George Bernhard Shaw + Stella Patrick Campbell – Geliebter Lügner (Jerome Kilty) (Hörbuch) (1963)

FrontCover1Irgendwie eine ganz schön schräge Angelegenheit:

George Bernard Shaw und die Schauspielerin Stella Patrick Campbell schrieben über vierzig Jahre Briefe aneinander. Sie formten ihre Gefühle mit Worten, begeisterten und verfluchten einander und vergaßen niemals, dass diese Briefe eines Tages an die Öffentlichkeit gelangen würden.

Zugegebnermaßen – ganz taufrisch ist das Stück „Geliebter Lügner“ von Jerome Kilty, der 1922 geboren wurde, nicht mehr. Seit mehr als fünf Jahrzehnten wird es die Bühnenwelt hinauf- und heruntergespielt, verliert jedoch nie an seiner Wortgewalt, seinem Witz und seiner Tragik. Dass liegt nicht nur daran, dass Kilty es versteht die Briefe von dem großen irischen Dramtiker George Bernard Shaw  und der Ende des 19.Jahrhundert als große Schauspielerin gefeierten Stella Patrick Campbell  klug auszuwählen und ihnen erklärende oder bonmonthaltige Dialoge beizufügen, sondern auch daran, dass Shaw und Campbells Briefe Meisterwerke sind. Ist Shaw oft der von seinem eigenen Ruhm besessene und zutiefst eitle Grantler mit Witz, schreibt Campbell oft das Innerste ihrer Künstlerseele an ihren Brieffreund.

Shaw steigt zu Weltruhm auf, erhält im Jahr 1925 den Literaturnobelpreis und 1939, ein Jahr vor Stella Patrick Campbells Tod in Frankreich, einen Oscar für das beste adaptierte Drehbuch, während Campbell, einst gefeierte Schauspielerin und Broadway-Star unter ihrem Alter leidet und immer weniger von ihrem einstigen Ruhm leben kann. Oft wird sie krank und stirbt mehr oder weniger mittellos.

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Das Liebespaar

Shaws und Campbells Briefe machen diese Entwicklung nur unterschwellig deutlich. So klar und gewitzt, so harsch und bestechend die Schriftstücke formuliert sind, ist es für den Zuschauer ein Akt der geistigen Mitarbeit nachzuvollziehen in welchen Lebenssituationen sich die beiden Schöpfer dieser Briefe zum jeweiligen Zeitpunkt befanden. Kilty löst das in seinem Stück mit Jahreszahlen, die immer wieder beiläufig vorgetragen werden.

War Stella Patrick Campell für den älteren George Bernard Shaw am Anfang ein Vorbild und eine Muse (sie inspirierte ihn zu seinem weltweit bekannten Stück „Pygmalion“ und war in einem post-viktorianisch verklemmten Großbritannien sein Objekt der Begierde), so wird Shaw über die Jahre immer mehr zu Campbells Vorbild. Sein Erfolg und seine Lebensfreude, seine Gedanken und sein Talent zum Schreiben begeistern sie. „Geliebter Lügner“ und „Clown“ nennt sie ihn in ihren Briefen, schwärmt und giftet ihn an, verflucht ihn, um ihn gleichzeitig wieder sehnsüchtig herbeizurufen.
In Kiltys Stück wird der Zuschauer Teil einer komplizierten und herzzereißenden Liebesgeschichte. Es sind Briefe wie sie nur die Leidenschaft und Getriebenheit zweier Künstlerseelen schreiben können. So sehr nehmen einen die Gedanken der beiden mit. (Tobias Lentzler )

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Und es gibt etliche, weitere Quellen, die sich ebenfalls euphorisch über diesen Briefwechsel äußern …

Zusammengestellt haben diese Brief übrigens ein Jerome Kilty

Jerome Kilty (* 24. Juni 1922 in Baltimore, Maryland; † 6. September 2012 in Norwalk,

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Jerome Kilty

Connecticut) war ein amerikanischer Schauspieler und Autor, der besonders durch seine Dramatisierungen von Briefwechseln bekannt wurde. Sein bekanntestes Werk war Dear Liar, die Adaptierung der 40-jährigen Korrespondenz zwischen George Bernard Shaw und Mrs. Patrick Campbell, einer Londoner Schauspielerin.

So ganz kann ich mich dieser Euphorie allerdings nicht anschließen … Interessant ist jedoch, mit welchen Worten und Satzstellungen man in jenen Jahrzehnten hantierte, wenn man zur Gattung der selbstverliebten und egozentrischen Künstlern gehörte. Er war ein rechter Griesgram, sie ne eingebildete Ziege … würd´ ich mal sagen.

