Günter Wollstein – Revolution von 1848 (2006 – 2010)

TitelBei meiner Vorstellung des Albums „VA – Leipziger Folk Sessions Vol. 1 – 18 aus 48 – Das Beste von der Barikade (1998)“ habe ich ja bemängelt, dass man zwar die Lieder des Revolutuinsjahre 1848/49 wunderbar interpretiert habe, dass man aber „vergessen“ hatte, den geschichtlichen Hintergrund dieser lieder zu skizzieren.

Dann will ich das hier mal nachholen. Um was ging es damals und wie lief das dann so ab:

Ausgehend von Frankreich brach 1848 eine Revolutionswelle über Europa herein und erfasste den größten Teil des europäischen Kontinents. Unruhen und Kämpfe erschütterten die politische und gesellschaftliche Ordnung in Frankreich, den deutschen und italienischen Staaten, dem gesamten österreichischen Vielvölkerstaat und den Grenzzonen des Osmanischen Reiches auf dem Balkan. In Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und in Skandinavien verstärkten sich Reformbewegungen. Zentrales Anliegen der politisch aktiven Bevölkerung in den meisten Kernräumen der Revolution war die Schaffung von Nationalstaaten. Hinzu kam die Demokratisierung der politischen Herrschaftssysteme und Neuordnung der Sozialverfassungen. Die nationalen, liberalen und sozialen Bestrebungen scheiterten mit der gewaltsamen Niederschlagung der Revolution 1849. Der Sieg der restaurativen Mächte leitete vielerorts reaktionäre Jahre ein, in denen sich moderne Ideen nur langsam Bahn brachen.

Außenpolitische Misserfolge, Wirtschaftskrise und soziale Unruhen verstärkten in den 1840er Jahren in Frankreich die Opposition gegen König Louis Philippe I. (1773-1850). Demonstrationen weiteten sich zu einer Revolution aus, in deren Folge der König abdankte und am 24. Februar 1848 die Republik proklamiert wurde. Im Deutschen Bund sprang der Funke der Revolution zuerst auf den Südwesten über. Am 27. Februar wurden auf einer Volksversammlung in Mannheim von liberaler und demokratischer Seite die „Märzforderungen“ erhoben, die innerhalb weniger Tage in fast allen deutschen Staaten zu hören waren und Unterstützung in weiten Teilen der Bevölkerung erhielten: Versammlungs-, Rede- und Pressefreiheit, allgemeine Volksbewaffnung, unabhängige Justiz, politische Gleichberechtigung aller Staatsbürger, Verfassungseid des Heeres und nicht zuletzt Einberufung einer Nationalversammlung.

Kartoffelrevolution

Sturm auf die Kartoffelstände, Lithografie von Vinzenz Katzler zur sogenannten „Kartoffelrevolution“ 1847 in Berlin

In den meisten Regionen Deutschlands kam es Ende Februar und im März 1848 zu politischen Kundgebungen oft heterogener Volksgruppen, die ganz unterschiedliche Interessen verfolgten. Unter dem Druck der Ereignisse machten die Staatsoberhäupter Zugeständnisse im liberalen Sinne und gaben konstitutionelle Versprechungen. Die Einsetzungen reformwilliger Ministerien in den deutschen Einzelstaaten sollten die revolutionären Bestrebungen eindämmen. Doch vor allem das liberale Bürgertum stritt auch für die nationale Einheit und eine freiheitliche Gesamtverfassung. Handwerker, Bauern, Arbeiter und Landarbeiter forderten demgegenüber in einer Vielzahl lokal unterschiedlicher Protestaktionen eine Lösung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Probleme. Die bäuerlichen Schichten kämpften insbesondere für Agrarreformen – waren ihre Forderungen erfüllt, erlosch zumeist ihr Interesse an weiterem revolutionärem Protest.

Karikatur1

Das Lichten eines Hochwaldes, Karikatur gegen die deutsche Kleinstaaterei und ihre Zollschranken, Wochenblatt Fliegende Blätter, 1848

Proletarisierte Handwerker in Großstädten kämpften für ein sicheres Auskommen durch Gewerbeschutz. Frustriert und radikalisiert von ihrer sozialen Situation waren Handwerksmeister und Gesellen federführend an den blutigen Barrikadenkämpfen beteiligt, die am 18. März 1848 Berlin erschütterten und rund 300 Menschenleben forderten. Vom Blutvergießen ergriffen, ging der preußische König Friedrich Wilhelm IV. auf Forderungen ein und berief ein liberales „Märzministerium“. Seine Proklamation „An mein Volk und an die Deutsche Nation“ mit den Worten „Preußen geht fortan in Deutschland auf“ schien die Verwirklichung der deutschen Einheit und die Einführung einer konstitutionellen Monarchie in Preußen zu verheißen. Um ein geeintes Staatswesen zu formen, tagte ab dem 18. Mai 1848 die erste frei gewählte deutsche Volksvertretung in der Frankfurter Paulskirche.

