Schola Cantorum Stuttgart & Bläser-Ensemble des Südwestfunk-Orchesters – Messe für gemischten Chor A Cappella + Apparebit Repentina Dies- Für Gemischten Chor und Blechinstrumente (Paul Hindemith) (1963)

FrontCover1Eine bewegende und beeindruckene Biographie:

Paul Hindemith (* 16. November 1895 in Hanau; † 28. Dezember 1963 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Komponist der Moderne (Neue Musik). In seiner frühen Schaffensperiode schockierte er das klassische Konzertpublikum mit provozierend neuartigen Klängen (schroffen Rhythmen, grellen Dissonanzen, Einbezug von Jazz-Elementen), was ihm den Ruf eines „Bürgerschrecks“ einbrachte. Während der Zeit des Nationalsozialismus kam es zu einem Aufführungsverbot seiner Werke, auf das er schließlich mit Emigration reagierte, zunächst in die Schweiz, dann in die USA. Unterdessen entwickelte sich seine Kompositionsweise hin zu einem neoklassizistisch geprägten Stil, der sich auf neue Weise mit klassischen Formen wie Sinfonie, Sonate und Fuge auseinandersetzte. Dabei distanzierte er sich vom romantischen Künstlerbild des allein durch Inspiration beflügelten Genies und betonte die Bedeutung der Beherrschung von kompositorischer Technik als unabdingbarer Voraussetzung für den Komponisten. Die Betonung des Handwerklichen spiegelt sich auch in seinen theoretischen Schriften, insbesondere der Unterweisung im Tonsatz. Sein theoretisches System kann kurz als freie Tonalität beschrieben werden, die sich sowohl von der traditionellen Dur-Moll-Tonalität als auch von der zwölftönigen Atonalität Schönbergs abgrenzt. Er plädierte für „Gebrauchsmusik“ und sah es als Pflicht des Komponisten an, sich sozialen Herausforderungen zu stellen und nicht zum reinen Selbstzweck zu komponieren.

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Hindemith verkörpert in besonderem Maße den Typ eines in Theorie und Praxis gleichermaßen versierten Universalmusikers. So verfügte er zum Beispiel über reiche Erfahrungen als Orchester- (Geige und Bratsche) und Kammermusiker (als Bratschist im Amar-Quartett). Als Dirigent profitierte er von seiner weitgehend professionellen Beherrschung aller gängigen Orchesterinstrumente.

Als Sohn des Anstreichers Rudolf Hindemith und dessen Frau Sophie (geb. Warnecke) entstammte Hindemith einer Arbeiterfamilie. Seine frühe Kindheit verbrachte er in Rodenbach bei Hanau. Vom dritten bis zum sechsten Lebensjahr lebte Paul Hindemith bei seinen Großeltern Hindemith in Naumburg am Queis in Schlesien. Im Jahr 1900 zog die Familie nach Mühlheim am Main, wo Paul seine Grundschulzeit absolvierte und seinen ersten Geigenunterricht erhielt. 1905 zog er mit seiner Familie nach Frankfurt am Main; dort beendete er im Alter von vierzehn Jahren die Volksschule.

Die familiären Wurzeln liegen in Schlesien. Er entstammt einer alteingesessenen schlesischen Familie von Kaufleuten und Handwerkern aus den Kreisen Jauer und Lauban. Sein Vater Rudolf wurde 1870 im schlesischen Naumburg am Queis geboren. Er verließ als junger Mann seine Heimat und siedelte sich um 1890 in Hanau an, wo er als Anstreicher arbeitete. Der Vater ließ seine drei Kinder, den 1895 geborenen Paul, die 1898 geborene Schwester Antonie (Toni) und den 1900 geborenen Bruder Rudolf, seit frühester Kindheit musikalisch unterrichten und sie unter dem Namen „Frankfurter Kindertrio“ auftreten. Er gab ihnen die Ausbildung, die ihm selbst trotz musikalischer Veranlagung verwehrt geblieben war. Der Sohn Rudolf Hindemith, der sehr früh als Cellist Anerkennung fand, ergriff später ebenfalls den Beruf des Dirigenten und Komponisten, stand aber im Schatten seines berühmten Bruders Paul. Der Vater meldete sich, trotz seines fortgeschrittenen Lebensalters von 44 Jahren, 1914 zu Beginn des Ersten Weltkrieges als Kriegsfreiwilliger. Er fiel im September 1915 in der Herbstschlacht in der Champagne bei Souain-Perthes als Infanterist im Nahkampf.

