Katja Ebstein – Freunde (1971)

FrontCover1Mr. Jancy hat mich völlig zurecht darauf hingewiesen, dass dieses „Inch Allah“ Album kein Original-Album ist, sondern einfach ein Sampler mit Musik aus den Anfängen der 70er Jahre sein. Wie wahr und es tut mir natürlich leid, dass ich da schlampig recherchiert habe. Quasi zum Trost (er ahnte vielleicht, dass ich zerknirscht sein werde) hat dann Mr. Jancy dann gleich ein Original-Album von Katja Ebstein spendiert und zwar ihr 71er Album „Freunde“.

Natürlich war ihr Ehemann Christian Bruhn und Texter Michael Kunze auch bei diesem Projekt federführend beteiligt und sie steuerten so manche Komposition bei und Michael Kunze war fraglos der „Cheftexter“ für Katja Ebstein in diesen Jahren.

Aufgenommen wurde das Album in den I.B.C. Studios, London und bei den Begleitmusikern findet man so etliche Cracks aus der damaligen englischen Musikszene … erwähnen will ich dabei u.a. Chris Spedding, Kevin Peek und Clem Cattini.

Und nicht nur die Musiker waren quasi international, auch etliche der Songs stammten aus der Feder internationaler Künstler, wie z.B. die Bee Gees, Jerry Jefff Walker oder Bob Darin …

Und es ist wohl ein typischer Katja Ebstein Album für diese Zeit: Der ewige Spagat zwischen hitparadentauglichem Material und anspruchsvolleren Liedern … Und auch wenn ich mich heute als bekennender Ebstein-Fan bezeichnen mag … damals hatte die Dame einfach keine Chance bei mir … dröhnender Hardrock ala Mountain oder Humble Pie oder fulminanter Jazz-Rock alaColosseum oder The Flock standen bei mir damals hoch im Kurs … da hatte die Ebstein wahrlich keine Chance … aber gut, dass man im Leben mehr als einmal ne Chance bekommt … heute mag ich sie nicht mehr missen.

Kleine Ergänzung (soviel Zeit muss sein): Im inlet des Albums zeigte die Katja Ebstein ja nicht nur viel von ihren Beinen … mein männlicher Blick erkennt natürlich auch messerscharf, dass ihr Mini-Rock so mini war, dass man auch noch ihren Slip sehen kann … mich wundert es ein wenig, dass dies damals kein Skandal war … oder hatte Oswald Kolle schon so erfolgreich seine Botschaften unter das Volk gebracht ?

BackCover1

Besetzung:
Katja Ebstein (vocals)
+
Alan Beever (saxophone, flute)
Sheila Bromberg (harp)
Nick Bush (horn)
Tony Camp (bass)
Clem Cattini (drums)
Eric Ford (guitar)
Steve Gray (piano)
Barry Guard (percussion)
Cliff Hicks (guitar)
Gordon Huntley (guitar)
Martin Kershaw (guitar)
Richard Lee (recorder)
Richard Morgan (oboe)
Al Newman (flute)
Kevin Peek (guitar)
Ken Salmon (piano)
Reiner Schuelein (recorder)
Chris Spedding (guitar)
Trevor Spencer (drums)
Wally Smith (trombone)
Richard Tattersal (guitar)
+

violin:
Tony Gilbert – Bill Miller – Charles Vorsanger – Homi Kanger – Paul Scherman – Peter Poole – John Kirkland – Raymond Keenlyside – Gerald Emms – David Katz – George Lauland – Geoffrey Wakefield – Larry Rossi

viola:
Kenneth Essex – Chris Wellington – John Graham

cello:
Boris Rickelman – Peter Willison – Charles Tunnell

trumpet:
Tony Fisher – Paul Tongay – Leon Calvert – Ian Hammer

(hoffentlich habe ich keinen vergessen !)

Booklet1
Titel:
01. Freunde (Kunze/Bruhn) 2.52
02. Gibt es ein Herz das niemals bricht? (How Can You Mend A Broken Heart?) (Kunze/B.Gibb/R. Gibb) 4.00
03. Johnny Callaghan (Mr. Callaghan) (Kunze/Marnay/Monay) 3.20
04. Dr. Faustus (Bruhn/Kunze/Doucet) 3.37
05. Seit du nicht mehr bei mir bist (Kunze/Bruhn) 3.43
06. Ein kleines Lied vom Frieden (Hertha/Darin) 3.26
07. Nur beim Abschied nicht weinen (Loose/Bruhn) 2.38
08. Das alles war ich ohne dich (Mey) 3.20
09. Mr. Bojangles (Kunze/Walker) 4.28
10. Muss das Leben so hart sein? (Kunze/Maffay) 3.23
11. Das kleine Glück einer kleinen Liebe (Schäuble/Kunze/Christopher/Thompson) 3.45
12. Frieden in mir (Peace In My Mind) (Kunze/Gibb) 3.55

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Verschiedene Interpreten – Halbstark – Die wilden 50er und 60er (1991)

FrontCover1Da haben wir auf der einen Seite so einen „billigen“ Sampler, der 1991 erschienen ist und von dem Privatsender „Pro 7“ promoted wurde und dann haben wir auf der anderen Seite einen Sampler, der letztlich das musikalisch kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation repräsentiert … einer Generation die mittlerweile in Rente ist (oder demnächst in Rente gehen wird … ) Und natürlich ist hier nur von der pre-Beat-Ära die Rede … denn als Liverpool musikalisch die Welt eroberte, erloschen viele dieser Schlagerstars …

Und dennoch: Es wird nicht nur mir so gehen: Viele Titel sind mehr als gut bekannt, viele Titel haben uns in der späten Kindheit/frühen Jugend begleitet und keine Frage: So etliche Songs enthielten erste Attacken auf jene bigotte Spießbürger-Welt, die es galt , aus den Angeln zu heben. „Schuld war nur der Bossa Nova“ war eine Provokation, „Halbstark“ war erst recht ein weitere Provokation. Und mit der deutschen Fassung von „Tobacco Road“ versuchten sich die Lords als sozialkritische Kapelle. Und auch „Wenn ich ein Junge wär“ von Rita Pavone war eine kaum verhohlene Attacke auf die damaligen Geschlechterrollen. Und der Gitte Song „Ich will einen Cowboy als Mann“ ist hier noch gar nicht enthalten..

Über dieses Album habe ich dann noch eine interessante Besprechung gefunden:

„Wilde“ deutschen Songs aus den Jahren 1958-65 — das ist natürlich ein Widerspruch in sich. Erst Mitte der 1960er begannen einige Beat-Bands wie die Boots, tatsächlich mal ein bisschen zu rocken und nicht nur weichgespülte Schlagersoße auszudünsten. Trotzdem muss man der Auswahl zugutehalten, dass zumindest versucht wurde, „fetzige“, „pfiffige“ Stücke auszuwählen, und es sind auch einige nette Songs vertreten (u.a. von den Yankees, Drafi Deutscher und Benny Quick). Allerdings ist auch viel dabei, was ich persönlich schwer ertrage, oftmals unsäglich eingedeutschte Coverversionen. Trotzdem — es gibt sicherlich wesentlich schlechtere Sampler dieser Richtung; wer noch Material zum Beschallen einer Kitsch-Kult-Schlager-Oldie-Party sucht, der wird hier fündig. (Die zweite Teil Halbstark, Folge 2: Teenagermelodien zum Shaken, Twisten und Knutschen ist genauso „gut“. (Herr „Dr. Kurt Euler“ Offler)

DieHalbstarken01

So ganz kann ich dem wertem Dr. da nicht folgen. Natürlich gab es auch vor den Boots „wilde Songs“, denn das „Halbstarken-Milieu“ in Deutschland war definitiv vorhanden, und die bürgerliche Presse hatte immer wieder seine Gründe, sich darüber aufzuregen. Zu weiteren Vertiefung dieses Themas habe ich dieser Präsentation den lesenswerten Aufsatz der Historikerin Vanessa Erstmann „Halbstark! – Generationskonflikte in den 1950er Jahren in der Bundesrepublik“ (Quelle: aventinus nova Nr. 23 [04.08.2010] / Perspektivräume Jg. 1 (2010) Heft 1, S. 57-91) beigelegt.

Und mehr als einmal wanderten meine Gedanken zu der Frage, was aus all den Jugendlichen geworden ist, die damals ihre Münzen in die Musik-Box warfen, um ihre wilden aber auch sentimental-kitschigen Hits zu hören … Nun ja …, meinen Werdegang kenne ich ja *ggg*

Und um das Paket komplett zu machen, habe ich mir die „Mühe“ gemacht, alle Single-Hüllen der hier vertretenen 36 Lieder in eine eigene „Cover-Galerie“ zu packen.

