesang.

Ludwig Thoma

Ludwig Thoma

Irgendwie eine ganz gemütliche LP, die – das sei verraten – aus dem Bestand meiner mittlerweile 90jährigen Tante stammt.

Front+BackCover1975

Front + ackCover einer Wiederveröffentlichung aus dem Jahre 1975

Besetzung:
Willi Rösner (Sprecher)
+
Rudi Knabl (zither)
Hans Seidl (hackbrett)
+
Gesang:
Die Waakirchner Sänger – Die Fischbachauer Dirndl

BackCover1

Titel:
01. Heilige Nacht – Eine Weihnachtslegende (Teil 1) 26.12
02. Heilige Nacht – Eine Weihnachtslegende (Teil 2) 25.05

LabelB1

* (demnächst)
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Und hier geht´s zur Textausgabe (click on the pic):

Originalausgabe

Verschiedene Interpreten – Stimmen Bayerns – Die Liebe (2011)

FrontCover1Und jetzt wieder mal ein ganz besonderes Schmankerl, zumindest für meine Ohren:

Das Bayerische zwischen gestern und heute, Widerstand und Witz, Sex und Siechtum

Es ist ein wenig aus dem Blick geraten. Vor lauter Laptop und Lederhosen, wirtschaftlichem Erfolg und deutschen Fußballmeisterschaften im Dutzend konnte man glatt vergessen, dass der Bayer ja eigentlich ein ganz netter Kerl ist, dass er nicht schon immer krankhaft hohe Mieten am Starnberger See bezahlt hat, sondern auch ein Widerständiger, Ungehobelter in ihm wohnt, ein Haderlump, ein Anarchist bisweilen gar. Diese Traditionen nimmt, bevor sie völlig verschüttet werden, Stimmen Bayerns auf. Den Machern des Trikont-Labels, die ihre spannenden Kompilationen sonst gerne in die Hände externer Experten legen, ist die Reihe so wichtig, dass sie höchstselbst kuratiert haben. Mit Die Liebe und Der Tod liegen nun die ersten beiden Folgen vor, weitere zu Themen wie Rausch, Freiheit, Verbrechen, Hass und Treue sollen folgen. Nicht fehlen dürfen natürlich: Bayerische Institutionen wie Franz Xaver Kroetz, Helmut Fischer, Herbert Achternbusch, Gerhard Polt, Therese Giehse, Willy Michl, Karl Obermayr und Gustl Bayrhammer, der Ludwig Thoma liest.

Cleo Kretschmer

Cleo Kretschmer (mit Wolfgang Fierek)

Manche singen, aber die meisten sprechen: Das ist folgerichtig, hat Trikont, doch einst als Verlag begonnen. Das ist aber auch großartig, weil man nun hört, wie musikalisch das Bayerische ist, wie die Sprache selbst, sogar ohne Dialekt, allein durch Duktus und Klang zur Musik wird. Diese Eigenschaft des Bayerischen sorgt dafür, dass noch die derbsten Texte, voller grobem Sex, voller nackter Haut, voller Krankheiten und Siechtum, nicht nur vor Humor und Lebenslust sprühen, sondern das Krachlederne eine ganz eigene Poesie entwickelt. Aber Stimmen Bayerns ist nicht nur Retrospektive einer glorreichen Vergangenheit, sondern vor allem der Versuch, diese Traditionslinien in die Gegenwart zu verlegen. Einem Text von Ödön von Horvath folgt nun eben einer von Franz Dobler, in dem ausdiskutiert wird, ob The Clash Verräter sind. Ja, es sind vor allem Trikont-Künstler wie LaBrassBanda, Hans Söllner und Coconami, die die Brücke in die Jetztzeit schlagen, aber das ist nur folgerichtig, schließlich kümmert sich ja kaum jemand sonst neben Trikont um diese Schnittmenge aus Volkskunst und Popkultur. Für diese Arbeit setzen sich Trikont mit Stimmen Bayerns ein vollkommen verdientes Denkmal. Mia san mia und mia machen’s dann halt selbst. (Musik Express 09/2011)