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Als Kinder waren die beiden hochmusikalischen Brüder Paul und Rudolf (1900–1974) das Aushängeschild der Familie; in ihrer Jugend begannen sie, im Amar-Quartett, einer der führenden Gruppen in der Neue-Musik-Szene der 1920er Jahre, professionell zusammen zu musizieren. Der jüngere Rudolf (Cello) stieg bald aus, weil er sich oft hinter Paul zurückgesetzt sah, wechselte ins Genre von Blasmusik und Jazz und blieb im Gegensatz zu Paul als Dirigent in Deutschland.

Paul lernte ab dem neunten Lebensjahr Violine. Nach einer Empfehlung seiner Violinlehrerin Anna Hegner besuchte er ab 1909 das Hoch’sche Konservatorium und studierte in der Violinklasse von Adolf Rebner. Ab 1912 erhielt er Kompositionsunterricht bei Arnold Mendelssohn und Bernhard Sekles, bei dem auch Theodor W. Adorno studierte. Während der Sommerferien 1913 und 1914 spielte er in Kurkapellen in der Schweiz; am Frankfurter Neuen Theater wurde er 1913 als Konzertmeister engagiert.

Von 1915 bis 1923 hatte er die Stelle des Konzertmeisters an der Frankfurter Oper inne. Hindemith wurde im Ersten Weltkrieg am 16. Januar 1918 als Militärmusiker eines Infanterie-Regiments ins Elsass verlegt. Ab April war seine Einheit in Nordfrankreich und Belgien stationiert, wo Hindemith die Gräuel des Krieges erlebte. Am 5. Dezember 1918 wurde er aus dem Militärdienst entlassen.

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Nach der erfolgreichen Premiere seiner Einakter Mörder, Hoffnung der Frauen op. 12 und Das Nusch-Nuschi op. 20 in Stuttgart unter der Leitung von Fritz Busch im Juni 1921 avancierte Hindemith wenige Wochen später bei den ersten Donaueschinger Musiktagen mit der Uraufführung seines 3. Streichquartett Opus 16 zu einem der erfolgreichsten Komponisten seiner Generation. Das eigens dafür gegründete Amar-Quartett, in dem Hindemith bis 1929 die Bratsche spielte, gehörte zu den prominentesten Ensembles für zeitgenössische Musik. Die Donaueschinger Kammermusiktage (mit Folgeveranstaltungen in Baden-Baden 1927–1929 und Berlin 1930) leitete er in den Jahren 1923 bis 1930 zusammen mit Heinrich Burkard und Joseph Haas künstlerisch und machte sie zu einem der wichtigsten Foren neuer Musik. Bei den Festivals der International Society for Contemporary Music (ISCM World Music Days) gehört Hindemith zu den am meisten aufgeführten Komponisten. Nacheinander wurden an den ISCM-Festivals folgende Werke von ihm aufgeführt: 1923 in Salzburg Klarinettenquintett op.30 (Uraufführung), 1924 in Salzburg das Streichtrio op. 34 (Uraufführung), 1925 in Venedig die Kammermusik Nr. 2 op. 36/1, 1926 in Zürich das Konzert für Orchester op. 38, 1928 in Siena die Suite für Klavier op. 37, 1934 in Florenz das Heckelphontrio op. 47, 1938 in London Auszüge aus Mathis der Maler, 1942 in San Francisco die Symphonie in Es, 1946 in London das Streichquartett in Es, 1957 in Zürich die Kammermusik Nr. 1 op. 24/1 und 1964 in Kopenhagen die Konzertmusik op. 41. Außerdem trat Hindemith bei den ISCM World Music Days 1922-24 mit dem Amar-Quartett auch als Kammermusiker auf.

Amar Quartett v. l. n. r.: Maurits Frank, Licco Amar, Walter Caspar und Paul Hindemith, 1922:
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1923 erfüllte Hindemith den Wunsch des Pianisten Paul Wittgenstein nach einem Klavierkonzert für die linke Hand. Der Pianist führte das Werk jedoch nicht auf. Erst über 80 Jahre später folgte 2004 nach der überraschenden Entdeckung der Partitur 2002 die Uraufführung bei den Berliner Philharmonikern.