SingleHüllen

Wie gesagt: Für die einen einfach eine nostalgische Schmunzeltour, für die anderen aber auch die Möglichkeit inne zu halten und über die Fragen „Wie wir wurden, was wir sind“ zu reflektieren. Für mich war bei der Beschäftigung mit diesem Sampler beides möglich. Und natürlich will ich darauf hinweisen, dass sich auf diesem Sampler auch so etliche Raritäten befinden wie z.B. „He, Little Blondie“ (von Steff und dahinter versteckt sich der spätere Liedermacher Stephan Sulke), „Wilhelm Tell Twist“ (von den rätselhaften Charly Cotton und seine Twist-Makers; dahinter versteckte sich Christian Bruhn, dem späteren Ehemann von Katja Ebstein) oder „Der Twist (The Twist)“ (von Oliver Twist & The Happy Twistler; über die weiß man eigentlich gar nichts …) … und … und … und …

BackCover1

Titel:

CD 1:
01. Die Yankees: Halbstark (Adamowsky,/Bartelt 2.15
02. Drafi Deutscher: Marmor, Stein und Eisen bricht (Bruhn/Loose) 2.41
03. Benny Quick: Motorbiene (Laudis/Helmer) 2.36
04. Manuela: Schuld war nur der Bossa Nova (Weill/Mann/Buschor) 2.30
05. Rex Gildo: Speedy Gonzales (Kaye/Lee/Hill/Gerard)  2.37
06. The Swinging Blues Jeans: Tutti Frutti (deutsche Version) () 2.03
07. Ted Herold: Da Doo Ron Ron (Spector/Barry/Greenwich/Niessen/Alzner) 2.23
08. Connie Francis: Ich geb‘ ne Party heut‘ Nacht (Bush/Hunter/Vincent) 2.18
09. Ricky Shayne: Ich sprenge alle Ketten (Moroder/Holm)  2.13
10. Teddy Parker: Nachtexpress nach St. Tropez (Mayer/Niessen) 2.27
11. Rita Pavone: Wenn ich ein Junge wär (Buchholz/Loose) 2.14
12. Charly Cotton und seine Twist-Makers: Wilhelm Tell Twist (Weinzierl/Rieden) 1.56
13. Jan & Kjeld: Hello, Mary Lou (Pitney/Blecher) 2.14
14.  Rita Pavone & Paul Anka: Kiddy, Kiddy Kiss Me (Munro/Arnie) 2.42
15.  Conny Froboes: Diana (Anka/Strtöm) 2.15
16.  Detlef Engel:  Mr. Blue (Nicolas/Blackwell) 2.23
17.  Oliver Twist & The Happy Twistler:  Der Twist (The Twist) (Ballard/Helmer) 2.42
18.  The Lords: Tobacco Road (Loudermilk/Moesser) 2.11

CD 2:
01. Drafi Deutscher: Shake Hands (Relin/Gaze) 2.15
02. Manuela: Ich geh‘ noch zur Schule (Traditional/Bruhn/Loose) 2.29
03. Benny Quick: Twist um Mitternacht mit Susi (Hertha/Götz/Hellmer) 2.21
04. Rex Gildo: Liebe kälter als Eis (Devil In Disguise) (Kaye/Giant/BaumBuchenkamp) 2.18
05. Connie Francis: Schöner fremder Mann (Nicolas/Gordon/Hosey) 2.41
06. Five Tops: Rag Doll (Bader/Crewe/Gaudio) 2.52
07. Steff:  He, Little Blondie (Little Honda) (Wilson/Nicolas/Love) 2.12
08. Helen Shapiro: Frag‘ mich nicht warum (Tell Me What He Said) (Barry/Siegel) 2.48
09. Peter Kraus: Sugar Baby (Scharfenberger/Busch/v.Pinelli) 2.30
10. Tommy Kent: Susie Darlin‘ (Luke/Moesser) 2.34
11. James Brothers: Wenn (When) (Evany/Reardon/May/Blecher) 2.20
12. Lil Malmkwist: Bobby’s Girl (Klein/Hofman/Felming) 2.21
13. Ted Herold: Moonlight (Scharfenberger/Busch) 2.42
14. Oliver Twist & The Happy Twistler: Steiler Zahn (Crier/Schwabach) 2.43
15. Hans Blum: Charly Brown (Blecker/Leiber/Stoller) 2.26
16. Swinging Blue Jeans: Good Golly Miss Molly (Deutsche Version) (Marascalgo/Martinez/Blackwell/Retter) 2.04
17. Conny Froboess: I Love You Baby (Anka/Siegel) 2.10
18. Johnny Hallyday + The Rattles: Das alte Haus in New Orleans (House Of The Rising Sun) (Traditional/Price/Hellmer) 3.58

Horst Buchholz in dem Film "Die Halbstarken" (1956)

Horst Buchholz in dem Film „Die Halbstarken“ (1956)

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Wieder lieferbar: Das kleine Star-Club Päckchen: The Rattles – Hurra die Rattles kommen (1966) + Günter Zint – Große Freiheit 30 – Vom Beat zum Bums (1987)

Wie gewünscht:

The Rattles – Hurra die Rattles kommen (1966)

Günter Zint – Große Freiheit 30 – Vom Beat zum Bums (1987)

Wer sich über einen Beitrag, der nicht mehr lieferbar ist, dennoch gerne nochmals informieren möchte, schreibe bitte an:

post-fuer-sammelsurium@gmx.net

Ich werde dann natürlich versuchen, solche Wünsche zeitnah zu erledigen, okay ?

Auch weitere (Musik) Wünsche kann man mir gerne mitteilen; ich schau dann, was sich machen lässt.

Udo Lindenberg & Das Panik-Orchester – Sister King Kong (1976)

FrontCover1Wird wieder mal höchste Zeit den Udo Lindenberg aus der Ecke zu kramen … denn, wie schon mehrfach erwähnt, die deutsche Rockmusik wäre ohne Lindenberg kaum vorstellbar. Und 1976 war schon ein ziemlich erfolgreiches Jahr für ihn.

1976 war für Lindenberg ein arbeitsreiches Jahr. Seine Fans beglückte er gleich mit
mehreren LP-Veröffentlichungen. Eine wie Sister King Kong ist wieder ein hervorragendes
Album geworden.
Nach einer balladenhaften Einführung (Die Bühne ist angerichtet) geht es dann mit
„Emanuel Flippmann und die Randale-Söhne“ richtig rockig zur Sache. In „Rätselhaftes
Bielefeld“  beschreibt uns Udo den durch eine Haifischrangelei verursachten
Höllen – und Himmelstrip. Da er zum Schluss des Liedes zur Venus fliegt wird klar das
es dort „…geiler als in Bielefeld“ ist. Nach „Satellit City Fighter“ folgen drei rockige Songs hintereinander. Das Thema Exorzismus wird in „Der Teufel ist los“ abgehandelt. Sensationslüstern „..wurden Millionen Wecker gestellt..“ um die modernen
Gladiatorenkämpfe in Original mitzuverfolgen. Das wird alles im Titelsong „Sister King
Kong“  der CD tierisch bejubelt. Jenny  ist eine 16-jährige Schulbummelantin und weil es wie im Song geschildert sich bis heute nicht viel geändert hat dürfte es auch gegenwärtig noch so manche „Jenny“ geben. “ Meine erst Liebe“ ist Udos über 6 Minuten langes Liebesepos vom ersten Treffen bis zur Trennung. Selbst der Trennungsschmerz wird positiv verarbeitet und es erfolgte kein Selbstmord wie folgendes Textzitat „…aber mein Mut und das war sehr gut- hat dann doch nicht mitgemacht…“ belegt.

Alles in allem kann man zu dieser Scheibe sagen das Gasgeben seines Panik-
Orchesters hat sich gelohnt. Wenn durch seine frühere Arbeiten der Eindruck entstanden wäre, er sei ein verrockter Liedermacher hat er das hiermit glänzend widerlegt. (ein Amazon Kunde)

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Eigentlich sind nur 3 Klassiker von Lindi enthalten. `Sister King Kong`, `Rock `n` Roll Arena in Jena` und natürlich `Meine erste Liebe`. `Meine erste Liebe` (mit der tollen Jutta Weinhold; hier irrt der Schreiber, es war Ulla Meinecke, die da im Duett mit Udo singt) ist sein vielleicht bestes Lied überhaupt? Es wird sicher Leute geben, die den Song kitschig finden, ich finde ihn genial und leide jedesmal wieder mit.

