Peter Härtling – Ben liebt Anna (1979)

Titel.jpgEs kommt vermutlich nicht allzu häufig vor, dass ein Autor Bücher für Erwachsene und Kinder schreiben kann. Bei dem Autor Peter Härtling war das jedoch der Fall:

Peter Härtling (* 13. November 1933 in Chemnitz; † 10. Juli 2017 in Rüsselsheim am Main) war ein deutscher Schriftsteller, Herausgeber und Journalist.

Peter Härtling verbrachte seine Kindheit zunächst in Hartmannsdorf bei Chemnitz, wo sein Vater eine Rechtsanwaltskanzlei unterhielt. Während des Zweiten Weltkriegs zog die Familie nach Olmütz in Mähren, gegen Ende des Kriegs floh sie vor der Roten Armee nach Zwettl in Niederösterreich. Im Juni 1945 starb der Vater in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg übersiedelte Härtling nach Nürtingen, besuchte dort das Max-Planck-Gymnasium und wurde Volontär bei der Nürtinger Zeitung. 1946 nahm sich seine Mutter das Leben. Deren Vergewaltigung durch russische Soldaten hatte Härtling 1945 mitansehen müssen. 1948 lernte er in Nürtingen den Bildhauer Fritz Ruoff kennen, der zu seinem Mentor wurde. 1959 heiratete er die Psychologin Mechthild Maier. Das Paar hat vier gemeinsame Kinder.

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Der junge Peter Härtling

1954/1955 war Härtling Redakteur bei der Heidenheimer Zeitung, 1956 bis 1962 bei der Deutschen Zeitung und 1962 bis 1964 bei der Zeitschrift Der Monat, deren Mitherausgeber er daraufhin bis zum Jahr 1970 war. In den 1960er Jahren beteiligte sich Härtling an Wahlkämpfen für die SPD, später wandte er sich von ihr ab und unterstützte die Friedensbewegung.

Härtling war 1967 als Cheflektor und von 1968 bis Ende 1973 in der Geschäftsleitung des S. Fischer Verlags in Frankfurt am Main tätig. Seit 1974 arbeitete er als freier Schriftsteller. Im Wintersemester 1983/84 hielt Härtling die Frankfurter Poetik-Vorlesungen, in deren Verlauf die Erzählung Der spanische Soldat nach einer Fotografie von Robert Capa entstand. Von 1985 bis 1991 war er Mitglied der Synode der EKD.

Von 1998 bis 2006 war Härtling Präsident der Hölderlin-Gesellschaft. Er war Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Akademie der Künste Berlin und des PEN-Zentrums Deutschland. Ihm wurden darüber hinaus viele Literaturpreise und Auszeichnungen anderer Art zuteil, wie z. B. im Jahr 2004 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Nürtingen, in der auch ein privates Gymnasium nach ihm benannt wurde. Rund 20 Schulen wurden bislang nach ihm benannt.[10] Ab 2012 war Härtling ehrenamtlich als „Botschafter“ für die Deutsche Lungenstiftung tätig.

Peter Härtling lebte von 1973 bis zu seinem Tod im hessischen Mörfelden-Walldorf.

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Peter Härtling widmete einen großen Teil seines literarischen Werkes – sowohl in der Lyrik als auch in der Prosa – der Aufarbeitung der Geschichte und der eigenen Vergangenheit. Der autobiografische Roman Zwettl (1973) beschäftigt sich mit der Zeit in Niederösterreich nach der Flucht der Familie vor der Roten Armee. Nachgetragene Liebe (1980) verarbeitet Härtlings Erinnerungen an den früh verstorbenen Vater. In seinem 1990 erschienenen mit Mein Roman bezeichneten Buch Herzwand beschreibt der Autor – ausgelöst durch eine Herzuntersuchung in einer Klinik – seinen Lebensweg von der Ankunft als Flüchtlingskind in Nürtingen über die Förderung in Schule und Ausbildungszeit bis zum Mitwirken an den Auseinandersetzungen um die Startbahn West des Frankfurter Flughafens.

Thematisch prägend ist in Härtlings Gedichten, Essays und Kritiken auch die Heimat, die er in Württemberg gefunden hat.