Zu den frühen Förderinnen Hindemiths gehörte Emma Lübbecke-Job, die Ehefrau des Frankfurter Kunsthistorikers Fried Lübbecke, die schon 1918 mit dem Rebner-Quartett (s. o.) sein Quintett e-Moll (Opus 7) aufgeführt hatte und bis 1930 eine Reihe von Werken Hindemiths uraufführte; ihr widmete er 1924 seine Kammermusik Nr. 2 op. 36 Nr. 1.

Im selben Jahr heiratete er Gertrud Rottenberg, Tochter des Kapellmeisters des Frankfurter Opernorchesters Ludwig Rottenberg und Enkelin des ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeisters Franz Adickes.

Durch seinen Freund und Schwager, den Rundfunkpionier und damaligen Leiter des Frankfurter Senders, Hans Flesch, kam Hindemith ab 1924 mit dem neuen Medium in Berührung. In der Folge entstanden Werke für den Rundfunk, etwa die Anekdoten für Radio (Drei Stücke für fünf Instrumente) (1925). 1929 entstand für die Baden-Badener Musiktage das Hörspiel Der Lindberghflug, eine Gemeinschaftsproduktion mit Kurt Weill und Bertolt Brecht. Die Berliner Hochschule für Musik berief Hindemith 1927 zum Professor für Komposition. Ab 1929 lehrte Hindemith überdies an der 1927 gegründeten Volksmusikschule Neukölln.

Paul Hindemith (rechts) 1933 beim Musizieren (mit Viola) in Wien:
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Zum Freundeskreis des Komponisten gehörten die Frankfurter Maler Reinhold Ewald (1890–1974) und Rudolf Heinisch (1896–1956). Ewald, der in Hindemiths Kindertagen in seiner Nachbarschaft wohnte, gestaltete Titelblätter für Partituren (zum Beispiel Sancta Susanna). Mit Heinisch blieb Hindemith bis zu dessen Tod eng befreundet. Dieser war auch sein Trauzeuge, zeichnete dessen Amar-Quartett und malte Paul Hindemith in der Zeit von 1924 bis 1956 etwa fünfzehnmal. Sein bekanntestes Bild von Hindemith, seit 1929 im Städelschen Museum in Frankfurt, hing 1938 in der Nazi-Ausstellung „Entartete Kunst“ in der Kategorie „Technisch gekonnt, Gesinnung verjudet“ und wurde anschließend als „unbrauchbar“ zerstört.

Hindemiths zeigte vorübergehend auch Interesse für die neuen, sich in ersten Entwicklungsstufen befindlichen elektrischen Instrumente. Erstmals 1926 in Donaueschingen mit Jörg Mager konfrontiert, interessierte er sich für die Möglichkeiten mechanischer Instrumente der Firma M. Welte & Söhne. Während seiner Jahre als Hochschullehrer in Berlin begleitete er die Entwicklung des Trautoniums und regte seine Erstpräsentation 1930 in Berlin an.
Konfrontation mit dem „Dritten Reich“

Aus der Ausstellung „Entartete Kunst“, Mai 1938:
Entartete Kunst

Adolf Hitler hatte sich schon 1929 über das fünfte Bild der Oper Neues vom Tage beschwert, da dort eine „unbekleidete“ Dame in der Badewanne sitzend singt. Von der NSDAP wurde seine Arbeit mehr und mehr behindert. NS-Anhänger bezweifelten nicht das musikalische Können von Hindemith als „großem Mann seiner Zeit“, agitierten aber gegen seine „untragbare Gesinnung“. Nur kurze Zeit nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler wurden Teile seiner Werke unter dem Verdikt des „Kulturbolschewismus“ oder als „entartete Kunst“ aus den Programmen entfernt. 1934 erhielten seine Werke ein Sendeverbot im deutschen Rundfunk. Wilhelm Furtwängler machte am 25. November 1934 mit seinem Artikel Der Fall Hindemith in der Deutschen Allgemeinen Zeitung publizistisch wirkungsvoll auf die Situation Hindemiths aufmerksam: Niemand von der jüngeren Generation habe für das Ansehen der deutschen Musik im Ausland so viel getan wie Hindemith. Man könne es sich nicht leisten, auf ihn zu verzichten. Hermann Göring und Joseph Goebbels reagierten verärgert: Reichspropagandaminister Joseph Goebbels verunglimpfte Hindemith als „atonalen Geräuschemacher“, der Komponist wurde von seiner Berliner Hochschulprofessur beurlaubt und Furtwängler musste von allen Ämtern zurücktreten.