`Jenny` ist auch ein gutes Stück. Bei `Rätselhaftes Bielefeld` ist der Text wieder mal genial. Gewisse Textzeilen kann eben nur `Uns Udo` verfassen. Bei `Udo on the rocks` erfindet er die Disco-Musik. Es ist schon fast unglaublich, dass hier Sounds vertreten sind, die eigentlich erst im Jahr 1977 richtig angesagt waren. (Double Trouble)

Was der Lindenberg damals drauf hatte, lässt sich z.B. an diesem brutal starkem Übergang von „Die Bühne ist angerichtet“ „Emanuel Flippmann und die Randale-Söhne“ demonstrieren .. .da stellen sich einem doch glatt die Zehennägel auf auch wenn´s dann später ein wenig albern wurde.

Und auch „Jenny“ geht tierisch ab … textlich wie musikalisch …

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Und das Lied „Meine erste Liebe “ rührt mich heute noch zutiefst, denn hier singt der Udo Lindenberg auch meine Geschichte … von damals …

Und mit dem stillen „Rock’n Roll-Arena in Jena“ zeigt er, dass ihm bereits damals die Teilung Deutschland alles andere als gleichgültig war:

Ich würd‘ so gerne bei euch mal singen
meine Freunde in der DDR
’ne Panik-Tournee, die würd’s echt bringen
ich träume oft davon, wie super das doch wär‘

Doch die Funkionäre sind noch unentschlossen
diese „westliche Müllkultur“ sei nichts für die Genossen
wann sehen die Herren endlich mal klar
und bauen die Rock ’n‘ Roll-Arena in Jena?
(… oder bleibt die DDR
in Sachen Kulturaustausch weiterhin
die „Deutsche Desillusions Republik?“)

Ganz sicher nicht dass beste Udo Album (und was ist bitteschön das „beste Album“ von ihm ?) … und dennoch zeigt es, was für ein Potential der Bursche damals hatte …

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Besetzung:
Gottfried Böttger (piano)
Bertram Engel (drums)
Thomas Kretschmer (guitar)
Jean-Jacques Kravetz (keyboards)
Udo Lindenberg (vocals, percussion, bass, keyboards)
Paul Vincent (guitar)
+
Curt Cress (drums)
Claas Juster (keyboards)
Dave King (bass)
Thomas Immanuel Kuckuck (Tierstimme)
Olaf „Kicher“ Kübler (saxophone)
Ulla Meinecke (vocals bei 08.)
Kristian Schultze (keyboards)
Rico Vulkano (percussion)
Jutta Weinhold (vocals bei 03.)
+
vocals:
Christian – Inge Wellmann – Rale Oberpichler – Tobias – Udo Gerhard – Victor

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Titel:
01. Die Bühne ist angerichtet (Lindenberg) 2.40
02. Emanuel Flippmann und die Randale-Söhne (Lindenberg) 4.29
03. Rätselhaftes Bielefeld (Lindenberg) 5.12
04. Satellit City Fighter (Königstein/O’Brien-Docker/Lindenberg) 4.07
05. Der Teufel ist los (Lindenberg) 4.32
06. Sister King Kong (Lindenberg) 4.11
07. Jenny (Kretschmer/Lindenberg) 4.08
08. Meine erste Liebe (Lindenberg) 6.09
09. Udo On The Rocks (Cress/King/Schultze/Kübler/Vincent/Lindenberg) 4.57
10. Rock’n Roll-Arena in Jena (Kravetz/Lindenberg) 1.10

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Udo Lindenberg „undercover“: 1976 mit Achim Mentzel (* 15. Juli 1946 in Berlin; † 4. Januar 2016 in Cottbus) im damaligen „Lindencorso“ Unter den Linden. Lindenberg reiste als Tourist ein.

Samba – T.B.A. (1997)

FrontCover1.jpgDas war damals ne wirklich spannende Neuentdeckung:

Samba ist eine deutsche Band, die 1994 in Münster gegründet wurde, mittlerweile aber in Hamburg, Leipzig und Berlin zu Hause ist.

Mitte der 1990er Jahre bei Sony als hoffnungsvolle Newcomer im Windschatten der Hamburger Schule unter Vertrag, entwickelte sich die Gruppe um Songwriter Knut Stenert von deutschsprachigem Punk hin zu Indie-Pop, ohne dabei ein Massenpublikum ansprechen zu können. Der Name der Band geht auf einen seit den 1970er Jahren beliebten Sportschuh des Unternehmens Adidas zurück.

Samba wurde 1994 von den Schulfreunden Knut Stenert und Götz Grommek mit Schlagzeuger Thomas Hoppe gegründet. 1995 wurde ihre EP Das Licht bei Sony veröffentlicht, das Titelstück Das Licht, das auf mich scheint und aus dem Kühlschrank meiner Küche kommt gelangte zu mäßigem Radioruhm. Von der Debüt-LP Zuckerkick war das Video zu Flach und aus Milch im Musikfernsehen zu sehen.

Mit ihren deutschsprachigen Texten und verträumter Punkpop-Attitüde wurde die Band schnell mit der Hamburger Schule in Verbindung gebracht, obwohl sie mit entsprechenden Bands bis auf die Sprache kaum etwas gemein hatte.

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Samba DC. 1993.
Von links nach rechts: Thomas Hoppe (Schlagzeug bis 1996), Götz Grommek (Bass), Mirko Derpmann (Gesang), Knut Stenert (Gitarre), Arne Piri (Trompete) und Olli Wienand (Saxophon bis 1994

Nachdem das zweite, mit dem neuen Schlagzeuger Matthias Hirzel (auch bekannt als E.V. Hirzel und Hirzel Hirzelnsen) aufgenommene Album t.b.a., das die letzten Rocksongs enthält und die Entwicklung hin zu einer Indie-Pop-Band eröffnet, keinen Erfolg fand, wurde die Band von ihrem Major-Musiklabel Epic Records (Tochter von Sony Music) fallen gelassen. Die folgenden zwei CDs wurden in Hirzels Studio in Münster von der Band produziert und erschienen 1999 und 2001 beim Münchener Label Blickpunkt Pop, von dem unter anderem die Sportfreunde Stiller entdeckt wurden.

2004 ist Samba beim angesehenen Indie-Label Tapete Records untergekommen und veröffentlichte dort das Album Aus den Kolonien. Am 14. Juli 2006 erschien beim gleichen Label das sechste Album Himmel für alle, das im Frühjahr 2006 in Berlin aufgenommen wurde. Da Hirzel Hirzelnsen die Band verlassen hatte, halfen im Studio Tobias Siebert (Schlagzeug, Gitarre), der das Album zusammen mit Knut Stenert produzierte, und dessen Bandkollege bei Delbo, Florian Lüning (ebenfalls Schlagzeug), aus. Auf Tour trat die Band ab September 2006 mit dem Ex-Astra-Kid-Gitarristen Christian Götzer am Schlagzeug auf. 2008 wurde Götzer am Schlagzeug durch Jörn Brucker (Ex-Wolke) ersetzt. Zudem stieß Gitarrist Gregor Schenk zur Band.

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Von links nach rechts: Hirzel (Schlagzeug seit 1996), Knut Stenert (Gesang, Gitarre) und Götz Grommek (Bass).

Im Mai 2009 veröffentlichten Stenert und Benedikt Filleböck (Wolke) unter dem Namen „Knut und die herbe Frau“ ein gleichnamiges Elektropop-Album.

Am 1. April 2011 erscheint mit Die Ekstase der Möwen das siebte Samba-Album. Gründungsmitglied Götz Grommek, der heute bei der Band Elektrogrill Bass spielt, war bei den Aufnahmen nicht mehr dabei, live spielt nun Ramin Bijan von den Türen Bass. (Quelle: wikipedia)

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Promo MC mit 6 Tracks

t.b.a. ist das zweite Album der Münsteraner Indieband Samba und zugleich das letzte Major-Album der Band. Es wurde im November und Dezember 1996 im Hamburger Soundgarden-Studio von Chris von Rautenkranz, Knut Stenert und Samba produziert und abgemischt. Musik und Texte stammen wieder von Sänger Knut Stenert, einzige Ausnahme ist das Trio-Cover Kummer (Musik und Text von Stefan Remmler und Kralle Krawinkel).

t.b.a., der Nachfolger zum gelobten Samba-Album „Zuckerkick“ von 1996, markiert die Abkehr der Band vom Rock hin zum Pop, Sänger Knut Stenert bezeichnete den Titel V2 als seinen „letzten Rocksong“. Statt satter Zerrgitarren herrschen cleane, verspielte Pickings und Harmonien vor. Die Stimmung ist insgesamt düsterer, lakonisch bis depressiv, was sich auch in den nach wie vor kryptischen Texten widerspiegelt. Wichtiges Stilmittel sind die Keyboardsounds, die Bandfreund Carsten Meyer aka Erobique beisteuert. Das Album erschien 1997 auf LP und CD, es fiel bei der Plattenfirma Epic allerdings durch, wurde kaum promoted und der Vertrag mit der Band kurz nach der Veröffentlichung aufgelöst.