Wir hören ein „wunderbar“ höfliches Hin und Her, mit Andeutungen, Träumen, Problemen, glühenden Liebesschwüren, Verdächtigungen, Gerüchten, Bosheiten und Spitzfindigkeiten.

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Die Buchausgabe

Hier die erste deutsche Hörspielfassung (später gab´s dann auch noch eine Version mit Iris Berben und Mario Adorf).

Aber zuerst gab´s die Fernsehausstrahlung:  Die ARD hatte am 10. Oktober 1963 eine Aufführung dieser Vorlage von Kilty ausgestrahlt; Protagonisten waren hierbei O. E. Hasse und Elisabeth Bergner, zwei Hochkaräter des Schauspiels der damaligen Zeit:

Otto Eduard Hasse war ein deutscher Schauspieler und Regisseur, der auf der Theaterbühne u. a. als „Mephisto“ und „Des Teufels General“ brillierte, im Kino als „Canaris“ (1954) und „Arzt von Stalingrad“ (1958) beeindruckte und als Synchronsprecher u. a. die langjährige deutsche Stimme von Humphrey Bogart war. Er wurde am 11. Juli 1903 in Obersitzko in Polen geboren und verstarb am 12. September 1978 mit 75 Jahren in Berlin. (geboren.am)

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Otto Eduard Hasse

Und dann noch die Elisabeth Bergner:

Sie war die gefeierte deutsche Bühnenschauspielerin der ersten Jahrhunderthälfte, doch ihr überdauernder Ruhm gründet sich auf die Erfolge eines einzigen Jahrzehnts. Im Jahr 1923 stand sie in Berlin hintereinander in mehreren großen Shakespeare- und Strindberg-Rollen auf der Bühne. Danach war „ganz Berlin in sie verliebt“ (Fritz Kortner). 1924 war sie schon so berühmt, daß George Bernard Shaw von London aus den Berliner Theaterkönig Max Reinhardt, der die Bergner nicht mochte, zwang, keine andere die „Heilige Johanna“ spielen zu lassen. Es wurde nach Shakespeares Rosalinde, ihr größter Triumph. Elisabeth Bergner, im galizischen Drohobytsch geboren, in Wien aufgewachsen, war ein Schönheitsidol der zwanziger Jahre knabenhaft schmal großäugig, Bubikopf, naiv und kokett mit verführerisch singender Stimme halb Elfe, halb Engel, kaum Frau. Ihr treuester Anbeter, ein junger Wiener namens Paul Czinner, der zuvor nie einen Film gedreht hatte, machte sie 1924 zum Kinostar: Er wurde ihr Vertrauter, ihr Impresario, der Regisseur der wichtigsten Bergner Filme bis Kriegsausbruch, und 1933 wurde er auch ihr Ehemann. Vom Berliner Theaterbetrieb hatte sie sich da schon abgewendet und filmte in England. Auf das Arisierungsangebot, das die Nazis ihr nach London übermittelten, um sie zurückzulocken, reagierte sie nicht.

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Elisabeth Bergner

Im London der Vorkriegsjahre ist Elisabeth Bergner bejubelt worden wie keine Ausländerin seit Sarah Bernhardt; Stücke wurden eigens für sie geschrieben, sie spielte Shaw zuliebe noch einmal die „Heilige Johanna“. Hollywood lockte, die Bergner ging nach Amerika, doch die neue Garbo wurde sie nicht. Czinner hat sie dafür zum Broadway-Star gemacht, und dort versuchte sie 1946, als Gastgeberin und Hauptdarstellerin, Brecht in Amerika zum Erfolg zu verhelfen. Das Fiasko seiner Bearbeitung der „Herzogin von Malfi“ bedeutete auch für Elisabeth Bergner den Abschied von Amerika. Ihr Wohnsitz blieb London, sie kam immer nur als kostbarer Gast, und bei ihren späten Triumphen – in O’Neill-Rollen in dem Shaw-Duett „Geliebter Lügner“ mit O.E. Hasse und dem Film „Der Pfingstausflug“ mit Martin Held (Photo) – wurde eine Legende gefeiert und geliebt. (Quelle: Der Spiegel, Mai 1986)

Interessant, dass zumindest Elisabeth Bergner auf persönliche Begegnungen mit George Bernhard Shaw zurückblicken konnte.

Und dann gibt es noch zu vermelden, dass diese Aufnahmen, Jahre später (und zwar 1966 und 1970) auf in der DDR auf dem Litera Label erschienen sind.

EternaAusgabe

Eterna Ausgabe

Besetzung:
Elisabeth Bergner (Sprecherin)
E.O. Hasse (Sprecher)

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Titel:
01. Geliebter Lügner (Teil 1) 29.11
02. Geliebter Lügner (Teil 2) 30.31

Textzusammenstellung: Jerome Kilty
Deutsche Übersetzung: Hermann Stresau

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