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Das Arbeitszimmer des Peter Härtling

Den Hintergrund für einen weiteren Schwerpunkt seines Schaffens bilden die Literatur und die Musik der Romantik. Härtling bereitete die Lebensgeschichten der Schriftsteller Friedrich Hölderlin, Wilhelm Waiblinger und E. T. A. Hoffmann sowie der Komponisten Franz Schubert und Robert Schumann in Romanbiografien auf. Mit Niembsch (= Nikolaus Lenau) leistete er einen frühen Beitrag zur Postmoderne. Dem Liederzyklus Winterreise von Schubert kam eine besondere Bedeutung für Härtling zu, so dass er 1988 mit Der Wanderer ein eigenes Buch dazu veröffentlichte.

„Wir gleichen dem namenlosen Wanderer. Wir wandern nicht mehr, um anzukommen, wir sind unterwegs in einer frostigen, auskühlenden Welt.“ (Peter Härtling in Der Wanderer, 1988)

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Nachdem Härtling 1969 eine Laudatio auf den tschechischen Kinderbuchautor Jan Procházka gehalten hatte, begann er 1970, selbst Bücher für Kinder zu schreiben. Seine Kinder- und Jugendbücher behandeln meist soziale Probleme, die Kinder betreffen. In Das war der Hirbel (1973) geht es um ein geistig behindertes Heimkind und die damit verbundene gesellschaftliche Ausgrenzung, Oma (1975) thematisiert das Altern und den Tod, Theo haut ab (1977) das Ausreißen von zu Hause und von den Eltern. In Ben liebt Anna (1979) verliebt sich ein deutscher Schüler in eine polnische Schülerin.

Peter Härtling war langjähriger Moderator der Sendung Literatur im Kreuzverhör in hr2, dem Kulturprogramm des Hessischen Rundfunks. Von Januar 2016 bis zu seinem Tod moderierte er monatlich Das kleine Literaturquiz. (Quelle: wikipedia)

Und hier das ganz und gar bezaubernde Buch „Ben liebt Anna“:

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Ben liebt Anna ist ein Kinderbuch von Peter Härtling, erschienen 1979. Der Roman stand in der Auswahlliste des Deutschen Jugendbuchpreises und erhielt den Zürcher Kinderbuchpreis. Er wird vom Verlag für Kinder ab der 2. Klasse empfohlen.

Ben ist neun Jahre alt. Zu Beginn des vierten Schuljahres kommt Anna in Bens Klasse. Sie ist ein Aussiedlermädchen, das mit ihrer Familie aus dem polnischen Katowice nach Deutschland gekommen ist. Obwohl Ben zunächst nichts mit ihr anfangen kann, geht sie ihm nicht mehr aus dem Kopf. Sie kommen sich näher. Ben begleitet Anna zu der Barackensiedlung, wo sie mit sechs Geschwistern und den Eltern lebt. Er schreibt ihr einen Brief und fragt sie, ob sie mit ihm gehen wolle. Sie antwortet eine Weile später („dein Brief ist schön“), beantwortet aber nicht die Frage „Willst du mit mir gehen?“. In den Pfingstferien verbringen sie einige Tage miteinander. Dann wird Ben krank, und als es ihm besser geht, sagt ihm sein Vater, dass Annas Vater eine Arbeit im Ruhrgebiet gefunden habe. Als er wieder in die Schule kann, haben sie nur wenig Zeit, sich voneinander zu verabschieden.

Die Geschichte nimmt konsequent die Erzählperspektive von Ben ein, was dem Buch auch gewisse Vorbehalte eingebracht hat, da Anna lediglich das Objekt von Bens Gedanken ist, aber im Grunde Nebenfigur bleibe. Auch werde die Lebenssituation von Aussiedlern lediglich angedeutet. Zudem habe sie sich in der Zeit seit der Veröffentlichung nicht nur geändert, sie erscheine im Buch auch zu überspitzt.

Dennoch ist der Grundkonflikt der Geschichte immer noch aktuell: Ben kann mit seinen Gefühlen für Anna zunächst wenig anfangen und flüchtet sich in Raufereien mit anderen Kindern, auf die er eifersüchtig ist. Er ist stets unsicher, was ihre Gefühle für ihn angeht, und fühlt sich angreifbar. Gleichzeitig hat er Verwandte und einen Lehrer, die verständnisvoll auf ihn reagieren, ihn unterstützen und ihm nichts aufdrängen.