Und das ist eigentlich mehr als eine Schande. denn hier musizieren „junge Leute“, die nicht nur musikalisch zu überzeugen wissen. Pfiffige Melodien in Hülle und Fülle eingespielt in einem blitzsauberen Gewand. So hören fast durchgehend einen Ohrenwurm nach dem anderen …

Und nicht minder pfiffig, aber nachdenklich die Texte … da hat der Knut Stenert ganze Arbeit geleistet … und so macht dieses Album Appetit auf mehr !

Die meiste Zeit meines gegenwärtigen Lebens will ich eigentlich gar nicht wirklich jünger sein, wenn ich mir allerdings so ein Album anhöre, bekomme ich da meine Zweifel …

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Besetzung:
Götz Grommek (bass)
E.V. Hirzel (drums)
Knut Stenert (vocals, guitar, banjo, organ, harmonica)
+
Carsten Meyer (keyboards)

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Titel:
01. Ich geh jetzt tauchen (Stenert) 3:51
02. FCKW (Stenert) 2.32
03. Glücklich und dumm (Stenert) 2.51
04. Ein Lied mehr (Stenert) 1.52
05. V2 (Stenert) 2.21
06. Bundeswehrschlafsack (Stenert) 3.57
07. T-Shirt, ich liebe mich (Stenert) 2.29
08. Geht kaputt (Stenert) 1.48
09. Sommerhit (Stenert) 5.43
10. Zinn (Stenert) 2.49
11. Feuerwehr Pizzaservice (Stenert) 2.42
12. Satzkiller (Stenert) 2.18
13. Mir, wo die Blumen sind (Stenert) 2.09
14. Kummer (Krahwinkel/Remmler) 3.15
15. Route 66 (Stenert) 4.34

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Johano Strasser – Arbeit – Essay (1999)

Titel.jpgAlso … am letzten Samstag war ich bei einem öffentlich geführtem Gespräch zwischen dem aktuellen Juso Vorsitzendem Kevin Kühnert und dem ehemaligen Jusomitglied Johano Strasser (mittlerweile 79 Jahre alt) in Starnberg … eingeladen hatte der SPD Kreisverband Starnberg, die im Augenblick eh nichts zum lachen haben … Diese Gelegenheit wollte ich mir – als ehemaligem Sozi – nicht entgehen lassen … und dabei stieß ich dann auf dieses Büchlein.

Dieses Essay erschien ursprünglich zuerst im „Spiegel Special“ (Oktober 1998).

Und dort konnte mann dann folgendes lesen:
Der Arbeitsgesellschaft geht die Arbeit aus. Als die Philosophin Hannah Arendt vor nunmehr 40 Jahren diese Prognose stellte, verband sie selbst damit mehr Hoffnung als Sorge.
Zwar fürchtete sie, daß die Menschen in der modernen Arbeitsgesellschaft verlernt haben könnten, in freier Tätigkeit, denkend und handelnd, ihr Glück zu finden. Aber gerade in der Reduzierung der Arbeitslast erblickte sie die große Chance, daß der Mensch seine Phantasie und Schaffenskraft nun endlich auf seine vornehmste Aufgabe konzentrieren könnte: auf die Wiedergewinnung des Politischen in der freien Gestaltung des Gemeinwesens.
Heute dagegen erscheint, was Hannah Arendt als Chance begriff, den meisten als ein Horrorszenario: Immer mehr Arbeitslose. Immer mehr junge Menschen, denen der Einstieg ins Erwerbsleben verwehrt ist. Ist es angesichts solch bedrückender Tatbestände nicht geradezu frivol, von den Chancen der Krise zu reden?

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„Spiegel Special“ (Oktober 1998)

Erwerbsarbeit ist in unserer Gesellschaft nicht nur Mittel zur Einkommenssicherung. Sie ist auch ein Stück zentraler Lebenserfahrung und eine wichtige Quelle gesellschaftlicher Anerkennung. Für die Ausbildung einer selbstbewußten Persönlichkeit scheint sie unerläßlich.
Ausgeschlossen von alledem sind nicht nur die registrierten Arbeitslosen. Ausgeschlossen sind auch die vielen entmutigten Hausfrauen und die älteren Arbeitnehmer, die die Suche nach Beschäftigung längst resigniert aufgegeben haben und deswegen in den Statistiken schon gar nicht mehr vorkommen. Sie alle fühlen sich zumeist in ihren Möglichkeiten selbst dann beschnitten, wenn sie ein Auskommen haben.
„Erwerbsarbeit für alle!“ bezeichnet unter diesen Umständen eine einleuchtende, auf Gerechtigkeit, Emanzipation und soziale Befriedung zielende Forderung. Aber ist sie auch realistisch? Oder erleben wir heute tatsächlich das Ende der Arbeitsgesellschaft – und mit ihm die Abschaffung der Arbeit, wie die französische Bestsellerautorin Viviane Forrester vermutet?
Fast eine Milliarde Menschen sind weltweit ohne Arbeit, davon rund 35 Millionen in den OECD-Ländern, knapp 18 Millionen in der EU und 4,1 Millionen im vereinten Deutschland. Dabei wächst fast überall auf der Welt das Sozialprodukt, nimmt das Volumen des Welthandels zu, schießen die Unternehmensgewinne nach oben und steigt der Aktienindex.
Aller Standort-Larmoyanz zum Trotz erzielen die Volkswirtschaften der EU, allen voran die deutsche, Jahr für Jahr neue Exportrekorde. Aber welche Wunder die Marktwirtschaft auch immer vollbringt – die Arbeitslosigkeit steigt weiter an und mit ihr die Ratlosigkeit der Politiker.
Plakat.jpgDer Hauptgrund dafür ist eine an sich durchaus erfreuliche Entwicklung: Es gelingt immer besser, die Produktionsprozesse zu rationalisieren und damit menschliche Arbeit entbehrlich zu machen. Das gilt besonders im Sektor der Marktökonomie. Wenn es dabei bleiben soll, daß jeder im Marktsektor Beschäftigung findet, der arbeiten will und kann – dann geht es nicht ohne drastische Verkürzung der Erwerbsarbeitszeiten.
Wen diese Perspektive schreckt, der mag sich die Entwicklung der Erwerbsarbeitszeiten seit der industriellen Revolution vergegenwärtigen: Von 82 Stunden im Jahre 1825 sank die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in Deutschland kontinuierlich – mit einer kurzen Unterbrechung durch die Kriegswirtschaft der Nazis – auf weniger als die Hälfte. Und bei der Lebensarbeitszeit dürfte der Rückgang noch dramatischer sein.
Das ist ein eindrucksvoller säkularer Trend, wenngleich die modernen Fortschrittsoptimisten in der Regel vergessen haben, daß im Mittelalter – vor allem wegen der vielen Feiertage – die Erwerbsarbeitszeit kürzer war. Auch war das Arbeitstempo geruhsamer als in der gepriesenen Epoche des Industrialismus. Ganz zu schweigen von den frühen Jägern und Sammlern, die nach neueren Forschungen maximal zwei bis vier Stunden am Tag einer Tätigkeit nachgingen, die sich auch nur entfernt mit dem vergleichen läßt, was wir unter Arbeit verstehen würden.

Wer nur auf die gerechtere Verteilung der am Markt angebotenen Erwerbsarbeit setzt, übersieht freilich zweierlei: Zum einen ist Arbeit mehr als Beschäftigung im Industriesystem. Zum anderen kann der Mensch Identität und Selbstachtung aus verschiedenen Formen nützlicher und öffentlich anerkannter Tätigkeiten beziehen.
Der jüngste Bericht an den Club of Rome, den Orio Giarini und Patrick M. Liedtke unter den Titel „Wie wir arbeiten werden“ gestellt haben, ist in dieser Hinsicht bahnbrechend*.
Die Autoren verabschieden sich von der Vorstellung, der Marktsektor der Ökonomie könne noch einmal so etwas wie Vollbeschäftigung herstellen. Ganz ähnlich wie der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin schlagen sie einen öffentlich organisierten Sektor gemeinnütziger Arbeit vor.

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Die Erstausgabe des Essays

Erwerbstätige sollen hier, für ein ausreichendes Grundeinkommen, die Möglichkeit zu produktiver Tätigkeit bekommen. Wer mehr als die hier vorgesehenen 20 Wochenstunden arbeiten und mehr verdienen will, dem stünde der Marktsektor offen. Darüber hinaus plädieren Giarini und Liedtke für eine Aufwertung der Eigenarbeit, deren volkswirtschaftliche Bedeutung bis heute in der Tat sträflich vernachlässigt wird.