Gustl Bayrhammer

Gustl Bayrhammer

Die „Stimmen Bayerns – Die Liebe“ sind eine einzigartige Enzyklopädie der bayerischen Seele. Gedichte, Kurzgeschichten, Essays, Musik, Songs und Sketche, Radiofeatures, Soundcollagen, Film-Tonspuren und O-Töne werden von namhaften Bayern (u. a. Helmut Fischer, F. X. Kroetz, Gustl Bayrhammer) vorgetragen. Öffentliche Stimmen aus Theater, Radio, Fernsehen oder Tonträger markieren den heimatlichen, regionalen Kreis der eigenen Herkunft. Generationen sind mit diesen Stimmen groß geworden – sie beinhalten Klischees und Abgrund, Verschrobenheit und Sentimentalität. Sie verkörpern gleichsam eine bayerische Übereinkunft, sorgen für das Gefühl des Einheimischseins. Die „Stimmen Bayerns“ können deshalb auch ohne Dialekt sprechen und trotzdem mit dem Lebensgefühl einer Gegend verbunden sein. (Quelle: www.br.de)

Josef Bierbichler

Josef Bierbichler

Und manchmal frag ich mich, ob es in anderen Regionen ähnlich intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Region gibt. Ich vermute, dass genau dies der Fall ist … und so werde ich weiter stöbern (irgendwann mal werde ich wohl mal wieder in unterwegs sein) um hier auch die bunte Vielfalt aus deutschen Landen präsentieren zu können.

Prädikat: besonders wertvoll !

BookletBackCover1

 

Titel:
01. Helmut Fischer: Spatzl, schau wie I schau 3.46
02. Josef Bierbichler liest Wolf Wondratschek : König Ludwig Lied 1.21
03. Udo Wachtveitl liest Robert Hültner: Liebesszene 4.13
04. Bally Prell: Der Föhnwind 2.05
05. Martina Gedeck liest Ödön von Horváth : Anna Pollinger wird praktisch 2.48
06. Franz Dobler: Denn ich sah, dass alle Hunde schliefen 3.41
07. Franz Xaver Kroetz: Dichters Liebesnacht 1.16
08. Willy Michl: Willys Liebeslied 3.34
09. Iris Mayer liest Franz Xaver Judenmann: Liebe Lies 1.38
10. Georg Ringsgwandl: Oma 4.02
11. Albert Ostermaier: Lost & Found 0.39
12. LaBrass Banda: Rotes Hoserl 3.42
13. Veronika Fitz und Walter Sedlmayr lesen Karl Valentin : Streit mit schönen Worten 4.00
14. Gustl Bayrhammer liest Ludwig Thoma : Der Rosl vom Spöckmeier zu ihrer Vermählung 1.43
15. Williams Wetsox: Hey kloana Vogl 04.21
16. Cleo Kretschmer: Danilo 1.42
17. Isarspatzen: Marina 2.41
18. Bernhard Butz liest Georg Queri: Der Hirnpecker 3.03
19. Ruth Geiersberger: Die Liebe 5.55
20. Ali Mitgutsch: Endlich, der erste Kuss 5.32
21. Marcus H. Rosenmüller: Schalalala ist die Liebe nicht schön? 3.17
22. Dr. Döblingers geschmackvolles Kasperltheater: Kasperl und die wahre Liebe 2.06

CD1
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Denkmal für Helmut Fischer in der Rolle des Monaco Franze in München, Münchner Freiheit

Ludwig Thoma – Heilige Nacht (1964)

titelDer bayerische Heimatdichter Ludwig Thoma hat mit seiner Weihnachtsgeschichte „Heilige Nacht“ ganz sicher einen Klassiker bayerischer Weihnachts- und Heimatgeschichten geschrieben.

„Die Weihnachtsgeschichte Thomas, in der er auf ganz eigene Weise Jesu Geburt nach dem Lukas-Evangelium nacherzählt, ist nicht pure Folklore, sondern eine ergreifende Dichtung und ein echtes Stück Zeitgeschichte.

Ludwig Thoma schrieb die Weihnachtsgeschichte mitten im Ersten Weltkrieg. Thoma war 1915 Sanitäter an der Ostfront (Galizien, Russland) gewesen, dann aber an Ruhr erkrankt. Daheim in seinem Haus am Tuften in Tegernsee erholte er sich.

