Der Kreisler Georg war schon ein ganz besonders skuriller Vogel, aber das ist vielleicht angesichts seiner Biographie auch kein Wunder:
Georg Franz Kreisler (* 18. Juli 1922 in Wien; † 22. November 2011 in Salzburg) war ein Komponist, Sänger und Dichter, der aus einer österreichischen jüdischen Familie stammte und als Emigrant 1943 die Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten angenommen hatte. Dagegen, vorrangig als Kabarettist bezeichnet zu werden, hat sich Kreisler, der diesen Beruf in jungen Jahren zur Bestreitung seines Lebensunterhalts ausgeübt hatte, immer wieder gewehrt. Ebenso verwahrte er sich dagegen, als Österreicher bezeichnet zu werden: „Aber auf keinen Fall bin ich Österreicher… Ich bin seit 1943 amerikanischer Staatsbürger, obwohl mir der Clinton noch nie zum Geburtstag gratuliert hat.“
Die Anfänge seiner Karriere lagen in den USA. Seit Mitte der 1950er Jahre wurde er im deutschen Sprachraum durch Lieder wie „Tauben vergiften“, „Der Tod, das muss ein Wiener sein“ und „Wie schön wäre Wien ohne Wiener“ populär. Mit seinem schwarzen, tiefsinnigen und poetischen Humor und Sprachwitz hat Kreisler das musikalische deutschsprachige Kabarett seiner Zeit als Interpret und Verfasser eigener Werke stark geprägt.
Georg Kreisler wurde als Sohn des jüdischen Rechtsanwaltes Siegfried Kreisler (1884–1970) und dessen Frau Hilda (1895–1942) im Wiener Sanatorium Hera geboren. Er war das einzige Kind seiner Eltern, aber es gab viel Verwandtschaft: sein Vater hatte acht Geschwister, seine Mutter vier. Er besuchte das Gymnasium Kandlgasse in Wien-Neubau und begann als Siebenjähriger Klavierspielen, später auch Geige und Musiktheorie, zu lernen.
1938, nach dem „Anschluss“ Österreichs, waren auch österreichische Juden den Repressalien gemäß der Rassengesetze des Nationalsozialismus ausgesetzt. Es gelang seinem Vater, noch rechtzeitig Ausreisepapiere zu erlangen und unter Verlust fast des gesamten Vermögens mit der Familie über Genua und Marseille in die USA zu emigrieren. Auf der Überfahrt fand Georg Kreisler einen Schachpartner in dem auf der Überfahrt als Schiffbrüchigen aufgenommenen Bugsy Siegel.
In Hollywood unterstützte ihn sein Vetter, der erfolgreiche Drehbuchautor Walter Reisch, finanziell und vermittelte Kontakte zum Filmgeschäft. Kreisler wurde mit einer Vielzahl deutsch-jüdischer Exilanten bekannt, die ebenfalls im Filmgeschäft unterzukommen suchten, allerdings kein Englisch sprachen. Mit 19 heiratete er die Tochter des Kabarettisten und Komponisten Friedrich Hollaender, Philine, trennte sich jedoch bald wieder von ihr. Arnold Schoenberg versuchte ihn an der University of California, Los Angeles unterzubringen, wo er wegen mangelnder Zeugnisse abgelehnt wurde.
Kreisler wurde 1943 US-amerikanischer Staatsbürger und gleich darauf für den Zweiten Weltkrieg zur US-Armee eingezogen. Nach der Grundausbildung wurde er nach England verlegt und war in Yeovil und Devizes stationiert, wo er in Veranstaltungen, die er teilweise zusammen mit Marcel Prawy vorbereitete, Soldaten der D-Day-Truppen unterhielt. Als Soldat war er unmittelbar nach Kriegsende dolmetschend in Deutschland tätig, verhörte Julius Streicher und begegnete Hermann Göring sowie Ernst Kaltenbrunner.
In die USA zurückgekehrt, war er in Hollywood beim Film beschäftigt und arbeitete dort unter anderem mit Charlie Chaplin zusammen. Chaplin pfiff ihm die Filmmusik für Monsieur Verdoux – Der Frauenmörder von Paris vor, die Kreisler auf Notenpapier schrieb und dann zu Hanns Eisler brachte, der die Orchestrierung besorgte. Auch war es Kreislers Klavierspiel, das aufgenommen wurde, wenn man Chaplin am Klavier sah. Da sein Erfolg insgesamt nur mäßig war, zog er im Oktober 1946 nach New York um.