Dieses Drei-Schichten-Modell der Arbeit ist sicher durchdachter und realistischer als Ulrich Becks allzu einseitiges Plädoyer für die „glücklichen Arbeitslosen“, das die „Süddeutsche Zeitung“ im Juni dieses Jahres gedruckt hat. Auch wenn in der ersten Schicht der gemeinnützigen Arbeit Tätigkeiten zu verrichten sind, die nicht immer Spaß machen, so bietet das Modell doch mehr Wahlmöglichkeiten als die meisten Menschen heute haben.
Und außerdem: Durch die Verpflichtung zur Übernahme gemeinnütziger Tätigkeiten wird ein allgemeines Sozialeinkommen, das ja auch Beck fordert, erst politisch legitimierbar.
Implizit erteilen Giarini und Liedtke mit ihrem Modell auch jenen eine Abfuhr, die nach wie vor glauben, die Wachstumsraten der Marktökonomie könnten auf Dauer die Rationalisierungsfortschritte übertreffen. Die ökologischen Fragen kommen in ihrem Buch zwar nur am Rande vor. Die herkömmliche Wachstumsideologie betrachten die Autoren jedoch mit erheblicher Skepsis.

Gewiß lassen sich durchaus noch neue Wachstumsfelder erschließen, einige sogar zum Nutzen der Ökologie: Technologien zur Energieeinsparung und zum effizienteren Materialgebrauch; die Nutzung der Sonnenenergie und ihrer Derivate; Entwicklung und Installierung wirkungsvoller Recyclingsysteme. Aber wer Energie einspart und die regenerierbaren Energiequellen nutzt, ist weniger auf konventionelle Energie angewiesen und kann auf Kernkraftwerke ganz verzichten. Wer auf Stoffeffizienz und Wiederverwendung setzt, braucht weniger Rohstoffe, Halbfabrikate und Ersatzteile. Der Weg zurück in die alte Wachstumsherrlichkeit wäre dies also wohl nicht.
Erst recht nicht dann, wenn wir unter dem Diktat der ökologischen Notwendigkeiten endlich dem Vermeidungsimperativ Vorrang einräumten: Wenn wir die Lebensdauer der Gebrauchsgüter erhöhten und unsere Anstrengungen darauf richteten, Schäden durch unsere Wirtschafts- und Lebensweise nach Möglichkeit gar nicht erst eintreten zu lassen. Ein Großteil jenes defensiven Aufwands, den wir fälschlicherweise auf der Habenseite als Reichtumssteigerung verbuchen, würde dann überflüssig werden.
Dann bleiben die Dienstleistungen. Auch Giarini und Liedtke sehen die Arbeitsgesellschaft der Zukunft als Dienstleistungsgesellschaft. Sie betonen aber, daß ein Großteil der zukünftigen Dienstleistungen nicht im Marktsystem erbracht werden.
Das Marktsystem wird im Dienstleistungsbereich neue Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Aber sie dürften wohl nicht ausreichen, um alle diejenigen aufzunehmen, die durch die weitere Rationalisierung in anderen Wirtschaftszweigen arbeitslos werden.
Und wenn wir keinen Schritt mehr wagten, ohne zuvor einen bezahlten Lebensberater zu konsultieren? Wenn wir uns nur noch unter Anleitung eines professionellen Entertainers zu amüsieren wüßten? Wahrscheinlich nicht mal dann.

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Kevin Kühnert + Johanno Strasser bei der Veranstaltung am 17.Oktober 2018 in Starnberg

Also läuft es, wie immer man es dreht, unter dem Strich auf eine Verkürzung der Erwerbsarbeitszeiten hinaus – auch bei Giarini und Liedtke. Aber ihr Verständnis der daraus erwachsenden menschlichen Möglichkeiten bleibt vorerst ökonomistisch beschränkt. Natürlich ist die Arbeit, insbesondere für den modernen Menschen, eine fundamentale Existenzbedingung. Aber neben der vita activa gibt es die vita contemplativa, gibt es Muße und Spiel. Die Veränderungen, deren Zeugen wir heute sind, eröffnen auch die Chance, der kontemplativen, spielerischen Seite der Existenz mehr Raum zu geben.
Noch ist nicht entschieden, wohin die Entwicklung geht. Wird der vorherrschende Typus des arbeitenden Menschen bald der vielfältig einsetzbare „neue Selbständige“ sein? Der „flexible Mensch“ mit seinen ungelösten Identitätsproblemen, den der amerikanische Soziologe Richard Sennett (siehe Seite 142) in seinem jüngsten Buch beschrieben hat? Oder werden die Menschen sich selbst und ihre Arbeit mehr und mehr den Verwertungszwängen des Kapitals entziehen, um in Eigenarbeit und freier Kooperation einen wachsenden Teil ihrer Bedürfnisse zu befriedigen – und zugleich im Dienst am Gemeinwesen Lebenssinn zu finden?
Noch ist nichts ausgemacht.

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Ein Jahr später erschien dann dieses Essay in erweiterte Fassung als Buch … Ich habe einen Nachdruck davon ergattern können.

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Und die Juso wären nicht die Jusos, wenn, hätten sie sich nicht damals mit diesem Buch beschäftigt:

In letzter Zeit sind einige neue Bücher mit kapitalismuskritischem Inhalt erschienen. Das läßt vermuten, daß Worte, die der alleinseligmachenden Ideologie der Marktwirtschaft widersprechen, nun wieder gehört werden. Am Rande von vielen großen Worten und großspurigen Analysen der einen oder anderen Tendenz hat Johano Strasser ein Heft von gerade 40 Seiten veröffentlicht, das eine Menge Anregungen und Erinnerungen an das Wesentliche enthält. Ohne prätentiös zu einem großen Wurf auszuholen, macht er Mut zu utopischem Denken: “Kann es nicht sein, daß die verbreitete Verzagtheit des Denkens viel gefährlicher ist als eine überbordende soziale Phantasie?”

“Der Arbeitsgesellschaft geht die Arbeit aus.” Dieser Satz von Hannah Arendt wird heute oft als Gruselszenario zitiert und steht am Anfang von Strassers Essay. Er weist jedoch darauf hin, daß der Satz ursprünglich auch mit der Hoffnung verbunden war, den Menschen vom Zwang zur bloßen Existenzsicherung durch Erwerbsarbeit zu befreien und ihm Gelegenheit zur eigenen Entfaltung und zur freien Gestaltung des Gemeinwesens zu geben. Dagegen heißt die wichtigste Forderung nach sozialer Gerechtigkeit vernünftigerweise “Erwerbsarbeit für alle”, aber wie soll sie verwirklicht werden? Der Autor stellt diesem Dilemma die tatsächlich stattfindende Verkürzung der Arbeitszeit gegenüber. Lag die Zahl der wöchentlichen Arbeitsstunden z. B. um 1900 noch bei 60, so unterschreiten die meisten Branchen heute schon nominell 40 Stunden. In vorindustriellen Ökonomien dürfte die Zeit der Erwerbsarbeit noch kürzer gewesen sein.

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Die Langzeittendenz zur Arbeitszeitverringerung beruht heute nach Strasser auf der Rationalisierung (Ersetzung von menschlicher Arbeit durch Energie und Organisation) und auf der extrem hohen Produktivität, die gleichzeitig den Absatz der Produkte zunehmend erschwert. Parallel zu einer ständigen Vergrößerung des Sozialprodukts und stetigem Wachstum steigt besonders in den Industrieländern die Arbeitslosigkeit. Durch die immer effizientere Produktion werden die vielen Arbeitskräfte immer weniger gebraucht. Zur Steigerung der Konkurrenzfähigkeit muß rationalisiert werden, “Lean Management” und “Lean State” sind die Hauptursachen der Arbeitsplatzvernichtung (wann kommt die “Lean Society”?).

Strasser setzt die Einsicht voraus, daß kapitalistisches Wachstum auf der Grundlage begrenzter Ressourcen zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen führt; das bedeutet, daß wir uns nicht ökologischen Luxus erlauben können, sondern den ökologischen Notwendigkeiten entsprechend zu handeln haben. Unter den gesammelten Ideen zur Wirtschaftspolitik findet sich nicht nur die Öko-Steuer zur Senkung der Kosten von Erwerbsarbeit, sondern auch der Vorschlag von H. Butterweck, den Arbeitgeberanteil zur Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme statt an den Lohnkosten am Umsatz eines Unternehmens zu orientieren. Auf diese Weise könnten personalintensive Branchen entlastet werden.