Über die Entstehung der „Heiligen Nacht“ im Dezember 1915 berichtet der Volksschauspieler Bertl Schultes: „Es war Advent. Thoma war mit seinem Jäger in seinen Tegernseer Bergen. Eisig kalt war es und ein scharfer Wind schnitt einem schier das Gesicht entzwei (…) Mit einemmal wurde es windstill, die Kälte ließ nach, nur große Schneeflocken legten sich lautlos auf die Erde. Langsam, Schritt für Schritt, ging es bergab. Auf einmal hörte der Jäger, wie Thoma vor sich hinsagte: Im Wald is so staad, alle Weg san vawaht (…).“ Das war die Geburtsstunde der „Heiligen Nacht“, schreibt Thomas Biograph Richard Lemp.

Ein Blitzeinfall auf der Pirsch also. Dennoch dauerte es bis März 1916, ehe Thoma seine „Heilige Nacht“ fertig hatte. Erschienen ist sie sogar noch später – 1917. Da war Thoma, verbittert durch die drohende Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg, schon drauf und dran, ein Nationalist zu werden. Er schloss sich der „Deutschen Vaterlandspartei“ an. Später, ab 1920 bis kurz vor seinem Tod durch Magenkrebs am 26. August 1921, kamen bitterböse antisemitische Artikel dazu.

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Ludwig Thoma

In der „Heiligen Nacht“ ist von dieser späten Wandlung des ursprünglichen linksliberalen Monarchiekritikers noch nichts zu erahnen. Es ist eine wunderbare lyrische Weihnachtsgeschichte, an der zweierlei auffällt: ein ganz eigener bairischer Dialekt und ein gesittet Maß an Sozialkritik.

Eigentümlich ist Thomas Bairisch. Er selbst hat das wohl als Lenggrieser Dialekt bezeichnet – das ist seltsam, weil Thoma mit Lenggries nichts verbindet und er ja seit 1908 am Tegernsee heimisch war. Auch Gerhard Holz, der die „Heilige Nacht“ oft vorgetragen hat, ist der Lenggrieser Dialekt nicht als eigener Sprachtypus bekannt. Was aber auffällt, sind Tiroler Einflüsse. Thoma schreibt „Enk“ und meint „Euch“ (statt dem üblichem bairischen eich). Er schreibt „Klumsn“ und meint damit den Spalt zwischen zwei Holzbrettern – und selbst Gerhard Holz bekennt: „Ich habe das Wort vorher nicht gekannt“. „Ins“ für „unsere“ (Sache) ist ein weiterer Ausdruck Thomas. „Angscht“ für Angst klingt fast schon Schwäbisch. „Und zahnt recht“ für dableckn ist einfach köstlich. Der Text der „Heiligen Nacht“ ist auch für Kenner anspruchsvoll – „das muss man üben“, sagt Holz.

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Bemerkenswert auch: Biblische Szenen sind in einen bäuerlich-dörflichen Alltag übertragen. „Stark tritt die Armut des biblischen Paares Josef und Maria hervor“, schreibt die Autorin Gertrud Maria Rösch. Die Betonung der Armut wie der Nächstenliebe war schon vorher Thema seiner jährlichen Weihnachtsgedichte gewesen, die Thoma für den „Simplicissimus“ schrieb. „’S werd gwen sei, wia’s heunt aa no ist“, fügt Thoma lakonisch an – und überträgt damit den Gegensatz arm-reich in die Gegenwart. Als sich die Geburt Jesu durch den Stern ankündigt, bleiben die Reichen in Bethlehem ohne Regung in den Betten liegen. Zum Schluss schreibt der Autor: „Und fragt’s enk, ob dös nix bedeut’, / Dass’s Christkind bloß Arme g’sehg’n hamm.“

Schon 1906 im Stadelheimer Gefängnis hatte Thoma geschrieben, wie er seinen Jesus interpretiert – als jemanden, der „sich entschlossen auf die Seite der Armen schlägt und den Reichtum ausnahmslos verdammt“. Und das ist wohl auch heute aktuell und nachdenkenswert.(Quelle: Münchner Merkur, 14. Dezember 2015)