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Diverse Buchausgaben

Annas Situation als zunächst Fremde, die dann aber Anschluss an die anderen Schüler findet und hofft, sich in Deutschland zurechtzufinden und deshalb ungerne mit ihren Eltern wegzieht, wird realistisch dargestellt. Härtling deutet in kurzen Szenen genug an, dass junge Leser die Möglichkeit haben, ihrer Fantasie freien Raum zu lassen und neugierig zu werden. Insofern entspricht die Erzählperspektive durch Ben derjenigen der einheimischen deutschsprachigen Leser.

Des Weiteren beleuchtet das Buch teils direkt, aber häufiger indirekt die soziale Situation von Menschen mit Migrationshintergrund (bescheidene ärmliche Wohnverhältnisse, Sprachprobleme, Barackensiedlung). Meist in Bildern wird vermittelt, dass es Menschen gibt, die grundlegend andere Lebenssituationen haben als jene Menschen, deren gesamte Verwandtschaft um den eigenen Wohnort herum wohnt. Der Begriff der Heimat wird Jugendlichen subtil und differenziert vermittelt.

Im Rahmen der neu aufkommenden Diskussion um das Spannungsfeld zwischen schulischer Sexualerziehung und der von manchen Kreisen befürchteten unerwünschten Sexualisierung von Kindern geriet die Erzählung aufgrund ihrer vereinzelten Verwendung im Primarschulunterricht und der enthaltenen erotischen Textpassagen in die Kritik.

Untypisch für ein Kinderbuch ist das offene Ende: Anna zieht weg und es bleibt unklar, ob sich die Protagonisten wiedersehen werden.
Hörspiel

Von dem Roman wurde auch ein Hörspiel produziert, das kaum von der Romanvorlage abweicht und in dem nur wenige Passagen ausgelassen wurden. Peter Lustig sprach dabei unter anderem den Erzähler.
Übersetzung
Das Buch wurde unter dem Titel بن آنا را دوست دارد von Vahab Haji Bagheri aus dem Deutschen ins Persische übersetzt. (Quelle: wikipedia)

Also, ich bin ja sowas von begeistert gewesen, mit welcher Sensibilität Peter Härtling sich diesem Thema annahm. Und mit dieser Begeisterung war und bin ih wohl nicht alleine:

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Und damit diese Präsentation so richtig rund wird, habe ich noch zwei Materialen zur Vertiefung des Buches beigelegt:

  • Eine „Lehrerhandreichung“ für den Unterricht von Marc Böhmann und Regine Schäfer-Munro
  • Eine Analyse des Buches nach literaturwissenschaftlichen und methodischen Aspekten von Oliver Hien

Nicht unerwähnt bleiben sollen dann noch die nicht minder bezaubernden Illustration von Sophie Brandes

Sophie Brandes (* 1943 in Breslau) ist Grafikerin und Illustratorin.

Sie musste mit ihrer Mutter und Großmutter 1945 aus Schlesien fliehen, wird für sechs Jahre in Niederbayern und die folgenden sieben Jahre in Oberbayern sesshaft, später in Würzburg, wo sie Abitur macht. Es folgen ein Orientierungsjahr in Paris und zwischen 1963 und 1966 sechs Semester Grafik- und Kunststudium an der Deutschen Meisterschule für Mode in München. Als Grafikdesignerin arbeitet sie vorerst fest angestellt, später freiberuflich für Modeunternehmen und namhafte Modejournale.

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Daneben beginnt sie, seit 1973, Kinderbücher zu illustrieren. Seit 1988 unterhält sie einen zweiten Wohnsitz in Mallorca und beginnt in einer neuen Kunstrichtung zu arbeiten, die sie ‚Objektkunst‘ nennt. In dieser Kunstgattung, Montagen und Collagen aus Treibholz, Altmetall und Relikten aus der iberisch-bäuerlichen Alltagskultur entstanden über 100 Reliefbilder und Vollplastiken. 2003 verlegt sie Wohnsitz und Atelier nach Veitshöchheim und Mallorca.

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Diese Passage erinnerte mich an meine Kindheit, als ich ebenfalls Schmetterlinge im Bauch hatte … dummerweise bekam meine Familie das mit und ich wurde dann eben zum Spott der gesamten Familie …

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