Der abkupfernde Blick auf US-amerikanische, japanische und andere “Modelle” zur Verringerung der Arbeitslosigkeit erscheint Strasser nicht sehr hilfreich, ebenso Überlegungen zum sogenannten Bürgergeld (Negativsteuer). Jedenfalls würden solche Maßnahmen nur Symptome kurieren, weil die durch den unbestreitbaren technischen Fortschritt extrem hohe Produktivität menschliche Arbeitskraft zunehmend überflüssig werden lasse. Diese Entwicklung mache auch vor den armen Ländern nicht halt, die zwar vorübergehend von geringen Produktionskosten profitieren könnten, aber auch ein rasch wachsendes überschüssiges Arbeitskräftepotential aufbauen.

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Da eine weitere Steigerung der Produktivität wahrscheinlich sei, sei unsere Gesellschaft zu bedeutenden Umstrukturierungen der Arbeit, der Institutionen und der Zeit herausgefordert.

Der Kapitalismus verschafft den meisten arbeitenden Menschen mehr Freizeit, aber was fangen wir damit an? Strasser glaubt nicht, daß die Freizeit mit noch weiter aufgeblähten Angeboten der Erlebnis- und Tourismus-Industrie aufgefüllt wird, weil eine Steigerung des Erlebens im kapitalistischen Sinne vor allem zu einer Steigerung der Frustration führt. Die Behauptung, der Mensch wolle von Natur aus “immer mehr und mehr” könne durch eine Untersuchung der vorindustriellen Verhältnisse widerlegt werden. Leider erwähnt Strasser nicht die dominante Rolle des Fernsehens und anderer Unterhaltungsträger, aber wir dürfen vermuten, daß auch hier ein Sättigungs- und Frustrationseffekt zu beobachten ist.

Eine Änderung unserer Art des Wirtschaftens sei geboten, und zwar nicht nur zur Sicherung des Überlebens. Dies allein könne genausogut zu einer Nach-mir-die-Sintflut-Haltung führen. Nein, ”es gebe etwas zu gewinnen”, wenn es uns gelänge, dem Zwang zum quantitativen Wachstum zu entrinnen. Das heißt: Je weniger fremdbestimmte Arbeit um der materiellen Sicherung willen getan werden muß, desto mehr Zeit bleibt für Emanzipation des einzelnen (z. B. mit partnerschaftlicher Teilung der Hausarbeit), Teilhabe an der Politik (Demokratie als wirkliche Herrschaft des Volkes), schöpferische Eigenarbeit, Nachbarschaftshilfe, ehrenamtliches Engagement, Teilnahme am ganzen Produktionsprozeß. Schon heute gebe es in manchen Unternehmen Tendenzen zu einer stärkeren Integration von Planung und Ausführung, partnerschaftlicher Mitbestimmung, Beteiligung am Produktivvermögen oder Anreicherung von Arbeitsaufgaben. Die Befreiung von der (fremdbestimmten) Arbeit kann damit zur Befreiung der (dann selbstbestimmten) Arbeit werden.

Die “gern belächelte frühmarxistische Utopie der Aufhebung der Arbeitsteilung” (morgens Jäger, nachmittags Fischer, abends Hirte, nach dem Essen Kritiker zu sein) werde realistisch, wenn “jemand vormittags an seinem heimischen Computerarbeitsplatz Werbebroschüren entwirft, nachmittags den eigenen Haushalt besorgt und abends in der Volkshochschule Englisch unterrichtet”. Vielleicht schaffe der Kapitalismus sogar “selbst die Bedingungen für seine eigene Überschreitung”.

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Angesichts der sich abzeichnenden Wissensgesellschaft sei die entscheidende Frage, “ob sich der Geist immer radikaler den ökonomischen Verwertungszwängen des Kapitals unterwirft, oder ob die Menschen auch in dieser Hinsicht das Reich der Freiheit ausweiten können”.

Strasser hat das Büchlein in gut lesbarer Sprache geschrieben und umreißt seiner Ansicht nach wirksame Entwicklungstendenzen der Arbeitsgesellschaft im Umbruch, deren tatsächliche Ausformung in unseren Händen liegt. Aber die schwierige Antwort auf die Frage, wie wir den Übergang zum “Postkapitalismus” bewerkstelligen können, enthält es nicht. Vielmehr ermutigt es dazu, die Chancen der Krise zu nutzen und über die Existenzsicherung hinaus neue Ideen ins Auge zu fassen. (Henning Sievert in: „Die Sprotte“, einer Juso-Zeitschrift der Jusos an der Uni Kiel)

Wer mehr von diesen Gedanken eines Intellektuellen der SPD lesen möchte, möge sich bedienen.

Für mich ist dieses Büchlein weiterhin brandaktuell … Das Thema der Zukunft der Arbeit wird – wenn es keine Lösungen gibt -uns noch ganz gewaltig um die Ohren fliegen … Stichworte wie Arbeit 4.0 usw. sind bekannt … ist irgendeine Partei in der Lage, dazu die passenden Antworten zu finden ?

Auch Johano Strasser hat nicht das Patentrezept, aber dieses Essay ist wieder mal ein Beispiel seiner intellektuellen Schaffenskraft … bis heute empfinde ich dafür tiefe Bewunderung. Unser Land braucht intellektuelle Vordenker wie ihn … mit Visionen … und da fält mir natürlich dieser unsägliche Satz von Helmut Schmidt ein:

Wer eine Vision hat, der soll zum Arzt gehen“.

Vielleicht begann der Niedergang der SPD genau mit diesem Satz. Und ich mag an jene skurilen Typen der Grünen erinnern, die Anfang der 80er in den Bundestag gezogen sind (mit Blümchen in der Hand oder so) … Heute belächelt keiner mehr die Fragen der Ökologie, im Gegenteil: Angesichts der nun auch bei uns spürbaren Erderwärmung und den Folgen … striken alle Parteien eifrig an Konzepten … und die SPD kämpft immer noch mit den Braunkohlewerken …

Ach ja, Johanno Strasser ist ja Mitglied in der sog. „Grundwerte Kommisson der SPD“ … angesichts der gegenwärtigen Situation der SPD könnte man anfügen  … „geholfen hat das auch nichts“ … aber das wäre eine zu eindimensionale Sichtweise.

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Und das ist die bewegte Biographie des Johano Strasser … alles andere als vollständig:

Johano Strasser (* 1. Mai 1939 in Leeuwarden, Niederlande) ist ein deutscher Politologe, Publizist und Schriftsteller. Ab 1995 war er Generalsekretär des PEN-Zentrums Deutschland und Präsident von 2002 bis 2013.

Johano Strasser stammt aus einer internationalen Familie. Sein Vater wurde als Sohn einer Französin und eines Österreichers in St. Louis (USA) geboren, seine Mutter war Niederländerin. Die beiden Pazifisten lernten sich auf einem Esperanto-Kongress in Paris kennen; dieser Plansprache entspricht auch die Schreibweise seines Vornamens.

Seit 1945 lebte die Familie in Deutschland. Nach dem Abitur 1958 am Ratsgymnasium Rotenburg (Wümme) studierte Johano Strasser am Auslands- und Dolmetscherinstitut der Universität Mainz in Germersheim und wurde Diplom-Übersetzer. 1961/1962 arbeitete er in diesem Beruf bei den Ford-Werken in Köln. Anschließend studierte er in Mainz Philosophie und promovierte dort 1967.

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Johano Strasser, 1973

In den folgenden Jahren forschte und lehrte er in Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland. 1977 habilitierte er sich in Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin; anschließend lehrte er dort als Privatdozent.

Eine Professorenstelle an der Pädagogischen Hochschule West-Berlin wurde ihm, ausgelöst durch ein Strafverfahren, verweigert.

In den 1970er-Jahren engagierte er sich als programmatischer Vor- und Querdenker bei den Jungsozialisten; von 1970 bis 1975 war er stellvertretender Bundesvorsitzender. Seit 1975 ist er Mitglied der Grundwertekommission der SPD.

Von 1980 bis zu ihrer Einstellung 1988 war Strasser Redakteur und (mit Heinrich Böll, Günter Grass und Carola Stern) Herausgeber der politisch-literarischen Zeitschrift L 80. In seinen politischen Schriften kritisiert er das ökonomisch zentrierte Denken.

Seit 1983 betätigt er sich als freier Schriftsteller. Als sein gelungenstes Werk gilt der Roman Stille Jagd von 1995. Der Verband deutscher Schriftsteller (VS), heute in ver.di, wählte ihn auf der Bundesdelegiertenkonferenz in Hamburg (24. bis 26. September 1987) in den Bundesvorstand, dem er bis 1988 angehörte.

Strasser wurde katholisch erzogen, trat aber nach dem Abitur aus der Kirche aus. Seit 1964 hat er die deutsche Staatsangehörigkeit. Er ist mit der Schriftstellerin Franziska Sperr verheiratet und lebt am Starnberger See; sie haben zwei inzwischen erwachsene Kinder.