Während seiner dort verbrachten Zeit trat er als Unterhalter in Nachtclubs auf und ging als Interpret eigener, in englischer Sprache verfasster Lieder auf Tournee durch die USA. Drei dort 1947 aufgenommene Schallplatten sind nicht erschienen, weil die Verantwortlichen der Produktionsfirma die teils morbiden oder makabren Lieder für „unamerikanisch“ hielten. Für Titel wie Please Shoot Your Husband oder My psychoanalyst is an idiot war die Zeit noch nicht reif. Der mangelnde Erfolg einer vielfach geäußerten Kulturkritik zog sich von da an durch Kreislers gesamte künstlerische Laufbahn. Er selbst sah das als typische Ignoranz der Zeitgenossen gegenüber dem Satiriker. Erst im Jahr 2005 kamen die verloren geglaubten Aufnahmen von 1947 als Beilage zu seiner Biografie in Form einer CD heraus. 1950 bekam er ein Angebot, in der New Yorker Monkey Bar zu singen, und trat dort allabendlich auf.
Im Jahr 1955 hoffte er auf mehr Erfolg in Europa, ging zurück nach Wien und traf dort unter anderem mit Hans Weigel, Gerhard Bronner, Peter Wehle und Helmut Qualtinger zusammen. In der Marietta-Bar in der Wiener Innenstadt trat er erstmals mit deutschsprachigen Chansons auf und wurde zeitweise Mitglied des „Namenlosen Ensembles“ um Bronner, Wehle und Qualtinger. Er musste allerdings die Erfahrung machen, dass das Publikum von Liedern wie Tauben vergiften keineswegs nur begeistert war. Eine Zeitlang durften seine Lieder im Österreichischen Rundfunk nicht gesendet werden.
1958 zog er nach München, wo er, frisch verheiratet, mit seiner dritten Ehefrau Topsy Küppers Chansonabende gab. 1972 spielte er mit dem Gedanken, nach Israel auszuwandern, fuhr hin und kam nach wenigen Monaten wieder zurück. 1975 trennten sich Kreisler und Topsy Küppers. 1976 ging er nach Berlin. Ab 1977 trat er mit seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau Barbara Peters auf, hauptsächlich bei den Wühlmäusen und den Stachelschweinen. 1988 zog er von Berlin nach Hof bei Salzburg, lebte von 1992 bis 2007 in Basel und von Mai 2007 an wieder in Salzburg. Kreisler hatte einen Sohn von Philine Hollaender und von Topsy Küppers einen weiteren Sohn und eine Tochter, Sandra, die als Chansonsängerin und Sprecherin tätig ist. Er war weitläufig verwandt mit dem Violinvirtuosen und Komponisten Fritz Kreisler.
Seit 2001 trat Georg Kreisler nicht mehr mit seinen Liedern auf. Stattdessen schrieb er Romane, Kurzgeschichten und Essays, komponierte und engagierte sich für eine eigenständige Schweiz und gegen einen EU- bzw. EWR-Beitritt (siehe dazu auch sein Lied Der Euro). In einem offenen Brief an die Repräsentanten des Staates Österreich verbat er sich vor seinem 75. Geburtstag Gratulationen, „weil sich die Republik Österreich in den über vierzig Jahren, seit ich nach Europa zurückgekehrt bin, noch nie um mich geschert hat.“
Seine Tochter Sandra Kreisler wies darauf hin, es sei „in den letzten 60 Jahren noch nicht einmal jemand auf die Idee gekommen, dem Emigranten Kreisler ehrenhalber seine österreichische Staatsbürgerschaft zurückzugeben“. Kreisler selbst sah sich nicht mehr als Österreicher und warf dem Staat vor, die Staatsbürgerschaft nur jenen wieder verliehen zu haben, die sich nach dem Anschluss arrangiert hätten: „Aber auf keinen Fall bin ich Österreicher, denn im Jahre 1945, nach Kriegsende, wurden die Österreicher, die 1938 Deutsche geworden waren, automatisch wieder Österreicher, aber diesmal nur diejenigen, die die Nazizeit mitgemacht hatten. Wer unter Lebensgefahr ins Ausland geflüchtet wurde, also auch ich, bekam seine österreichische Staatsbürgerschaft nicht mehr zurück.“
Im Jahr 2007 übernahm die Berliner Akademie der Künste Kreislers Vorlass. 2009 erschien seine Autobiographie Letzte Lieder.