Die Nationalversammlung umfasste etwa 600 Abgeordnete aus allen Staaten des Deutschen Bundes. In Ermangelung von Parteien, die sich in Deutschland erst in den 1860er Jahren zu organisieren begannen, bildeten sich Fraktionen mit jeweils unterschiedlichen politischen Vorstellungen und Zielen. Auf fraktionsübergreifende Zustimmung stieß der im Dezember 1848 vom Paulskirchenparlament verabschiedete Grundrechtskatalog, der das politische Fundament des neuen Nationalstaates bilden sollte: Gleichheit vor dem Gesetz, Presse-, Meinungs-, Versammlungs- und Glaubensfreiheit, Unverletzlichkeit der Person und des Eigentums sowie der Schutz vor staatlicher Willkür sollten gewährleistet werden. Die individuelle und staatsbürgerliche Freiheit garantierenden Grundrechte wurden Bestandteil der am 27. März 1849 von der Nationalversammlung verabschiedeten „Verfassung des Deutschen Reiches“. Sie sah einen kleindeutschen Nationalstaat mit konstitutionellem System vor. Die Befürworter der „großdeutschen“ Richtung hatten zuvor die Einbindung Deutsch-Österreichs in das zu gründende Reich gefordert, die nichtdeutschen Länder der Habsburger-Monarchie sollten jedoch ausgeschlossen werden. Der österreichische Vielvölkerstaat beharrte aber auf seiner staatsrechtlichen Einheit. Auch deshalb entschieden die Anhänger einer „kleindeutschen Lösung“ den Konflikt für sich.

An der Spitze des Bundesstaates sollte ein erblicher Kaiser stehen. Am 28. März 1849 wählten die Abgeordneten mit knapper Mehrheit Friedrich Wilhelm IV. zum „Kaiser der Deutschen“. Der König von Preußen lehnte die Kaiserkrone jedoch ab, weil der ihm angetragenen Würde seinen Worten nach der „Ludergeruch der Revolution“ anhafte. Zugleich erkannten Österreich, Preußen, Bayern, Hannover, Sachsen und andere Staaten die „revolutionäre“ Reichsverfassung nicht an. Damit war der Versuch gescheitert, einen konstitutionell verfassten Nationalstaat auf parlamentarischem Weg zu gründen. Radikaldemokratische Kräfte versuchten daraufhin, die Reichsverfassung gewaltsam durchzusetzen. Vor allem in Sachsen, in der Pfalz und in Baden flammten Aufstände auf. Doch den inzwischen wieder fest installierten monarchischen Regierungen gelang es rasch, die „Reichsverfassungskampagne“ militärisch niederzuschlagen. Als am 23. Juli 1849 badische Revolutionäre in der Festung Rastatt vor preußischen Truppen kapitulieren mussten, war das Ende der Revolution in Deutschland besiegelt. (Arnulf Scriba – Deutsches Historisches Museum, Berlin, 2014)

Soweit der kurze historische Abriss … Viel ausführlicher ist natürlich die Broschüre, die ich hier gerne mal vorstellen möchte.

Das ist auch kein Wunder, zum einen hat die Broschüre 68 Seiten, und zum anderen ist Autor kein geringer als Günter Wollstein:

Günter Wollstein (* 28. Oktober 1939 in Landsberg/Warthe) ist ein deutscher Historiker.

Günter Wollstein studierte Geschichte, Politik und Latein an den Universitäten Marburg und Berlin. Er promovierte 1972 über Vom Weimarer Revisionismus zu Hitler: das Deutsche Reich und die Grossmächte in der Anfangsphase der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland und Wollsteinlegte 1976 seine Habilitationsschrift (begleitet von Andreas Hillgruber) mit dem Thema Das „Großdeutschland“ der Paulskirche. Nationale Ziele der bürgerlichen Revolution 1848/49 vor. Wollstein lehrte von 1972 bis zu seiner Emeritierung 2004 als Professor an der Universität zu Köln. In den letzten Jahren lehrte er als Gastprofessor an der Karlsuniversität Prag. Seine Forschungsschwerpunkt ist die Deutsche Revolution 1848/1849 und die Außenpolitik im Übergang von der Weimarer Republik zum Dritten Reich. (Quelle: wikipedia)

Und obwohl Wollstein mittlerweile im Ruhestand ist, kehrt bei ihm keine Ruhe. Er schreibt darüber:

„Bis Oktober 2004 wirkte ich am Historischen Seminar der Universität zu Köln. Seitdem bin ich im Ruhestand. In diesem spezialisierte ich mich auf die Präsentation von Spielfilmen und deren historische Deutung.“

Auch nicht schlecht.

Aber zurück zum Thema: Diese Broschüre erschien im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung und zwar in der Reihe „Informationen zur politischen Bildung“ als Nr. 265 (erstmalig im Jahr 2006)

Wer sich für politisch-historische Zusammenhänge interessiert kommt an diesem Band gar nicht vorbei, denn erstmalig hat sich „das deutsche Volk“ in einer derartige Breite und auch Wucht gegen die Obrigkeit aufgelehnt. Und ja … als diese tapferen Frauen und Männern verdienen unseren Respekt und deshalb ist es nur gut, dass wir auch heute noch ihre Lieder kennen und singen (sofern man des Singens mächtig ist, mitsummen gilt auch !)

Karikatur2

 

Beispiel01

Märzforderungen

Paulskirche

Grundrechte

Sehr erstaunlich … dieser Vergleich …

Maueranschläge

VersammlungrechtFürFrauen
Kehraus

So, genug der Vorschau, hier geht´s zur Präsentation:

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Erstazsgabe Wochenblatt Fliegende Blätter

Die Erstausgabe des Wochenblattes „Fliegende Blätter“