1984 wurde Strasser mit dem Preis „Das politische Buch“ der Friedrich-Ebert-Stiftung ausgezeichnet, 2002 mit dem Gerty-Spies-Literaturpreis der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz. (Quelle: wikipedia)

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v.l.n.r.: Friedemann Greiner (Leiter der Evangelischen Akademie Tutzing), Johanno Strasser und Thilo Sarrazin

Übrigens, der Kevin Kuhnert hat bei dem o.g. Gespräch mit Johano Strasser in Starnberg eine beeindruckende Figur abgegeben, beide plädierten übrigens dafür, dass sich – was die Zukunft der SPD betrifft – nur in Richtung einer radikal sozial-ökologischen Orientierung bewegen könne … Da werden sich die Grünen aber freuen.

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Kevin Kühnert in Starnberg am 27. Oktober 2018

Ingo Insterburg & Jürgen Barz – Barocke Liebeslyrik (1968)

FrontCover1.jpgTja, der Ingo Insterburg:

* 6. April 1934 in Insterburg, Ostpreußen; † 27. Oktober 2018 in Berlin, war ein deutscher Musik-Kabarettist, Komiker, Sänger, Multiinstrumentalist, Schriftsteller, Schauspieler, Komponist, Maler, Zeichner und Bastler.

Insterburg wurde in Ostpreußen geboren und wuchs in Bernburg (Saale) auf, das ab 1945 zur SBZ und ab 1949 zur DDR gehörte. An der Oberschule Bernburg (heute Gymnasium Carolinum Bernburg) erwarb er das Abitur, danach zog er 1953 nach West-Berlin und studierte dort von 1954 bis 1959 Kunstpädagogik an der Hochschule für Bildende Künste. 1959 begleitete er Klaus Kinski als Guitar-Ingo bei dessen Brechtballaden und spielte als Solo-Gitarrist die EP Guitar-Ingo ein. Zusammen mit Karl Dall, Jürgen Barz und Peter Ehlebracht gründete er 1967 die Komikergruppe Insterburg & Co., die in dieser Zusammensetzung bis 1979 bestand. Zu seinen bekanntesten Liedern dieser Zeit gehört Ich liebte ein Mädchen, in dem Insterburg seine meist wenig ergiebigen Liebesversuche in verschiedenen Stadtteilen Berlins, in deutschen Städten und dann in Staaten und Regionen der Erde besingt, bis diese ihn schließlich auf den IngoInsterburg1968_02.jpgMars führen. Bis 1993 tourte er mit verschiedenen Besetzungen unter dem alten Bandnamen. 1994 löste Insterburg die Gruppe auf; fortan trat er als Solist auf. Ab 2012 bildete er mit Lothar „Black“ Lechleiter das Duo „Insterburg & Black“.

Insterburg spielte in vier Kinofilmen mit und verfasste mehrere Bücher. Er baute viele seiner Instrumente selber. Dazu zählen zahlreiche eigene, oft skurrile Erfindungen, etwa Instrumente aus Küchengeräten wie ein Saxophon aus einem Abwasserschlauch.

Bis zu seinem 70. Lebensjahr war er passionierter Marathonläufer. Zudem war er Ehrenmitglied im Vegetarierbund Deutschland.

Insterburg lebte in Berlin. Er starb am 27. Oktober 2018 an den Folgen einer Krebserkrankung. Er war geschieden und hinterließ einen Sohn. (Quelle: wikipedia)

Tja … der Ingo Insterburg … ohne ihn wäre die kulturelle Vielfalt bei uns bedeutend ärmer gewesen.

Zur Erinnerung ein Album (noch bevor es Insterburg & Co.. gab), wo er auf seine unnachahmlich schräger Art, erotische Texte aus der Barockzeit neu und somit auf seine Weise interpretiert. Ihm zur Seite stand da noch der Jürgen Barz (später ebenfalls bei Insterburg & Co.). Und natürlich war dieses ‚Album „für Jugendliche ungeeignet“.

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Insterburg & Co in der Kreuzberger Kleinen Weltlaterne. Von Links: Jürgen Barz, Ingo Insterburg, Peter Ehlebracht und Karl Dall.

Besetzung:
Jürgen Barz (guitar, violin,  vocals, organ)
Ingo Insterburg (vocals, guitar, violin, organ)

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Titel:
01. Die Wollust bleibet doch 1.16
02. Es machet die Blondine 0.59
03. Unter allen Frauenzimmern 4.58
04. Hochzeitsscherz (Da ist nun, da kommt nun) 7.50
05. Mein Mädchen, laß hinfort mich nicht verschwendrisch sein 3.56
06. Als die Venus neulich saße 3.42
07. Komm meine Schöne komm 8.01
08. Schämt Euch doch Ihr alte Mutter 1.09
09. Asine lag gar krank an heißem Liebesfieber 1.36
10. Betrün dich nicht mein Kind 2.05
11. Oh Sternenäugelein 2.18

Musik: Ingo Insterburg
Texte: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (* um 1622 in Gelnhausen; † 17. August 1676 in Renchen) u.a.

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Lysistrara – Lysistrara (1979)

FrontCover1.jpgAlso ab Mitte der 70er Jahre gab es ne ganz spezielle Nische in der Rockmusik.

Und zwar diese Frauenbands, die neben ihre Musik auch gerne und laut  ihre sexuelle Orientierung und die war halt lesbisch, präsentierten.

Die erste diese Bands waren die „Flying Lesbians“: Die formierten sich bereits 1974 als erste feministische Frauenrockband Berlins. Die Gruppe spielte nur vor weiblichem Publikum, ihre 1975 aufgenommene LP gibt es auch nur in Frauenbuchläden zu kaufen. Aufgelöst haben die sich dann 1977.

Ihr Erbe hat dann  in Berlin die Frauengruppe Lysistrata angetreten, die mit dem gleichen Anspruch an Rockmusik, von Frauen für Frauen, arbeitet. Anfänglich waren die Frauenrockband noch auf technische Hilfe von Männern angewiesen, sie haben sich aber davon befreit. (Quelle: rockinberlin.de)

Und die Gitarristin Rita Eichelkraut erinnert sich an den Beginn dieser Band:

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Alle Texte und Melodien stammten von einer gewissen Viola Cellini, und nun ja, das steckt hinter dem Namen:

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Und _ das mag vielleicht den einen oder anderen Mann überraschen – hier spielen junge Frauen auf, und ihren (berechtigten) Zorn packen sie in eine Musik, die sich gewaschen hat. Dass dabei eine große Abgrenzung zu den Männern mehr als deutlich spür- und hörbar ist, ist einfach dem Geist jener Zeit geschuldet, als die Frauenbewegung ihre ersten Schritte unternahm.

Dabei hatten sie aber weitaus mehr Themen als man glauben möchte (siehe „‚Fortschritt“)

Und dass Schwule und Lesben damals noch ganz heftig diskriminiert wurden, brauche ich hier eigentlich auch nicht besonders erwähnen.

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Also: diese Musik hat Biss, den spielten Rockmusik (auch mit Blueseinflüssen) und das verdammt gut … aber das fanden nicht alle Frauen damals sonderlich gut:

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Also … auch bei mir herrschte anfangs eine gewisse Skepsis … verflogen ist sie, ganz und gar … Diese Aufnahmen sind natürlich ein Kind der damaligen Zeit, aber verdammt noch mal, das fetzt ganz schön und mit den Instrumenten Flöten, Saxophon und Orgel gibt es auch jede Menge interessanter musikalischer Farbtupfer.

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Besetzung:
Barbara Bauermeister (guitar)
Rita Eichelkraut (guitar)
Sylvia Kipp (organ)
Marianne Langfeld (vocals)
Christa Meyer (drums)
Christiane Oumard (bass)
Ulrike Sundermann (flute, saxophone)

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Titel:
01. Ich kann es nicht mehr hören 5.51
02. Gleich gegenüber 5.19
03. Coming Out 5.45
04. Oma Punk 3.28
05. Herbst 77 3.50
06. Fortschritt 6.31
07. Gaia 4.37
08. Rückwärts übern Rhein 2.56

Musik und Texte: „Viola Cellini“

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Die Textbeiträge von Rita Eichelkraut und Marianne Langfeld stammen aus dem Buch „Wir sind wie wir sind: Ein Jahrhundert homosexuelle Liebe auf Schallplatte … “ von Ralf Jörg Raber (2010, Hamburg)

Liliput (Zeitschrift) – August 1967

TitelHier ein beredtes Beisiel der pädagogischen Bemühungen meiner Eltern, mich dem damals 12jährigen Knaben auf den rechten Weg zu führen. Ahnten sie doch (angesichts meines 5 Jahre älteren Bruders der damals bereits mit einer provokanten Beatfrisur aufzufallen wusste), welchen Gefahren ich damals ausgesetzt war. Drohte ihnen doch das gleiche Schicksal wie sie es mit meinem Bruder zu erleiden hatten.