Und hier eine kleine Werkanalyse:

„Jetzt, Leuteln, jetzt loost’s amal zua!
Mei Gsangl is wohl a weng alt,
Es is aba dennascht schö gnua.
I moan, daß ’s enk allesamm gfallt.“

So beginnt eine der bekanntesten bayerischen Weihnachtsgeschichten: Die „Heilige Nacht“ von Ludwig Thoma aus dem Jahr 1917. Der Schriftsteller, der zu dieser Zeit bereits neun Jahre „Auf der Tuften“ in Tegernsee lebt, beschreibt die Geschichte von Maria und Joseph auf eine ganz eigene, eben eine bayerische Art:

„Es war selm in Nazareth hint
A Mo, der si Joseph hat gnennt;
So brav, wia ma net oft oan findt
Und wia ma’s net glei a so kennt.

[…]

Z‘ Palästina waar’s a weng hoaß.
Da kunnt oana ’s Bier net ganz g’rat’n,
So moant ma. Dös hätt no koa G’fahr,
Denn drei und vier Maß san koa Schad’n,
Weil’s selbigs Mal billiga war.“

erstausgabe1917

Erstausgabe, 1917

Längst gelten die Gesänge der „Heiligen Nacht“ als Volksweisen und gehören zum weihnachtlichen Repertoire vieler Volksmusik-Ensembles:

„Im Wald is so staad,
Alle Weg san vawaht,
Alle Weg san vaschniebn,
Is koa Steigl net bliebn.“

Ludwig Thomas „Heilige Nacht“ geht dabei mit der Realität großzügig um. Die Geschichte von Maria und Joseph spielt in einem verschneiten Land mit Bergen und Almhütten, welches eher den Tegernseer Bergen ähnelt, als dem „echten“ Heiligen Land:

„Beim Tagwer’n, es war no ganz fruah,
Schaugt da Joseph außi in Schnee.
»Maria, jetzt genga ma zua,
Z’erscht trink‘ ma no insern Kaffee.“

Doch genau wie in der „echten“ Weihnachtsgeschichte sind es nicht die abweisenden Bewohner Bethlehems, die den Heiland zuerst erblicken. In der bayerischen Erzählung ist es ein einfacher Hüterbub, der die Reisenden Maria und Joseph in einen Stall führt und ihnen so ein Nachtquartier bietet:

„Guat Nacht jetzt und schlaft’s ma recht guat
Und laßt’s enk nix kümmern mitnand.
I woaß an mir selba, wia’s tuat,
Und ’s Armsei‘, dös is ma bekannt.

[…]

Oes Hüata, kemmt’s allesamm her!
Es schlagt enk de heiligste Stund,
Ja, Gott in da Höh sei de Ehr!
Und Frieden den Menschen herunt!“

Und so schließt Thoma zwar mit den Erkenntnissen der Weihnachtsgeschichte und doch mit seinen ganz eigenen Ansichten, in seinen eigenen Worten:

„Sie nehman Bfüad Good voranand
Und gengan na hoam durch de Nacht.
In Bethlehem hot ma nix g’spannt,
Vo dena is neamad aufg’wacht.
Und geht’s ös in d‘ Mett’n, ös Leut,
Na roat’s enk de G’schicht a weng z’samm!
Und fragt’s enk, ob dös nix bedeut‘,
Daß ’s Christkind bloß Arme g’sehg’n hamm.“

Hier eine der unzähligen Buchausgaben … erstmalig 194 veröffentlicht … mein Exemplar stammt aus dem Jahr 1964 (Auflage: 84 – 90 Tausend); und ja … ich habe einen Faible für Gebrauchsgraphik … in diesem Buch finden sich viele beeindruckende Beispiele aus der Feder von Wilhelm Schulz.

Und weil es nicht so ganz einfach ist, den bayerischen Dialekt zu verstehen, gibt es demnächst noch eine Lesung dieser „Weihnachtslegende“ … vorgetragen von einem, der es wirklich kann: Gustl Bayrhammer.

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Ein werbender Klappentext: Fehlanzeige !