Elke Kimmel + Claudia Schmid-Rathjen – Waldsiedlung Wandlitz – Eine Region und die Staatsmacht (2016)

TitelMein erstes Berlin Mitbringsel …

Weltgeschichtlich alles andere als bedeutend und dennoch: Ein Blick hinter die Mauern jener Staatmacht eines Landes, das Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre aufgehört hat zu existieren: Die DDR.

Die Waldsiedlung in Bernau bei Berlin, aufgrund der größeren Nähe zum Ort Wandlitz meist fälschlicherweise als Waldsiedlung Wandlitz bezeichnet, ist eine eineinhalb Quadratkilometer große Wohnsiedlung. Sie entstand ab 1958 für die Mitglieder und Kandidaten des Politbüros des ZK der SED, deren Tätigkeitsbereich in Berlin lag. Das bewachte Gelände wurde nach der Wende geöffnet, umgestaltet und in großen Teilen neu bebaut. Es liegt auf dem Gebiet der Stadt Bernau und ist seit 2001 ein offizieller Stadtteil davon.

Die Siedlung wurde 1958 bis 1960 auf Beschluss des SED-Politbüros inmitten eines Waldgebietes gebaut, das bei der einheimischen Bevölkerung als Schießstände bekannt war. Die fertige und auf keiner Landkarte verzeichnete Siedlung, in die zunächst 23 Politiker mit ihren Familien einzogen, unterstand der Hauptabteilung Personenschutz des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Die Mitglieder des Politbüros konnten dort besser gesichert werden als in ihren Villen am Majakowskiring in Berlin-Niederschönhausen. Den Wohnsitz in die Waldsiedlung zu verlegen, war mit der Berufung in das Politbüro für dessen Mitglieder obligatorisch.
In diesem Haus in der Waldsiedlung Wandlitz lebte DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker bis zu seiner EntmachtungIn diesem Haus in der Waldsiedlung Wandlitz lebte DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker bis zu seiner Entmachtung

In diesem Haus in der Waldsiedlung Wandlitz lebte DDR-Staats- und Parteichef Erich Honocker bis zu seiner Entmachtung

Mauer am Westrand des Areals noch in Originalhöhe, Innenansicht, August 2010
Die Abschirmung war von außen nicht unmittelbar erkennbar. Der äußere Ring wurde durch einen Maschendrahtzaun umsäumt, an dem Schilder mit dem Hinweis auf ein Wildforschungsgebiet hingen. Der innere Ring, der nur teilweise vom äußeren Ring umschlossen war, war mit einer zwei Meter hohen und rund fünf Kilometer langen grün angestrichenen Beton-Sicherungsmauer umgeben und durfte nur mit Sonderausweis betreten werden. Die vier Tore wurden von Soldaten des MfS und des Wachregiments Feliks Dzierzynski bewacht.

Zusätzlich war die PS-Wache (Hauptabteilung Personenschutz) eingesetzt. Insgesamt umfasste der Sicherungsbereich 33 Postenbereiche, einschließlich der Postenbereiche 32 (Badestelle Liepnitzsee) und 33 (Haus am See – Sommerhaus der sowjetischen Botschaft). Zwei Posten waren in vorgelagerten Wachtürmen untergebracht. Die Bewachung wurde als „Militärisch-operativer Sicherungsdienst“, unter Diensttuenden mit „MOS“ bezeichnet.

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Haupteingang/Wache zum früheren „Innenring“ der Waldsiedlung (Aufnahme: Juli 2004)

Die Sicherungsposten hatten einen pilzförmigen Unterstand mit einem aus dem Bergbau bekannten explosionsgeschützten Telefon. Die Tore wurden zusätzlich zu den Posten auch per Video überwacht. Die grüne Mauer war nachts etwa alle 30 Meter mit einer Leuchtstofflampe beleuchtet. Bei Nebel wurde eine zweite nach oben leuchtende dazugeschaltet. In einigen Abschnitten waren Signalanlagen auf der Mauer befestigt. Die Posten hatten jeweils über 24 Stunden Dienst und wurden in dieser Zeit vier Mal abgelöst.

Die Waldsiedlung bestand im inneren Ring aus 23 ein- und zweistöckigen Einfamilienhäusern mit teils 7 und teils 15 Zimmern, letztere mit 180 Quadratmetern Grundfläche, einem Klubhaus mit Arztpraxis, Schwimmbad, Sauna, Kino und Gaststätte, einem Handfeuerwaffen-Schießstand und einem Sportplatz mit Tennisanlage. Im sogenannten äußeren Ring (der den inneren aber nur teilweise umschloss) gab es unter anderem eine Gärtnerei, eine Poliklinik sowie Wohn- und Sozialgebäude für Angestellte und Wachpersonal. In der Siedlung wohnten die Funktionäre des SED-Politbüros auf einem für DDR-Verhältnisse sehr hohen Niveau. Über eine als Ladenkombinat bezeichnete Verkaufseinrichtung gelangten die Bewohner und ihre Familien in den Genuss hochwertiger DDR- und Westerzeugnisse sowie eines außergewöhnlichen Angebots an Frischobst und -gemüse. Nahezu jeder Einkaufswunsch, ggf. auch mittels Bestellung per Katalog und Einkäufen in Westberlin konnte erfüllt werden.
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Wohnzimmer von Walter Ulbricht

Verantwortlich dafür war der Sektor Letex der Kommerzielle Koordinierung. Als während der Wende die Sendung Elf 99 des DDR-Fernsehens den relativen Luxus von Wandlitz zeigte, trug dies zur Empörung der Bevölkerung über das Regime bei, dabei war zu diesem Zeitpunkt das Sortiment schon deutlich reduziert.

Ein Stab von über 60 Hausangestellten sorgte sich um alle Aspekte des täglichen Lebens. Die Mitglieder der Partei- und Staatsführung leisteten sich in der Waldsiedlung einen Lebensstil, der weit über dem eines normalen DDR-Bürgers lag. Dies und die Abschottung von der eigenen Bevölkerung trugen zur Entfremdung zwischen der Führung und dem Volk bei und wurden während der Wende, aber auch schon zuvor, immer wieder scharf kritisiert. (Quelle: wikipedia)

Hier ein kleines Büchlein (64 Seiten), das den Blick hinter diese Kulissen jener Bonzensiedlung wirft …
Und dabei wird – und das finde ich sehr lobenswert – nicht nur die Zeit seit 1960 aufgezeichnet, sondern auch dieses kleine Stückchen Wald in seiner ganzen Geschichte zumindest skizziert.

Aber das ist natürlich der Schwerpunkt des Buches:
Der historisch-kritische Überblick über die Geschichte der Waldsiedlung vermittelt Einblicke in die Lebenswelt der Politbüromitglieder, ihrer Familien und des für sie zuständigen Wach- und Dienstpersonals und benennt die Auswirkungen auf die Region.

Und wer mehr wissen will, kann sich dann noch die umfassende Dokumentation zu dem Thema kaufen:  Verfasst haben es Elke Kimmel und Jürgen Danyel, das Buch hat dann gleich 228 Seiten und heißt: “ Waldsiedlung Wandlitz – Eine Landschaft der Macht“.

Und ja … da hat wohl der Voyeur in mir zugeschlagen.
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