Zum Zeichen seiner Solidarität mit den Verfolgten des Regimes spielte Hindemith an Heiligabend 1933 und Neujahr 1934 im Berliner Untersuchungsgefängnis Moabit, wo zu jener Zeit unter anderem sein Schwager Hans Flesch einsaß, auf der Bratsche Stücke von Bach. Im badischen Lenzkirch arbeitete er Anfang 1935 an seiner Oper Mathis der Maler.

Paul Hindemith dirigiert (1950) Gemälde von Rudolf Heinisch:
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Ab 1936 war die Aufführung seiner Werke in Deutschland verboten, was ihn dazu zwang, seine musikalischen Aktivitäten als Bratscher zunehmend ins europäische Ausland zu verlagern. Seine Professur an der Berliner Hochschule kündigte er im März 1937 unmittelbar vor dem Aufbruch zu seiner ersten USA-Tournee. 1938 wurde er in der Düsseldorfer Ausstellung „Entartete Musik“ verunglimpft. Dort wurde auch ausdrücklich auf die jüdische Abstammung seiner Ehefrau Gertrud verwiesen.

Zwischen 1935 und 1937 hielt sich Hindemith im Auftrag der türkischen Regierung jeweils für mehrere Wochen in der Türkei auf, um die Musiker- und Musiklehrerausbildung am Konservatorium von Ankara nach westlichem Vorbild zu reformieren. 1938 gingen Hindemith und seine Frau ins Exil, zunächst in die Schweiz. Nach dem Beginn des II. Weltkrieges reiste Hindemith Anfang 1940 zunächst für Vortragsreisen in die USA, wo er ein Angebot der Universität Yale in New Haven (Connecticut) für eine Professur für Musiktheorie annahm. Seine Frau Gertrud folgte ihm im Sommer 1940. 1940 wurde Hindemith in die American Academy of Arts and Sciences und 1947 in die American Academy of Arts and Letters gewählt.[13] 1946 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Paul Hindemith während seines Exils in den USA, 1945:
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Seit Ende der 1940er Jahre machte Hindemith Karriere als Dirigent und erarbeitete sich ein breites Repertoire vom Frühbarock bis hin zu zeitgenössischen Werken. Weltweite Tourneen ließen ihn in etlichen musikalischen Zentren auftreten, etwa bei den Wiener und Berliner Philharmonikern, beim Chicago Symphony Orchestra oder New York Philharmonic Orchestra. 1954 leitete er im Wiener Konzerthaus das inoffizielle Debüt des Concentus Musicus Wien mit Monteverdis Orfeo.

Abwechselnd mit Yale lehrte Hindemith ab 1951 auch an der Universität Zürich, wo ein Lehrstuhl für Musikwissenschaft für ihn eingerichtet wurde. 1953 verließ er die USA und ließ sich in der Schweiz nieder. Er lebte in seiner Villa La Chance in Blonay bei Vevey am Genfersee.

Paul Hindemith mit Bratsche (1956), Gemälde von Rudolf Heinisch:
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Nach dem Ende seiner Lehrtätigkeit in Zürich 1957 wirkte Hindemith weiter als Dirigent und Komponist. Sein Spätwerk umfasst bedeutende Werke wie die Opern Die Harmonie der Welt (1956/57) und Das lange Weihnachtsmahl/The long Christmas Dinner (1961), die Pittsburgh Symphony (1958), das Oktett (1958), das Concerto for Organ (1962) und die Messe für gemischten Chor a cappella (1963). Nach der Uraufführung dieser seiner letzten Komposition am 12. November 1963 in Wien kehrte Hindemith zunächst nach Blonay zurück. An seinem Geburtstag erkrankte er schwer und ließ sich auf eigenen Wunsch in das Marienhospital in Frankfurt am Main einweisen. Dort starb er am 28. Dezember an einer Bauchspeicheldrüsenentzündung.