Also, gab´s für mich diese Jugendzeitschrift (heimlich las ich damals bereits die „Bravo“ …)

Mit dem Liliput des Nürnberger Sebaldus-Verlages erhielt die erste Jugendzeitschrift nach dem Zweiten Weltkrieg eine Lizenz. Heft Nummer 1 erschien im Oktober 1946 und war auf diesem Sektor bald führend in Bayern. Ergänzt wurde Liliput später durch die Stafette aus Freiburg. Beide Zeitschriften liefen eine Weile parallel nebeneinander, bis man sie zusammenlegte. Das erste Heft der vereinigten Zeitschriften Liliput/Neue Stafette erschien im September 1967. (Quelle: wikipedia)

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‚Weitere Ausgaben von „Liliput“

Ergänzend noch die Information, dass der Sebaldus-Verlag irgendwie mit der Katholischen Kirche in Bayern verbandelt war … Dort erschien dann auch mal die TV-Zeitschrift „Gong“ … wo ein gewisser Helmut Markwort sein Wesen, bzw. Unwesen trieb.

Mit diesem August 1967 Heft (48 Seiten) erschien also die letzte Ausgabe von Liliput, bevor dann eben die Verschmelzung mit der Stafette erfolgte.

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Und hier mal der Blick in das Inhaltsverzeichnis:

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Diese Zeitschrift hatte ja den Anspruch eine Zeitschrift „für Mädchen und Jungen“ zu sein … wie albern dieser Anspruch war, zeigte sich bereits beim Inhaltsverzeichnis. So konnte man damals auch demonstrieren, welchen Stellenwert Mädchen hatten.

Und so interessant auch all die Blicke in ferner Länder waren, über die Gegenwart in der Bundesrepublik findet sich so gut wie gar nichts …

Bedauerlicherweise … die Bemühungen meiner Eltern waren vergeblich … 1967 fand ich die CSU noch ziemlich tol … 3 Jahre später gründete ich dann an unserer Realschule den „Sozialistischen Schülerbund“ … unglaublich welchen Wandel ich da wohl vollzogen habe … Aber dennoch bin ich zu einem anständigen Bürger dieses Landes geworden.

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Ganz schön attraktive Gewinne … 

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Also, der Papagei in der „guten Stube“ ist für mich Tierquälerei pur … da gehört so ein Federvieh ja überhaupt nicht hin.

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Na klar … hier der mädchenspezifische Artikel

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Natürlich auch für mich damals unverzichtbar: Fußball !

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Eine Art Wild West Kurzroman

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Diese Firma kam ja eigentlich aus Italien

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Damals heißbegehrt. Es gab freilich auch hitzige Diskussionen, ob diese „Filzer“ wirklich den Buntstift ablösen sollen.

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Briefmarken … ja, war damals auch so ein Sammelgebiet bei mir … 

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Und da gab´s auch ne je eine Lektion in ‚Englisch und Französisch, womit klar ist, dass vorrangig wohl die Gymnasiasten angesprochen werden sollten.

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Aus der Rubrik „Junge Autoren“

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Und die Bundeswehr betrieb Imagepflege …

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Was die Teilung Deutschlands mit der Anglisierung der deutschen Sprache zu hat, hab ich nicht so recht verstanden

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Die Rückseite des Heftes

Deutsches Historisches Museum (Hrsg.) – Rückkehr in die Fremde – Remigranten und Rundfunk in Deutschland (1945 – 1955) (2000)

FrontCover1.jpgIch kann es drehen und wenden wie ich will … ich finde Radio-Geschichte weiterhin extrem spannend … und deshalb will ich hier mit viel innerer Freude, aber auch Nachdenklichkeit diese CD präsentieren:

Die CD erscheint anlässlich einer Ausstellung, die ab März 2000 – beginnend in Berlin – an mehr als zehn Orten der Bundesrepublik Deutschland bis in das Jahr 2002 zu sehen sein wird. Die Ausstellung, im Auftrag des Arbeitskreises selbständiger Kulturinstitute e.V. Bonn federführend von der Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv in Kooperation mit der Stiftung Archiv der Akademie der Künste in Berlin erarbeitet, befasst sich mit Remigranten und Rundfunk in Deutschland von 1945 bis 1955. Sie geht den Fragen nach, unter welchen Bedingugen Remigranten, die während der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur aus Deutschland hatten fliehen müssen, im Nachkriegsdeutschland, vor allem beim Rundfunk, haben Fuß fassen können und wie sie inhaltlich die Programme dieses Mediums (mit)geprägt haben.
In 17 Tonaufnahmen ist neben Persönlichem vor allem Politisches festgehalten – in Interviews mit Betroffenen, Kommentaren und Vorträgen, Hörspielen und Hörfolgen.

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Diese CD ist eine Produktion des Deutschen Historischen Museums Berlin, des Deutschen Rundfunkarchivs Frankfurt/M. und Potsdam – Babelsberg, des Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, der Akademie der Künste, des Museums für Post und Kommunikation und des Arbeitskreis selbständiger Kulturinstitute (AsKI) (Presse-Info)

Und auch wenn ich zu den Menschen gehören, die „die Gnade der späten Geburt“ hatten (Helmut Kohl), berührend mich diese Aufnahmen zutiefst.

Das ist diese schamlose Bericht über die fast fürtstlichen Bedinungen in einem KZ, da ist der bewegende Aufruf von Thomas Mann aus seinem Londoner Exil, da ist die letzte Radioansprache von Wolfgang Langhoff aus seinem Schweizer Exil … , da ist das Hörspiel „Funkhaus Masurenallee“ aus dem Jahr 1951 … da hören wir den Sozialdemokraten Ernst Reuter mit seiner 1953er Rede „Wo uns der Schuh drückt“ … oder aber auch den Markus Wolf und seinem Bericht über die „Nürnberger Prozessse“ und, und, und …

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Hört man all diese Stimmen, die darum gerungen haben, nach dem Ende des III. Reiches eine „neues Deutschland“ aufzubauen, da wird man, bzw. werde ich irgendwie ganz klein … und verspüre große Dankbarkeit, dass mir all diese Zeiten erspart geblieben sind.

Und diese CD ist auch eine Warnung … eine Warnung … eine Warnung  …

Dieses Zeitdokument wurde zusammengestellt von Anegar Diller und Hans-Ulrich Wagner.

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Titel:
01. Bericht aus dem Konzentrationslager Oranienburg (01 30.09.1933) 4.23
02. Thomas Mann: Ansprache „Deutsche Hörer! (18.03.1941) 5.06
03. Tran und Helle: Über das Abhörverbot ausländischer Sender im Dritten Reich (1940) 2.26
04. Bruno Adler + Annemarie Hase: Frau Wernicke. Über das Abhören von „Feinsendern“ (11.03.1941) 3.02
05. Wolfgang Langhoff: Abschied von Zürich (12.10.1945) 2.36
06. Fritz Eberhard: Kommentar zur Lage in Deutschland (24.11.1945) 2.39
07. Markus Wolf: Kommentar zum Ende des Nürnberger Prozesses (01.10.1946) 1.45
08. Hans Mayer im Gespräch mit Joachim-Felix Leonhard und Hans-Ulrich Wagner über die Remigration (20.05.1999) 7.12
09. Werner Milch: Vortrag über Victor Gollancz (03.11.1947) 3.21
10. Alfred Kantorowicz: Rede auf dem Ersten Deutschen Schriftstellerkongreß (05.10.1947) 4.05
11. Alfred Döblin im Gespräch mit Herbert Bahlinger (08.08.1948) 2.08
12. Thomas Mann: Ansprache im Goethe-Jahr in der Paulskirche Frankfurt am Main (25.07.1949) 6.45
13. Friedrich Karl Kaul: Hörspiel „Funkhaus Masurenallee“ (16.10.1951) 5.14
14. Ernst Reuter: Ansprache „Wo uns der Schuh drückt“ (27.09.1953) 2.50
15. Der Besuch des Fremden: Hörspiel von Walter Jens (18.11.1952) 5.43
16. Erika Mann und Theodor W. Adorno im Gepräch mit Adolf Frisé (29.01.1958) 4.11
17. Die Vergessenen. Hörfolge über das Leben deutscher Juden in Paris von Peter Adler (10.03.1956) 4.27

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Thomas Mann

Thomas Mann bei einer seiner Rundfunk-Ansprachen aus dem Exil