Im November 2011 starb Georg Kreisler im Alter von 89 Jahren in Salzburg, nach Angaben seiner Ehefrau Barbara an den Folgen „einer schweren Infektion“. Er wurde am 1. Dezember 2011 auf dem Friedhof Salzburg Aigen beigesetzt; eine Trauerrede hielt Eva Menasse.
Kreisler war ein virtuoser Meister der Sprache, Mimik und Gestik. Er schlüpfte in dutzende verschiedene Sprachmasken, als verführerischer Frauenmörder (Bidla Buh, Machs dir bequem, Lotte) oder als gewalttätiger Unternehmer mit rechter Gesinnung (Kapitalistenlied), er konnte „jüdeln“ in jiddisch gefärbtem Deutsch (Lieder eines jüdischen Gesellen), böhmakeln wie ein tschechischer Wiener Hausmeister (Telefonbuch-Polka, Der Bluntschli) und im sentimentalen Wienerisch das schmalzige Wienerlied makaber parodieren (Am Totenbett, Der guade alte Franz). Er hat sich als Nestbeschmutzer mit schwyzerdütschem Tonfall in der Schweiz unbeliebt gemacht (Der Ausländer) und imitierte parodierend pathetische Schnulzensänger (Mütterlein) und Seemannslieder (Der Paule).
Stilistisch stand Kreisler in der Tradition des singenden Klavierhumoristen, der sich zu eigenkomponierten Liedern selbst begleitet; diese Kunstform wurde bereits Mitte der 1920er Jahre im deutschsprachigen Raum durch Künstler wie Willy Rosen, Austin Egen oder Hermann Leopoldi etabliert.
Seine Lieder, manchmal surrealistisch und der absurden Lyrik zuzurechnen (Zwei alte Tanten tanzen Tango, Frühlingsmärchen, Bessarabien), sind von hintergründigem, oftmals schwarzem Humor geprägt und üben oft, mit den Jahren immer stärker, beißende Kritik an Gesellschaft und Politik.
Viele seiner Lieder sind Klassiker geworden wie Taubenvergiften im Park, Als der Zirkus in Flammen stand, Zwei alte Tanten tanzen Tango, Der Musikkritiker, Der General, Kapitalistenlied, Meine Freiheit, Deine Freiheit, Wir sind alle Terroristen sowie das „Ein-Frau-Musical“ Heute Abend – Lola Blau.
Georg Kreisler war bekennender Anarchist, was auch in einigen seiner Lieder zum Ausdruck kommt, beispielsweise in Kapitalistenlied, Meine Freiheit, Deine Freiheit, Sie sind so mies, Ihr wißt gar nichts, Wir sind alle Terroristen oder Wenn alle das täten. (Quelle: wikipedia)
Und ja, man muss diese so ganz spezielle Variante das bitterbösen, schwarzen Humors schon mögen … und ich mag sie !
Hier präsentiere ich ein Album, das ursprünglich 1964 erschien und dann bei der Wiederveröffentlichung dann noch um einige „bonus-tracks“ aus dem Jahre 1971 ergänzt wurden … Wir hören also überwiegend den frühen Kreisler …
Nicht verschwiegen werden soll nicht, dass er in seinem Leben auch ziemlich viel Scherereien hatte (Plagiatsvorwürfe, Streitereien mit diversen ehemaligen Weggefährten usw.) … Vermutlich war er keine so einfache Persönlichkeit, aber das ist vielleicht angesichts seiner Biographie auch kein Wunder …
LP Front+BackCover der Originalausgabe (1964)
Besetzung:
Georg Kreisler (vocals, piano)
Titel:
01. Max auf der Rax 4.54
02. Das Mädchen mit den drei blauen Augen 2.42
03. Wenn du mich liebst 4.31
04. Wien Ohne Wiener 4.45
05. Die Wanderniere 3.22
06. Unheilbar gesund 7.05
07. Lied für Kärtner Männerchor 5.48
08. Ich hab ka Lust 3.25
09. Mütterlein 5.39
10. Opernboogie 6.17
11. Alpenglühn 5.13
+
12. Die Hexe 2.27
17. Mein Sekretär 2.43
18. Telephonbuchpolka 4.19
19. Der Liebesbrief 2.52
Musik und Texte: Georg Kreisler
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