Briefmarke zum 100. Geburtstag 1995:
Briefmarke

1950 nahm Hindemith die Ehrendoktorwürde der Freien Universität Berlin an, außerdem wurde er Ehrenmitglied der Wiener Konzerthausgesellschaft. 1950 Ehrenmitglied der International Society for Contemporary Music ISCM.[14] 1951 erhielt er den Bach-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg. 1955 wurde er mit der Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Main geehrt und mit dem Wihuri-Sibelius-Preis ausgezeichnet. 1962 bekam er den Balzan-Preis für Musik und wurde in die American Philosophical Society aufgenommen. (wikipedia)

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Hindemith brachte der menschlichen Stimme und insbesondere dem Chorgesang stets höchste Wertschätzung entgegen. Bereits in den 1920er Jahren befasste er sich in einem Aufsatz mit der Frage, wie „der ideale Chorsatz der Gegenwart oder besser der nächsten Zukunft beschaffen sein“ solle, und stellte in diesem Zusammenhang die Forderung nach Kompositionen „sozusagen nach Maߓ auf, die auf Bedürfnisse und technische Möglichkeiten der aufführenden Zielgruppe jeweils Rücksicht zu nehmen hätten. In späteren Jahren äußerte er die Überzeugung, dass es „keine edlere und menschlichere Art des Musizierens gibt als den gemeinsamen A-cappella-Gesang“. In der Vielfältigkeit und dem Facettenreichtum seiner schöpferischen Auseinandersetzung mit dem Chorgesang, die sich über vier Jahrzehnte erstreckte, findet sowohl seine Forderung nach „maßgeschneiderten“ Werken ihren Widerhall wie auch jene Flexibilität und Wandlungsfähigkeit, die Hindemith an der menschlichen Stimme so schätzte.

Das 1947 entstandene viersätzige Werk „Apparebit Repentina Dies für Gemischten Chor und Blechinstrumente“ basiert auf einer anonymen mittelalterlichen Dichtung, die Elemente der Apokalypse aufgreift und inhaltliche Ähnlichkeiten mit der später enstandenen Sequenz „Dies irae“ besitzt. Der strahlend ausgeleuchtete Blechbläserklang von Mitgliedern des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR präsentiert sich hier in Bestform: kraftvoll etwa in der Fanfare, mit der der erste Satz eröffnet wird, hartnäckig in den präzisen Einwürfen in das Chor-Rezitativ des zweiten Satzes. In den polyfonen Passagen sind Bläser und Chor dynamisch vorzüglich aufeinander abgestimmt.

Noten

Die satztechnisch schlichten Six Chansons nach französischen Gedichten von Rainer Maria Rilke – komponiert 1939 für einen Laienchor in der Schweiz – erheben die Sänger durch ihre harmonische Präzision und die filigrane Dynamik zu kostbaren kleinen Preziosen. Subtil und liebevoll sind auch die unterschiedlichen Charaktere der Lieder nach alten Texten op. 33 herausgearbeitet.
Zu den anspruchsvollsten Werken in Hindemiths Schaffen überhaupt zählt die Messe für gemischten Chor a cappella, die er noch wenige Wochen vor seinem Tod im Dezember 1963 vollendete und mit dem Wiener Kammerchor uraufführen konnte. (Susanne Schaal-Gotthardt)

Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel“ war damals skeptisch:

Während die altmeisterliche Größe der Messe (für gemischten Chor a cappella) kaum Liebe, aber immerhin Respekt erweckt, verursachen die plakathaften Klischees des früheren Werkes – einer Vision vom Jüngsten Gericht (für Chor und Blechinstrumente) – schieres Unbehagen. Der Kontor und Musikwissenschaftler Clytus Gottwald und seine fabelhaft sicher intonierende Stuttgarter Schola Cantorum lassen die Brüche und Risse gleichwohl interessant erscheinen.(Der Spiegel, 26/1966 vom 19,06,1966)

Ich schrieb ja vorhin: Eine bewegende und beeindruckene Biographie … diese Aissae läßt sich leicht umwandeln:

Eine bewegende und beeindruckene Musik, die uns hier geboten wird … das setzt freilich einen unvoreigenommenen Hörer voraus.

Aufgenommen im Südwest-Tonstudio Stuttgart

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Besetzung:
Schola Cantorum Stuttgart (Chor)
Bläser-Ensemble des Südwestfunk-Orchesters, Baden-Baden unter der Leitung von Clytus Gottwald

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Titel:
01. Messe für Gemischten Chor A Capella (1963) 25.45
02. Apparebit Repentina Dies für Gemischten Chor und Blechinstrumente (1947) 21.18

Musik: Paul Hindemith

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Clytus Gottwald (* 25. November 1925 in Ober Salzbrunn, Provinz Niederschlesien; † 18. Januar 2023 in Ditzingen-Hirschlanden) war ein deutscher Komponist, Chorleiter und Musikwissenschaftler.

Clytus Gottwald wurde 1925 im niederschlesischen Ober Salzbrunn (später Bad Salzbrunn) geboren. Der Vater Norbert Gottwald war Rektor einer Schule, die 1933 von den Nationalsozialisten geschlossen wurde. Die Mutter, Bertha Gottwald, geb. Metze, entstammte einer Familie von Oder-Schiffern. Gottwald besuchte ab 1936 das Gymnasium in Striegau/Schlesien und wechselte 1940 an das neu gegründete Musische Gymnasium in Frankfurt am Main. Dort waren seine Lehrer Kurt Thomas (Chorleitung, Tonsatz), Wilhelm Isselmann (Violine) und Wilhelm Dürr (Gesang). 1944 wurde er zum Militär eingezogen, geriet aber schon im September dieses Jahres bei der Invasion in amerikanische Gefangenschaft, die er vorwiegend in den USA verbrachte und aus der er 1946 zurückkehrte.

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Noch im Jahr seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft trat Gottwald dem Chor von Radio Stuttgart, dem späteren Süddeutschen Rundfunk (SDR), bei. Er studierte Gesang bei Gerhard Hüsch in München. 1949 schrieb er sich an der Universität Tübingen ein, musste aber aus wirtschaftlichen Gründen das Studium nach einem Semester wieder aufgeben. 1954–1958 war er Assistent des französischen Chorleiters Marcel Couraud. 1954 nahm er das Universitätsstudium wechselweise in Tübingen und Frankfurt am Main wieder auf. Sein Hauptfach war Musikwissenschaft (Walter Gerstenberg, Friedrich Gennrich, Helmuth Osthoff). In den Nebenfächern studierte er Evangelische Theologie (Steck) und Soziologie (v. Wiese und Kaiserswaldau, Theodor W. Adorno). 1961 schloss er seine Studien mit der Promotion in Frankfurt am Main ab.

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Von 1958 bis 1970 war er Kantor an der evangelischen Pauluskirche in Stuttgart, 1960 bis 2004 Mitarbeiter der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit Hauptforschungsgebiet Musikpaläographie.

1960 gründete Gottwald die Schola Cantorum Stuttgart, zunächst mit dem Ziel der Aufführungen von Musik, über die er promoviert hatte, dann ab 1964 für Aufführung von Werken der Neuen Musik. Das Ensemble gastierte auf allen Festivals für Neue Musik von Edinburgh bis Jerusalem, von New York bis Moskau. Gottwald brachte es im Laufe seiner internationalen Karriere auf ca. achtzig Ur- und Erstaufführungen, unter anderem mit Werken von Pierre Boulez, Mauricio Kagel, György Ligeti, Krzysztof Penderecki, Helmut Lachenmann, Dieter Schnebel, Heinz Holliger, Brian Ferneyhough, Péter Eötvös, Hans Zender und John Cage. 1970–1974 berief Boulez Gottwald in die Planungskommission seines Pariser IRCAM.

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Er war als Gastdirigent europäischer Radiochöre, u. a. in Stockholm (Eric Ericson), Helsinki, Kopenhagen, Paris (Groupe vocal de France) und Radio della Svizzera Italiana Lugano, gefragt. 1969 wurde er leitender Redakteur für neue Musik bei SDR in Stuttgart (bis 1988). 1990 beendete die Schola Cantorum ihre Karriere mit einer Russland-Tournee.

Gottwald wandte sich danach einem neuen Tätigkeitsfeld zu, der Herstellung von Transkriptionen für Chor von Werken der Komponisten Alban Berg, Claude Debussy, Edvard Grieg, György Ligeti, Franz Liszt, Gustav Mahler, Maurice Ravel, Franz Schreker, Richard Strauss, Richard Wagner, Hugo Wolf u. a.

Gottwalds Hauptverleger sind der Carus-Verlag und die Universal Edition. Sein musikalischer Nachlass befindet sich in der Paul-Sacher-Stiftung Basel.

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